Kapitel 1 - Mate
Xenias p.o.v.
Es war ein schöner Frühlingstag heute. Die Vögel zwitscherten, eine leichte Brise wehte und brachte die Äste der Bäume leicht zum Schwanken.
Überall sah man, wie das Leben aus seinem Winterschlaf erwachte und sich der Sonne entgegenreckte.
Überall waren Sträucher und andere Pflanzen zu sehen, die Knospen trugen.
Ein herrliches Bild.
Tja. Leider war ich wohl die Einzige, die das so sah.
"Xenia! Hier vorne spielt die Musik!", wies mich mein Mathelehrer gerade zurecht, der etwas an der Tafel erklärte.
Leise seufzend wandte ich den Blick aus dem Fenster neben mir wieder ihm zu.
Böse blickte er mich an, bevor er sich wieder ans Erklären machte.
Ich war froh, wenn dieser Schultag vorbei war und ich in der Natur sein konnte.
Ich liebte es, im Wald zu spazieren und nach kränklichen Pflanzen Ausschau zu halten, denen ich mit meiner Magie helfen konnte.
Denn dafür waren wir Hexen da. Um anderen zu helfen. Egal, ob Pflanze, Tier oder Mensch.
Nur leider sahen das nicht wirklich viele meiner Art so.
Auch in dieser Hinsicht stand ich wohl eher allein da.
Ich musste nur noch sechs Stunden überstehen, dann konnte ich endlich in die Freiheit gelangen.
Sechs Stunden.
Das würde ich schon noch irgendwie schaffen.
Als würde mir jemand ein zustimmendes Zeichen geben wollen, ertönte in genau diesem Moment der Gong.
Erleichtert packte ich meine Sachen zusammen und ging aus dem Klassenzimmer, um zu meinem nächsten Kurs zu gelangen.
Biologie. Eins meiner Lieblingsfächer.
Auf meinem Weg zum Bioraum musste ich am Sekretariat vorbei.
Genau in dem Moment, in dem ich davor war, kam jemand heraus und wir stießen zusammen.
Reflexartig krallte ich mich in das T-Shirt meines Gegenübers, um nicht hinzufallen.
Auch seine Arme schlangen sich instinktiv um meine Taille, um mich zu stützen.
Bei der Berührung lief mir ein warmer Schauer über den Rücken.
"Fuck", hörte ich ihn leise fluchen. Bei seiner tiefen Stimme überkam mich unwillkürlich eine Gänsehaut.
Verdammt. Was war los mit mir?
Verwirrt ließ ich schnell von ihm ab und brachte wieder ein wenig Abstand zwischen uns.
Erst dann blickte ich hoch, um zu sehen, mit wem ich es überhaupt zu tun hatte.
Bei seinem Anblick stockte mir der Atem.
Er hatte die unglaublichsten blauen Augen, die ich bei einem Menschen je zuvor gesehen hatte.
Um seine Pupille herum war die Farbe seiner Iris so hell und klar wie das Poolwasser in der Sonne. Doch je weiter weg von der Pupille, desto dunkler wurde seine Iris, so dunkel wie das Meer, bis es schließlich in einen schwarzen Ring um die ganze Iris mündete.
Verdammt. Ich glaube, ich hatte mich gerade in diese Augen verliebt.
Sie waren das Erste, was mir an ihm auffiel.
Doch jetzt betrachtete ich ihn genauer.
Er hatte dunkle Haare, sie waren so schwarz wie das Gefieder eines Raben. Sie waren kurz, aber kunstvoll verwuschelt. Ich fragte mich, ob er lange für diese Frisur gebraucht hatte oder ob sie einfach immer so lagen.
Mein Blick fiel auf seine vollen Lippen. Unwillkürlich kam mir der Gedanke in den Kopf, wie sie sich wohl anfühlten. Ob er wohl ein guter Küsser war?
Schnell blinzelte ich. Was waren das nur für Gedanken?!
Und wie lange stand ich hier schon rum und begaffte diesen Typen?
Eins war klar. Er war neu. Ich hatte ihn hier noch nie gesehen.
Schnell fokussierte ich mich wieder auf seine unglaublichen Augen und befahl mir selbst, meinen Blick nicht wandern zu lassen.
Auch nicht zu seinem muskulösen Oberkörper, den ich noch gar nicht richtig hatte betrachten können.
