Der Schleier
Shin träumte.
Mittlerweile fiel es ihm sehr leicht dies zu erkennen, obwohl er sich sicher war, dass das was er hatte keine normalen Träume waren. Aber was war schon normal. Er saß auf seinem Bett in seinem Zimmer und sah sich den Raum an. Die Details waren verblüffend. Wenn er sich nicht so sicher wäre, dass er sich in Wahrheit gar nicht zuhause, sondern in der Schule befand, würde er meinen er wäre hellwach. Mit einem Seufzer ließ er sich zurückfallen und fragte sich wie er überhaupt wieder hatte hierherkommen können. Die letzten Nächte hatte er komplett Traumlos verbracht und er hatte den Verdacht, dass es etwas mit seinem Vater zu tun hatte.
„Da Hast Du Nicht Ganz Unrecht.", erklang eine Stimme am anderen Ende des Bettes.
Shin schreckte auf und sah sich plötzlich einem jungen Mann gegenüber, der gelassen neben ihm auf dem Bett saß und ein attraktives Lächeln zur Schau trug. Es dauerte ein paar Sekunden bis Shin bemerkte, dass der Fremde sein exaktes Ebenbild darstellte. Nur die Augen waren anders. Sie waren durchgehend Schwarz.
„Verzeih Mir Mein Eindringen. Ich Weiß Es Ist Unhöflich Einfach Fremden Boden Zu Betreten.", sagte der Shin mit den schwarzen Augen und blinzelte.
Der echte Shin blinzelte zurück. „Ich bin noch etwas neu auf diesem Gebiet, aber ich bin dir wenigstens dankbar, dass du es als notwendig betrachtest dich überhaupt zu entschuldigen. Darf ich fragen wer du bist?"
Das Lächeln blieb unverändert und Shin fragte sich ob er selbst auch so gut aussah, wenn er lächelte. „Das Kann Ich Nicht Beantworten, Schließlich Habe Ich Dich Noch Nicht Lächeln Gesehen.", antwortete der Fremde und Shin erschrak, als er erkannte, dass die Antwort nicht seiner Frage, sondern seiner unausgesprochenen Gedanken galt. „Nun Zu Der Anderen Sache... Ich Spreche Nicht Oft Meinen Namen Aus. Normalerweise Tun Das Andere Für Mich. Denk An Etwas Das Schwarze Augen Hat."
„Ich soll es etwa erraten?", erkundigte sich Shin.
„Ich Bitte Darum. Die Welt Steht Vor Dem Abgrund. Denn Ich Sah Einen Stern, Gefallen Vom Himmel Auf Die Erde; Und Ihm Ward Der Schlüssel Zu Dem Brunnen Des Abgrunds Gegeben."
„Was?"
Der Schwarzäugige Shin seufzte. „Der Grund Warum Du Hier Bist Ist Kein Zufall. Du Bist Das Kind Dieses Sterns."
Shin richtete sich schlagartig auf, als ihm die Bedeutung dieser Worte bewusst wurde. „Redest du von Aurun?!"
„Ja. Von Wem Sonst." Er beugte sich zu Shin vor und fuhr mit den Fingerspitzen vorsichtig über sein Gesicht. „Aber Du Hast Noch Nicht Alles Von Ihm Aufgenommen. Noch Bist Du Ein Kind Unserer Welt."
Shin rückte ein Stück von ihm weg. Die Berührung war irgendwie unangenehm gewesen. Die ganze Person vor ihm wirkte unangenehm und er versuchte sich an etwas zu erinnern das schwarze Augen hatte. Wenn er wissen wollte wen er vor sich hatte, musste er es ja selbst herausfinden. Vielleicht sollte er Fragen stellen. „Bist du auch ein Kind dieser Welt?"
Der Fremde hielt inne und schien über diese Frage nachzudenken. „Es Ist Schwer Zu Sagen.", überlegte er schließlich, kam auf allen Vieren nun zu Shin hinüber und roch ihm am Hals. „Dein Blut Riecht Süß."
„Bist du sterblich?", fragte Shin und bewegte sich nicht von der Stelle, während der andere langsam mit der Zunge über seine Halsschlagader fuhr. Die Narbe die Nell hinterlassen hatte, brannte leicht.
„Ich War Es Einst, Aber Jetzt Bin Ich Tot Und Kann In Ruhe Leben.", lachte er und seine Hände wanderten tatsächlich unter Shins Oberteil.
Shin hielt erschrocken die Luft an. Es war komisch von jemandem angefasst zu werden, der aussah wie man selbst. Aber immerhin war dies hier ein Traum, oder nicht? „Warum bist du so aufdringlich?", fragte er, während er versuchte die Hände von sich wegzudrücken.
