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"...und das Essen! Ich schwöre dir, Emma, ich habe noch nie zuvor etwas Besseres als diese Pasta gegessen!" Mit einem verträumten Ausdruck im Gesicht lehnte sich Tessa auf dem Sofa zurück. „Es war einfach ein toller Abend."

Sie seufzte, fuhr sich durch ihr blondes Haar und blinzelten mich aus glücklichen Augen an. In ihrem Gesicht lag ein breites Grinsen, das ich sofort erwiderte. „Heißt das, dass euer erstes Date gut war?"

„Nein, es war nicht gut." Eine leichte Röte breitete sich auf ihren Wangen aus. „Es war perfekt."

Ich wusste nicht wieso, doch irgendwie ließen diese Worte mein Herz für einen Moment aussetzen. Vielleicht lag es an der puren Freude, dass Niall und Tessa sich so gut verstanden. Vielleicht aber auch an dem Stolz darüber, dass ich in gewisser Weise an dem Glück meiner beiden Freunde beteiligt war. Und als Glück konnte man das hier wirklich bezeichnen. Denn seit ich Tessas Wohnung vor einer halben Stunde betreten hatte, hatte sie beinahe ununterbrochen von ihrer Verabredung mit Niall geschwärmt und dabei diesen gewissen Ausdruck in ihren Augen gehabt. Diesen Ausdruck, den man nur hatte, wenn man frisch verliebt war.

„Und trefft ihr euch bald wieder?", fragte ich und sah sie über den Rand meiner Kaffeetasse hinweg an.

„Ja, wir wollen uns morgen Abend noch einmal treffen." Sie sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. „Hat er dir nichts davon erzählt?"

„Nein." Das hatte er nicht getan. Aber ich wollte mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, warum das so war und flunkerte stattdessen ein wenig: „Wir haben uns aber auch seit eurem Date nicht gesehen. Außerdem erzählt er mir nicht alles."

„Wirklich?" Sie legte ihren Kopf ein wenig schief. „Ich dachte, du wärst seine beste Freundin..."

„Männer definieren beste Freunde und Freundinnen ein wenig anders als wir Frauen, Tessa. Das musste ich auch erst lernen."

Die Blondine nickte und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Ihre braunen Augen sahen mich dabei unentwegt an, was mich nervös ein wenig hin und her rutschen ließ. Ich konnte solche Blicke nicht ausstehen, denn sie gaben mir das Gefühl, durchleuchtet zu werden. Deswegen wandte ich mich ein wenig von ihr ab und widmete dem herrlich duftenden Kaffee meine volle Aufmerksamkeit. Ich war gerade dabei, innerlich eine Ode für dieses Getränk zu verfassen, als mir plötzlich ein Gedanke kam.

„Moment mal." Ich sah wieder zu meiner Freundin. „Wann hast du gesagt, triffst du dich wieder mit Niall?"

Verwundert blickte mich Tessa aus großen Augen an. „Morgen, warum?"

„Morgen Abend?"

„Ja...?" Sie wirkte verunsichert. „Stimmt daran etwas nicht?"

Ich zog eine Schnute. „Ich werde jetzt mal einfach so tun, als hättest du das Konzert, auf das wir beide gehen wollten, nicht vergessen und mir stattdessen einbilden, dass du mir in einem fünfminütigen Monolog versucht hast zu erklären, warum du dich genau an diesem Abend mit Niall treffen musst. Und dann werde ich – weil ich ja ein netter Mensch bin – sagen, dass du dich lieber mit ihm treffen sollst und wir ja ein anderes Mal zu einem Mumford and Sons Konzert gehen können. Okay?"

Augenblicklich schlug sich Tessa mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Oh Gott! Emma, es tut mir so leid! Ich... Ich habe echt voll darauf vergessen, dass wir ja auf das Mumford and Sons Konzert gehen wollten!"

„Was du nicht sagst." Schmunzelnd stellte ich die Tasse zur Seite, damit ich eine Hand beschwichtigend auf ihre Schulter legen konnte. „Aber mach' dir keinen Kopf. Wir haben es sowieso vollkommen versäumt uns Karten zu besorgen. Also, alles nur halb so schlimm."

