elbenmädchen


Wie ein fliegender Vogel schwebten die flinken Beine über den Boden.
Ohne auch nur ein einziges Geräusch von sich zu geben, sprang der große
Elb von Stein zu Stein. Es trug ihn über den reißenden Fluss auf die andere Seite des Ufers. Von dort in den schützenden Wald, hinein in das Reich Gondors. Bereits ein Monat war vergangen, seitdem er Erebor hinter sich gelassen hatte, um dem Rat seines Vaters zu folgen. Er wusste nicht viel darüber, was er suchte. Aber Legolas war zuversichtlich, dass es ihm gelingen würde den Waldläufer zu finden.
Seine blauen Elbenaugen huschten aufmerksam umher, während ihn die langen Beine sicher durch den stillen Wald trugen. Nur das Rauschen der Blätter war neben seinen eigenen Schritten noch zu hören.
Für ihn war es trotz alledem kein Grund unaufmerksam zu werden. Die hellhörigen Ohren begleiteten seine wachsamen Blicke. Er würde alles im Blick behalten müssen. Sicher war es in diesen Landen nicht. Besonders nicht in Gondor, dem Reich welches an Mordor grenzte. Legolas war sich sicher, bald auf Orks treffen zu können.
Nun folgte er nicht viel mehr als einem Gerücht. Eines, dass er in einem Wirtshaus in Rohan aufgeschnappt hatte. Der Streicher war in Gondor gesehen worden, und das erst vor wenigen Tagen.
Vor ihm lagen nun die Weiten des großen Königreichs. Bereits jetzt konnte die wachen Augen das Ende des schützenden Waldes erspähen.
Erneut sah Legolas sich prüfend um, dann beschleunigte er den Gang. Einige Augenblicke später hatte er schließlich das Ende erreicht. Nun lag das flache trockene Land Gondors vor ihm. Nur vereinzelte Felsen ragte aus dem Boden hervor. Bäume waren meilenweit nicht zu erblicken.
Es würde ein langer Weg durch die Lande werden.
Also schritt der blonde Elb voran, aus dem Wald hinaus, in die offene Ebenen. Seine Beine trugen ihn noch schneller als zuvor. Rasch bewegte er sich fort, nichts sollte ihn aufhalten.
Sein Atem wurde lauter, doch er kam nicht aus der Puste. Legolas hatte Jahrtausende gehabt, ihn brachte kein Lauf so schnell außer Fassung.
Überhaupt hatte ihn schon lange nichts mehr aus der Fassung gebracht.

Legolas sprang auf einen der großen Steine. Dann flog er zu dem größten aller Felsen weit und breit. Seine spitzen Ohren meinten etwas gehört zu haben. Wachsam kniffen sich die blauen Augen zusammen. Doch sie entdeckten keinerlei Bewegung. Die hellen dünnen Hände umklammerten fest den edlen Bogen. Er war bereit, in den Köcher zu greifen, und dann zu schießen. Die Spannung in ihm wuchs und wuchs. Er konnte sich nicht geirrt haben. Das taten die Elbenohren nie. Doch hatten seine Augen nichts bemerkt. Und sie hatten ihn noch nie betrogen. Er war sich nicht sicher. Es war keine Angst, die sich in ihm breit machte. Dafür hatte er zu oft gegen den Fein gekämpft. Aber doch fühlte er sich unbehaglicher, als sonst.
Ein ungewohntes Gefühl, das ihm ganz und gar nicht gefiel. Erneut hatten seine blauen Augen sich zusammengekniffen, um über die weite Landschaft zu wandern.

Und dann erblickten die schwarzen Pupillen eine geheimnisvolle Gestalt auf den hohen Felsen. Aus dem Nichts war sie erschienen.
Es war eine Frau, nicht so groß wie ein Elb, aber größer als ein Zwerg.
Sie hatte ein schlanke Statur mit langen dunkelbraunen Haaren, die fast genauso geflochten waren, wie seine eigenen. Mit erhabenen Schritten und auffallender Leichtigkeit schritt die Unbekannte hinunter auf den Boden.
Er betrachtete sie genauer, da fiel ihm auf, dass sie Elbenschuhe trug, jedoch lederne Rüstung von den Menschen. An ihrer Seite war ein Dolch, auf ihrem Rücken ein Köcher mit Pfeilen, befestigt. In ihrer hellen Hand hielt die Frau fest den hölzernen Bogen.
Legolas musterte das weiche Gesicht, die stechend grünen Augen, die farbigen Lippen und die sanften Konturen. Die dunklen Brauen waren ernst verzogen. Aus Höflichkeit hörte Legolas schließlich auf sie derartig anzustarren.
In ihm wohnte immer noch der Schock. Sie war aus dem Nichts aufgetaucht. Er hatte sie nicht kommen sehen. Und sonst nahmen seine wachen Augen alles war.

