Kapitel 13 - Werwolfsmagie

Xenias p.o.v.

Als er mich das fragte, dieses Wort in den Mund nahm - Bann - da kam auf einmal wieder diese Wut.
Und ich war erleichtert. Denn als er mich in seinen Armen getragen hatte, als ich so nah bei ihm gewesen war... für einen Moment hatte ich die Gefahr vergessen.

Instinktiv hatte ich die Arme um ihn geschlungen und meinen Kopf an seiner Brust vergraben.
Ich hatte mich so sicher, so geborgen gefühlt. Bei meinem Feind.
Und als wäre das nicht schon frevelhaft genug, hatte sich auch ein Verlangen in mir gemeldet.
Ein Verlangen nach ihm.
Ich hatte ihn am liebsten küssen wollen. Hatte am liebsten durch sein seidiges Haar fahren wollen, ihn berühren wollen....

Und darin lag das Problem. Denn er war immer noch mein Feind. Ein Monster. Meine Gefühle waren nicht nur komplett irrational, sondern auch falsch. So abgrundtief falsch, dass es sich schrecklich anfühlte, meine Familie so zu hintergehen.
Ich war eine Schande, eine Schande für meine Art.
Jahrelang machten die Hexen Jagd auf die Werwölfe und keine hatte sich bisher auf ihre Art eingelassen.
Niemand außer mir.
Bei dem Gedanken wurde mir übel.

Und als Kilian dann schließlich dieses Wort sagte - Bann - da kam die Wut wieder.
Denn er war schuld. Wegen ihm hatte ich diese Gefühle! Wegen ihm verriet ich allein mit meinen Emotionen meine Familie, meine ganze Art!

Langsam hob ich den Blick und sah Kilian aus zornfunkelnden Augen an.
"Ich habe gesagt, du sollst den Bann nehmen, den du über mich gelegt hast!", zischte ich leise drohend.

Doch Kilian zog nur verwirrt die Brauen zusammen. So verwirrt, dass es wirklich so aussah, als hätte er keine Ahnung, wovon ich sprach.
Er war augenscheinlich ein guter Schauspieler.
Auch seine Worte klangen authentisch:
"Du glaubst also wirklich, ich habe einen Bann über dich gelegt?", fragte er verständnislos.

Und das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich war doch nicht dumm! Und er sollte nicht so verwirrt tun!
"Natürlich glaube ich das!", zischte ich aufgebracht und meine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten.
"Oder denkst du, es ist Zufall, dass ich den Mund nicht aufkriege und neimandem von dir erzählen kann? Denkst du, es ist Zufall, dass ich plötzlich so komische Gefühle für dich habe? Denkst du wirklich, es ist normal, dass sich alles in mir dagegen sträubt, dich zu verraten, obwohl du ein Fremder für mich bist, sogar mein Feind?", fragte ich ihn giftsprühend.

Während meines kleinen Ausbruchs waren seine Augen groß geworden. Hatte er mir etwa nicht zugetraut, dass ich gut schlussfolgern konnte?
Mühsam lockerte ich meine Fäuste wieder, nicht dass ich ihm noch eine reinhaute. Er war immer noch ein Werwolf, immer noch stärker als ich.
Eine saftige Ohrfeige wäre bestimmt kein guter Plan.

Also verschränkte ich die Arme vor der Brust, um mich selbst an unüberlegten Handlungen zu hindern.
So wartete ich darauf, dass er endlich die Wahrheit zugab.
Aber stattdessen griff er etwas vollkommen Belangloses auf, über das ich wirklich so gar nicht reden wollte.

"Du hast Gefühle für mich?", fragte er mit Unsicherheit und einer Spur.... Hoffnung in der Stimme.

Ich verdrehte die Augen und tat alles in meiner Macht, um zu verhindern, dass ich rot anlief.
Und als meine Wangen dennoch heiß wurden, hoffte ich, es war hier selbst für Werwolfsaugen zu dunkel, um das zu erkennen.
Genervt antwortete ich: "Darum geht es hier nicht. Es...."

"Du verstehst nicht.", unterbrach mich da Kilian abrupt.
"Wenn es stimmt, was du sagst.... weißt du, was das bedeutet?"

Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an, erkannte die Aufregung in seiner Stimme.
Trocken antwortete ich:

"Es bedeutet, dass dein Bann funktioniert hat, obwohl du daran gezweifelt hast?"

Doch er stieß nur ein befreites Lachen aus...ein Lachen, das ich verabscheuen sollte, oder im Mindesten sollte es mir gleichgültig sein.
Stattdessen stellte es ganz komische Dinge in meinem Magen an, als würde es dort eine Horde Schmetterlinge wecken, die nun freudig herumflatterten.
Ich wollte diesen Laut wieder hören.
Was war das für ein teuflischer Bann?!

"Das bedeutet,", sagte Kilian leise, während er näher kam, seine muskulösen Arme neben meiner Hüfte aufstellte und sich langsam über mich beugte.
"Dass du es spürst."

Ich war verwirrt. Es spüren? Warum redete er um den heißen Brei herum? Ich dachte, es wäre nun endlich klar, dass ich seinen Bann spürte, beziehungsweise seine Auswirkungen.
Wie hätte ich sie auch nicht spüren sollen?