„Oh man." Sie sah mich aus bedauernden Augen an. „Es tut mir echt leid, Emma. Ich mache das wieder gut, versprochen!"

Ich winkte ab und schenkte ihr ein Lächeln. „Ist schon okay, Tessa. Erzähl mir lieber, was du und Niall morgen Abend vorhabt."

„Ich weiß es nicht. Er hat mir nichts verraten."

Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass er selbst noch keine Ahnung hatte. Aber das würde sich ändern. Denn nur, weil Tessa und ich keine Karten für das Mumford and Sons Konzert bekommen würden, galt das nicht automatisch auch für Niall. Denn im Gegensatz zu uns Normalsterblichen besaß er den Promi-Status, der ihm mit Sicherheit noch zwei VIP-Karten einbringen konnte. Ich musste ihm nur von dem Konzert erzählen und schon würde er Tickets haben. So einfach ging das, wenn man berühmt war. Eigentlich eine Frechheit, oder?

„Vielleicht will er dich ja überraschen", meinte ich und zwinkerte ihr zu.

Sie runzelte ein wenig die Stirn. „Hmm... Ja, vielleicht."

Neugierig beobachtete ich ihren Gesichtsausdruck, der sich von nachdenklich zu besorgt wandelte und schließlich bei verunsichert verweilte. Irgendetwas beschäftigte sie, das merkte ich eindeutig. Ihre Augen ruhten auf einem Punkt am Sofa und auch, wenn ich am liebsten gefragt hätte, was plötzlich mit ihr los war, verkniff ich mir diese Frage. Stattdessen trank ich wortlos von meinem Kaffee und wartete darauf, dass sie endlich das aussprach, was ihr offenbar auf der Zunge brannte. Es dauerte ein paar Minuten, zwei Seufzer und ein nervöses Blinzeln, ehe sie es tatsächlich tat.

„Kann ich dich um etwas bitten, Emma?"

Verwundert nickte ich. „Natürlich."

„Erzähl' mir etwas von Niall."

„Wie bitte?!" Meine Augen mussten die Größe von Tellern angenommen haben, als ich sie nun so entsetzt ansah.

„Ich weiß eigentlich nicht wirklich viel über ihn und bei unserem Essen hat er mir eigentlich auch nicht viel von sich verraten, sondern immer nur mich ausgefragt. Ich will einfach nur ein bisschen was von ihm wissen. Zum Beispiel wer seine Lieblingsband ist oder was er am liebsten isst. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, das ich den Zeitpunkt verpasst habe, an dem ich ihn danach fragen hätte können. Und deswegen brauche ich dich. Du musst mir bitte all diese Fragen beantworten."

Für ein paar Augenblicke sah ich sie schweigend an. Dann antwortete ich mit einem leichten Lächeln im Gesicht: „Gib seinen Namen bei Google ein und du wirst mehr über ihn erfahren, als ich dir jemals erzählen könnte."

Tessa schnaubte kurz amüsiert auf. „Ich will aber nur die wahren Dinge über ihn wissen."

Nachdenklich musterte ich sie von der Seite. Irgendwie fühlte ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, ihr die Dinge über Niall zu erzählen, die sie eigentlich selbst herausfinden sollte. Zumal ich mir sicher war, dass es bei Niall niemals zu spät war, um ihn ein paar persönliche Fragen zu stellen. Schließlich war er eine der gesprächigsten, nettesten und liebenswertesten Personen, die ich kannte. Doch Tessas flehender Blick verriet mir, dass sie ihm all diese Fragen niemals stellen würde, weshalb ich schließlich über meinen Schatten sprang.