Hinter dem Felsen kam gehorsam ein schwarzes Pferd hervorgetrabt. Die lange dunkle Mähne wehte im Wind. Legolas hatte selten ein solches mächtiges Pferd gesehen. Es hatte starke Beine, einen kräftigen Hals und war beinahe doppelt so groß, wie alle anderen Pferde. Auf derselben Höhe seiner Herrin blieb das Tier schließlich ruhig stehen. Darauf folgte ein lautes Schnauben.

"Wer seid ihr?", fragte die Unbekannte mit gereckter Nase.
Ihre Stimme war lieblich, doch zugleich in einem herrischen Ton.
Das Tier neben ihr grummelte etwas unruhig. Legolas machte einen Schritt auf die beiden zu, aber die Frau griff augenblicklich an den Dolch an ihrer Seite. Er erwartete wohl, dass sie sofort zustechen würde, aber die Unbekannte hielt inne. Ihn beschäftigte es immer noch, dass sie sich einfach hatte anschleichen können.
"Wie habt ihr-"
"Wer seid ihr?", wiederholte die Braunhaarige sich bestimmend. Die Stirn des blonden Elben runzelte sich. Er war am Überlegen. Ihm war es nicht geheuer seinen Namen zu verraten. Doch gleichzeitig brannte er darauf zu wissen, was sie war. Und vor allem wie sie ihn gefunden hatte.
"Mein Name ist Legolas Grünblatt," antwortete der Elb schließlich.
Nun war es ihre Stirn, welche sich runzelte. Erleichtert konnte er feststellen, wie sich die Haltung der Frau entspannte und zugleich ihre Hand vom Dolch rutschte.
"Ihr seid der Prinz des Düsterwalds, Sohn von Thranduil, dem König der Waldelben," stellte sie fest. Ihr Ton war sanft geworden, fast wirkte sie begeistert. "Doch was treibt euch in diese Lande? Allein?" Vielsagend legte sich der Kopf der Unbekannten schief.
"Bevor ich euch von mehr von mir erzählt, solltet ihr mir doch wenigstens euren Namen verraten."
"Man nennt mich Elleth."

Legolas Brauen verzogen sich mehr und mehr. "Das ist elbisch. Sprecht ihr es?"
Elleth sagte nichts mehr darauf.
"Oder wer gab euch diesen Namen? Ihr wisst was er bedeutet?"
"Elbenmädchen."
"Was für ein einfältiger Name," bemerkte der blonde Elb.
"Mein Vater gab ihn mir.
Bevor er nach Valinor segelte."
Erstaunt zog Legolas die Brauen nach oben. "Euer Vater war ein Elb?"
Als Elleth ihren Blick wieder versteinerte, zuckte der blonde Bogenschütze leicht zurück, so finster war ihr Blick.
"Das hat euch nichts anzugehen."
Legolas machte einen Schritt zurück. Dann beugte er seinen Kopf respektvoll nach unten.
"Verzeiht mir, es stand mir nicht zu."

Kritsch beäugte Elleth den Prinzen. Sie hatte wohl noch nie derartig reines goldenes Haar gesehen. Geschweige denn derart ausdrucksstarke blaue Augen. Seine Wangenknochen waren klar gezeichnet, die Lippen vollendeten das schöne Gesicht. Zwei Strähnen waren kunstvoll zusammengeflochten, der Rest fiel wie ein Wasserfall die Schultern hinunter. Seine Kleidung war in dunklem Grün, die Stiefel in edlem Braun. Von seinem Rücken lugten zwei Schwertgriffe hervor, dazwischen befand sich ein Köcher mit Pfeilen.
Als ihre Augen wieder nach oben wanderten, bemerkte Elleth, dass er sie genauso musterte wie sie ihn gerade. Doch statt peinlich berührt weg zu sehen, hielt die Frau seinem Blick stand. Ihr Gesicht hatte wieder diesen gleichgültigen Ausdruck aufgesetzt.
"Nun, könnt ihr mich zu dem Waldläufer bringen?"
"Ich fürchte nicht," reckte Elleth die feine Nase nach oben,"aber ich könnte euch zu jemandem führen, der ihn möglicherweise finden kann."
Zufrieden nickte der blonde Elb.
"Aber ich wüsste nicht, was für mich dabei herum kommen könnte."
Sofort verschwand die Zufriedenheit in Legolas Augen. Die Lippen hatten sich zu einem Strich verzogen.
"Ich habe euer Leben verschont."

