Die Schoko-Eskalation
Aus den Lautsprechern über mir dröhnte ein Lied aus den Neunzigern. Für einen Freitagmorgen im Oktober kurz vor Halloween war der Laden seltsam leer. Eine Reihe weiter hörte ich ein Kind plärren und eine Frau daraufhin schimpfen. Ansonsten waren die Gänge des Supermarktes weitgehend leer. Ich schob meinen Einkaufswagen gerade lustlos vor mir her durch die Süßigkeiten Abteilung, als die Stimme des Moderators der Radiosendung über mir ertönte.
„Und jetzt habe ich einen weiteren Hit für euch aus den Neunzigern. Schon bald startet ihre Jubiläums Welttournee. Ihr wisst sicher von wem ich spreche"
Ich blieb schlagartig stehen, als auch schon die ersten Takte des Liedes starteten.
„Kann ich nicht mal im Supermarkt meine Ruhe von euch haben?" murmelte ich genervt. Der Verkäufer ein paar Meter vor mir, der gerade damit beschäftigt war Chips Packungen in das Regal zu räumen, warf mir einen nervösen Blick zu und verschwand beleidigt in der nächsten Reihe. „Tut mir leid" rief ich ihm nach. „Ich habe nicht dich gemeint" murmelte ich kleinlaut. „Jetzt beleidige ich schon Wildfremde Menschen"
Die Vorbereitungen liefen nicht so gut. Nein, sie liefen miserabel. Die Fotografin hatte sich als Reinfall herausgestellt und mir blieb nur noch eine gute Woche, um alles fertig zu organisieren. Und alles was ich hatte war eine Fotografin, die nicht mal wusste, wo bei ihrer Kamera vorne und hinten ist, geschweige denn wie man gute Fotos macht.
Ein Räuspern drang an mein Ohr. Auf der anderen Seite des Regales erkannte ich eine tätowierte Hand und der Ärmel einer schwarzen Lederjacke. Schnell duckte ich mich hinter meinen Wagen. Von diesem Blickwinkel aus erkannte ich das Gesicht des Fremden. Oder zumindest das was nicht von einer riesigen Sonnenbrille verdeckt war. Das war außer den schwarzen Haaren und dem Bart also nur die gepiercte Nase und die Ohrringe. Als ich genauer hinsah erkannte ich die feinen schwarzen Linien einer Tätowierung auf seinem Hals. Es sah aus wie ein Vogel, der seinen halben Nacken bedeckte. Wahrscheinliche ein Adler. Mehr erkannte ich nicht. Das Licht war schrecklich und durch das Regal stand der Kerl im Halbschatten. Auf seltsame weiße kam er mir bekannt vor.
Doch was viel wichtiger war, hatte der Unbekannte meinen Ausbruch mitbekommen? Ein weiteres Mal räusperte sich der Kerl und ging dann gemächlich weiter. Langsam erhob ich mich aus meinem Versteck und blieb mit klopfendem Herzen stehen.
Niedergeschlagen griff ich nach den Schokoladekeksen auf die mein Blick schließlich viel und schmiss sie in meinen halbleeren Wagen. „Scheiß auf die Kalorien" murmelte ich und schmiss noch eine Packung Chips hinterher. Heute war wirklich nicht mein Tag.
Nach zwanzig Minuten und einer halben Packung Kekse, war ich bei den Kühltheken angekommen und überlegte gerade was für Eissorten ich mitnehmen sollte als mich eine Stimme bei meinen Überlegungen unterbrach.
„Ich wusste doch das ich dich bei den Süßigkeiten antreffen werde. Sag mal machst du heute eine Party? Oder wer soll das alles essen?"
Immer noch kauend warf ich einen Blick in meinen vollen Einkaufswagen. Okay, zwei Drittel des Wagens waren mit Chips und Süßigkeiten gefüllt, das stimmte. Aber warum sollte ich deswegen eine Party schmeißen?
„Was meinst du damit?" wandte ich mich stirnrunzelnd wieder an meine Freundin.
Sara zog eine Augenbraue hoch. „Oh" war alles was sie sagte. Ihr Blick wurde milde.
Ich rollte genervt mit den Augen. „Was?"
„Ist es so schlimm?" fragte sie mich zerknirscht.
„Also ganz ehrlich, Sara: Ich kann nicht Hellsehen also sag schon was los ist" platzte mir der Kragen. Jetzt war es an ihr, mit den Augen zu rollen.
„Du stopfst dich mit Schokokeksen voll"
„Ja und?" fuhr ich sie genervt an. Mir war als hätte ich ein leises heiseres Kichern gehört. Genervt drehte ich mich in alle Richtungen. Doch da war niemand. Na super! Jetzt leide ich schon an Verfolgungswahn.
„Immer, wenn du gestresst bist, futterst du Schokolade" sagte sie kleinlaut. „Es ist wirklich so. Denk doch mal nach: Dein letzter großer Auftrag. Da war es dasselbe"
Langsam ließ ich die so gut wie leere Kekspackung sinken. „Es ist eine Katastrophe"
Sara zog belustigt die Augenbrauen hoch. „Der Auftrag oder deine Schokoladekeks - Fressparty?"