„Er mag eigentlich ziemlich viele Bands aber am allerliebsten hat er die Eagles, weil er ihre Musik in jeder Lebenslage hören kann. Wenn er traurig ist oder vom Heimweh geplagt wird, dann schaltete er einen ihrer Songs ein und schon geht's ihm besser. Und wenn er mal wieder so glücklich ist, dass es schon kaum mehr zum Aushalten ist, dann bietet diese Band auch den perfekten Soundtrack für ihn. Ach, ja... Wenn wir schon mal beim Thema glücklich sein sind: Wenn Niall mal wieder einen dieser Momente hat, in dem er begreift, wie drastisch sich sein Leben in den letzten Jahren verändert hat, dann kannst du nur hoffen, dass er irgendwo seinen iPod in der Nähe herumliegen hat. Denn wenn er in dieser Phase nicht sofort eine Dosis Justin Bieber, Michael Bublé, Olly Murs, Oasis, Coldplay, Bon Jovi oder The Script bekommt, wirst du innerhalb von wenigen Sekunden die Bekanntschaft mit dem berühmt berüchtigten und vor allem knochenbrecherischen Horan-Hug machen. Und glaub mir, das ist eine äußerst prägende Erfahrung."

Tessa begann zu lachen und auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich fortfuhr: „Was die Sache mit dem Lieblingsessen betriff: Niall liebt alles, was essbar ist. Okay, fast alles. Seit einem gewissen Vorfall vor einem Jahr in Australien isst er nicht mehr so gerne Meeresfrüchte. Und er kann Vegemite nicht ausstehen, was ich – ehrlich gesagt – auch vollkommen nachvollziehen kann. Aber sonst verputzt er alles, was man ihm vorsetzte. Vor allem zu Pizza, Burger und dem Essen von Nando's kann er nie nein sagen. Außerdem kann er von Nutella nicht genug bekommen und verschlingt das Zeug sogar löffelweise."

Erneut brach Tessa in Gelächter aus. Ihre Augen ruhten interessiert auf meinem Gesicht, als ich einfach weiter plapperte: „Und wenn wir schon bei merkwürdigen Angewohnheiten sind: Lass' niemals in einem Raum das Licht brennen, wenn du dich nicht darin befindest. Ich weiß zwar nicht warum, aber er wird davon ganz nervös und du kannst dir dann einen ewiglangen Monolog über Stromverschwendung und solchen Kram anhören. Also, wenn du das vermeiden willst, schalte immer brav das Licht aus. Außerdem kann er es nicht leiden, wenn jemand anderes mit seinem Auto fährt. Er lässt niemand hinters Steuer und falls er es doch einmal tut, ist das der größte Vertrauensbeweis, den er einem erbringen kann. Aber bisher hat er das noch nie getan. Ach ja, und wenn er dich mal mit aufeinandergepressten Lippen und einem zuckenden linken Augen ansieht, dann lauf! Lauf so schnell du kannst, denn das bedeutet, dass er wütend ist. Es kommt zwar nicht oft vor, aber wenn doch, dann bringt man sich lieber rechtzeitig in Sicherheit. Hmm... Was noch? Ah, stimmt. Wenn du einmal im selben Raum mit ihm schlafen solltest, darfst du dich nicht darüber wundern, dass er im Schlaf spricht. Meistens brabbelt er nur wirres Zeug vor sich hin aber manchmal sollte man diese Gelegenheit doch nutzen und genauer hinhören. So habe ich zum Beispiel vor einem Jahr seine geheime Leidenschaft für die Spice Girls und The Only Way Is Essex herausgefunden."

Bei dem Gedanken an sein entsetztes Gesicht, als ich ihm von seinem Geständnis erzählt hatte, schlich sich ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Er war knallrot geworden und hatte versucht, sich mit irgendwelchen schlechten Erklärungen rauszureden. Aber natürlich habe ich ihm das nicht abgekauft und so wird er immer noch das eine oder andere Mal von mir damit aufgezogen. Noch immer grinsend, griff ich wieder nach meiner Tasse, um einen großen Schluck daraus zu trinken.

Da ich in Erinnerungen schwelgte und gleichzeitig darüber nachdachte, ob ich noch eine wichtige Information vergessen hatte, bemerkte ich den Blick nicht, den mir Tessa plötzlich zuwarf. Erst, als sie die Stille zwischen uns brach, wurde mir bewusst, dass ich sie mit meinem Geschwafel überrascht hatte. „Wow, du kennst ihn ja wirklich gut."