Nun war es ihr Gesichtsausdruck, der entglitt. Es dauerte einige Momente, dann verwandelte sich die Fassungslosigkeit in geballte Wut.
"Legt es nicht darauf an."
Mit einmal Mal griff Elleth in das dichte Fell des Pferdes, zog sich daran hoch und schwang schließlich das Bein über den breiten Rücken.
Wieder schnaubte der Rappe.
Legolas' Hand glitt instinktiv nach hinten zu seinem Köcher.
Auf Elleths Gesicht erschien ein belustigtes Grinsen.
"Ich führe euch zu meinem Herren. Er wird wissen, wie euch zu helfen ist," dann hielt sie kurz inne, "oder ob er euch überhaupt helfen will."
Von oben nach unten musterte sie den Elb erneut. Dann trat Elleth dem Pferd in die Seite und das Tier setzte sich in Bewegung.

Es vergingen einige Stunden, in denen beide einander anschwiegen, als ob sie niemals sprechen gelernt hätten.
Dunkle Wege, mit noch dunkleren Bäumen, durchzogen die Gegend. Es regnete unentwegt, was es umso schwerer machte vorwärts zu kommen. Der Wind wurde von Minute zu Minute stärker. Gnadenlos kämpften sich die kalten Böen durch die hohen Baumkronen, bis nach unten zu den beiden Reisenden. Elleth hatte die Kapuze ihres Mantels über den Kopf gezogen. Ihr Blick war starr nach geradeaus gerichtet. Die Augen der Frauen waren kein einziges Mal zu dem blonden Begleiter zu ihrer rechten gehuscht. Er würde schon mitkommen.
Legolas hingegen, blickte immer wieder zu ihr hinauf. Nicht aber, um das Gespräch zu suchen, viel mehr, weil er sie böse anstarren wollte. Auch er trug eine Kapuze, allerdings hatte der Regen trotzdem seine goldenen Haarpracht getränkt.
Er wusste ungefähr, wo sie sich befanden, war allerdings immer noch ratlos, da er nicht erahnen konnte wohin Elleth ihn führen würde.

"Wir sollten eine Pause einlegen," riet der Elb mit lauter Stimme. Nun schaute sie tatsächlich nach unten. Begeistert wirkte sie nicht sonderlich.
"Euer Pferd benötigt auch Rast," wies Legolas auf das schnaubende Tier hin.
Elleth schnauft laut aus, nickte jedoch dann. "Aber kein Feuer," brummte die Braunhaarige. Der Elb zuckte darauf nur mit den Schultern.

Sie fanden einen Platz, weit abseits des Weges, etwas wettergeschützt. Mehrere Äste waren wild miteinander verwachsen, sodass daraus ein kleiner Unterstand entstanden war. Zwar regnete es noch ein wenig durch, doch würde es für die Nacht reichen.
"Ich werde nicht schlafen," bemerkte Elleth. Ihre Stimme hatte wieder diesen grimmigen Ton aufgeschlagen.
"Meine Wenigkeit ebenso nicht," gab der Prinz zurück. Kritisch beäugten die Reisenden einander. Beide hatten wohl Angst davor von dem anderen in der Nacht bestohlen, wenn nicht sogar erstochen zu werden.
Elleth hatte ihren Rappen fest an einen Baum gebunden. Das Tier blieb ruhig stehen, ohne sich zu rühren. Darauf setzte die Bogenschützin sich zu dem blonden Elben, welcher unter den verflochtenen Ästen bereits Platz genommen hatte.
"Womöglich wäre ein Feuer doch besser," überlegte Elleth. Es frierte sie bereits nach einigen Minuten so sehr, dass sie befürchtete in der Nacht zu gefrieren. "Nein, ihr hattet Recht. Es ist besser kein Licht in der Nacht zu entfachen."
Prüfend blickte der Elb noch einmal in der Dunkelheit umher.
"Die Dunkelheit ist das Zuhause der Orks. Es ist besser unentdeckt zu bleiben," fügte er noch hinzu.

Etwas unruhig rutschte Elleth auf dem Boden umher. Ihr war nich ganz wohl dabei am Boden zu verweilen. Womöglich wäre es doch besser gewesen auf einen der Bäume zu klettern. Leicht besorgt blickte sie zu dem dösenden Pferd, das halb geschützt am Stamm angebunden war. Sie würden sofort auffallen, wenn der dunkle Rappe entdeckt worden würde. Doch sie hatte seit fast zwei Monden keine Orks mehr gesehen, es war recht ruhig in diesen Landen. Hin und her gerissen wanderten ihre wachen Augen zu dem blonden Elb. Legolas schien sie beobachtet zu haben. Seine Pupillen hatten sich für einen Moment geweitet, doch nun schenkte er ihr ein leichtes Lächeln. Elleth war überrascht wie sanft und liebevoll dieser Ausdruck auf dem hellen Gesicht lag. Sie blinzelte mehrmals, schaute jedoch dann augenblicklich weg.
"Ihr seid kein Mensch, aber auch kein Elb. Ebenso wenig ein Zwerg oder ein Hobbit," stellte der Elbenprinz nachdenklich fest. Seine blauen klaren Augen lagen noch immer auf ihrem feinen Gesicht, das leicht gezuckt hatte, als er sie angesprochen hatte.
"Mein Vater war ein Elb, meine Mutter habe ich nie kennengelernt."
Ihr Blick blieb verloren, auf den Boden gesenkt.
"Euer Vater segelte nach Valinor?"
"Er ließ mich zurück."