Aber seine Oberarmmuskeln waren schon einmal ganz ansehnlich.
Fuck. Ich musste mich zusammenreißen. Was sollte er jetzt nur von mir denken?
Doch als ich mich endlich voll und ganz auf ihn konzentrierte, fiel mir auf, dass er mich genauso gründlich musterte, wie ich es bei ihm getan hatte.
Irgendwie sah er ein wenig schockiert aus.
Mist. Plötzlich wurde ich mir mir selbst ganz und gar bewusst.
Ich war keine Schönheit.
Zwar fiel ich mit meinem langen, blutroten Haar ziemlich auf, doch nicht so, dass man sagen würde: was für eine Schönheit!
Nein, ich war eher durchschnittlich.
Meine Augen hatten die langweilige Farbe braun.
Mein Gesicht war sonst auch okay.
Ich war nicht fett, aber auch nicht gertenschlank.
Eben einfach nur Durchschnitt.
Besser gesagt: langweilig.
Nichts im Vergleich zu diesem Prachtexemplar vor mir.
Aber trotzdem. So schrecklich, dass es ihn schockte, war ich nun wirklich nicht, oder?
Ich musste diesen Ausdruck von seinem Gesicht bekommen, sonst würde mein Selbstbewusstsein noch einen bleibenden Schaden davontragen.
Also lächelte ich ihn kurzerhand an und fragte freundlich:
"Du bist neu hier, oder?"
Das riss ihn aus seiner Musterung. Seine Lippen formten sich ebenfalls zu einem Lächeln, was ihn noch heißer aussehen ließ. Unglaublich, dass das noch möglich war.
Ich hätte ja gesagt, er wäre Hexer und hätte sein Aussehen mir einem Zauber verschönert, aber das würde ich spüren. Hexen können die ihrer Art erkennen und auch ihre Zauber spüren.
Er war also von Natur aus so heiß.
"Jep. Sorry, dass ich so in dich hineingerannt bin, war keine Absicht. Ich bin Kilian und du?"
Kilian. Ein schöner Name.
"Ich bin Xenia. Und ich muss mich entschuldigen, ich hab nicht so auf den Weg geachtet."
Schüchtern lächelte ich ihn an.
"Ach, macht nichts. Hey, wo wir uns jetzt ja schon kennen, könntest du mich zu meinem Kurs führen? Ich kenne mich hier ja noch nicht so gut aus.",
Zwinkernd sah er mich an.
Passend zu seiner Frage gongte es auch schon wieder.
"Klar", erwiderte ich nur und versuchte, die Nervosität, die mich in seiner Gegenwart überkommen hatte, irgendwie abzuschütteln. Sonst war ich schließlich auch nicht so.
"Gib mir mal deinen Stundenplan", verlangte ich.
Als er mir den in die Hand drückte, streiften sich unsere Finger und diese kurze und kleine Berührung hinterließ ein heißes Prickeln auf meiner Haut.
Schnell riss ich meine Hand zurück, und versuchte meine Reaktion zu überspielen, indem ich einfach weiterredete.
"Hey, du hast jetzt Bio. Wir sind da im selben Kurs. Komm."
Lächelnd bedeutete ich ihm, mir zu folgen und ging vor.
Oh Mann. Ich musste mich zusammenreißen. Heute war echt nicht mein Tag.
Warum nur reagierte mein Körper so komisch?
Wie auch immer, auf dem Weg zum Bioraum redeten wir nicht, da ich schnellen Schrittes vor ihm lief und er nicht zu mir aufholte.
Als wir schließlich da waren, drehte ich mich zu ihm um.
"Wir sind da. Neben mir ist noch ein Platz frei, wenn du willst, kannst du dich neben mich setzen."
Okay. Ich habe keine Ahnung, wieso diese Worte meinen Mund verlassen hatten.
Seine Gegenwart machte mich nervös. Zwar auf eine gute Art und Weise, aber trotzdem nervös. Da würde ich mich nie konzentrieren können.
Warum hatte ich das also gesagt?
Doch bevor ich zurückrudern konnte, lächelte er mich erfreut an:
"Gerne", erwiderte er und dann öffnete er schon die Tür.
Ganz toll. Was hatte ich mir da nur eingebrockt?
Ich musste wirklich mal lernen, zu denken, bevor ich den Mund aufmachte.
Seufzend folgte ich ihm schließlich in den Raum.
Das konnte ja noch interessant werden.
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