Schwarze Augen schoben sich in sein Sichtfeld und schienen ihn auszulachen. „Was Ist Die Realität Denn Schon Weiteres Als Eine Aneinanderreihung Subjektiver Eindrücke. Dies Hier Ist Doch Genauso Gut, Es Wird Lustig. Ich Erinnere Mich Wie Ich Das Erste Mal Auf Lilith Traf. Ich Nahm Ihre Gestalt An, Ich Wollte Sie Verwirren, Sie Ärgern. So Wie Ich Es Auch Mit Den Anderen Göttern Getan Hatte."
Als Die Worte fielen, ließ Shin für einen Moment die Hände los und der Fremde schlang sofort seine Arme um ihn, die sich langsam schwarz färbten. Es wuchsen dunkle Federn daraus hervor, die fest wie Schuppen wurden und sich auf die dunkle Haut legten. Zwei dunkle Krallenhände legten sich um Shins Kopf. Fast wie die Hände von Nell, nur unwirklicher, länger und sie sahen älter aus. Ähnlich wie altes, verwittertes Eisen. „Ich kenne die Geschichte.", sagte Shin mit klopfendem Herzen, während die Krallen zärtlich mit seinen Haaren spielten und er in die schwarzen Augen starrte, die sich immer noch in seinem Gesicht befanden. „Ich weiß wer du bist. Du nahmst ihre Gestalt an und dachtest du könntest Lilith damit ärgern, aber sie hat dich stattdessen verführt. Du bist einer der Geschwistergottheiten."
Abaddon, der immer noch Shins Gesicht trug, brachte ein Lächeln zustande das ausnahmsweise mal nicht so aussah, als würde er sich über etwas lustig machen. „Du Glaubst Doch Nicht Etwa An Götter."
„Glauben wäre etwas übertrieben ausgedrückt.", überlegte Shin laut, gerade als ihm das offensichtliche einfiel und er das Wesen über sich musterte. „Ich habe einen vor mir."
„Es Ist Aber Nur Ein Traum."
„Nein, nein, ich habe vorher noch nie von Göttern geträumt und wenn du wirklich eine Produktion meiner Imagination bist, hättest du nicht Dinge sagen könne, von denen ich vorher noch nie etwas gehört habe.", gab Shin sachlich von sich, wehrte jeden Versuch Abaddons ab, ihm sämtliche Kleidungsstücke auszuziehen und fügte hinzu: „Und wenn das ein normaler Traum wäre, würde ich das hier viel mehr genießen."
„Sag Mir, Wer Hat Dir Etwas Über Götter Beigebracht? Uns Zu Erkennen Und Deine Art Zu Sprechen Zeigt, Dass Du Dich Etwas Damit Auskennst.", stellte Abaddon fest und ließ für einen Moment davon ab Shin zu bedrängen, der jetzt etwas irritiert von ihm wegrückte.
„Ich habe eine Freundin die in einem Tempel arbeitet.", murmelte er und spürte wie sehr ihn der Gedanke an Lucy quälte. Es war zu viel passiert, als dass er Zeit gehabt hätte sich darüber den Kopf zu zerbrechen und jetzt an sie zu denken tat mehr weh, als er erwartet hatte. Er hatte das Gefühl, dass er mit ihrer Abweisung etwas sehr Wichtiges verloren hatte. Vielleicht war er ja nicht der einzige, der im Moment schwere Zeiten durchmachte und vielleicht war etwas passiert. Irgendetwas. Fast schon hoffte er darauf, dass es so war und sie sich deswegen nicht meldete. Vielleicht ein kleiner Unfall, nichts Dramatisches. Oder ein Verwandter war gestorben. Shin erschrak, während sich in seinem Kopf immer schrecklichere Alternativen bildeten, die er aber immer noch angenehmer fand als eine einfache Abweisung oder dass er in Vergessenheit geraten sein könnte. Schulbewusst sah er zu Abaddon auf, der anscheinend einen guten Einblick in seine Gedankenwelt hatte.
Doch dieser wirkte sehr erfreut, was bei seinem Status als eher bösartige Gottheit vielleicht auch nicht gerade als gute Zeichen gedeutet werden konnte. „Sie Ist Es. Ich Kenne Diesen Menschen. Sie Gehört Zu Meiner Schwester Und Das Schon Seit Sehr Langer Zeit. Menschen Die Sich Mit Göttern Einlassen, Müssen Manchmal Aufgaben Erledigen Und Verschwinden Für Einige Zeit."
