Ich wollte dich beschützen. Was nützt dir nun mein Schutz?
Die heiße Luft, die vom Feuerzeug ausging, erwärmte meine Hände, die ich als Windschutz für meine Zigarette umfunktioniert hatte. Als diese brannte, ließ ich den Gegenstand aus Metall zurück in meine Hosentasche wandern.
Ich nahm einen starken Zug von der Kippe, behielt den Rauch etwas länger in der Lunge und lief mit langsamen Schritten die regnerische Straße entlang, auf der mir einige Passanten mit Kapuzen auf dem Kopf oder Regenschirm in der Hand entgegenkamen.
Ich lächelte, nahm einen erneuten Zug und meine Gedanken schweiften zu Lukas, der mit Gitarre und Mikrofon vor seinen weichen Lippen in der Aula saß und mit der Schulband probte, weil diese in einigen Wochen einen wichtigen Auftritt hatten.
Mein Bauch kribbelte angenehm und ein zufriedenes Seufzen entwich meinen Lippen. Wenn ich keine Termine hätte, würde ich ihn am liebsten besuchen, mich auf die Treppe setzen und ihn beobachten.
Einfach das und nichts anderes. Die Beine baumeln lassen und vollkommen sorgenfrei seinen Fingern dabei zu sehen, wie diese hektisch über die Saiten glitten und versuchten, noch rechtzeitig den richtigen Akkord zu greifen.
Die Augen schließen und nichts anderem als seinem wunderschönen Stimmchen lauschen, was sich wie der Weg zum Himmel anhörte, wenn er Hannes Waders' 'Es ist an der Zeit' zu seinem Besten gab.
Ich kam aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus und nahm die Abkürzung über den Wall, um pünktlich an Ort und Stelle zu sein, um gegebenenfalls etwas früher Feierabend machen und schneller bei Lukas sein zu können.
Ich wusste, dass er gegen eine private Session nichts einzuwenden hatte und besonders nicht, wenn ich ihn darum bat, seine zwei besten Instrumente für mich spielen zu lassen. Es gibt wahrscheinlich einige, die alles dafür geben würden, um mit Lukas alleine zu sein.
Meine Mitte zog sich angenehm zusammen und etwas angetan biss ich mir auf die Unterlippe. Aber wie konnte ich auch nicht auf solche Gedanken kommen? Lukas sieht unbeschreiblich heiß aus und könnte jeden in seinen Bann ziehen, sobald er die Gitarre zückte.
Schließlich ist aus genau diesem Grund unser allererster Kuss passiert. Der Augenblick, in dem mir dieser Junge endgültig die Sicherungen durchgebrannt hatte und mich der Schlag mich Mitten ins Gesicht traf, dass ich nur ihn und niemand anderes mehr wollte.
Wie sich unsere Lippen wie ein Puzzelteil für immer zusammengefügt hatten und am liebsten nicht mehr voneinander getrennt werden wollten. Der Anfang von etwas Großem, Wundervollem und Magischen, was ich nicht mehr missen wollte.
Keine Gitarre der Welt würde mir zu teuer sein, wenn ich Lukas auf dieser spielen sah. Nur für mich allein', in seiner knallengen Boxershorts und auf dem Fensterbrett sitzend, sodass Menschen auf der Straße stehenblieben und sich fragten, wer denn da so schön spielte.
Das Lächeln auf meinen Lippen wurde immer breiter und eine angenehme Gänsehaut legte sich auf meinen Körper. Ich checkte mein Handy und erschrak mich, denn wenn ich mich nicht beeilte, würde ich noch zu spät kommen.
Hastig rauchte ich die Zigarette zu Ende, schmiss sie in eine Pfütze und bog in die nächste Straße ein. Ich kämpfte mich durch die Menschenmasse hindurch und nahm nochmal eine kleine Abkürzung, weil auf dem Markt viel zu viel los war.
Doch gerade, als ich über die Straße laufen wollte, wurde ich an den Schultern gepackt und beiseite gezogen. Alles wurde schwarz, doch schreien konnte ich nicht, weil mir eine Hand auf den Mund gepresst wurde.
Ich versuchte mich zu wehren, doch wurde fixiert wie ein hilfloses Schwein, was jedem Moment dem Schlachter zum Opfer fiel. Ich hörte einige vorbeiziehende Autos, den prasselnden Regen auf meiner Jacke und Schritte, die mir sehr nah waren.
Vollkommen verzweifelt versuchte ich zu analysieren, zu wem diese gehörten, ob ich nicht doch träumte und was ich bitte getan haben sollte, um entführt, versklavt oder misshandelt zu werden.