Die leere Packung flog haarscharf an ihr vorbei. „Kannst du einmal Ernst sein? Natürlich der Auftrag" murmelte ich. „Die Kekse sind lecker" fügte ich kleinlaut hinzu.
„Das sagt die, die sich im Supermarkt verkriecht und Schokokekse frisst"
„Okay, verschwinden wir hier. Ich komm mir selbst schon elend vor" sagte ich schließlich nach einer Pause und nahm die Sachen aus dem Wagen wegen denen ich eigentlich den Laden betreten hatte, ließ den Wagen mitten in der Abteilung stehen und wandte mich Richtung Kassa.
Als ich gerade die paar Dinge auf das Band legte, gesellte sich meine Freundin wieder zu mir, vollgepackt mit Chips und Kekstüten.
„Was machst du mit dem ganzen Zeug? Planst du eine Party oder hast du deine Tage?" Irritiert sah ich zu einer lachenden Sara hoch.
Die zuckte nur mit den Schultern. „Vorsichtsmaßnahme"
„Für was? Einen Einbrecher mit Diabetes?"
„Nein, du zynisches Weib. Falls wir was zu feiern haben?"
Ich legte den Kopf schief. „Und was wäre das?"
„Das grandiose Ende des Auftrages"
Ich verdrehte die Augen. „Deinen Optimismus hätte ich auch gerne" murmelte ich und bezahlte meinen Einkauf.
„Ich weiß das du das ganz Großartig machen wirst, denn ich kenne dich schon seit Jahren und niemand den ich kenne ist so kreativ wie du. Das Shooting wird der Hammer, das weiß ich" fuhr sie unbeirrt fort, während wir die Einkäufe in Tüten fühlten.
„Du kennst auch niemanden außer mir" stellte ich augenrollend fest.
Sara gab mir einen freundschaftlichen Knuff in die Schulter. „Das stimmt doch gar nicht"
Lachend wandte ich mich wieder zu meiner Freundin während der Kassiererin meine Kreditkarte durch den Leser zog.
„Ich würde dir das so gerne glauben..." begann ich niedergeschlagen und schnappte mir eine der Tüten.
Da viel mein Blick in die Süßigkeiten Abteilung und zu dem halb leeren Einkaufswagen, den wir dort stehen gelassen haben. Neben dem Wagen stand der dunkelhaarige tätowierte Mann. Nun sah ich ihn das erste Mal wirklich. Er trug ausgewaschene Jeans mit Löchern, ein kariertes Hemd und eine schwarze Lederjacke. Auf seinem Kopf trug er lässig einen Cowboyhut aus schwarzem Leder. Er sah aus wie von dem Cover einer Country Platte. Erschrocken blieb ich stehen. Auf dem Gesicht des Mannes erschien ein Grinsen. In der rechten Hand hielt er eine der Schokoladekekspackungen.
Das bedeutete gar nichts Gutes.
Nun da ich ihm von Angesicht zu Angesicht sah, war ich mir sicher, dass ich ihn kannte. Ich stand immer noch wie angewurzelt da und hörte wie das Adrenalin durch meine Adern schoss. Mein Herz schlug augenblicklich schneller.
„Ich bin erledigt" stöhnte ich und drehte mich zu meiner Begleitung.
„Was?" Sara hatte eine der Chipstüten geöffnet und kaute laut neben mir die Kartoffelscheiben.
„Ich bin erledigt! Meine Karriere ist am Ende!" erklärte ich ihr lauter. Mein Blick wanderte wieder zu dem Fremden.
Der Mann hob seine Hand und nahm langsam die Sonnenbrille ab. Darunter erschienen dunkelbraune Augen, die sich in meinen Blick bohrten.
Sara folgte meinen Blick.
„Oh" war alles was sie über die Lippen brachten.
Schnell wandte ich mich von dem durchdringenden Blick ab und verlies stolpernd das Geschäft. Ich spürte wie meine Freundin mir folgte.
„Aber warum soll das deine Karriere zerstören? Lexi! Bleib doch mal stehen und sag mir was passiert ist" rief sie mir nach.
„Er... er hat mich gehört" stammelte ich während ich blindlings auf meinen Wagen zu ging. „Er hat alles gesehen"
„Du meinst deinen Schokoladeabsturz? Ach komm, vielleicht denkt er du hast deine Tage oder du bist schwanger. Viele Frauen haben das" lachte Sara.
„Aber..." Doch da packte mich meine Freundin am Arm und zwang mich stehen zu bleiben und mich zu ihr zu drehen.
„Aber das heißt gar nichts, Lexi. Ich denke kaum das er das jemanden weitererzählt. Jetzt denk mal nach: Was würde ihm das bringen?" gab sie mir zu denken.
Ich dachte kurz darüber nach. Sie hatte Recht. Was würde ihm das bringen? Was interessierte jemanden wie Alexander Mclean schon die Karriere einer einfachen Kreativ Direktorin?
Und was hatte er schon gesehen? Eine Frau die Schokokekse aß und sich über ein Lied aufregte. Jetzt hieß es nur ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
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