Ich zuckte mit den Schultern. „Man lernt sich eben kennen, wenn man drei Jahre zusammenarbeitet."

„Sieht so aus." Für einen Moment sah sie mich mit einem undefinierbaren Blick an, bevor sie fragte: „Weißt du über Louis, Liam, Zayn und Harry auch so viel?"

„Ja, ich denke schon."

Tessa nickte und lächelte mich freundlich an. Doch auch, wenn es ein ernst gemeintes Lächeln war, konnte es dennoch nicht diese komische Stimmung vertreiben, die sich plötzlich zwischen uns aufgebaut zu haben schien. Ich wusste nicht woher sie kam, aber sie verschwand erst wieder, als wir das Thema wechselten. Nach einer weiteren halben Stunde, in der wir unter anderem die Themen „niesende Panda-Babys" und „Twitter" besprochen hatten, kam Tessa auf die glorreiche Idee, unser heutiges Treffen auf einem Foto festzuhalten.

Trotz meines Protestes, ließ sie sich nicht von diesem Vorhaben abbringen, weshalb am Ende unseres Kaffeetratsches ein Foto von uns beiden auf Instagram landete. Meine Begeisterung darüber hielt sich wirklich in Grenzen, doch da ich das Gefühl hatte, dass sich mit dieser öffentlichen Freundschaftsbekundung wieder alles zwischen uns normalisiert hatte, beließ ich es dabei.

Auf dem Weg zurück in meine Wohnung holte ich mein Handy aus der Tasche. Während ich die Treppen nach oben stieg, atmete, grinste und mich gleichzeitig schon über Nialls Reaktion auf meinen Rat für sein Date freute, tippte ich eine SMS an meinen besten Freund. Ja, Frauen waren wirklich multitaskingfähig – ich war schließlich gerade das beste Beispiel dafür. Nachdem ich zweimal beinahe über meine eigenen Füße gestolpert und vor lauter Konzentration auf mein Handy sogar fast ein Stockwerk zu viel erklommen hätte, hatte ich es auch endlich geschafft, eine Nachricht zu verfassen, welche ich auch sofort abschickte.

To: Nialler the potato

Ich weiß was, was du nicht weißt...

Ich packte mein Handy wieder in meine Tasche und sperrte meine Tür auf. Gerade, als ich mich auf mein Sofa fallen gelassen hatte, verkündete mir ein Piepton, dass Niall geantwortet hatte:

From: Nialler the potato

Sprich!

Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich mich auf dem Sofa ausstreckte. Ich wusste, dass er extrem neugierig war und deshalb sofort darauf anspringen würde. Doch so einfach würde ich es ihm dann auch wieder nicht machen. Wenn er meinen Tipp haben wollte, dann musste er sich schon ein bisschen darum bemühen. Schließlich sollte ich doch auch einmal für meine Mühen als Verkupplerin entschädigt werden, oder nicht?

To: Nialler the potato

Vergiss' es, Blondie. So einfach kriegst du diese extrem wertvolle Information nicht. Das kostet dich schon was...

From: Nialler the potato

Sag' mir zuerst um was es geht und ich sag' dir dann, was mir die Info wert ist. Okay?

To: Nialler the potato

Es geht um eine gewisse blonde Freundin von mir.

Dieses Mal wartete ich etwas länger auf die Antwort, die jedoch genau dann kam, als ich mir schon Sorgen machte, ob er meinen Hinweis begriffen hatte.

From: Nialler the potato

Und weiter...?

To: Nialler the potato

Man, bist du heute anstrengend. Es geht um eine gewisse blonde Freundin von mir, die mir soeben etwas verraten hat, was einem blonden Freund von mir (Ja, ich habe ein Blondinen-Problem) bei seinem Date mit ihr helfen könnte. Zufrieden, Niall? Oder soll ich dir gleich alles auf dem Silbertablett servieren?

From: Nialler the potato

Das wäre zu gütig und überhaupt nicht dein Stil ;) Was hältst du davon: Nougat-Schoko, Oreo-Kekse, 'ne Packung Fizzers und Haribo-Zeug?