Kilian kam mir immer näher und Nervosität überflutete mich.
Jeden Millimeter, den er sich mir näherte, entfernte ich mich von ihm, bis mein Kopf an dem Strauch hinter mir stieß.
Ich konnte nicht mehr weiter.
Ich war gefangen.

Aber mein erster Gedanke war nicht, dass ich von meinem Feind, von einem Werwolf eingekesselt war.
Nein, mein erster Gedanke war meinen dummen Hormonen verschuldet...denn ich konnte nur eins denken:
Gott, wird er mich küssen? Wie wird es sein? Er kommt immer näher!

Meine Atmung kam gehetzter, mein Herz dröhnte pumpend in meinen Ohren und mein Mund hatte sich leicht geöffnet, während ich wartete.
Ich wusste nicht, auf was ich wartete...ich wusste nur, dass ich auf das wartete, was als nächstes passierte.
Was auch immer es war.

Nur noch Millimeter trennten unsere Gesichter noch.
Mein Blick huschte zwischen Kilians weichen Lippen und seinem dunklen Blick hin und her.
Und als er schließlich eine warme Hand an meine Wange legte, konnte ich nichts dagegen tun: flatternd schlossen sich meine Augen.
Mein Herz hämmerte wild in Erwartung eines Kusses. Mein Atem ging schnell und die Luft zwischen uns schien nur so zu knistern vor Spannung.

Gleich würde er mich küssen. Oh mein Gott, er würde mich gleich küssen!

Doch auch nach ein paar Momenten passierte nichts.
Schließlich öffnete ich doch wieder die Augen. Hatte ich irgendetwas falsch interpretiert?
Meine Wangen wurden rot, bei der Vorstellung, dass ich mich gerade vor ihm lächerlich gemacht hatte.
Ausgerechnet vor ihm!

Doch dann bemerkte ich, dass er den Kopf ein wenig geneigt hatte, als würde er auf etwas lauschen.
Er war ganz still, bewegte sich keinen Millimeter, wahrscheinlich um sich nicht zu verraten.
Und da bekam ich es langsam mit der Angst zu tun.
War diese Person, die uns vorher beobachtet hatte, hier? Hatte sie uns gefunden?
Wir waren zwar durch Sträucher geschützt, man konnte uns nicht sehen, aber...
Was wenn unser Verfolger kein Mensch war?
Sondern etwas anderes, Mächtigeres?

Ich musste etwas tun.
Später würde es mir ziemlich zu denken geben, wie ich gehandelt hatte.
Aber in diesem Moment...da dachte ich nicht daran, dass Kilian der Feind war. Dass die richtige Entscheidung wahrscheinlich wäre, abzuwarten und wenn unser Verfolger sich als Hexer herausstellte, dann auf uns aufmerksam zu machen. Kilian zu verraten.
In meinem Kopf herrschte nur ein einziger Gedanke, genährt von einem Gefühl, das ich nicht benennen konnte...oder wollte: ich muss Kilian beschützen.

Nicht mich, sondern Kilian. Mein erster Gedanke galt ihm.
Komplett irrational, aber in diesem Moment war keine Zeit für eine ausführliche Analyse dieses Bannes, der über mich gelegt wurde.
Es war nur Zeit zu handeln.
Und das tat ich dann auch.

Ich schloss die Augen und begann, leise vor mich hin zu murmeln:
"Ventus, arbores, terra, herbae nos occultent. Oro te, natura, occulta Kilianum et me. Serva nos. Occulta nos. Ventus, arbores,...." (Der Wind, die Bäume, die Erde und die Pflanzen sollen uns verstecken. Ich bitte dich, Natur, verstecke Kilian und mich. Beschütze uns. Verstecke uns. Wind, Bäume...)

Immer weiter murmelte ich vor mich hin und stellte mir vor, wie der Wind, die Bäume, die Erde und die Pflanzen um uns herum ihre ihnen eigene Magie auswarfen, um uns zu verstecken.
Das war die erste und wichtigste Lektion beim Zaubern: in allem lag Magie. Wir mussten sie nur erkennen und dann konnten wir sie uns auch zunutze machen.

Der Trick war, es aufrichtig zu wollen, konzentriert zu bleiben und sich gut vorzustellen.
Mit den Worten in der altehrwürdigen Sprache machten wir unseren Willen kund, fokussierten ihn und der Zauber gewann an Kraft und Stärke.
Ich konnte spüren, wie mir die Magie der Elemente um uns herum antwortete.

Ja, schien sie zu sagen, wie retten euch.

Und dann war es, als würde ein Schild über und um uns gleiten, ein Schild, das uns vor allen anderen verbarg.
Ein Hexer konnte ihn nur erkennen, wenn er davon wusste. Und das tat er nicht.
Denn ich hatte diesen Zauber gerade noch rechtzeitig gewirkt, wie es schien.
Denn nun konnte ich es hören: Schritte, vorsichtig gesetzt, aber nicht vorsichtig genug, denn diese Person schien sich anderweitig zu konzentrieren.
Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber dieses Murmeln war mir so vertraut, so vertraut, weil....ich es gerade selbst getan hatte.
Wer auch immer unser Verfolger war.
Er war kein Mensch.
Nein, er war ein Hexer.

Doch statt Erleichterung, es mit einem meiner Art zu tun zu haben, durchströmte mich Angst.
Aber nicht um mich.
Sondern um diesen attraktiven Jungen, der noch immer über mich gebeugt verharrte und mich mit einem undefinierbaren Blick ansah.

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