Shin fragte sich ob Abaddons Worte beruhigend auf ihn wirken sollten. Vielleicht war Lucy auf einer epischen (und sicherlich gefährlichen) Mission, also sollte er sich keine Gedanken machen? Aber es war immer nur noch ein „Vielleicht". Trotzdem entspannte er sich ein wenig. Das Gehirn hatte die Eigenschaft sich Wahrheiten auszusuchen und sich darin etwas auszuruhen, wenn auch nur für kurze Zeit. „Danke.", flüsterte er und schloss die Augen, bereit aufzuwachen. Doch Abaddon griff mit den Klauen um seinen Kopf und hob ihn ein Stück an.
„Noch Nicht. Ich Will Dir Etwas Zeigen."
Obwohl es kein normaler Traum war, hatte er die gleichen Eigenschaften wie andere Träume auch. Ehe Shin es sich versah, war er auch schon aufgestanden und folgte Abaddon, der immer noch aussah wie er selbst, durch den Flur hinunter in die Küche. „Es Ist Wieder Alles Wie Vorher.", erklärte das Götterwesen. Es stimmte. Das Chaos das hier geherrscht hatte, war verschwunden als hätte es nie stattgefunden. Shin sah sich erleichtert in der kleinen Wohnung um, die wieder so aussah wie sie auszusehen hatte, nichts unbekanntes oder beunruhigendes, abgesehen von seinem Ebenbild, das ihn mit schwarzen Augen beobachtete. „Ist Das Alles Was Du Brauchst? Diese Winzige Wohnung...", merkte es an, als Shin gerade das Eisfach vom Kühlschrank öffnete und stumm feststellte, dass Dario noch da war. Bevor der Gott Shins Gedanken um den körperlosen Kopf bemerkte, schloss er es schnell wieder.
„Was meinst du?", fragte Shin, wenn auch nur um von der dritten anwesenden Person im Eisfach abzulenken. Er wusste nicht wie Abaddon darauf reagieren würde und irgendwie ging ihn Dario ja auch gar nichts an. Der Gott ließ sich mit seiner Antwort etwas Zeit. Zeit in der er Shin mit seinen schwarzen Augen durchbohrte und den jungen Inkubus langsam aber sicher immer nervöser stimmte. Aber er klammerte sich gedanklich an Abaddons Frage, ignorierte alles in seinem Kopf, das die schwarzen Augen auf die Spur von Dario bringen könnte.
Endlich drehte Abaddon sich leicht zur Seite und es war als würde sein Blick endlich weg gleiten. „Ist Das Alles, Was Du In Deinem Traum Siehst?" er hob die Krallenhände und drehte sich einmal elegant im Kreis. „Mit Deiner Abstammung Und Dem Erbe Das Du In Dir Trägst, Steht Dir Die Ganze Welt Offen. Doch Du Ziehst Dich Hierher Zurück, Überlege Mal Woran Das Liegt."
„Das hier ist mein Zuhause.", sagte Shin ohne zu überlegen.
„Nein. An Diesem Ort hast Du Kein Zuhause. Dies Hier Ist Ein Ort Der Von Deinem Innersten Erschaffen Wird. Diese Zimmer, Dieses Zuhause Wie Du Es Nennst, Sie Grenzen Dich Von Dem Rest Ab. Etwas An Das Du Dich Nicht Mehr Erinnern Darfst." Mit sanften Schritten ging er zu der Haustür und legte eine Hand an den Griff. „Man Nennt Mich Gott Des Abgrunds. Dabei Stellt Man Sich Immer Meine Welt, Die Dimensionen Der Finsternis Vor, Doch Eigentlich Bevorzuge Ich Die Abgründe Der Seele. Lass Uns Zusammen Etwas Verbotenes Tun, Kind Der Lilith Und Abkömmling Des Gefallenen Sterns."
Shin fühlte sich nicht imstande etwas zu dieser kleinen Rede beizutragen. Viele der Worte ergaben keinen Sinn und Abaddons Aussprache machte es schwer etwas darin zu ergründen. Es ärgerte ihn, etwas nicht auf Anhieb begreifen zu können. Doch als sich die schwarze Hand auf den Griff der Tür legte, spürte er wie sein Innerstes sich verkrampfte. „Nimm sie weg.", brachte er hervor.
„Was Soll Ich Machen? Ich Bin Nicht Gerade Eine Der Gottheiten Zu Denen Man Betet Wenn Man In Not Ist. Alles Was Ich Kann Sind Wellen Schlagen." Die Krallen schienen sich kurz zu entspannen, dann schloss die Hand sich fest um das trübe Metall.