Es war schon beinahe erschreckend, wie gut er meine Suchtmittel zu kennen schien. Doch mir sollte es recht sein. Immerhin kam ich so zu einer gratis Zuckerüberdosis und zu kostenlosen Buchschmerzen. Erneut grinsend tippte ich schnell eine Antwort.

To: Nialler the potato

Wir sind im Geschäft :)

From: Nialler the potato

Dachte ich mir schon. Ich bin in zwanzig Minuten bei dir. Muss mir nur noch schnell irgendwo 'ne Pizza besorgen.

To: Nialler the potato

Stehst du wieder mal kurz vorm Hungerstod?

From: Nialler the potato

Aber so was von!

Laut lachend legte ich mein Handy auf den Wohnzimmertisch und vergrub mein Gesicht in den Händen. Dieser Idiot. Es war schon beinahe eine Frechheit, dass er so schlank war. Bei dem ganzen Müll, den er im Laufe eines Tages in sich hinein stopfen konnte, müsste er eigentlich um die zweihundert Kilo wiegen, ein Dreifachkinn, fünf Rettungsringe und einen nahezu gigantisch hohen Cholesterinwert besitzen. Aber nein, dank seiner regelmäßigen Sporteinheiten und scheinbar guten Genen legte er so gut wie kein Gewicht zu. Frechheit.

Zwanzig Minuten später tauchte Niall tatsächlich bei mir auf. In einer Hand hielt er eine riesige Einkaufstüte, die bis zum Rand mit Süßigkeiten vollgestopft war, in der anderen balancierte er eine gigantische Pizzaschachtel. Obwohl ich eigentlich keinen Hunger hatte, ließ ich mich von dem verfressenen Sänger dazu überreden, wenigstens ein Stück zu essen. Danach dufte ich mich auf meine Bestechungsnaschsachen stürzen.

Während ich also zufrieden an einer Tafel Schokolade herumknabberte, erzählte ich Niall von Tessas Vorliebe für Mumford and Sons und dass wir eigentlich vorgehabt hatten, das Konzert morgen Abend zu besuchen. Dann warf ich noch dezent ein, dass wir keine Karten mehr bekommen hatten und dass wir es sowieso vergessen konnte, da ja ein gewisser Ire beschlossen hatte, mir meine Konzertbegleitung zu stehlen.

Obwohl er versuchte ein wenig schuldig zu schauen, siegte bei ihm dennoch die Freude über diesen Tipp, welche er sofort durch eine knochenbrecherische Umarmung zum Ausdruck brachte, die mich nicht nur den Atem raubte, sondern auch mein Herz für einen Augenblick aussetzen ließ. Nachdem er sich von mir löste und ich wieder halbwegs normal atmen konnte, schnappte er sich sein Handy, verließ das Wohnzimmer und regelte alles für den nächsten Abend.

Als er wieder in den Raum zurückkam, zierte ein beinahe unheimliches Lächeln sein Gesicht. Offensichtlich war mein Plan aufgegangen und er hatte noch Karten besorgen können. Gott, war ich gut. Wirklich! Ich sollte öfters Amor spielen. Oder... Nein, lieber nicht. Sollten sich Harry, Zayn, Liam und Louis mit solchen Dingen befassen, nach Nessa würde ich aus diesem Geschäft mit der Liebe wieder aussteigen. Denn im Grunde war mir das ganze viel zu anstrengend.

Und irgendwie... Nun ja, irgendwie fühlte es sich nicht immer so gut an, wie ich es mir erhofft hatte.

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Am nächsten Tag stand ein Fotoshooting auf dem Programm. Bereits um acht Uhr in der Früh hatte sich ein Teil des Teams mit den verschlafenen Jungs auf den Weg zu dem Studio gemacht, in dem Aufnahmen für ein bekanntes internationales Magazin gemacht werden sollten. Nachdem Liam, Louis, Zayn, Niall und Harry sofort nach unserer Ankunft von einer übereifrigen Assistentin in die Maske gescheucht worden waren, standen sie nun – eine Stunde später – perfekt gestylt und in Anzügen nebeneinander am Set und lauschten der tiefen Stimme des Fotografen.