,,Ey, du Pisser!'' Ein Tritt gegen das Schienbein und leicht ging ich in die Knie, weil ich versucht hatte, die unbekannte Hand von meinem Mund zu lösen, in dem ich in diese hineinbiss, sie bespuckte oder dagegen leckte.
Stark blinzelte ich und sah mich irritiert um, als ich wieder losgelassen wurde. Ich erkannte nichts, außer eine dunkle Gasse. An beiden Enden wurde es hell, aber ich hatte keinen Plan, wo genau ich bin.
Doch sofort blieb mir der Atem stehen und meine Beine wurden ganz weich, als ich in sein Gesicht blickte. Diese funkelnden, grünen Augen, die ich schon seit Monaten nicht mehr wahrgenommen hatte.
Ich krallte mich an der Fassade des Hauses fest, sah nach links und rechts, doch hatte keine Chance zu flüchten, weil ich von allen Seiten umzingelt wurde. Ich wollte nach Hilfe schreien, aber ich konnte nicht.
,,Na sieh' mal einer an, wen wir hier haben...'' Ich spürte die eiskalte Klinge an meinem Hals und sah nach oben in den von Wolken umhüllten Himmel, um mir die Tränen zurückzuhalten.
,,Du hast wohl gedacht, du kommst uns ewig davon, oder? Dass wir dich schon längst vergessen hätten, oder was?'' Ein Tritt in meine Rippen, aber mehr als ein Zischen bekam ich nicht heraus.
,,Ich weiß, was du Muschi in den letzten Monaten getrieben hast.'' Mein Herz rutschte mir in die Hose und das Leuchten des Handybildschirms brachte meine Augen zum Zusammenkneifen.
Das Blut in meinen Adern gefror und meine Welt löste sich augenblicklich in Luft auf. In seiner Hand, die sich um meine Kehle legte und mir das Atmen erschwerte, hielt er ein Foto. Ein Foto, auf dem Lukas und ich uns küssten.
Es musste vor circa einer Woche entstanden sein, denn es zeigte uns beide in der Sporthalle. Ich hatte diese zuvor noch nie betreten und an unseren Klamotten erkannte ich, dass es an dem Tag gemacht wurde, an dem das Volleyballtunier stattgefunden hat.
Ich kniff die Augen zusammen und bekam leichte Schnappatmungen. Ronny musterte mich angewidert und boxte mir in den Bauch. Schmerzverzerrt verzog ich das Gesicht und hoffte, aus diesem Albtraum aufzuwachen.
,,Du kannst von Glück reden, wenn deine kleine Tunte noch lebt.'' Er verpasste mir eine Ohrfeige, löste mich etwas von sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Was habt ihr ihm angetan?'', fand ich erbost meine Stimme wieder und mein Herz begann zu rasen.
,,Noch nichts...'', beruhigte mich Ronny grinsend und ließ seinen Blick über meinen Körper gleiten.
,,Aber was hättest du denn lieber? Erwürgt von einer Regenbogenflagge oder totgeprügelt von einigen Homophoben?'' Dieser Bastard rieb sich gierig die Hände und erwartete ernsthaft eine Antwort von mir.
,,Das würdest du nicht machen...'', flüsterte ich leise und musste mich so zusammenreißen, nicht über ihn herzufallen. Er hatte eigentlich nichts anderes verdient, aber wir beide wussten, dass ich keine Chance gegen ihn hatte.
Nicht, weil diese Lauchstrange auf zwei Beinen so eine Kraft hatte, sondern weil um uns herum noch neun andere Personen standen, die mich ohne jegliche Zweifel krankenhausreif schlagen und hier liegen lassen würden.
,,Keine Sorge, ich tue deiner kleinen Schlampe nichts...'', lachte Ronny provokant, sah mir tief in die Augen und einfach, weil er es konnte, riss er mir die Brille aus dem Gesicht und spuckte auf die Gläser.
,,Zumindest nicht so lange, wie du auf mich hörst. Ansonsten ist diese hässliche Schwuchtel bald Geschichte.'' Er setzte mir die Brille wieder auf und trotz, dass die Gläser so verschmiert waren, konnte ich sehen, wie sich sein Blick finsterte.
,,Was willst du?'', fragte ich genervt nach und für die freche Antwort bekam ich einen Tritt zwischen die Beine. Erneut verzog ich das Gesicht, aber ich versuchte den Schmerz zu ignorieren.
Ich wollte nur noch, dass dieser Horror aufhörte. Monatelang hatte ich nichts von der Gang gehört und damit gerechnet, dass sie mich vergessen hatten. Schließlich hatte ich keinen Nutzen mehr für Ronny.
Aber diese Denkweise war viel zu naiv, denn natürlich hatten sie mich nicht vergessen. Warum sollten sie mich auch in Ruhe lassen, wenn sie wussten, dass ich noch eine Rechnung offen hatte und sie mich quälen konnten?
