Kapitel 29 - Nur Körperwärme...
Xenias p.o.v.
Kilian folgte mir und da standen wir dann auch schon: am Ufer des Baches, ein kurzes Grasstück, bis dann der Abhang kam.
Unsicher drehte ich mich zu ihm um.
Irgendwie machte es mich nervös, mich vor ihm auszuziehen.
Natürlich würde ich es nicht ganz tun. Aber trotzdem, obwohl ich mit meinem Körper ganz zufrieden war, war es irgendwie anders, ihn zu großen Teilen Kilian zu zeigen.
Entweder wusste Kilian das intuitiv, verstand mich auf irgendeiner elementaren Ebene, oder er war einfach ein richtiggehender Gentleman, denn er meinte:
"Ich kann die Augen zumachen, okay?"
Erleichtert nickte ich.
Dann schloss er auch schon die Augen, drehte sich um und begann sich auszuziehen.
Eigentlich wollte ich dasselbe tun, aber Mann....der Spruch "Auch ein Rücken kann entzücken" kam mir bei seinem Anblick in den Sinn.
Bei Kilian traf das eindeutig zu.
Fasziniert beobachtete ich die Bewegungen seiner Muskeln, als er sich das T-Shirt auszog.
Als er sich dann allerdings seiner Hose widmete, drehte ich mich mit roten Wangen um und zog auch mein nasses Zeug aus, das sich nur schwer von meiner Haut lösen wollte.
Aber schließlich stand ich nur noch in Unterwäsche da und blickte mich nervös zu Kilian um, der noch immer mit dem Rücken und vermutlich geschlossenen Augen zu mir stand.
"Wir können das Zeug in die Sonne legen, dann trocknet es schneller. Am besten legen wir uns auch mit in die Sonne", meinte er.
Ich schluckte schwer und nickte, da fiel mir ein, dass er das ja nicht sehen konnte.
"Okay. Ich lege die Klamotten mal in die Sonne. Augen zu, ja?"
Gott, klang ich prüde, aber ich konnte nichts dagegen tun.
Und Kilian tat mir einen Gefallen, indem er mich nicht auslachte, sondern nur nickte.
Schnell lief ich um ihn herum, sammelte seine Kleider ein, prüfte, ob er wirklich die Augen zu hatte (ja) und breitete die Sachen im Gras in der Sonne aus.
Dann drehte ich mich zu Kilian um und hielt inne.
Er sagte nichts, obwohl er gehört haben musste, dass ich fertig war mit den Klamotten. Und doch drängte er mich nicht. Er ließ mir Zeit.
Es war, als kenne er mich besser als ich mich selbst.
Schließlich gab ich mir einen Ruck und ging auf ihn zu, bis nur noch wenige Zentimeter uns trennten und ich die Hitze seines Körpers spüren konnte.
"Was jetzt?", flüsterte ich.
"Ich würde sagen, wir setzen uns hin, ich hab nämlich ehrlich gesagt nicht viel Lust, die ganze Zeit zu stehen. Du kannst dich mit dem Rücken an mich kuscheln. Aber hol vielleicht vorher das Essen aus meinem Rucksack, sonst wird es noch kalt."
Also tat ich genau das, denn trotz allem war mein Hunger nicht verschwunden. Auch wenn ich ihn kurzzeitig vergessen hatte. Es überraschte mich, dass Kilian sich daran erinnerte.
Den Rucksack hatte er gleich neben dem Abhang abgestellt und in der hinteren Tasche steckten zwei Dönerboxen.
Ich lächelte zufrieden. Lecker.
Kilian hatte sich derweil mit noch immer geschlossenen Augen ins Gras gesetzt, und ich ging wieder zu ihm und kuschelte mich an ihn zwischen seine Beine, bevor mich noch meine Nervosität daran hinderte. Er hat ja wirklich eine höhere Temperatur, bemerkte ich. Als wäre er eine eigene mobile Heizung. Praktisch.
