Kapitel 14 - Komische Gefühle

Kilians p.o.v.

Ein Geruch nach Eisen schien nun in der Luft zu liegen, je mehr unverständliche Worte Xenia von sich gegeben hatte, desto mehr hatte er sich verstärkt, als würde die Magie an Kraft gewinnen.

Zuerst war ich erstarrt gewesen. Wollte sie mich diesem Hexer, der in unsere Richtung kam, ausliefern? Sprach sie gerade irgendeinen Zauber, der mich in Ketten legen sollte?
Andere meiner Art hätten keine Fragen gestellt, geschweige denn abgewartet, sondern einfach zugeschlagen.
Wenn man nicht schnell genug war, konnte ein Zauber schon einmal sein Ende bedeuten.

Aber das hier war meine Mate. Ich konnte ihr nichts zu Leide tun.
Und letztendlich war es dann auch schon zu spät, ihr Murmeln hörte auf und sie schien zu lauschen.
Der Hexer hatte sich eindeutig genähert.
Wie Xenia murmelte er Worte in einer anderen Sprache vor sich hin.

"Ubi est lycanthropus. Ubi..."(Wo ist der Werwolf. Wo...)

Ich mochte die Worte nicht verstehen, aber mir war bewusst, dass sie nichts Gutes bedeuten konnten.
Das tat es nie, wenn Hexen mit im Spiel waren..
Dachte ich zumindest.
Noch immer war mir nicht ganz klar, was Xenias Zauber bewirkt hatte.
Ich fühlte mich nicht anders als vorhin.
Aber das musste nicht zwangsläufig etwas bedeuten.
Allerdings hatte der Hexer uns auch noch nicht entdeckt, sie konnte ihm also nicht irgendwie von mir verraten haben.
Hatte sie vielleicht...hatte sie vielleicht einen Schutzzauber gesprochen?
Ich wagte kaum zu hoffen. Denn das würde bedeuten...es würde bedeuten, dass es wirklich noch Hoffnung für uns beide gab.

Wir hielten beide noch angespannt inne, bis der Hexer vorbei lief.
Und selbst dann warteten wir noch eine ganze Weile, bis wir wieder anfingen zu sprechen.

"Was hast du gezaubert?", fragte ich Xenia sofort misstrauisch.
Ich würde ihr gerne vertrauen, denn ich glaubte nicht daran, dass sie mir wehtun würde.
Sie hatte mich nicht ausgeliefert und ich fühlte mich normal, gut. Na ja, so gut wie es einem gehen konnte, wenn die Mate einen verabscheute.
Aber ich musste daran denken, dass sie immer noch eine Hexe war. Und so sehr die Hoffnung mich einnehmen wollte, Hoffnung, dass sie unsere Verbindung ebenfalls spürte....so durfte ich mich davon nicht beeinflussen lassen.
Ich durfte deshalb nicht in meiner Wachsamkeit nachlassen.

"Ein Schutzzauber.", antwortete Xenia.
Ihr Herz schlug normal weiter, und weder ihr Gesichtsausdruck noch ihre Tonlage deutete auf eine Lüge hin.
Also entweder war sie somit eine sehr gute Lügnerin oder sie sprach die Wahrheit.
Ich wollte ihr glauben. Und da alle Beweise für sie sprachen...da konnte ich das wohl auch tun.

Und ihre Worte bewirkten noch etwas anderes: sie gossen Benzin in diese kleine Flamme namens Hoffnung in mir.
Sie hatte tatsächlich einen Schutzzauber gewirkt. Wegen mir? Hatte sie mich schützen wollen?
Denn der Hexer war einer ihrer Art, vielleicht ein Freund von ihr, sie musste nicht fürchten, von ihm gefoltert und getötet zu werden.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich mir diese Hoffnung noch verboten, aus Angst, wieder enttäuscht zu werden und diesen Schmerz zu spüren.

Aber nun....ich erinnerte mich wieder an ihre Worte. Dass sie Gefühle für mich hatte.
Und sofort loderte diese Flamme in mir noch höher auf, als hätte ich ihr Brennmaterial gegeben.
Diesmal ließ ich sie brennen.
Ließ sie brennen und beugte mich noch näher zu Xenia.
Ich konnte ihr Herz schlagen hören, nun schneller und unregelmäßiger.
Das entlockte mir ein kleines Lächeln.

