Welpe
Ich versuchte nach oben zu kommen. Meine Lunge war fast am platzen. Atmen fiel mir schwer. Dann schaffte ich es doch irgendwie nach oben zu kommen. Luft drang in meine Lungen, Sonnenstrahlen schienen auf mich, das Wasser auf meiner Haut fing zu glitzern an. Der Schwarze stampfte mit seinen Huf und kratzte dabei auf dem Boden rum. Er wieherte. Warum, wusste ich nicht, aber ich erfuhr es früh genug, als etwas Pelziges meinen Rücken lang strich. Ich erschrak und schwamm sofort etwas nach vorne. Eine Gänsehaut breitete sich auf mir auf. Ich drehte mich um und sofort sah ich zwei große, braune Augen. Ein kleiner paddelnder Hund war vor mir. Ich nahm mir das kleine und lief damit aus dem Wasser. Der Schwarze war von dem Pelzkneuel ganz außer sich. "Was ist denn los mit dir? Ist doch nur ein Hundewelpe." Ich setzte das Tier auf den Boden. Er schüttelte sich. Die Wassertropfen flogen um ihn und glänzten dabei im Licht der Sonne. Der Schwarze beruhigte sich etwas, behielt aber eine vorsichtige Haltung bei. Ich sah mich nach seiner Mutter um und rang mir dabei meine vor Wasser fließenden Haare aus. Weder auf dem Berg, von dem der Kleine ins Wasser gefallen kam, noch im Wald oder irgendwo anders in der Nähe. Ich konnte sie nicht einmal irgendwo bellen hören. Ich sah den Welpen etwas mitleidig an. "Hast du denn gar keine Familie? So stark ab gehungert siehst du ja gar nicht aus." Mir war klar, dass er mich nicht verstand und deswegen, und wegen der fehlenden Stimme, er mir nicht antworten konnte. Er lief tapsig zu mir. Mein Kleid klebte an meinem Körper. Ich setzte mich in die Sonne. Sie würde es schneller trocknen lassen. Der Kleine zehrte an meinem Kleid. Ich beschwerte mich und zog es ihm aus seinem Maul. Ich nahm mir einen Stock, mit dem ich etwas vor seiner Schnauze rum wedelte. Sofort bis er zu. Ich zog es hin und her. Der kleine zog und zehrte nur ganz wild dran rum und versuchte ihn mir aus der Hand zu reisen. Ich musste lachen. Er sah wirklich süß aus. Er sah nur irgendwie etwas anders aus, alle Hunde die ich sonst so in der Stadt gesehen hatte. Er war dünner, vielleicht weil er niemanden hatte, der ihn fütterte. Der Schwarze hatte Angst vor ihm. Vor denen aus der Stadt hatte er keine Angst. Aber wie oft ging ich mit ihm schon in die Stadt, um das beurteilen zu können? Dann noch seine Pfoten. Sahen sie nicht irgendwie größer aus, als die anderer Hunde? Aber er war ein Welpe, ich hatte bis her nur ein oder zwei mal Welpen gesehen. Das ist schon länger her, was sollte ich mich da ausgerechnet an die Pfoten erinnern? Ich sollte ihn mit nach Hause nehmen. Meine Schwestern würden nur weinen oder schreien, ob nun vor Freude oder Angst, das lag in den Sternen. Sie würden kein Problem darstellen. Vater allerdings ... Er würde durchdrehen. Er würde das Pelzkneuel sicher erschießen und dann eine Mütze oder so daraus machen. Das durfte ich einfach nicht zu lassen. Alleine lassen konnte ich ihn aber auch nicht einfach. Ich überlegte mir etwas. Dann fiel mir etwas gutes ein.