Mir Idiot hätte klar sein müssen, dass sie irgendwann wiederkommen würden. Es konnte gut möglich sein, dass Ronny schon länger über meine und Lukas' Beziehung Bescheid wusste und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatte, um mich zu ruinieren. Es war viel zu still...
,,Du servierst die Bitch gefälligst ab, haben wir uns da verstanden?! Was soll die Scheiße eigentlich, heh? Wie kopfgefickt haben dich die Drogen gemacht, dass du irgendeinen Streber in den Arsch fickst?'', schrie er mich an und schüttelte fassungslos mit dem Kopf.
,,Du beendest das sofort, oder sein Schulbus hat einen Unfall! Willst du, dass dein Schatz stirbt, Tim? Willst du ihm das wirklich antun?'' Ronny schüchterte mich so sehr ein, dass ich nichts sagen konnte.
,,N-Nein...'', bekam ich unsicher heraus und hatte wirklich Angst. Ich musste aufpassen, was ich machte, denn es ging in diesem Fall nicht nur um mich, sondern auch um Lukas, bei dem ich es mir niemals verzeihen könnte, wenn ihm etwas passierte.
,,Gut, braver Junge...'' Ronny tätschelte grinsend meine Wange, aber verpasste kurz darauf eine weitere Ohrfeige. Ich presste die Zähne zusammen und versuchte ihm nicht zu zeigen, wie sehr mich das Alles verletzte.
,,Wir haben heute Nacht was vor - Autos vom Schrottplatz klauen. Um 0 Uhr treffen wir uns.'', erklärte Ronny, während ich ihn emotionslos ansah und mir in Gedanken vorstellte, wie ich ihn und seine Sippschaft zum Mond trat.
,,Du bist gefälligst da, verstanden?! Wenn du nicht auftauchst, sorge ich dafür, dass deine Deepthroat-Fotze von der Schule fliegt und an den Saiten seiner Gitarre erstickt!'', schrie mich dieser Psychopath vollkommen wutentbrannt an.
Um seinen Worten, beziehungsweise viel eher seiner Drohung noch viel mehr Bewusstsein zu verleihen, holte er ein Messer hervor, drückte mich zurück an die steinige Hausfassade und hielt mir dieses an die Kehle.
Ich schnappte erschrocken nach Luft und während meine Arme und Beine fixiert wurden, rutschte mir das Herz in die Hose. Ich spürte seinen warmen Atem an meinen Wangen und mir wurde unglaublich schlecht.
Ronny ließ die Klinge über meine Haut fahren und mein ganzer Körper pulsierte. Ich wollte mich losreißen, schreien und weinen, aber es klappte nicht. Das Einzige, was ich in diesem Augenblick spüren konnte, war große Angst und die Sorge davor, was als Nächstes kommt.
,,Du hast wirklich Glück, mich an einem guten Tag erwischt zu haben, Wolbers. Ich gebe dir hiermit die einzige Chance, dich von der Schwuchtel zu verabschieden. Zerstör' das verdammte Leben von diesem ekeligen Arschficker...'', befahl er mir mit wütender Stimme.
,,Um 0 Uhr beim Schrottplatz. Ich will dich keine Minute zu spät sehen, du Penner! Ich weiß alles über diesen Hurensohn, also versuch' ihn nicht zu beschützen...'' Ronny zog die Spucke hoch und rotzte mir ins Gesicht.
Dann löste er mich etwas von sich, musterte mich und verpasste mir einen so starken Tritt in den Bauch, dass ich auf dem Boden zusammensackte. Ich stöhnte leise, hielt ihn fest und blieb einfach liegen.
,,Überleg' dir gut, was du machst, Wolbers! Deiner Auszeit wurde hiermit ein Ende gesetzt, du gehörst wieder mir und wenn du nicht spurst, hagelt es Konsequenzen und die heißt Lukas' Tod.'' Seine Stimme klang so gehässig, dass mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief.
Jedes Mitglied der Gang tobte sich nochmal an mir aus. Als wäre ich ein Fußball, verpassten sie mir Tritte und Schläge an jede Stelle, die man sich vorstellen konnte. Ich fühlte mich so dreckig und benutzt, aber ich konnte mich nicht wehren. Ich hatte zu viel Angst, etwas falsch zu machen.
Reglos blieb ich liegen, schloss die Augen, weinte stumm in den Bordstein und wartete, dass dieser Albtraum endlich aufhörte. Ich wollte zurück in mein altes Leben und verfluchte mich dafür, nicht aufgepasst zu haben. Der letzte Tritt traf mich ins Gesicht und dann wurde alles still.
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