Streit

Ich lief wütend die Treppenstufen runter. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Was erlaubte der sich eigentlich? Ich wollte das nicht! Das war doch nicht sein Leben! Es war meins! Ich suchte nach ihm, bis ich ihn in seinem Arbeitszimmer fand. Ich riss die Tür auf. Da stand er. Er und ein Mann waren bei seinem Tisch, sie standen darum, mit dem Rücken zu mir. Sie beugten sie darüber um auf eine Karte oder so schauen zu können. Der Schlag, der aufgerissenen Tür, ließ beide Männer auf schauen. "Was hat das zu bedeuten!?", schrie ich ihn an. Eine Ader auf seiner Stirn wurde dicker. "Ich weiß nicht, wovon du redest." Er klang nicht sehr begeistert. Aber ich war genauso wenig begeistert. "Dass ich heiraten soll! Wie kommst du auf so was! Ich will das nicht! Du hast kein recht dazu! Du bist gar nicht mein Vater! Lass deiner Töchter ruhig versklaven -auch wenn es mir für sie leid tut- aber nicht mich!" Er sah den Blick des Mannes. Verwirrung. Er sah Vater sogar bemittleidend an, vorwurfsvoll. Das gefiel Vater nicht. Er stand nicht mehr als Mann da, so sah es für diesen Mann jedenfalls aus. Kein Mann, ließ so mit sich reden -wenn es eine Frau war. Er lief auf mich zu. Klatsch. Er schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Ein kurzer Schock Moment, aber es war ja nicht das erste Mal. "Dein Vater hat mir, bei seinem Tod, dein Leben in meine Obhut gegeben. Ich sollte mich um dich kümmern. Und das bedeutet auch, dass ich dir einen Mann aussuchen werde. Hast du das verstanden?" Ich nickte stumm und sah ihn nicht an. Er konnte mein Gesicht nicht sehen. Bei seinem Schlag, flogen mir meine Haare ins Gesicht. Mein Kopf war zur Seite geneigt, immer noch in der Position, in der mein Kopf, nach dem Schlag, gelandet war. "Gut, dann geh wieder nach oben zu deiner Schwester und guckt, ob euch die neuen Kleider passen. Ihr werdet sie morgen anziehen, zu Johanna ihrer Hochzeit." Ich ging langsam raus.
Wer war der Mann?
Ich schloss die Tür hinter mir.
Was wollte er hier?
Ich lief die Treppen hoch.
War er wegen der Hochzeit hier?
Ich lief zu meinem Zimmer.
War er Johanna ihr neuer Ehemann? Er war so alt wie Vater. Sollte er das wirklich werden?
Ich öffnete die Tür.
Sollte er vielleicht von einer anderen der Mann werden? Vielleicht sogar von mir? Nein! Das konnte ich nicht glauben. Nicht so jemand altes. Ein schrecklicher Gedanke war das. Und dann fingen seine Haare auch schon an grau zu werden. So einen wollte ich auf gar keinen Fall! Und dann durfte ich nicht mal etwas dazu sagen! Ich wollte nach eigenem Ermessen heiraten, nicht nach dem von Vater.
Ich ging in das Zimmer, wo Charlotte schon lächelnd auf dem Bett saß.
Sollte er vielleicht ihr Mann werden? Das würde ich nicht zu lassen! Sie war zu unschuldig, für einen so alten Mann! Und besonders gut sah er jetzt auch nicht aus.
"Guck nur, die Kleider sind da! Sind sie nicht schön?" Ich sah auf das Bett. Wir hatten unterschiedliche Farben. Sollte es eine Regenbogenhochzeit werden? Das würde Vater nicht gerade ähnlich sehen. Die Hochzeiten waren bei ihm immer schlich gewesen. Begrüßung, Essen, Zeremonie, Trauung beendet, Gäste bringen Brautpaar in Zimmer um Ehe zu besiegeln, Verabschiedung bei den Gästen, Ehepaar besiegelt Ehe und Gäste sind am feiern. So sah immer der Ablaufplan aus. Die Kleidung und Deko waren sonst auch immer ganz schlicht. Warum hatte ich so ein buntes Kleid? Ich sah verwirrt zu Charlotte. "Was hat das denn zu bedeuten? Seit wann bekommen wir zu einer Hochzeit so bunte Sachen?" Sie zuckte mit den Schultern. "Ist doch egal. Freu dich doch lieber, dass wir mal so schöne Sachen haben!" Sie sprang vom Bett auf. "Los, zieh dir deins auch an!" Sie lächelte so sehr. Ihr Lächelnd war so strahlend, als wäre sie die Sonne selbst. Ich guckte erstmal nicht so begeistert, aber ich konnte ihr eigentlich auch nichts abschlagen, also zog ich mein Kleid aus und warf mir den leuchtenden Stoff über. Ich sah überrascht zu Charlotte. "Ist das Seide?" Sie lächelte hinab zu ihrem Kleid, bei meiner Frage sah sie zu mir und nickte nur. Ich konnte es kaum glauben, aber ihr Strahlend wuchs an. Ich musste in diesem Moment selber lächeln. Sie so glücklich zu sehen, war wirklich etwas schönes. Sie war meine Seelenverwandte. Ich