Kapitel 72
Lustlos hingen sie im Wohnzimmer herum. Marcel und Nick saßen auf der Couch, Natalie fläzte in dem Sessel, der daneben stand und Natascha und Marty lümmelten am Boden herum.
„Ich trinke nie wieder so viel", stöhnte Natascha mit geschlossenen Augen. Ihr Kopf lag auf Martys Bauch und er strich ihr behutsam über das Haar.
„Ich geh uns mal Kaffee machen", meinte Marcel und stand auf.
„Fantastische Idee! Aber bitte schwarz und extrem stark." Nataschas Stimme hatte auch schon einmal fester geklungen. „Ich geh mir jetzt eine Kopfschmerztablette holen. Will noch jemand eine?" Als alle verneinten stand sie ebenfalls auf und verließ das Zimmer.
„Soll ich noch nach was Süßem suchen? Wir haben glaube ich noch Kekse irgendwo." Natalie machte sich ebenfalls auf den Weg. In der Küche traf sie auf Marcel und gesellte sich zu ihm, während er eine riesige Kanne Kaffee zubereitete. Als er Natalie neben sich bemerkte, lächelt er.
„Na du?" Sanft stupste er sie mit seiner Schulter an. „Alles klar soweit?"
„Ja, es geht schon. Halt lädiert, wie alle anderen auch", antwortete Natalie grinsend.
„Du brauchst nur ein bisschen von meinem extra starken Spezial-Kaffee, dann geht's dir gleich wieder besser." Schmunzelnd legte er kurz seine Hand auf ihre, bevor er sich dem kochenden Wasser zuwenden musste.
„Und bei dir? Dir scheint es recht gut zu gehen."
Kurz flog sein Blick von der inzwischen mit brauner Flüssigkeit gefüllten Kaffeekanne zu Natalie, aber er sagte nichts. Erst als er den Deckel auf der Kanne platziert hatte, wandte er sich ihr ganz zu, legte eine Hand an ihre Wange und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Das tut es immer, wenn du da bist."
Dann schnappte er sich die Kanne und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
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Natalie stand mit widerstreitenden Gefühlen in der Küche und lehnte am Tresen.
Marcel hatte seine Strategie anscheinend geändert. Anstatt sie wie zu Anfang regelrecht mit seinen Gefühlen zu überrollen, zeigte er sie ihr nun in vielen kleinen Gesten und Worten und ließ ihr so den Freiraum, den sie brauchte, um von selbst auf ihn zuzugehen. Und sie merkte, dass sie das immer mehr tat.
Was wenn Marcel doch der richtige war und sie sich in ihre Schwärmerei für Nick nur so hineinsteigerte, weil er ihre erste große Liebe war? Was, wenn die ERSTE große Liebe aber gar nicht DIE große Liebe war? Und woran sollte sie das bitte erkennen? Woher wusste sie, welcher der beiden der richtige für sie war?
War es ihr bester Freund, der anscheinend nur ihr bester Freund war und mit dem sie so viel Zeit verbracht hatte, mit dem sie gelacht und geweint hatte und der immer für sie da war?
Oder war es Marcel, der Cousin ihres besten Freundes, den sie erst seit kurzem kannte und von dem sie bei Weitem noch nicht so viel wusste, der ihr aber offensichtlich wesentlich zugeneigter war?
All diese wirren Gedanken konnte Natalie nicht abstellen und sie spürte, wie sich erneut ein leichtes Pochen hinter ihrer Stirn ausbreitete.
Ein wenig widerwillig wollte sie wieder zu den anderen zurückgehen, als ihr einfiel, weshalb sie eigentlich in die Küche gekommen war. Sie schnappte sich die erstbeste Packung Kekse und ging damit ins Wohnzimmer. Dort hielten bereits alle ihre Tassen in der Hand und klammerten sich daran, als wäre das der einzige Halt, den es im Moment im Leben gab.
Natalie setzte sich nicht wie zuvor auf den Sessel, sondern ließ sich direkt neben Natascha auf dem Boden nieder. Sie schenkte sich ebenfalls eine Tasse voll mit dem heißen, dunklen Gebräu und nahm vorsichtig einen kleinen Schluck davon. Dann lehnte sie ihren Kopf an Natascha Schulter, die erst ein wenig überrascht wirkte, dann aber den Arm um sie legte und sie fest zu sich zog.