Ich nahm den kleinen auf meinen Schoß und ritt zurück. Wir hatten einen großen Schuppen. Er war weit genug entfernt, dass mich niemand vom Haus oder Garten aus sehen konnte. Ich sammelte Werkzeuge zusammen. Alles mögliche landete in einer Tasche. Als ich dachte, alles zusammen zu haben, was ich benötigte, schmiss ich es über den Rücken vom Schwarzen, band es fest, nahm mir den Kleinen (den ich zuvor auf den Boden gesetzt hatte) und ritt zurück zum See. Dort angekommen, suchte ich nach einer freien Stelle, die groß genug war, um ein kleines Haus zu bauen. Ich legte das ganze Werkzeug auf einen großen Stein. Eine Säge nahm ich mir mit. Ich suchte nach Bäumen, die stabil und kräftig aussahen. Alle, die ich für mein Vorhaben benutzen wollte, ritzte ich mit der Säge an, um sie zu markieren. Sobald ich genug zusammen hatte, fing ich an die ersten durch zu sägen. Sobald der erste Baum zu Fall gebracht wurde, holte ich den Schwarzen. Ich hatte ihm dicke Seile umgebunden. Er war kräftig. Einen Baumstamm konnte er Mühelos ziehen. Ich band mein Kleid zu einer Hose und hackte die dicken Äste ab. Ich bearbeitete alles so, wie ich es brauchte. Ich war den ganzen Tag damit beschäftigt gewesen. Ich rechnete mir es aus, wie lange ich wohl für ein Haus brauchen würde, wenn ich pro Tag einen Baum bloß schaffen würde. Ich rechnete mit zwei, es war ja schon nach Mittag, als ich anfing alles zu holen und noch später, als ich mit der eigentlichen Arbeit anfing. Und irgendwann würde ich ja sicher auch schneller fertig werden, weil ich schon Übung hätte. Fürs erste musste ich jeden falls wieder zurück. Den Wuschelball, den ich Mira getauft hatte, versteckte ich fürs erste beim Schwarzen. Sie verstanden sich sehr gut, weswegen ich dabei kein Problem sah. Ich kam an, als die Gäste gerade gingen.
Die Sonne war gerade am untergehen. Der Himmel war voller verschiedener Farben, als würde er von jemanden mit einem Pinsel bemalt werden. Ich sah mir immer gerne den Sonnenuntergang an. Er war wunderschön und sah immer anders aus.
Meine Schwestern warteten drinnen. Charlotte kam besorgt auf mich zu. Ich sah sie fragend an. "Was ist?", wollte ich wissen. "Du siehst irgendwie besorgt aus." Sie packte mich am Arm und zog mich die Treppe hoch, bis zu uns ins Zimmer. Sie schob mich rein und schloss die Tür hinter uns. "Was ist denn jetzt? Du bist ja ganz durch den Wind." Sie deutete mir, dass ich mich auf mein Bett setzen sollte. Ich gehorchte und sah sie wieder verwundert an. "Antwortest du mir jetzt auch mal?" Sie nickte. "Ich wollte nur sichergehen, dass du es von mir erfährst, bevor du es von Vater erfährst."
"Ja, aber was denn?"
"Es geht um eine Hochzeit. Um genau zu sein sogar zwei. Wenn man die von Johanna dazu nimmt, dann sogar drei."
"Was meinst du?"
"Vater hat für mich und dich vielleicht jemand zur Verlobung gefunden. Die Gäste die heute da waren, alte Freunde von Vater, sie haben wohl Söhne, wie er heute erfahren hat. Er will sie kennenlernen und mit seinen alten Freunden noch etwas mehr darüber reden. Wenn es gut läuft, für ihn, dann müssen wir vielleicht bald von hier weg, uns trennen und Männer, die wir gar nicht kennen, heiraten." Ich sah sie ungläubig an. Das konnte einfach nicht wahr sein. Das wollte ich einfach nicht glauben. Ich stand auf. Meine Arme fingen an zu zittern, ob vor Angst, Unsicherheit oder Wut, konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht war es ja auch alles. Charlotte packte mich an meinem Arm. "Bitte mach jetzt nichts dummes", sagte sie besorgt zu mir. Ich zog meinen Arm leicht weg und sie ließ los. Ich sah sie nicht an. Ich ging nur zur Tür und sagte, bevor ich aus der Tür verschwand: "Mach dir bitte keine Sorgen."
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