Kapitel 69
Nach der nächsten Runde Tabu - die wieder die Mädchen gewonnen hatten - waren sie schon bei der dritten Runde Bier. Natalie spürte den Alkohol förmlich durch ihre Adern fließen. Die kuschelige Jacke hatte sie schon vor einer Weile ausgezogen und nun saß sie nur noch in einem hübschen, figurbetonten Tanktop da. Ja, sie war angetrunken, aber auch die anderen hatten schon den einen oder anderen Tropfen zu viel abbekommen. Das machte die Stimmung aber so wunderbar ausgelassen. Und da sie nur unter Freunden waren...
„Oh, ich hab eine Idee, bin gleich wieder da." Marcel stand auf, verlor kurz das Gleichgewicht, fing sich wieder und ging dann halbwegs gerade aus dem Zimmer. Keine fünf Minuten später kam er mit einem Tablett zurück, auf dem sich fünf Gläser, eine Flasche Tequila, Orangen und Zimt befanden. „Wir machen jetzt ein Trinkspiel!", verkündete er und stellte das Tablett auf den Boden. „Aber vorher trinken wir so eine Runde, damit wir in Stimmung kommen." Er hielt kurz Inne. „Oder vielleicht auch zwei", fügte er dann mit einem breiten Grinsen hinzu.
„Ernsthaft? Tequila?" Das war wohl nicht so Nicks Getränk...
„Komm schon, sei kein Spielverderber!", stichelte Natalie schon leicht nuschelnd und lehnte sich neckisch gegen ihn. Er betrachtete sie amüsiert.
„Einer hier sollte aber halbwegs nüchtern bleiben." Er spürte das Bier wohl wirklich noch nicht so sehr wie sie. Übte er heimlich?
„Vernünftig sein kannst du ab morgen wieder." Natalie sah ihm völlig klar in die Augen und er verstand. Sie wusste, dass er sie verstand, so wie er es immer tat.
„Das Mädel ist so dermaßen klug", johlte Marty, nahm den Tequila und die mit Zimt bestäubte Orange in die Hand, die Marcel vorbereitet hatte und sprach einen Toast auf Natalie aus.
„Auf Natalie! Das intelligenteste, philosophischestete", er hielt kurz inne und ignorierte dann seinen kleinen Sprachfehler, da er es gerade sowieso nicht besser hinbekommen würde. „Also, auf Natalie!" Alle leckten gleichzeitig den Zimt ab, tranken den Tequila und bissen dann in die Orange.
„Und der nächste Toast geht auf meine bessere Hälfte. Ich weiß, ich hab schon ein bisschen was intus und das ist jetzt sehr...kitschig, aber ohne dich wäre mein Leben nicht lebenswert." Er sah Natascha an, die mit Natalie in ein „Ohhhh" ausbrach, und grinste dann breit, als er einen intensiven Kuss für dieses Geständnis bekam.
Währenddessen schenkte Marty die zweite Runde in die leeren Gläser und Nick bereitete die Zimt-Orangen vor.
„Auf Natascha!", jubelte Natalie und wieder wurde der Tequila gekippt.
„Also Marcel, an was für ein Trinkspiel hattest du denn gedacht?"
„So, das ist jetzt ein bisschen kompliziert: Erst mal müsst ihre eure Hände so an die Augen legen." Er formte mit seinem Zeigefinger und dem Daumen ein O und platzierte sie so, dass er durchsehen konnte. „Dann gibt einer das Startzeichen." Er grinste. „Das ist ein Hahnenschrei." Zur Sicherheit machte er ihn einmal vor und alle mussten lachen. Na, das konnte ja heiter werden. „Und dann nimmt derjenige einen seiner Arme runter und gleich wieder hoch und zeigt damit die Richtung an, in die es geht. Der nächste in dieser Richtung muss ebenfalls einen der beiden Arme runter nehmen. Oder er nimmt beide Hände gleichzeitig kurz runter, dann bedeutet das, dass der nächste in der aktuellen Richtung übersprungen wird. Wenn jemand seinen Einsatz verpasst oder ein Zeichen gibt, wenn er gar nicht dran ist, dann muss er trinken. Verstanden?" Abwartend sah er seine Freunde an, die alle nickten.
