Kapitel 52

Nachdem sie noch ein paar Stationen mit dem Bus gefahren waren und dann einen fünfminütigen Fußmarsch hinter sich hatten, blieb Natalie vor einer Tür stehen.

„Wir sind da."

Nick sah sich die Tür an, blickte durch das Fenster kurz ins Innere und betrachtete dann die Leuchtschrift darüber, die den Namen der Bar - so viel spanisch verstand sogar er - zeigte. 'El Pub' stand dort in schnörkeliger Schrift. Sehr einfallsreich, aber na gut.

Natalie war bereits durch die Tür getreten und als er ihr folgte, sah er sie gerade mit dem Barkeeper reden. Er trat dazu und bekam gerade noch mit, wie er zu einem Tisch für zwei Personen in der hintersten Ecke des winzigen Lokals zeigte.

„Danke, Roberto", sagte Natalie und zog Nick mit sich zu dem Tisch, auf den Roberto zeigte.

„Du kennst den Barkeeper?", wollte Nick wissen, als sie außer Hörweite waren. Mitte zwanzig, gut aussehend.

Fragen durfte man ja wohl noch.

„Ja, ich war ein paar Mal mit meinen Eltern und Freunden hier." Und während sie noch sprach, zog sie ihren Mantel aus und enthüllte einen Hauch von - Nichts.

Das T-Shirt - oder das, was davon übrig war - bedeckte gerade einmal den hervorstechendsten Teil ihres Oberkörpers und fiel dann locker schräg zur rechten Seite ab. Ihre Schultern waren komplett frei und auch ihr flacher, leicht trainierter Bauch mit dem hübschen kleinen Nabel war unverhüllt zu sehen.

Kurzzeitig verschlug es Nick die Sprache und er war froh, dass Natalie gerade ihren Mantel aufhängte und mit dem Rücken zu ihm stand.

Obwohl ihre Beine in diesen Jeans auch nicht unbedingt dazu beitrugen, sein Hirn wieder zum Laufen zu bringen.

„Ich geh uns einen Cocktail holen." Hauptsache schnell weg und einmal tief durchatmen.

Er stellte sich an der Bar zwischen zwei andere Personen und als er endlich Robertos Aufmerksamkeit hatte, bestellte er eine Piña Colada für Natalie und einen Hurricane für sich. Am liebsten hätte er sich einen extra starken bestellt, aber betrunken wollte er dann auch nicht durch die Gegend laufen. Fast wie hypnotisiert sah er Roberto dabei zu, wie er die beiden Cocktails mixte. Als er sie vor Nick gestellt hatte, zahlte dieser, nahm die Cocktails und ging zurück an den Tisch, an dem Natalie bereits saß und ihn mit einem Lächeln erwartete.

„Du bist ein Schatz!", sagte Natalie, als er die Piña Colada vor ihr abstellte.

„Ich weiß." Er rang sich ein Lächeln ab, aber seine Stimme klang halbherzig. Er war noch immer nicht ganz bei der Sache. Seit wann trug Natalie solche Sachen? Er hatte noch nicht einmal gewusst, dass sie so etwas besaß. Nick stellte auch seinen Cocktail ab und zog seine Jacke, die er immer noch anhatte, aus und hängte sie neben Natalies Mantel, bevor er sich ihr gegenüber setzte.

Leise Musik spielte im Hintergrund, er war sich aber nicht sicher, in was für einer Sprache gesungen wurde. Wahrscheinlich spanisch.

„Und was machen wir jetzt?" Endlich fühlte er sich sicher genug, Natalie ansehen zu können und gleichzeitig einen vollständigen Satz herauszubringen.

„Jetzt trinken wir erst mal den Cocktail." Sie sah auf die Uhr. Halb zehn.

Der Cocktail konnte also noch eine halbe Stunde wirken. Und das hatte Nick, wenn sie ihn gerade richtig einschätzte, bitter nötig.

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Innerhalb der nächsten paar Minuten füllte sich die Bar zusehends und auch die Temperatur stieg an, sodass Nick seine langen Hemdsärmel hochkrempeln musste. Die Bar war inzwischen schon ziemlich voll, die meisten Personen standen mit Cocktails in der Hand herum, da keine Sitzmöglichkeiten mehr frei waren.

Natalie sah jetzt schon das vierte Mal auf die Uhr.

„Bin ich so langweilig?" Nick hatte wieder zu seiner Unbeschwertheit zurückgefunden. Natalie lachte.

„Natürlich nicht. Ich warte nur darauf, dass es zehn Uhr wird. Deswegen sind wir hierhergekommen und deswegen sind auch die anderen alle da."

