Kapitel 28 - Im Wald

Xenias p.o.v.

Seit einer Weile schon waren wir im Wald unterwegs und ich war mir mittlerweile sicher, wo er mich hinbringen wollte.
Auf eine Lichtung. Vielleicht würden wir picknicken. Reden.
Und ich freute mich darauf. Der Wald mochte seine Heimat sein, aber auch ich fühlte mich hier sehr heimisch.

Einerseits fühlte man sich hier so sicher, geborgen, es erschien einem ruhig.
Und doch war der Wald voller Leben, für ihn mit seinem außergewöhnlichen Gehör wahrscheinlich noch mehr als für mich.

Das Sonnenlicht warf goldene Sprenkel durch das dichte Blätterdach und erhellte so manches Grün. Wir liefen querfeldein und doch schien Kilian genau zu wissen, wo wir uns befanden, so zielgerichtet wie er ging.
Obwohl er sich nicht in seiner Wolfsgestalt befand, lief er geradezu lautlos, was man von mir nicht behaupten konnte.
Mehr als einmal knackte ein Zweig unter meinen Füßen und erschreckte bestimmt so manches Getier, vor allem, da Kilian und ich schwiegen, seit wir den Wald betreten hatten.

Es war aber kein unangenehmes Schweigen, nein, vielmehr war es einvernehmlich, denn sowohl er als auch ich schienen die Schönheit und lebendige Ruhe des Waldes zu genießen.
Überall hörte man die unterschiedlichsten Vögel zwitschern, Rascheln im Unterholz, so manches hohes Fiepen, dass einem nicht langweilig werden konnte.

Keine Ahnung, wie lange wir schon so liefen, als Kilian plötzlich anhielt und sagte:
"Wir sind da."

Sofort löste ich meinen Blick von den Bäumen, in denen ich nach Tieren Ausschau gehalten hatte und richtete meinen Blick nach vorne.
Nur....da war nichts.
Na ja, da waren Bäume und Büsche wie die ganze Zeit schon, aber sonst....nichts.
Das sollte die Überraschung sein? Und deshalb sind wir so lange im Wald umhergestiefelt?

"Ähm...", machte ich und sah Kilian schräg von der Seite an.
"Okay, falls du mir eine Leiche zeigen willst, die du hier in deiner Serienmörderphase vergraben hast, muss ich dir leider mitteilen, dass das für ein erstes Date nicht gerade geeignet ist."

Es sollte lustig klingen. Aber irgendwie misslang das. Denn wir waren hier tief im Wald, allein,....was, wenn ich falsch lag?
Wenn das hier ein Fehler gewesen war? Wenn Kilian wirklich...?

Er schien meine Unruhe zu spüren, denn besänftigend drückte er meine Hand und schenkte mir ein warmes Lächeln.
"Alles ist gut, Xenia. Hör doch mal genauer hin."

Stirnrunzelnd leistete ich seiner Bitte Folge.
Und tatsächlich: nach einigen Sekunden vernahm ich das leise Rauschen von Wasser, das vom Vogelgesang fast übertönt wurde.
"Oh", machte ich und sah nun genauer hin: und da, versteckt in einer Lücke im Dickicht meinte ich Sonnenlicht auf Wasser glitzern zu sehen.
Ein Bach. Das musste ein Bach sein.

Unwillkürlich machte ich eine Schritt näher, doch Kilian hielt mich an der Hand zurück. Fragend blickte ich ihn an.
"Ich geh lieber voraus und helfe dir dann", meinte er gentlemanlike.
"Der Abhang ist bisschen rutschig und steil, nicht dass du noch in den Bach fällst."

Und da ich nicht gerade scharf drauf war, nass zu werden, hörte ich auf ihn.
Nachdem er also hinter dem Dickicht verschwunden war, wartete ich kurz und zwängte mich dann ebenfalls durch.
Kaum setzte ich einen Fuß auf den etwas steilen Abhang, rutschte ich schon aus und...
"Uff!"

