Kapitel 39

Natalie zog ihre Winterjacke an. Dieses Jahr war der Herbst ungewöhnlich früh gekommen. Sie ging aus dem Haus und trat in völlige Finsternis. Nur die Straßenbeleuchtung spendete ein wenig Licht. Sie hasste die Zeit, während der man in totaler Dunkelheit aufstehen musste. Und wenn man Pech hatte, wurde es den ganzen Tag über nicht richtig hell. Sie lief ihren Schulweg entlang und dachte darüber nach, wie sehr sich ihr Leben im letzten Monat geändert hatte.

Zwischen Natascha und Marty herrschte noch immer Funkstille und somit auch zwischen Nick und Natalie. Natalie hatte Natascha noch nie so viel weinen sehen, wie im vergangenen Monat; die Trennung von Marty machte ihr schwer zu schaffen. Aber dennoch konnte sie sich nicht überwinden einfach auf ihn zuzugehen, denn ihre Angst war zu groß, dass er sie möglicherweise ablehnen würde. Mit Lukas hatte sie seitdem kein Wort mehr geredet.

Auch Natalie vermisste die gemeinsamen Stunden, die sie früher miteinander verbracht hatten. Nick kam zwar jede Woche, um ihr Nachhilfe zu geben, aber für beide waren diese Stunden über die Maßen unangenehm. Pünktlich nach einer Stunde meinte er immer, er müsse jetzt los und war eine Minute darauf verschwunden.

Und dann gab es da noch diese Zettel…

Natalie hatte Natascha nichts mehr davon erzählt, weil sie sie nicht noch mehr belasten wollte, aber inzwischen war die ganze Angelegenheit Natalie ein wenig unheimlich geworden. Sie hatte in den letzten Wochen mit zunehmender Häufigkeit diese Zettel gefunden und sammelte sie – sorgfältig nummeriert – in einem Schuhkarton, den sie in ihrem Kleiderschrank versteckte.

Zu dem kam noch, dass jetzt die Zeit der Klausuren begann und sie noch intensiver mit Nick würde lernen müssen. Er hatte dieses Angebot zwar von selbst hervorgebracht, aber sie wusste, dass es eher widerwillig geschehen war. Da fiel ihr ein, dass heute schon wieder Mittwoch war. Nick würde nach der Schule kommen.

Außerdem standen die Herbstferien an. Der Sommer, in dem sie die gemeinsamen Ferien mit Marcel geplant hatten, schien ihr so unendlich weit weg. Das würde also auch ins Wasser fallen.

In der Schule angekommen, brachte sie den alltäglichen Wahnsinn hinter sich: lächeln und so tun als sei alles in bester Ordnung; in der Mittagspause Natascha gegenüber sitzen und sie dabei beobachten, wie sie Marty sehnsüchtige Blicke zuwarf, wenn sie sich sicher war, dass sie niemand sah. Und dann nach Hause gehen und auf Nick warten. Irgendwie hatte es sich so eingespielt, dass sie alleine gingen; dann kamen sie nicht in die Versuchung unnötige Worte zu verschwenden.

Zu Hause hängte sie ebenso wie jeden Tag ihre Jacke an die Garderobe, zog ihre Schuhe aus und ging in ihr Zimmer, um ihre Sachen herzurichten.

Ihre Mutter kam in ihr Zimmer.

„Hallo, Schatz. Wie war dein Tag?“

„Ganz okay.“

„Der hier war im Briefkasten.“ Ihre Mutter drückte ihr einen Brief in die Hand. Er war wie jeder einzelne der anderen Brief ordentlich mit Computerschrift adressiert, die man durch das kleine durchsichtige Fenster des Umschlags erkennen konnte, aber es fehlte sowohl die Briefmarke als auch der Absender.

„Danke“, antwortete Natalie mit beschleunigtem Herzschlag und hoffte, ihre Mutter würde nicht weiter nachfragen.

Was sie glücklicherweise auch nicht tat.

„Ich habe Kuchen gemacht. Soll ich dir und Nick etwas davon ins Wohnzimmer stellen?“

„Gerne, danke.“ Natalie brannte darauf den Brief zu öffnen, obwohl ihr gleichzeitig mulmig zumute war.

Was würde dieses Mal darin stehen?

„Ich komme gleich runter“, versuchte sie ihre Mutter hinauszukomplimentieren, was sofort Wirkung zeigte. Sobald die Tür geschlossen war, riss sie den Umschlag auf und faltete den kleinen Zettel auseinander.

Es gibt sieben Weltwunder,

sechs Kontinente,

fünf Ecken des Pentagon,

vier Blätter am Klee,

drei Weltmeere,

zwei Augen,

aber dich gibt es nur einmal.

_______________________________________

Naaaaa, was sagt ihr? Schon wieder ein Zettel...

Kommentieren, voten - hier ist alles erlaubt ;)

<3<3<3
HeyGuys77

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top