Vielleicht wäre es kluger, von hier zu verschwinden, falls der Hexer zurückkam.
Aber das war mir egal. Im Moment verspürte ich den einzigen Drang, herauszufinden, ob Xenia diese Verbindung zwischen uns spüren konnte.
Ich musste es wissen, bevor ich diese Stadt und damit sie verließ.
Und vielleicht war es ja gar nicht so dumm, hier zu bleiben, nun wo wir sogar durch einen Zauber geschützt wurden.

Mit den Lippen fuhr ich langsam und sanft an ihrer Wange entlang.
Bei der hauchzarten Berührung kribbelten meine Lippen und ich musste mich beherrschen, nicht über sie herzufallen.
Sie war wie ein verschrecktes Reh, ich musste mich langsam und vorsichtig verhalten.

Ich hauchte einen Kuss auf ihre Wange und flüsterte an ihrer Haut:
"Wie fühlt sich das an?"

Sie schluckte schwer. Antwortete aber nicht.
Das nahm ich als Aufforderung, weiter zu machen.
Nun berührten meine Lippen ihren Mundwinkel und dann ihre Lippen.
Sie waren so weich...verdammt, ich musste mich zusammenreißen.

Ich wartete noch einen Moment, gab ihr Zeit, sich zurückzuziehen, zu protestieren.
Aber das tat sie nicht.
Ich spürte ihren Atem warm gegen meine Lippen schlagen und schließlich konnte ich mich nicht weiter zusammenreißen.

Mit der Zunge fuhr ich über ihre Lippen, bat um Einlass.
Und verdammt....als sie sie öffnete, ging mein Herz über vor Freude.
Es war, als hätte sie damit die letzten Fesseln meiner Beherrschung gelöst.
Stürmisch küsste ich sie, sodass ihr ein kleiner überraschter Laut entwich.

Ich wollte sie endlich spüren, wollte sie berühren, sie streicheln....
Und als sie plötzlich die Beine um meine Hüfte schlang und mich so näher an sich zog, als sie meinen Kuss mit einer Leidenschaft erwiderte, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hatte...da war es vollends um mich geschehen.
Stöhnend presste ich mich an sie, und als wir kurz Luft holen mussten, betrachtete ich sie, wie sie mit geschwollenen Lippen vor mir lag.

Die Augen hatte sie noch geschlossen, sodass ich ihr schönes Gesicht betrachten konnte, die langen Wimpern, die gerade schöne Nase, die seidige Haut, und ihr Mund, so wohlgeformt und köstlich...
Zärtlich küsste ich ihre zwei Mundwinkel, zog dann eine Spur aus Küssen über ihre Wange bis zu dieser einen empfindlichen Stelle unterm Ohr, die sie aufkeuchen ließ.
Ich wollte weiter ihren Hals hinabwandern, der Drang, sie als meins zu markieren, war so groß, dieser Drang, der allen Mates innewohnte.
Der Biss in den Hals vermischte unsere Gerüche und jeder Werwolf würde wissen, dass wir zusammengehörten.

Doch bevor ich eben dies tun konnte, hielt mich Xenia mit zittriger Stimme auf:
"Kilian.", sagte sie und schluckte hörbar.
"Hm?", machte ich nur, während ich weiter Küsse auf ihre Haut hauchte und mich dieser einen Stelle näherte....
"Kilian, stopp!", zwar zitterte ihre Stimme, aber ihr Tonfall war entschlossen.
Augenblicklich hielt ich inne und hob den Kopf, sodass ich in ihre warmen braunen Augen blicken konnte.

Sie atmete tief ein, als müsse sie sich stark zusammenreißen, dann sprach sie mit stärkerer Stimme:
"Was machst du mit mir? Ich hab gesagt, du sollst diesen Bann von mir nehmen und stattdessen nutzt du ihn noch aus! Das...!"

Lächelnd unterbrach ich sie:
"Ich hab dir schon gesagt: es gibt keinen Bann, meine Hübsche. Das, was du fühlst, ist unsere Seelenverbindung."

Die Verwirrung auf ihrem hübschen Gesicht war irgendwie so niedlich, dass ich ihr einen Kuss auf die Nasenspitze setzen musste.

Zuerst blinzelte sie, dann warf sie mir einen bösen Blick zu, bevor sie mich schließlich misstrauisch fragte:
"Was meinst du mit Seelenverbindung?"

Bestimmt erwartete sie irgendeinen Trick, warum sollte sie auch einem Werwolf glauben?
Das hätte mich traurig stimmen sollen, aber ich war noch zu sehr von dem Glück, sie geküsst zu haben und so nah bei ihr zu sein, berauscht, als dass ich mir das nun verderben lassen konnte.