hoffte, dass wir uns niemals trennen müssten, ganz egal, wie oft wir uns auch stritten. Ich betrachtete den Stoff weiter. Ein angenehmes Gefühl, leicht und weich. Die Tür ging auf. "Gefallen euch die Kleider?" Wir lächelten die Hausfrau an. "Sind die etwa von dir?" Sie lächelte und nickte. "Ja, richtig. Ich habe sie selber genäht. Und wie es aussieht, habe ich euere Größen ganz gut eingeschätzt." Charlotte nickte. So ein wunderschönes Lächeln. Ich hatte noch nichts gesagt. "Danke", konnte ich gerade so aus mir raus bringen. Vater hätte mir so ein schönes Kleid nie gegeben. Seide war sehr teuer. Ich war ihm etwas so kostbares nicht wert. Ehrlich gesagt, er wäre mir noch weniger nicht wert. Wenn ich mich zwischen ihm und einem Beutel voll Schweinekacke entscheiden müsste, dann würde ich den Beutel nehmen. Ich lief zur Hausfrau und umarmte sie. Mir liefen leicht Tränen über meine Wangen. "Danke", widerholte ich in einem weinerlichem Ton. "Oh, nicht weinen. Du hast auch mal etwas schönes verdient. Und so ein helles blau steht dir wirklich gut." Sie strich mir sanft über meinen Kopf und auf einmal fühlte ich mich ganz geborgen. Die Tür wurde plötzlich geöffnet und wir gingen erschrocken ein paar Schritte zurück. Es war Vater. Er wollte gerade fragen, ob uns unsere Kleider passten, aber mitten im Satz, stoppte er. "Was habt ihr da an? Das sind nicht die Kleider, die ich euch gegeben habe." Er sah noch etwas genauer hin. "Ist das Seide? Warum gibst du ihnen etwas so teures? Wo hast du die nur her und dann noch das Geld?" Seine Ader fing leicht an, sich zu vergrößern. "Ja, es ist Seide. Ich habe sie ihnen von meinen Ersparnissen gekauft." Die Hausfrau stellte sich schützend vor uns. "Sie sollen diese Kleider zur Hochzeit tragen." Vaters Ader, auf seiner Stirn die, begann wieder zu pulsieren. "Nein. Ich habe ihnen schon passende Kleider zurecht gelegt. Sie passen zu den anderen und zur Dekoration." Die Hausfrau schüttelte nur ihren Kopf. "Sie sind selber kurz davor, verheiratet zu werden. Da haben sie es verdient, solche Kleider zu tragen." Vater lief ein paar Schritte näher an die Hausfrau. Er zeigte bedrohlich mit seinem Zeigefinger auf sie und im Augenwinkel konnte ich Charlotte zusammenzucken sehen, bei seiner dazu noch bedrohlich klingenden Stimme. "Johanna ist hier die Braut, die beiden sind nicht die Braut. Sie haben gefälligst etwas zu tragen, was nicht die ganze Aufmerksamkeit auf sie zieht. Besonders nicht bei so einem undankbaren Mädchen." Er sah zu mir. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich war alles andere, als undankbar. Ich wollte nur selber über meine Zukunft entscheiden können. Ich wollte ein Selbstbestimmungsrecht, so wie alle Männer auch eins hatten. Aber ich war kein Mann, also konnte ich das vergessen. Er sah wieder zur Hausfrau. "Gib ihnen die richtigen Kleider und bring die wieder da hin, wo du sie her hattest." Er ging wieder raus und schloss die Tür hinter sich. Die Hausfrau drehte sich zu uns um. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen, es war klar, dass es nicht echt war. Sie zwang sich dazu. "Nun, ihr beiden, es tut mir wirklich leid, aber ihr werdet die Kleider wohl nicht zur Hochzeit tragen können. Aber ich habe sie selber gemacht, also behaltet sie ruhig." Bei dem letzten Satz, war ihr Lächeln doch ehrlich. Wir lächelten auch leicht. Bei ihrem ehrlichen Lächeln, fingen wir an zu strahlen. Sofort bedankten wir uns bei ihr. Natürlich gab es nochmal eine kurze Umarmung. Dann ging auch sie raus, um die anderen Kleider zu holen. Wir zogen in der Zeit, die schönen Kleider aus. Sie kam später zurück und die Kleider, die wir zur Hochzeit tragen sollten, waren weiß. Sie hatten lange Ärmel. Rüschen waren an allen Enden es Kleides befestigt. Ein dünner Stoff war als Kragen um unseren Hals angebracht. Am Ende ebenfalls mit Rüschen. Wir zogen die Kleider an. Der Stoff am Hals kratzte. Die Ärmel gingen, aber etwas weiter wäre auch nicht schlecht gewesen. Charlotte ging es da wohl nicht anders. Besonders bei dem Band, das um unseren Bauch war, das zu einer großen Schleife bei unserem Rücken zusammen gebunden wurde, war etwas Luft raubend. Dazu hatten wir passende Schleifen, die für unsere Haare waren. Die Hausfrau würde uns dann die Haare