Erschrocken klammerte ich mich an Kilians T-Shirt fest.
"Aufpassen", flüsterte er an meinem Ohr und bescherte mir dabei eine Gänsehaut.
Ich blickte zu ihm hoch und versank in den blauen Tiefen seiner Augen.
Das Vogelgezwitscher und das leise Rauschen des Baches schien immer schwächer zu werden, das viele Grün mit so manchen farblichen Tupfern verschwand geradezu aus meiner Sicht.
Es gab nur noch ihn. Kilian mit seinen wunderschönen Augen, in denen ich zu versinken drohte.
Sein Blick wärmte mich von innen und diese Verbindung zwischen uns schien uns immer näher zu bringen, bis nur noch Zentimeter unsere Gesichter trennten.
Wie von selbst schlossen sich meine Augenlider flattrig und ich wollte gerade den letzten Raum Luft zwischen Kilians und meinen Lippen überbrücken, als....

"Ahhh!"
Erschrocken schrie ich auf und stieß dabei Kilian von mir.
Mit klopfendem Herzen fasste ich mir reflexartig an den Kopf und genau in etwas Warmes, Glibbriges...

Dass Kilian mit einem Platschen im Bach landete, bemerkte ich kaum.
Mit angewidert verzogenem Gesicht hob ich meine Hand vor mich und betrachtete das weiße und schwarze Geschmiere daran. Vogelkacke.
Igitt. Das musste ich abwaschen. Wie gut, dass hier ein Bach war.
Ich zog noch meinen Rucksack von den Schultern und ließ ihn auf den Boden fallen, bevor ich schnell die paar Schritte zum Bach lief.
Dabei bemerkte ich Kilian, der sich aufgerappelt hatte und auf seine vor Wasser triefenden Klamotten starrte.
Auch ich ließ den Blick an ihm herabgleiten, die Vogelscheiße kurzerhand vergessen.
Mannomann, die Klamotten klebten nun an ihm und ließen keine Illusionen über die Muskelstränge zu, die sich darunter abzeichneten.

Schnell sah ich wieder weg, hoch in sein Gesicht.
Gerade hob er den Blick und sah mich entgeistert mit hochgezogener Augenbraue an, dass ich nicht anders konnte.
Gegen meinen Willen brach das Kichern aus mir heraus und das Schlimmste: ich kriegte mich gar nicht mehr ein.

Da war ich tatsächlich von einem Vogel angeschissen worden, als wir uns gerade küssen wollten.
Und hatte Kilian geradewegs ein unfreiwilliges Bad beschert.

"Jaja, lach du nur. Ist ja auch total witzig", murrte Kilian mürrisch, während er sein T-Shirt anhob und auswrang. Dabei erhaschte ich einen Blick auf definierte Muskeln. Mein Lachen verebbte, doch ein Grinsen verblieb auf meinem Gesicht.

"Das ist meine Rache dafür, dass du mich heute morgen nicht aufgefangen hast", erklärte ich grinsend.

Er verdrehte nur die Augen.
Doch dann blickte er plötzlich auf und grinste mich an.
Ich kniff die Augen zusammen. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Doch bevor ich Gelegenheit hatte, die Flucht zu ergreifen, war er schon bei mir und nahm mich mit einem Ruck auf die Arme.
"Hey!", schrie ich auf, doch da war er schon ein paar Schritte gegangen und dann…
"Rache ist süß", schnurrte er mir ins Ohr. Im nächsten Moment warf er mich in den Bach.
Prustend kam ich gleich wieder hoch, so tief war es nicht.
Doch jetzt war auch ich ganz nass.

"Na warte!", rief ich und stürzte mich auf den lachenden Kilian.
Er wich mir tänzerisch aus, doch damit hatte ich gerechnet.
Schnell wirbelte ich herum und streifte mit meiner Vogelkacke-Hand seine Wange. Zwar war durch mein Bachbad nicht mehr viel davon übrig, aber doch noch genug.
Reflexartig fuhr Kilian sich über die Stelle und hatte nun auch noch Vogelkacke an der Hand kleben.
Angewidert starrte er darauf, während ich bei seinem Anblick loslachte.