Zumindest versuchte ich mich mit diesen lächerlichen Gedanken davon abzulenken, dass die Schmetterlinge in meinem Magen einen Freudentanz ausführten. Ich saß hier an einen Werwolf gelehnt. Der zufällig noch mein Date war. Verrückt. Vielleicht sogar besorgniserregend. Eigentlich sollte ich so schnell wie möglich die Flucht ergreifen. Das würde zumindest jede andere Hexe tun.
Aber ganz ehrlich? Dafür war dieser Platz hier zu schön. Am besten dachte ich einfach nicht zu lange drüber nach und genoss einfach den Moment.
Und wie konnte man besser genießen, als noch dabei etwas zu essen? Also machte ich die Tüten auf und gab ihm eine. Dann begannen wir zu essen.
Und obwohl mein Rücken nun schön warm war, konnte ich das von meiner Vorderseite nicht behaupten.
"Du zitterst", bemerkte Kilian leise besorgt.
"Wo ist dir noch kalt?"
Ich biss mir auf die Unterlippe. Er hatte mir gesagt, dass er nichts versuchen würde. Und ich konnte das hinkriegen.
Außerdem war das doch die perfekte Vertrauensprüfung, oder?
Also gab ich mir einen Ruck, nahm seine Hand und legte sie auf meinen Bauch.
Wäre dort noch keine Gänsehaut wegen der Kälte gewesen, wäre diese jetzt aufgetaucht.
So spürte ich aber noch ein Kribbeln und eine Hitze, die nicht von außen kam, sondern von innen.
Allerdings ignorierte ich das bestmöglichst und versuchte mich abzulenken, indem ich ein Gespräch anfing.
"Was ist eigentlich deine Lieblingsfarbe?"
Eine belanglose Frage, aber auf die Schnelle fiel mir nichts Besseres ein.
"Hm", machte er nachdenklich.
"Ich weiß nicht, ob ich die eine Lieblingsfarbe habe."
"Dann sag einfach deine Lieblingsfarben. Es werden ja wohl nicht alle sein", meinte ich schmunzelnd und nahm einen weiteren Bissen. Es war zwar nicht mehr richtig warm, aber trotzdem sehr lecker.
Er lachte leise hinter mir und die Vibration seiner Brust an meinem Rücken ging mir durch und durch.
"Nein, nicht alle. Zum Beispiel mag ich Grün. Das Grün der Blätter hier im Wald, wenn die Sonne darauf scheint oder auch das dunkle Grün im Schatten. Es ist für mich mit Ruhe und Freiheit verbunden. Aber ich mag auch Braun. Das Braun von Rehfell und Rehaugen. Aber auch Rot gefällt mir, wenn die Blätter im Herbst ihre Farbe zu diesem satten Rot ändern oder die Farbe des Sonnenuntergangs, wenn die Sonne wie ein blutroter Ball aussieht."
Atemlos hatte ich seinen Erklärungen gelauscht. Wie er es beschrieben hatte, klang wunderschön in meinen Ohren. Und es gefiel mir, dass er nicht einfach nur "Grün" gesagt hatte. Sondern dass er es erklärt hatte. Die Frage erschien so einfach und erst jetzt fiel mir auf, dass so viel mehr hinter ihr steckte.
So wie hinter einem gewissen Werwolf.
"Das klingt voll schön", hauchte ich ehrfürchtig.
Ich spürte die Bewegung an meinem Rücken, als er die Schulter zuckte.
"Was sind deine Lieblingsfarben?", fragte er dann.
Das war einfach.
"Blau", erwiderte ich und erklärte es wie er näher:
"Das Dunkelblau des Meeres. Es hat Tiefe, in ihm ist so viel verborgen. Wenn man das Wasser durchbricht, ist da eine ganze Welt, die es zu entdecken gibt. Aber das weiß man auf den ersten Blick nicht. Man sieht nur das Blau, ohne zu wissen, was darunter liegt. Wie bei einem Eisberg. Man kann nie wissen, wie groß er wirklich ist."
Errötend hielt ich inne. Ob ihm auffiel, was meine Antwort bedeutete?
Ich hatte nicht nur über die Farbe Blau und meine Faszination für sie gesprochen, nein, vielmehr noch: ich hatte über ihn, über Kilian, gesprochen.