Shin ging einen Schritt nach vorne. „Lass das sein!", rief er und war überrascht, wie schwach seine Stimme klang. Hatte er wirklich gerade Panik? Es war einer der Momente, in denen man mit der Situation in einem Traum nicht mehr zurechtkam. Es wirkte fremd. Und ehe Shin es sich versah, blickte er auf sich herab, wie er auf Abaddon zukam, um diesen davon abzuhalten die Tür zu öffnen. „Lass es bleiben, lass mich in Ruhe!!", rief der junge Mann, der jetzt gar nicht mehr aussah wie er selbst. Shin blickte auf sich herab und musste feststellen, dass die Person dort unten viel zu helle Haut hatte, viel zu kränklich aussah und sie hatte Narben. Narben die ihm bekannt vorkamen. Die gleichen Narben, die Ren im Nacken trug. Doch dann war er wieder zurück, er selbst. Es geschah ohne jede Vorwarnung. Er war so auf das Aussehen seines anderen Ichs fixiert gewesen, dass er nicht mehr darauf geachtet hatte, was er tat. Seine Hände hatten sich derweil wie zwei Schraubstöcke um Abaddons schuppigen Arm geklammert und der Gott hatte mit einem milden Lächeln den Türgriff losgelassen. Erschrocken darüber was er getan hatte, wich Shin vor ihm zurück, zog seine Hände zu sich und starrte irritiert in die schwarzen Augen.
„Du Hast Angst. Gestohlen, Zerbrochen, Verformt Und Neu Geschaffen. Dass Aurun So Etwas Wie Dich Behalten Hat, Beweist Wie Eitel Er Ist. Nicht Wahr, Veil?" Abaddons Hände hatten sich beim Sprechen wieder um Shins Kopf gelegt, so dass er dessen Gesicht in seine Richtung drehen und seine Reaktion sehen konnte. Doch Shins Gesicht war Ausdruckslos. Oder eher: Erschreckend Ausdruckslos.
„Wer ist Veil?", fragte er mit leeren Augen. Als er blinzelte, merkte er wie das Bild vor ihm langsam verschwamm. Aus der Ferne kam eine Stimme die einen Namen rief. Jemand sagte: „Shin?" Und der Junge, der langsam merkte, dass es sich dabei um seinen Namen handelte, folgte dem Ruf und wachte auf.
Er lag auf dem Boden und die Luft um ihn roch feucht und schwer. Etwas war seltsam. Zwar war er aufgewacht, doch das Gefühl der Krallen die sich um seinen Kopf schlossen, hatte nicht nachgelassen. Shin sah auf und blickte in Nells Gesicht, dessen Hände es waren, die ihn festhielten. „Oh, du bist es nur.", brachte Shin im Halbschlaf heraus und schob seinen Mitschüler vorsichtig zur Seite um sich aufrichten zu können. Ren war ebenfalls hier. Er stand mit dem Rücken gegen einen massiven Baumstamm gelehnt und versuchte möglichst teilnahmslos zu wirken. Shin runzelte leicht die Stirn, als er ihn ansah. Sein Blick wanderte irritiert zu dem Baum. „Wo sind wir?"
„Im Gewächshaus.", gab Ren trocken von sich.
„So ein Unsinn.", sagte Shin und rief sich den schmerzenden Schädel. Es war wohl keine gute Idee gewesen sich auf dem Fußboden schlafen zu legen. „Das hier ist doch nicht das...", es knirschte, als Nell sich aufrichtete, dabei auf eine Glasscherbe trat und bei Shins verwirrtem Blick auf die Decke verwies, die aus zertrümmerten Glasfenstern bestand. Sie standen wie in einem Urwald, voller unkontrolliertem Wachstum, sah man einmal von der Stelle ab auf der Shin sich befand und die beunruhigend unberührt wirkte. Ein paar kleine Wurzeln hatten sich bis zu ihm vorgewagt, doch hatten sie ihn nur leicht berührt. Shin wischte sie beiseite und setzte sich auf. Skeptisch spielte er an seiner Armbanduhr herum, die keine größeren Informationen als die Uhrzeit preisgeben konnte. Schließlich holte er Luft und fragte: „Wie lange war ich weg?"