an den Seiten flechten und dann mit dem Band die Enden umwickeln und eine Schleife mit dem restlichen Stück Band binden. Nach der Anprobe, verließ die Hausfrau uns wieder. Wir zogen die Kleider aus und legten sie sorgfältig beiseite. Sobald wir unsere Tageskleider wieder an hatten, atmeten wir erleichtert auf. "Das Kleid fühlt sich bei mir irgendwie so einengend an." Charlotte sah bedrückt zu mir. "Bei mir auch", sagte ich, mit nicht gerade mehr Begeisterung. "Wir sollten runter in den Speisesaal gehen. Es gibt bestimmt bald etwas zu Essen." Ich lief Charlotte hinterher. Bei unseren Schwestern gingen auch schon die Türen auf. Wir alle strömten nach unten. Der Tisch war schon komplett gedeckt. Vater kam etwas später dazu. Dann begannen wir alle zu essen. Niemand sagte etwas. Kurz bevor wir alle fertig waren, sagte Vater dann doch etwas. Die ganze Zeit über, war er schlecht gelaunt, weswegen seine Stimme uns alle beängstigte. "Passen euch allen denn die Kleider?" Niemand sagte etwas, wir nickten alle einfach nur. Keine von uns, wollte die Wahrheit sagen, er wäre nur sauer geworden, im besten Fall. "Gut. Dann kann sich Johanna ja schon auf morgen freuen, wenn sie ihren Bräutigam zum ersten Mal sehen wird." Johanna lächelte verlegen. Sie sah verzweifelt aus. Es sagte immer noch keine etwas. Als alle mit dem essen fertig waren, standen wir alle auf und liefen die Treppe hoch. Jede von uns konnte die Anspannung von Johanna spüren. Sobald sie in ihr Zimmer ging, konnten wir sie weinen hören. Wir klopften, doch sie wollte, dass wir verschwinden sollten. Wir gingen dennoch rein. Sie saß an ihrem Bett, die Knie an sich und ihr Gesicht in ihren Händen. Sobald die Tür auf ging, sah sie uns an. "Ihr sollt weg gehen, habe ich gesagt!" Ich ging zu ihr ins Zimmer. "Ja, schon, aber wir machen uns Sorgen um dich." Ich setzte mich neben sie. Die anderen standen noch unsicher an der Tür. Charlotte lief langsam rein, blieb aber auch am Eingang stehen. "Was ist denn los?", fragte ich Johanna, die ihr Gesicht schon wieder in ihre Hände gelegt hatte. "Ich habe Angst." Sie sprach ganz leise, ich konnte sie kaum verstehen. "Wovor?" Sie sah mich mit ihren ganz verweinten Augen an. Wovor denn?" Wiederholte ich, blieb aber ganz ruhig. "Na zu heiraten! Ich habe Angst zu heiraten. Ich habe einfach Angst davor. Sollte ich nicht glücklich deswegen sein? Das ist für eine Frau doch eigentlich immer der schönste Tag im ganzen Leben, oder etwa nicht?" Ich sah mit einem nicht so beeindrucktem Gesicht zur Seite. Schönster Tag? Wohl kaum. Es ist der Tag, in dem du merkst, dass du zu einer Gefangenen wirst, die nicht mehr ihre eigenen Wege gehen kann. "Warum hast du denn so eine Angst davor?" Ich ignorierte meine eigenen Gedanken erstmal. "Na, was wenn mein Mann ein brutaler und gefühlsloser Mann sein wird? Wenn er mich nicht lieben wird oder ich ihn nicht? Ich habe Angst, dass er ein ganz schrecklicher Mensch ist." Ich hatte ein großes Verständnis dafür. Ich hatte auch Angst, dass mein ausgesuchter Mann eine ganz schreckliche Person sein wird. "Beruhig dich erstmal. Vielleicht machst du dir deswegen ja zu viele Gedanken, vielleicht ist er ein ganz liebenswürdiger Mensch, der alles für dich tun würde." Sie schniefte. "Meinst du?" Ich lächelte. "Na herausfinden wirst du es auf jeden Fall erst, wenn du dich traust, morgen zu heiraten." Sie fing an zu lächeln. "Danke." Ich nickte aufmuntert und ging aus dem Zimmer. Alle anderen starrten mir nur hinterher. Ich ging in mein Zimmer, um mich Bett fertig zu machen. Charlotte kam lächelnd dazu. "Das hast du toll hingekriegt. Johanna strahlt mittlerweile richtig und freut sich schon total darauf, ihren zukünftigen Mann, kennen zu lernen." Ich lächelte ebenfalls. "Sollte sie auch, sonst geht es ihr nur schlecht." Charlotte machte sich ebenfalls Bett fertig. Wir schliefen in dieser Nacht wieder zusammen in einem Bett. In so wichtigen, besonderen oder ernsten Momenten, taten wir das immer. "Morgen ist es also so weit." Wir starrten nach oben, die weiße Decke an. "Ja", bestätigte ich, was sie sagte. "Und dann sind wir dran." Erneut bestätigte ich, was sie sagte, mit einem: "Ja." Morgen und dann würde sich für mich alles ändern.

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