"Du kleine...!", rief Kilian, doch mit einem amüsierten Funkeln in den Augen.
Dann stürzte er sich auf mich, aber ich rannte platschend durch den Bach davon, noch immer lachend.
Er jagte mir hinterher, aber ich war schnell und dann...
Lag ich plötzlich im Wasser, Kilian über mir.
Grinsend strich er mir über die Wange.

"Iiihh!", schrie ich kichernd, denn nun klebte die Vogelkacke auch an meiner Wange.

"Rache", flüsterte Kilian mir verführerisch ins Ohr, sodass ich eine Gänsehaut bekam.
Ich begann zu zappeln, wollte freikommen, doch keine Chance.
Also kapitulierte ich.
"Ist ja gut! Du hast gewonnen, okay? Du hast deine Rache!", rief ich.

"Schön, dass wir uns verstehen", meinte Kilian und stand auf.
Dabei reichte er mir die Hand. Ich nahm sie an und er zog mich ohne Anstrengung aus dem Wasser hoch.

"Wir sollten uns ausziehen", bemerkte er mit Blick auf unsere nassen Klamotten.
"Nicht, dass wir noch krank werden."

Als er aufsah, bemerkte er meine hochgezogenen Augenbrauen und das amüsierte Lächeln auf meinen Lippen.
Da ging ihm wohl ein Licht auf.
"Hey, das soll keine Anmache sein."
In einer abwehrenden Geste hob er die Hände.
"Ich bin nur um unser beider Gesundheit besorgt."

Er sah tatsächlich aufrichtig auf, doch dann zuckte er mit der Schulter.
"Nun ja, unter anderem", fügte er grinsend hinzu.

Ich schnaubte lachend.
In Kilians Gesellschaft fühlte ich mich so....leicht. Als wären alle Sorgen und Probleme wie weggeblasen. Ich fühlte mich frei. Mehr wie ich selbst. Wenn das einen Sinn ergab.
Und es machte Spaß.
Es machte so viel Spaß mit ihm.

"Wir brauchen aber irgendwas, um uns zu wärmen", meinte ich, denn mir war jetzt schon kalt mit den nassen Klamotten, ohne sie würde es garantiert nicht wärmer werden.
Aber natürlich hatte Kilian auch dafür eine Lösung.

"Du kannst dich an mir wärmen."

Wieder hob ich die Augenbrauen und wieder hob er die Hände.
"Hey, nur Körperwärme. Ich hab eben eine höhere Temperatur. Und keine Sorge, ich werde meine Hände bei mir behalten."
Er sah mir dabei ernst in die Augen und ich erinnerte mich daran, was er gesagt hatte: dass er nichts tun wollte, was ich nicht tun wollte.

Aber bei der Vorstellung, ihm so nahe zu sein....schon allein bei dem Gedanken wurde mir ja schon heiß.
Was, wenn ich Dinge tun wollte, die garantiert nicht vernünftig waren?

Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe, aber es half nichts:
Was er sagte, war logisch. Und so langsam wurde mir wirklich kalt.

"Also gut", meinte ich schließlich.
"Lass es uns tun."

Erst als sich ein amüsiertes Grinsen auf seinen Lippen ausbreitete, bemerkte ich, wie falsch meine Worte geklungen hatten. Schon wieder.
Mit roten Wangen murmelte ich:

"Du weißt, was ich meine. Lass uns unsere Gesundheit schützen. Körperwärme und so."

"Klar. Gesundheit. Körperwärme", wiederholte Kilian.

Noch immer mit brennenden Wangen watete ich aus dem Wasser und doch konnte ich nichts gegen das Grinsen tun, das sich auf mein Gesicht schlich.
Aber bei dem Gedanken, Kilian auf einmal sehr viel näher zu kommen, verschwand es ziemlich schnell und mir wurde ein wenig mulmig zumute.
Das hier war unser erstes Date.
Klar, es ging nur um unsere Gesundheit.
Aber was, wenn ich mich nicht zusammenreißen konnte?
Ich wollte ihn erst kennenlernen, bevor ich mich körperlich auf ihn einließ.
Nicht, dass das bisher sonderlich gut funktioniert hätte....

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