Legolas' Blick ließ nicht von ihr ab. Er konnte nicht anders, als sie zu beobachten wie sie von ihrer Herkunft sprach. Wenn gleich er in all den Jahrhunderten etliche Geschichten gehört hatte, so war es doch noch interessant von den Geschichten Fremder zu hören.
"Und seitdem streift ihr durch die Lande? Wie alt seid ihr?"
"Ich zähle die Jahrzehnte nicht mehr," brummte Elleth. Sie war sich unsicher, ob es für sie In Ordnung war, dass er solch persönliche Fragen stellte. "Nicht immer," fuhr die Braunhaarige fort, "lange Zeit war mein Zuhause in Bruchtal."
"Also seid ihr ein Elb," beharrte Legolas auf ihrer Identität.
"Ich wurde als solcher groß gezogen," nickte Elleth schließlich.
Die klaren blauen Augen des Prinzen wanderten zu ihren Ohren. Nun waren sie nicht derart spitz wie die eigenen, dennoch nicht derart rund wie die der Menschen.
"Ihr erscheint mir sehr grimmig für einen Elben," schmunzelte Legolas, nun den aufmerksamen Blick wieder direkt auf sie gerichtet.
Elleth legte spielerisch den Kopf schief. "Ihr erscheint mir sehr verloren für einen Tausend Jahre alten Elbenprinzen."
Seine weichen Brauen zogen sich herausfordernd nach oben.
"Nun erzählt mir, wohin der Weg uns führen wird."
"Nach Bruchtal," sprach sie in selbstverständlichem Ton.
"Diesen Weg hätte ich auch allein gefunden," meinte Legolas.
"Aber ihr hättet nicht gewusst, dass euch der Weg dorthin führen sollte."

Nun war er still. Leicht frustiert schob der Elb die Lippen nach vorne, dann drehte er den Kopf von ihr weg. Seine Augen versanken in der Dunkelheit.
"Nun, vielleicht war diese Begegnung vorhergesehen," dachte der Prinz nach. "Ich glaube nicht an Schicksal oder derartiges."
"Ihr seid zu wenige Jahrzehnte auf der Welt, um daran zu glauben."
Legolas wirkte so überzeugt von seiner Ansicht, dass Elleth kurz über ihn schmunzeln musste.
"Also habt ihr in euren vielen Jahre gelernt an Schicksal zu glauben?"
Nun war es der blonde Elb, welcher den Mund verzog.
"Ich habe gelernt, dass manche Ereignisse dazu bestimmt sind zu passieren," antwortete Legolas selbstsicher. Elleth biss sich auf die Unterlippe. Sie war es wohl nicht gewohnt derart über das Leben zu philosophieren. Auch hatte sie seinen weisen Aussagen, nichts mehr hinzuzufügen.
Sie hatte eine urplötzliche Müdigkeit verspürt. Nun hatte Elleth große Schwierigkeiten die Augen offen zu halten.
"Ich werde Wache halten," schlug Legolas vor. Er hatte bemerkt, dass ihre Lider schwer geworden waren.
Mit Mühe riss sie wieder die Augen auf und schaute ihn angestrengt an.
"Ihr solltet mir ein klein wenig Vertrauen schenken, so wie ich es bei euch tat. Wer weiß wohin ihr mich wirklich führen werdet?", wandte der Elbenprinz ein, denn ihr skeptischer Blick war nicht verschwunden.
Die dunkelbraunen Haare schimmerten geheimnisvoll im Mondlicht, als Elleth schließlich nickte und sich auf die Seite legte.
Sie wusste selbst nicht, warum ihr Herz diesem Fremden vertraute. Doch war er ein Elb und kein hinterlistiger Zwerg oder ein verschlagener Mann. In all den Jahren hatte Elleth gelernt den Elben zu vertrauen und so wagte sie es auch bei diesem hier.
Ihre Augen hatten sich geschlossen, ihre Welt versank ins Dunkle.
Und dann schlief Elbenmädchen rasch ein.

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