„Dann geht's jetzt los! Hände an die Augen und..." Er machte den Hahnenschrei und gab damit das Startsignal. Sein rechter Arm schnellte kurz nach unten, also war Marty an der Reihe. Dieser ließ gleich beide Hände nach unten schnellen und übersprang damit Natalie, die aber trotzdem fälschlicherweise ein Zeichen gab.
„Ha, du musst trinken!" Da von der Orange nichts mehr übrig war, wurde ihr die Flasche gereicht und sie musste pur einen Schluck trinken. Dann machte sie den Hahnenschrei und scheiterte kläglich, was alle zum Lachen brachte.
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Eine halbe Stunde und eine halbe Tequila-Flasche später war die Stimmung noch ausgelassener. Inzwischen war das Trinkspiel in den Hintergrund geraten und sie lagen nur noch am Boden und lachten. Weshalb genau, konnten sie noch nicht einmal sagen.
„Ich bin gleich wieder da“, meinte Natalie noch immer lachend und versuchte irgendwie auf die Beine zu kommen. Als sie dafür erst auf alle viere musste, konnten sie sich alle nicht mehr halten vor Lachen. Selbst ebenfalls kichernd, torkelte sie in Richtung Bad. Als sie ein paar Minuten später wieder zurück gehen wollte, hielt sie eine Hand zurück und zog sie in ein dunkles Zimmer.
Bevor sie irgendetwas denken konnte, wurde sie an die Wand gepresst und spürte Lippen auf ihren, die sie in einen leidenschaftlichen Kuss zogen. Diese Lippen auf ihren und der übermäßige Alkohol ließen ihr Hirn einfach aussetzen und sie erwiderte den Kuss.
Sie wusste genau, wer das war.
Er war der einzige Junge, den sie bisher geküsst hatte.
Und es war nicht der, den sie eigentlich wollte.
Also was war gerade mit ihr los? Aber bevor sie diesen Gedanken weiter verfolgen konnte, löste Marcel sich von ihr, blieb jedoch so nah, dass sie seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte.
„Ach, Natalie..." Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber sie konnte die Sehnsucht nach ihr deutlich hören. Noch nie hatte sie jemand so begehrt. Noch nie hatte sie sich so geliebt gefühlt, zumindest nicht auf diese spezielle Art.
Auf einmal hörte sie ihn heiser lachen.
„Kannst du dich noch erinnern, als wir mit Nick in dem Café waren und das Mädchen diesen Brief von ihm bekommen hat?", fragte er noch immer flüsternd und nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Sie nickte, war sich dann aber nicht sicher, ob er ihr Nicken überhaupt in der Dunkelheit sehen konnte und flüsterte dann leise: „Ja."
„Der Brief war eigentlich von mir für dich." Während Natalie kurz der Atem stockte, aufgrund dieses Geständnisses, hauchte Marcel einen Kuss auf ihre Wange, ihren Hals, ihr Schlüsselbein. Fast automatisch fuhr ihre Hand durch sein Haar, als ihr schlagartig bewusst wurde, was er da gesagt hatte.
Es traf sie wie eine Faust in den Magen. Nick hatte den Brief wirklich nicht geschrieben. Unterbewusst war das immer auch ein Puzzleteil gewesen, weshalb sie dachte, dass nie etwas aus ihnen werden konnte.
Weil es doch bestimmt eine andere gab.
Und der Brief hatte so perfekt auf dieses Mädchen gepasst.
Aber natürlich auch auf sie selbst.
Ihre Gedanken überschlugen sich und sie stieß Marcel von sich. Als ihr bewusst wurde, wie rüde sie ihn gerade behandelt hatte, ging sie wieder einen Schritt auf ihn zu.
„Entschuldige. Gib mir noch ein bisschen Zeit." Dann drehte sie sich um und ging zu den anderen zurück.
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Hach, ein ausgelassener Abend... :)
Und Marcel hängt sich immer noch ziemlich ins Zeug...
Wie hättet ihr in Natalies Situation reagiert?
Votet und kommentiert fleißig ;)
<3<3<3
HeyGuys77
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