Und die Farbe seiner Augen.
Ein Blau, in dem ich jedes Mal zu versinken drohte.
"Warst du schon einmal am Meer?", fragte Kilian.
Ich nickte und erinnerte mich an die schönen Ferientage mit meiner Familie am Mittelmeer.
"Mit meiner Familie in Italien. Und auch mal in Frankreich. Es ist wunderschön, besonders wie das Sonnenlicht auf den Wellen glitzert, als würde es tanzen."
Wieder hielt ich inne. Mann, das hörte sich Recht bescheuert an. Aber genauso empfand ich.
"Und du? Warst du schon mal am Meer?", fragte ich schnell, um von meinen Worten abzulenken.
Eigentlich konnte es mir egal sein. Das hier war Kilian und irgendetwas in mir sagte, dass er mich für meine Worte nicht auslachen würde.
Aber durch diese Nähe zu ihm war ein Teil meiner Unsicherheit, meiner Nervosität zurückgekehrt, der zuvor wie weggeblasen schien.
Hinter mir versteifte sich Kilian merklich.
"Nein", erwiderte er fast schon barsch. Und mir wurde klar, dass ich ein wundes Thema angesprochen hatte.
Schnell versuchte ich davon abzulenken, und griff wieder auf den Anfang unseres Gesprächs zurück:
"Und was ist dein Lieblingsessen?"
Es dauerte eine Weile, aber irgendwann hatte sich Kilian wieder entspannt und die leichte Atmosphäre zwischen uns war wieder zurückgekehrt.
Mit der Zeit hatte Kilian angefangen, den Daumen sanft über meine Haut kreisen zu lassen.
Ob es ihm bewusst war, wusste ich nicht.
Aber das war mir egal. Zu sehr genoss ich dieses Gefühl, als dass ich ihn darauf aufmerksam machen und somit riskieren wollte, dass er aufhörte.
Gerade erzählte ich ihm über die Magie, Dinge, die er wissen konnte, weil es keine besonderen Geheimnisse waren.
"Deswegen bin ich so gern im Wald spazieren. Weil er voller Leben ist, mehr als nur in einer Hinsicht. Alle Lebewesen tragen Energie in sich und genau darum geht es ja letztlich in der Magie: sich die Energie zu Nutzen zu machen. Und Lebensmagie ist eine der stärksten Energien. Im Wald sind Tiere und Pflanzen und sie alle tragen diesen Funken in sich. In der Stadt dagegen ist bereits so viel zugebaut, dass es schwer wird, etwas zu finden, ohne auf die eigene Magie zurückzugreifen."
"Interessant", erwiderte Kilian nachdenklich.
"Ja, die Magie ist wirklich faszinierend", stimmte ich ihm lächelnd zu.
"Das meinte ich gar nicht. Aber es stimmt schon."
Verwundert drehte ich meinen Kopf ein wenig nach hinten, sodass ich ihn im Augenwinkel sehen konnte.
"Was meinst du dann?"
Lächelnd blickte er auf mich herab.
"Ich finde es interessant, dass ihr Hexen das gleiche Problem habt wie wir Werwölfe: die viele Abholzung heutzutage, die mutwillige Zerstörung von Lebensraum für so viele Tiere und Pflanzen. Es scheint, als wären wir gar nicht so verschieden, wie wir denken."
Ich blinzelte. Und mir wurde bewusst, dass er Recht hatte. Aber natürlich. Warum war mir das zuvor noch nie aufgefallen?
Werwölfe lebten in Wäldern, es war ihre Heimat, sie liebten sie.
Und auch wir Hexen liebten sie.
Denn für uns bedeutete es Leben, eine größere Macht als man denken mochte.
Magie.
Kilian hatte Recht. Im Grunde waren wir gar nicht so verschieden. So wie es aussah, grenzten wir uns nur durch unser Aussehen und unsere Fähigkeiten ab.
Dabei ging es doch vielmehr um den Charakter, um das Innere als um das Äußere, nicht wahr?
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