Lou, die Stylistin der Jungs, und ich hatten es uns ein wenig im Hintergrund gemütlich gemacht. Während die Jungs nun für ein paar Gruppenfotos posten und dabei so verboten gut aussahen, dass ich die Welt schon beinahe für diese unfaire Verteilung der guten Gene verfluchte, unterhielten Lou und ich uns über ihre kleine Tochter Lux und ihrer neuesten Entdeckung: Mummy's Make-up.

Ihre Schilderungen waren dabei so göttlich, dass wir beide immer wieder in leises Gekicher ausbrachen, das uns den einen oder anderen bösen Blick vom Fotografen einbrachte. Doch wir ignorierten diesen Miesepeter gekonnt und setzten unseren Kaffeetratsch (ohne Kaffee, denn so einen Service durften wir hier leider nicht genießen) so lange fort, bis der Fotograf Louis, Zayn, Harry und Niall vom Set entließ, da es nun Zeit für die Einzelfotos wurde. Und diese wollte er offensichtlich mit Liam beginnen, weshalb der Rest sich zu uns gesellte.

Louis und Zayn, die sich zu Lou gesetzt hatten, amüsierten Letztere sofort mit einer Diskussion über die richtige Form von Eiswürfeln. Harry verschwand in einem Nebenraum, um sich etwas zum Trinken zu holen, während sich Niall neben mich auf einen Stuhl fallen ließ.

Da mein Blick auf Liam gerichtet war, der den Anweisungen des Fotografen folgte und brav in die Kamera lächelte, bemerkte ich zuerst nicht, dass mir Niall etwas vor die Nase hielt. Erst, als er mich darauf hinwies, dass er etwas für mich hätte, löste ich meinen Blick von Liam und sah stattdessen auf den Umschlag, den mir Niall in die Hände gedrückt hatte.

„Was ist das?"

„So etwas nennt man ein Kuvert, Em", erklärte er mir und warf mir dabei einen Blick zu, als wäre ich schwer von Begriff.

„Das sehe ich auch, Schlaumeier. Und was soll ich damit?"

„Wie wär's mit aufmachen?"

Skeptisch sah ich ihn aus zusammengekniffenen Augen an, ehe ich mich neugierig dem Umschlag in meinen Händen widmete. Vorsichtig öffnete ich ihn und lugte hinein, doch ich konnte nicht erkennen, was sich darin befand, weshalb ich eine Hand ausstreckte und den Inhalt des Kuverts durch schütteln darauf fallen ließ. Zu meiner großen Überraschung landeten zwei schmale Streifen Papier auf meiner Handfläche, die sich nach eingehender Betrachtung als Konzerttickets herausstellten.

Sofort klappte mein Kiefer nach unten und ich sah Niall aus großen Augen an. „Du bist doch verrückt! Absolut verrückt!"

„Ein ‚danke' hätte es auch getan", gab er schmunzelnd zurück.

Fassungslos starrte ich auf die Tickets, ehe ich mich aus meiner Starre lösen konnte und dem blonden Sänger um den Hals fiel. „Danke, danke, danke! Ich hab' zwar keine Ahnung, womit ich Karten für die Intimate Performance von Coldplay heute Abend verdient habe, aber trotzdem, danke!"

Lachend erwiderte er meine Umarmung. „Ich wollte mich einfach mal bei dir bedanken."

Wir lösten uns voneinander und ich fragte überrascht: „Bedanken? Wofür?"

„Für deine Hilfe, was die Sache mit Tessa betrifft. Immerhin habe ich es dir zu verdanken, dass ich beim ersten Date mit dem selbstgekochten italienischen Essen voll ins Schwarze getroffen habe und sie heute Abend mit Tickets für das Konzert ihrer Lieblingsband überraschen kann. Außerdem stehst du ja voll auf Coldplay und da dachte ich mir, ich mache dir mal eine kleine Freude."

„Eine kleine Freude?!" Ich sah ihn entsetzt an. „Niall, das hier ist eine ausgewachsene, gigantisch große und überdimensional fette Freude!"