Die Kerle konnten Natalie gerade alle gestohlen bleiben.
Jetzt wollte sie nur ihre beste Freundin.
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Der Nachmittag verstrich, ebenso wie der Abend, ohne dass viel passierte. Ein Film wurde eingelegt und danach gingen alle früh zu Bett.
Alles war bereits dunkel und Stille hatte sich über das ganze Hause gelegt, als Natalie plötzlich die Stimme ihrer besten Freundin neben sich hörte.
„Willst du mir erzählen, was vorhin los war?"
Unwillkürlich schossen Natalie Tränen in die Augen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte und sie war froh über die Dunkelheit, die sie umgab.
„Ich bin nur so verwirrt."
„Wegen Marcel?"
„Ja..." Natalie konnte nicht anders, sie musste Natascha nun endlich einweihen, wo sie es schon so lange für sich behalten hatte. „Und wegen Nick."
Im Bruchteil einer Sekunde ging die Nachttischlampe an und Natascha hatte sich völlig überrascht im Bett aufgesetzt.
„Bitte WAS!?"
Natalie setzte sich ebenfalls auf und sah ihre Freundin an.
„Nicht so laut!", flüsterte sie dann eindringlich. Dann fuhr sie fort zu erklären. „Ich wollte das nicht. Was meinst du, wie lang ich mir eingeredet habe, dass ich mich täusche und dass da nichts ist? Aber..." Hilflos stockte Natalie und hörte schließlich einfach auf zu sprechen, weil sie im Moment ihre Gefühle einfach nicht in Worte fassen konnte. Inzwischen hatte sich auch Natascha wieder ein wenig beruhigt.
„Wie lange?", wollte sie dann ebenfalls flüsternd wissen.
Natalie wand sich ein wenig. Sie wusste, Natascha würde enttäuscht sein, wenn sie erfuhr, wie lange sie es schon vor ihr geheim hielt.
„In etwa ein halbes Jahr?"
Aber anstatt böse zu sein, sah Natascha ihre beste Freundin nur mitfühlend an.
„Und Nick?"
„Tja, das ist die große Frage. Ich habe keine Ahnung. Aber ich werde unsere Freundschaft definitiv nicht aufs Spiel setzen."
Bedächtig nickte Natascha. „Also, Marcel oder Nick?"
Beinahe hätte Natalie laut aufgelacht. Wie konnte Natascha die Millionen Gedanken, die durch ihren Kopf flogen wie Düsenjets, nur so einfach in einer einzigen Frage zusammenfassen?
Natalie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber schloss ihn unverrichteter Dinge wieder.
„Oh, verstehe." Nachdenklich sah Natascha ihre Freundin an. „Du musst mir darauf jetzt keine Antworten geben, aber überleg dir, welcher der beiden dich mehr zum Lachen bringt, welcher der beiden immer für dich da ist, dich versteht. Bei welchem der beiden du ein Kribbeln im Bauch verspürst und zum Lächeln anfängst, wenn du ihn siehst. Welchen der beiden du immer an deiner Seite haben möchtest. Mit welchem der beiden du dir eine Zukunft vorstellen kannst. Wenn du das weißt, dann weißt du auch, welcher der beiden der Richtige für dich ist."
Gerührt nickte Natalie, schon wieder mit Tränen in den Augen und umarmte ihre Freundin, bevor beide sich wieder hinlegten. Natascha machte das Licht aus und wieder umhüllte sie Dunkelheit.
"Aber du hättest es mir schon früher erzählen können."
Natalie schmunzelte. Logisch, das musste ja kommen.
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Hallo alle zusammen :)
Ja, ich lass auch mal wieder was von mir hören... Bin gerade ein bisschen im Lernstress, aber morgen ist die letzte Prüfung und dann wirds wieder besser ;)
Sagt mir, was ihr von dem Kapitel haltet! :)
Und wow, fast 9000 Reads!! Danke!! :)
<3<3<3
HeyGuys77
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