Es war kurz ruhig. Nell runzelte die Stirn und setzte zum Sprechen an, doch Ren fiel ihm besorgt lächelnd ins Wort: „Manchmal ist es besser die Sache etwas langsamer anzugehen. Es hat sich alles etwas verändert. Zum Glück sind Nell und ich beides magische Wesen die nicht so schnell altern können, deswegen ...", ein schmerzvoller Ausdruck trat auf sein Gesicht und er hob schnell die Hand vor den Mund als er sich abwandte. „... ist nicht so einfach es auszusprechen." Was Shin natürlich nicht sah, war das Grinsen hinter der Hand.
„Ren, es ist besser es jetzt gleich zu sagen. Dann hat er es hinter sich.", sprach Nell mit verschränkten Armen und kniete sich wieder zu Shin um ihm eine Klaue auf die Schulter zu legen. Eine Geste die beruhigend wirken sollte, sich jedoch anfühlte, als würde man fünf Messerspitzen in die Brust gedrückt bekommen.
Ren schloss die Augen, öffnete sie langsam wieder und nickte dann. „Du hast recht.", stimmte er zu und setzte sich Shin gegenüber. „Hör zu.", sagte er. „Das ist jetzt sehr wichtig. Wir glauben du warst..." er holte tief Luft.
„... für circa zwanzig Stunden weg."
„Du Idiot.", murrte Shin wie aus der Pistole geschossen, während Nell hinter ihm tatsächlich ein Lachen von sich gab.
„Deine Reaktionszeit ist äußerst beeindruckend.", feixte Ren und Klopfte Shin auf die Schulter. „Aber jetzt ernsthaft, was ist das hier?"
Shin zuckte mit den Schultern. „Ist halt irgendwie passiert?", vermutete er.
„Ist das schon einmal passiert?", fragte Nell, der sich wieder gefangen hatte.
Shin überlegte ob es in seinem Leben schon einmal dazu gekommen war, aber es gab keinerlei Hinweise darauf. Er zuckte wieder mit den Schultern. „Nein. Aber...", er zögerte kurz. „Hat von euch schon einmal jemand eine Gottheit getroffen?" Seine Hoffnung lag natürlich auf Nell. Soweit er es bisher richtig verstanden hatte, stand er in einer Verbindung zu Abaddon. Selbst wenn Aurun es nicht erwähnt hätte, wäre die Ähnlichkeit mit den Klauen einfach zu offensichtlich gewesen um sie zu ignorieren.
Nell antwortete jedoch mit einem „Nein."
Es war Ren, der eine Antwort gab, die einem Ja schon sehr nahekam: „Selbst, wenn... warum sollte ich es dir erzählen? Und was hat das bitte mit der neuen Raumgestaltung hier zu tun?"
„Vielleicht mehr als du denkst!", sagte Shin, verstellte dabei seine Stimme um wie ein weiser Magier zu klingen. Mit normaler Stimme fügte er hinzu: „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war ich das, vielleicht auch nicht, vielleicht tatsächlich ein Gott, wer weiß. Dafür bin ich ja an dieser Schule, um das unter Kontrolle zu bekommen." Er sprach die Worte aus, als wollte er sich selbst noch einmal vergewissern, dass nur dies der Grund war warum er sich an dieser Schule befand. „Eigentlich ist es auch gar nicht so schlecht, jetzt haben wir wenigstens mal richtige Pflanzen um die wir uns kümmern können. Ich meine, echte Pflanzen! Nicht diese kleinen Kräutchen und Blümchen. Und ich werde heute Nachmittag mal so richtig zur Schule gehen, irgendwie hatte ich bis jetzt noch keine Gelegenheit dazu."
„Übermorgen bist du einen Monat hier.", sagte Ren und fügte schnell an: „Ich zähle nur die Tage in denen ich mir mit jemandem ein Zimmer teilen muss."
Nell hörte nicht richtig zu, hatte nur seine Arme um Shin gelegt und war Gedanklich schon bei der Planung der Pflanzeneindämmung. „Wir werden sehr viel wegschneiden müssen und dann das Dach ersetzte.", flüsterte er so bedrohlich, als würde er von einer geplanten Exekution berichten.
Der junge Inkubus, oder was auch immer er noch sein mochte, spürte wie sich neben der Unsicherheit die sich in ihm aufgebaut hatte, auch eine seltsame Ruhe ausbreitete. Es war in Ordnung, vorerst. Er würde einfach weiterleben, vorerst. Er würde wieder vergessen was dieser andere Name zu bedeuten hatte, vorerst. Nur das Gefühl von Hass, als er Abaddons Arm umklammert hatte als er fast die andere Seite hinter der Tür sehen musste, blieb an ihm hängen und es war dieses Gefühl, das ihm eine Ruhe verlieh die er nicht zuzuordnen wusste.
Abaddon hatte Wellen geschlagen.
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