Kapitel 86

Nur noch eine Woche bis zur Hochzeit. Und nur noch eine Woche, bis sie endlich wieder eine Woche Ferien hätten. Nach dem ganzen Klausurenstress kurz vor dem Halbjahreszeugnis, konnten sie eine Woche Auszeit gut gebrauchen.

"Ich hab keine Lust mehr..." Nataschas Kopf lag auf dem Tisch und ihre Stimme klang leicht gedämpft. Natalie lachte, als sie ihre Freundin so demotiviert in der Gegend herum hängen sah.

"Jetzt kommt schon, nur noch drei Exen und eine Klausur, dann haben wir es wieder geschafft!"

"Ja, toll, nur dass wir davon allein heute schon zwei Exen schreiben! Wieso müssen die Lehrer immer so viel in eine Woche packen und dann auch noch einiges auf den selben Tag legen? Können die sich nicht absprechen?", jammerte Natascha weiter. Natalie schmunzelte einfach und ließ ihre Freundin ein bisschen motzen. Sie wusste, dass Natascha das einfach zwischendurch brauchte, um Dampf abzulassen.

"Wie läuft es eigentlich mit Nick?", wechselte sie plötzlich das Thema.

"Jetzt fang nicht schon wieder damit an! Nichts läuft zwischen Nick und mir!", verteidigte sich Natalie und Natascha hob abwehrend die Hände.

"So hab ich das doch gar nicht gemeint. Jetzt reagier mal nicht so empfindlich. Ich dachte nur, weil ja in einer Woche diese Hochzeit ist, für die ihr die ganze Zeit trainiert. Ich wollte nur wissen, ob eure Choreo jetzt endgültig steht."

"Achso, entschuldige." Natalie war beschämt, dass sie ihre Freundin so angefahren hatte. Aber Nick war einfach ein sehr...sensibles Thema, über das sie lieber nicht zu viel nachdachte. "Das Tanzen läuft gut. Das wird schon irgendwie klappen."

Natascha sah sie prüfend an. "Und wie kommst du mit der Situation klar?"

"Gar nicht. Aber ich muss ja wohl." Die Sätze waren schneller ausgesprochen, als Natalie nachdenken konnte. Und sie waren zu ehrlich. Viel zu ehrlich. So ehrlich war sie die meiste Zeit noch nicht einmal zu sich selbst, weil es einfach zu weh tat. Sie merkte, wie Natascha zu einer aufmunternden Rede ansetzen wollte, aber Natalie winkte schnell ab. "Lass nur. Ist schon okay." Das würde nur wieder damit enden, dass Natascha ihr sagte, dass sie endlich mit Nick reden musste. Ihm von ihren Gefühlen erzählen musste, die kein bisschen nachgelassen hatten. Die in letzter Zeit nur intensiver geworden waren.

Und das schlimmste war: Natascha hatte Recht und Natalie wusste das.

Nach der Hochzeit. Sie musste nach der Hochzeit mit ihm reden. Keine Ausreden mehr. Endlich.

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Nach der Schule lief Natalie erschöpft nach Hause. Die letzten Wochen vor den Zeugnissen schlauchten sie immer besonders, wenn dort alle Prüfungen geschrieben wurden. Sie zählte einfach die Tage, bis es endlich vorbei war und sie sich in einer Woche Ferien erholen konnte.

Ihre Gedanken schweiften zu der Hochzeit, zu der sie mit Nick gehen würde und ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie freute sich schon sehr darauf endlich ihr Kleid ausführen zu können, das sie extra zu diesem Anlass gekauft hatte. Aber natürlich freute sie sich noch mehr darauf mit Nick zu tanzen.

Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass es nach der Hochzeit vorbei war. Es würde keine Proben mehr geben, kein stundenlanges Tanzen, keine endlos schönen Nachmittage mehr alleine mit Nick. Allein der Gedanke daran stimmte sie schon traurig und sie schob ihn schnell beiseite.

Und daran, dass sie sich selbst eine Frist gesetzt hatte, um Nick endlich zu sagen, dass sie sich in ihn verliebt hatte, durfte sie auch nicht denken. Vor lauter Nervosität wurde ihr jedes Mal ganz übel.

Sie öffnete schnell den Briefkasten und nahm die paar Umschläge heraus, die sich darin befanden. Rechnung. Werbung. Rechnung. Und ein Brief für sie selbst.

Sie seufzte. Inzwischen hatte sie sich schon daran gewöhnt regelmäßig kleine Sprüche von dem unbekannten Schreiber zu erhalten. Sie schloss die Haustür auf, legte die Briefe für ihre Eltern ab und ging dann nach oben in ihr Zimmer, um ihre Schuhschachtel aus dem Kleiderschrank hervorzuholen.

Sie nahm die letzten Zettel noch einmal heraus. Seitdem es diesen Stilbruch gegeben hatte, war sie schon oft über diesen Nachrichten gesessen und hatte gegrübelt, wer es sein könnte. Aber da sie zu keinem Schluss kam, hatte sie eingesehen, dass sie wohl oder übel darauf warten musste, bis sich der Schreiber zu erkennen gab. Offensichtlich hatte er im Moment anscheinend noch Gründe, weshalb er sich nicht offen zu erkennen gab.

Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie die Zettel schon gelesen hatte. Inzwischen kannte Natalie sie alle auswendig, besonders die letzten, die so viel tiefer gingen und sie tief in ihrem Inneren berührten.

Weißt du eigentlich, wie viel du mir bedeutest?

Das war der erste gewesen. Und nein, sie wusste es nicht, konnte es nur im Ansatz erahnen, wenn sich der Schreiber so viel Mühe gab.

Du bist das Wertvollste in meinem Leben.

Es schien wie eine Antwort auf die vorherige Frage zu sein.

Ich vermisse dich jede einzelne Sekunde, die wir getrennt sind.

Das hatte sie wirklich zum Nachdenken gebracht. Es musste jemand sein, den sie kannte. Kannte sie ihn sehr gut?

Die Zettel lagen ausgebreitet vor ihr und sie ließ ihren Blick darüber schweifen, immer auf der Suche nach einem Hinweis über den Absender, der ihr vielleicht entgangen war. Schließlich nahm sie den neuen Umschlag zur Hand und öffnete ihn.

Bitte vergiss mich nicht. Nie.

'Sag mir, wer du bist!', flehte sie stumm.

Gerade eben hatte sie keine Kraft dafür. Schnell packte sie die Zettel wieder in ihre Schachtel, legte den neuen ganz obenauf und stellte sie zurück in den Schrank. Jetzt musste sie sich erst einmal auf die Schule konzentrieren. Für morgen hatte sie noch einiges an Hausaufgaben und lernen musste sie auch noch etwas.

Aber sie war müde. So müde.

Sie konnte ihrem Bett nicht widerstehen und legte sich hin.

'Nur ein paar Minuten ausruhen', dachte sie sich noch. Dann war sie eingeschlafen.

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Noch ein paar Miniatur-Briefe... Was sagt ihr zu den kleinen Nachrichten?

<3<3<3
HeyGuys77

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