Geduldig und immer noch lächelnd erklärte ich es ihr.
"Schon seit jeher können wir Werwölfe unsere Seelengefährten erkennen, diejenigen, die für uns bestimmt sind. Quasi wie die einzig wahre Liebe unter Menschen. Alles an ihnen zieht uns an: ihr Geruch, ihr Aussehen, wie sie sich anfühlen, ihr Charakter. Diese Verbindung ist etwas Einzigartiges, es gibt sie nur einmal im Leben. Seine Seelengefährtin zu finden, ist, wie sein fehlendes Stück zu finden. Man weiß nicht, was einem gefehlt hat, bis man sie gefunden hat. Bis man sich nicht mehr vorstellen kann, einen Tag lang ihr Lächeln nicht mehr zu sehen. Bis man sich nicht mehr vorstellen kann, auch nur einen Tag ohne sie zu verbringen."

Ich musste mich räuspern, so nahe ging mir das, was ich erzählte, fühlte ich das alles doch genauso.

Xenia sah mich beinahe ehrfürchtig an. Als würden meine Worte sie in Staunen versetzen, sie faszinieren.
Ich wartete gespannt darauf, dass sie etwas sagte. Was würde sie antworten?
Schließlich war ich immer noch ein Werwolf, eine abscheuliche Kreatur für die Ihren.
Würde sie darüber hinweg sehen können?

"Und...", fing sie nach einer langen Stille, die mich ungeheure Geduld gekostet hatte, an. "Wir haben diese....diese Seelenverbindung?"

Ich konnte nichts gegen das selige Lächeln tun, das nun auf meinem Gesicht erstrahlte.
"Ja.", flüsterte ich mit einem warmen Gefühl im Herzen.

Doch ihr plötzliches Stirnrunzeln ließ mich wieder bangen.
"Aber ich bin keine Werwölfin.", meinte Xenia verwirrt.

Ich grinste sie an.
"Das hab ich bemerkt, Hexenmädchen."

Finster funkelte sie mich an, bevor sie dann mit erhobener Augenbraue fragte:
"Wie ist es dann möglich, dass ich deine Seelengefährtin bin?"

"Offensichtlich gibt es diese Verbindung nicht nur zwischen Werwölfen."

Wieder runzelte Xenia die Stirn, diesmal sehr nachdenklich. Mir wurde bewusst, dass ich diesen Gesichtsausdruck mochte. Wie ich alles an ihr mochte. Außer ihre folgenden Worte, die gefielen mir ganz und gar nicht.
"Warum sollte ich dir glauben?", fragte sie mich, nicht provozierend, sondern ehrlich neugierig.
Es tat weh, dass sie mir nicht vertraute. Aber warum sollte sie auch? Ich war der Feind.

Ich biss die Zähne zusammen und versuchte diese Traurigkeit weg zu schieben, in eine Ecke ganz tief in meinem Herzen versteckt.
Dann sah ich sie fest an und erwiderte:

"Hab ich dir jemals wehgetan? Wir sind hier allein. Wir waren es vorhin. Wir sind hier im Wald, in meinem Revier. Ich hätte alles mögliche mit dir anstellen können. Aber stattdessen hab ich dich beschützt, als dieser Typ da war."

Sie schürzte nachdenklich die Lippen.
"Das ist kein Beweis. Vielleicht willst du mein leckeres Fleisch ja mit deinen Werwolfskumpeln teilen."

Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Meinte sie das ernst?
Offensichtlich schon.
Schließlich seufzte ich schwer auf.

"Ich weiß nicht, was dir deine Hexenleute über uns erzählt haben. Bestimmt nichts Gutes. Aber glaub mir, Menschenfleisch schmeckt uns nicht und nein, Hexenfleisch auch nicht. Ich verstehe, dass du mir nicht traust. An deiner Stelle würde ich mir wahrscheinlich auch nicht trauen. Aber ich bitte dich nur um eins", eindringlich sah ich ihr in die Augen.
"Gib mir eine Chance. Ich mag vielleicht der Feind sein. Aber deswegen muss ich noch lange nicht dein Feind sein. Ich könnte dir nie wehtun, Xenia. Gib mir eine Chance, dir das zu zeigen. Ich bitte dich."

Mit bangendem Herzen blickte ich sie an. Wartete auf ihre Erwiderung.
Denn was sie nun sagte, konnte mein Herz zerstören.
Oder es heilen.

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