„Was ist denn nun um zehn Uhr?"

„Das siehst du in", sie sah wieder auf die Uhr und dann zurück zu ihm, „sieben Minuten."

Dieses Mädchen konnte einen wahnsinnig machen.

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Punkt sieben Minuten später wurde die Musik plötzlich so laut gedreht, dass eine Unterhaltung schier unmöglich wurde. Alle, die bis dahin noch vor ihren Cocktails gesessen hatten, sprangen auf und bewegten ihre Körper zu den lateinamerikanischen Rhythmen. Auch Natalie war aufgestanden, hielt Nick ihre Hand hin und formte mit den Lippen das Wort „Komm!". Er ergriff ihre Hand und stand ebenfalls auf. Natalie legte ihre Hand auf seine Schulter und ging ganz nah an sein Ohr heran, bevor sie brüllte: „Deswegen sind wir hier. Schau einfach zu und mach das, was alle machen."

Er sollte hier einfach so vor allen Leuten tanzen und das zu einer Musik, zu der er noch nie zuvor getanzt hatte. So etwas hatte man ihm im Tanzkurs nicht beigebracht. Hier tanzte jeder für sich alleine und doch irgendwie zusammen mit anderen. Es war kaum zu beschreiben. Und alle bewegten ihre Hüften.

Nick konnte sich nicht erinnern, jemals seine Hüften beim Tanzen gebraucht zu haben.

Natalie stand nur einen kleinen Schritt von ihm weg. Er hatte nicht gewusst, dass sie so gut tanzen konnte.

Und dass sie dabei so wunderschön aussah.

Am liebsten hätte er einfach nur hier gestanden und ihr den ganzen Abend beim Tanzen zugesehen, aber da machte sie schon den einen Schritt, der sie trennte, auf ihn zu, nahm seine Hand und tanzte mit ihm.

Oder tanzte sie ihn eher an?

Als er sich noch immer nicht bewegte, legte sie ihre zweite Hand in seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter, sodass sie ihm direkt ins Ohr sprechen konnte.

„Komm schon, mach mit!"

Viel Platz war hier ohnehin nicht. Ihr Blick traf seinen und da handelte Nick rein intuitiv. Er nahm mit seiner Rechten Natalies linke Hand, drehte sie einmal, sodass ihr Rücken für den Bruchteil einer Sekunde an ihm lehnte, drehte sie wieder aus - zumindest so weit, wie es der Platz zu ließ - und zog sie dann schnell zu sich. Ihre Blicke trafen sich.

Damit hatte sie offensichtlich nicht gerechnet.

Er beugte sich zu ihr hinunter und meinte: „Etwa so?"

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Das Tanzen hatte so viel Spaß gemacht, dass sie nur gingen, um noch die letzte S-Bahn nach Hause zu erwischen.

Von der Wärme im Inneren der Bar, traf sie die Kälte draußen wie ein Schock. Unbeschwert hängte Natalie sich bei Nick ein.

„Also echt, Nick! Du hast mir nie erzählt, dass du tanzen kannst!" Obwohl sie das heute Abend eindeutig gesehen hatte, war sie immer noch überrascht.

„Das hab ich bis heute Abend ja selbst nicht gewusst. Aber du hast mir auch nie gesagt, dass du tanzt." 'Und das so dermaßen gut, dass du sämtlichen Typen da drin den Kopf verdreht hast.' Nick war sich nicht sicher, ob er ihr das sagen konnte. Unter Freunden wäre es einfach so was wie ein Kompliment gewesen, aber er wollte nicht eifersüchtig klingen. Wahrscheinlich hätte er sie damit auch nur in Verlegenheit gebracht, also sagte er nichts.

„Nur ab und zu und auch nur zum Spaß. Ich habe nie einen Tanzkurs gemacht. Bestimmte Grundschritte habe ich mir von anderen abgeschaut und alles andere fühle ich einfach." Sie zuckte mit den Schultern.

„Das hat man gesehen. Natalie, ich glaube, unsere Einlage bei der Hochzeit könnte vielleicht ganz gut werden." Er grinste sie an und sie erwiderte sein Grinsen.

„Du lernst also Salsa?"

„Ich denke, ich lerne Salsa, ja."

Lachend fiel sie ihm um den Hals. „Du bist der Beste!"

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Könnt ihr euch Nick beim Tanzen vorstellen? XD

Hoffe ihr hattet Spaß mit dem Kapitel :) wenn ja, dann lasst es mich wissen ;)

<3<3<3
HeyGuys77

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