Er stieß sein typisches Lachen aus, welches mir immer warm ums Herz werden ließ. „Wenn du meinst..."

„Ja, das meine ich. Oh man, hast du überhaupt eine Ahnung wie lange das Konzert schon ausverkauft ist?"

„Ja", erwiderte er und wandte seinen Blick in Richtung Liam, der sich gerade für eine äußerst eigenartige Pose verrenkte. „Aber was hast du zu mir gesagt, als ich meinte, dass es keine Tickets mehr für das Mumford and Sons gibt?"

„Dass du deinen Promi-Status nützen sollst?"

Er nickte. „Und genau das habe ich getan."

Vollkommen überrumpelt sah ich zu den Konzerttickets in meinen Händen. Ich konnte es nicht fassen! Schon seit der Bekanntgabe dieser Intimate Performance, hatte ich alles daran gesetzt, Karten zu kaufen. Doch die Tickets waren schneller weg, als gratis Eis im Hyde Park, weshalb ich leider keine mehr bekommen hatte. Natürlich hatte ich mich darüber geärgert – wie oft kam es denn bitte vor, dass die Lieblingsband ein Konzert für nur knapp dreihundert Besucher gab? – doch da ich keine andere Wahl hatte, hatte ich mich schlussendlich damit abgefunden. Ich hätte niemals zu hoffen gewagt, dass ich plötzlich doch noch Tickets in meinen Händen halten würde.

„Du bist..." Ich versuchte meine unbeschreibliche Freude in Worte zu fassen, doch es gelang mir nicht.

„... der Beste? Oder der Tollste?", versuchte er mir auf die Sprünge zu helfen.

Ich schüttelte den Kopf. „...der beste und tollste, aber gleichzeitig verrückteste Mensch, den ich kenne."

„Das sehe ich jetzt mal als Lob." Er grinste breit. „Allerdings gibt es an der Sache noch einen kleinen Hacken."

Neugierig sah ich ihn an. „Welchen?"

„Du kannst dir deine Begleitung leider nicht mehr aussuchen."

„Okay..?" Ich runzelte die Stirn und lugte auf die zwei Karten in meinen Händen. „Und das heißt jetzt was?"

„Das heißt, dass du mit einem gewissen Lockenkopf, der heute Morgen die Tickets in meiner Hosentasche gefunden und mich so lange bearbeitet hat, bis ich ihm eines davon zugesagt habe, zu dem Konzert gehen musst."

Mit einem Grinsen im Gesicht sah ich zu Harry, der ein paar Meter von uns entfernt im Türrahmen lehnte und unser Gespräch mit einem unsicheren Ausdruck im Gesicht verfolgte. Als er seinen Namen hörte und zu begriffen schien, was mir Niall soeben mitgeteilt hatte, schob er seine Unterlippe ein wenig nach vorne und sah mich mit einem entschuldigenden Blick an.

Ich lächelte ihn an und meinte: „Hazza, ich habe gehört, wir beide haben heute ein Date?"

Sofort hellte sich seine Miene auf und er hüpfte euphorisch auf uns zu. Als Harry bei uns ankam, strahlte er uns beide glücklich an, ehe er sich vor uns auf den Boden sinken ließ und mir lang und breit zu erklären begann, warum er sich keine eigenen Tickets besorgt hatte. Amüsiert lauschte ich seinen Erzählungen, wobei ich innerlich immer wieder über die Tatsache schmunzeln musste, dass er mir gerade weiß machen wollte, dass er als Weltstar und Freund der Band keine Karten mehr bekommen hatte.

Doch ich ließ ihn mir seine Version auftischen, da ich sowieso keine bessere Erklärung dafür finden würde. Außerdem hatte ich alles andere als ein Problem damit, mit ihm zu diesem Konzert zu gehen. Schließlich war er ein mindestens ebenso großer Coldplay Fan wie ich und einer meiner besten Freunde.

Und außerdem... Ganz ehrlich: Wer würde sich nicht darüber freuen, mit Harry Styles auf ein Konzert gehen zu können?

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