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Die nächsten Tage verbrachte ich zum Großteil im Büro, weshalb ich es erst am Samstagnachmittag geschafft hatte, für das Mittagessen mit den Jungs einzukaufen. Vollbeladen mit den Zutaten, die man für Hähnchenbrustfilet mit Country-Kartoffeln brauchte, schleppte ich mich vom nahegelegenen Supermarkt zurück zu meinem Wohnhaus, nur um vor der Haustür auf den eigentlich Grund für diesen Einkauf zu treffen: Tessa. Sie war gerade dabei gewesen, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, als sie mich aus den Augenwinkeln bemerkte.

„Hallo, Emma!"

„Hi, Tessa", brachte ich unter größter Mühe heraus, während ich versuchte, die Balance zwischen meiner Handtasche und den Einkaufstüten zu halten. Anscheinend stellte ich mich dabei so ungeschickt an, dass Tessa, freundlich wie sie nun mal war, von der Tür abließ, auf mich zukam und mir eine Tüte aus der Hand nahm. Etwas verlegen lächelte ich sie an. „Danke."

„Kein Problem. Ich kämpfe auch immer mit diesen lästigen Tüten." Sie zwinkerte mir zu und drehte sich wieder in Richtung der Haustür. Mühelos öffnete sie diese und warf dabei einen neugierigen Blick auf meine Einkäufe. „Erwartest du Besuch oder hast du deinen Wocheneinkauf erledigt?"

„Ich wünschte, ich könnte sagen, dass diese Menge eine Woche bei mir reichen würde", gab ich seufzend zurück. „Aber leider ist dem nicht so. Außerdem erwarte ich tatsächlich Besuch."

Lachend begleitete mich die Blondine die Treppen in mein Stockwerk nach oben, wartete geduldig darauf, dass ich meinen Schlüssel aus der Tasche kramte und die Tür öffnete. Danach trug sie meine Einkäufe in die Wohnung und stellte sie auf meine Küchentheke. Ich tat es ihr gleich und ließ mich danach erschöpft auf den Hocker sinken. Man, so ein Einkauf war ja anstrengender als Sport.

Ich fuhr mir über mein leicht verschwitztes Gesicht und beobachtete meine Nachbarin dabei, wie sie sich möglichst unauffällig in meiner Wohnung umsah. Als sie meinen Blick bemerkte, färbten sich ihre Wangen leicht rosa und sie sah beschämt zu Boden.

„Entschuldige bitte, ich wollte nicht neugierig sein."

„Kein Problem. Schau' dich ruhig um. Aber ich warne dich, ich habe nicht aufgeräumt", gab ich lächelnd zurück. „Und danke noch mal, dass du mir beim Tragen geholfen hast. Ich wäre sonst vermutlich einen qualvollen Erstickungstod gestorben oder hätte mir beim Versuch, die Treppen zu erklimmen, den Hals gebrochen. Du bist also sozusagen meine Lebensretterin, Tessa."

„Ach was." Sie lächelte gutgelaunt. „Du übertreibst sicher maßlos."

„Wenn du nur wüsstest..."

Ungeschickt war nicht einmal mehr ein Ausdruck für das, was ich war. Wenn irgendwo in einem Raum etwas war, an dem man sicht stoßen könnte, konnte es noch so gut versteckt sein, meine Zehen, Oberschenkel oder Arme würden es trotzdem finden und heftig dagegen schlagen. Und wenn man mir etwas Zerbrechliches in die Hände drückte und am besten noch betonte, dass ich es ja nicht fallen lassen sollte, konnte man Wetten darauf abschließen, wie schnell es in tausend Einzelteile zersprungen am Boden landen würde.

„Möchtest du vielleicht etwas trinken?"

„Ja, bitte. Ein Wasser wäre toll."

Ich stand auf, um meinem Gast das gewünschte Getränk zu besorgen. Als ich mich wieder umdrehte, betrachtete sie gerade ein Foto, das auf einem der Regale in meinem Wohnzimmer stand. Ich verließ die offene Küche und trat neben sie. Erst jetzt erkannte ich, dass sie sich das Bild angesehen hatte, dass die Jungs und mich nach ihrem Auftritt bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele zeigte. Ohne den Blick von unseren lachenden Gesichtern abzuwenden, reichte ich Tessa das Glas Wasser.

„Danke." Sie nahm einen kleinen Schluck davon. „Wie ist es eigentlich so? Ich meine, mit One Direction zusammenzuarbeiten? Ich stell' mir das richtig aufregend vor."

„Ja, das ist es auch. Wir reisen viel herum, lernen interessante Menschen kennen und erleben jede Menge blödsinnige Dinge. Letzteres liegt vor allem an der Tatsache, dass die fünf einfach Vollidioten sind."

Aus den Augenwinkeln sah ich sie lächeln. „Und du bist mit ihnen allen befreundet?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Für mich sind sie meine fünf Lemminge."

„Lemminge?"

„Das ist eine lange Geschichte", meinte ich schmunzelnd. „Es hat etwas mit viel zu viel Alkohol und einem von Louis ausgedachten Trinkspiel zu tun."

Tessa lachte leise. „Klingt gut."

„Nein, glaub es mir, es war nicht gut. Es war alles andere als gut." Mein verzweifelter Ton ließ sie erneut auflachen. „Aber ganz ehrlich, die fünf sind für mich so etwas wie Brüder geworden. Sie sind immer für mich da und ich kann mit ihnen über alles reden – okay, außer vielleicht über dieses typische Mädchenzeugs. Aber dafür bin ich sowieso nicht der Typ."

Sie nickte und wandte sich einem anderen Foto zu, das mich und meine Mutter zeigte. „Wie ist das eigentlich so mit den Fans? Akzeptieren sie dich?"

Ich warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, ehe ich mich umdrehte, zum Sofa ging und mich darauf niederließ. „Naja... Ich würde es nicht als akzeptieren bezeichnen. Ich denke, sie haben sich einfach irgendwie an mich gewöhnt."

„Das heißt, du kriegst keine Hassmeldungen mehr?"

Überrascht runzelte ich die Stirn. „Doch, aber nicht mehr sooft wie am Anfang. Warum fragst du?"

„Ach, nur so..." Für einen kurzen Moment blieb ihr Blick weiterhin auf dem Foto hängen, dann seufzte sie kurz auf und drehte sich zu mir um. „Weißt du, es interessiert mich nur, weil... weil ein paar Fans nicht besonders nett zu den Menschen zu sein scheinen, denen die Jungs auf Twitter folgen."

„Wie meinst du das?"

Sie fuhr sich unbehaglich durch ihr Haar. „Als ich mich gestern in meinen Twitter-Account eingeloggt habe, waren meine Mentions voller Hassmeldungen."

„Was?", fragte ich entsetzt. „Warum?"

„Das habe ich mich auch gefragt und deshalb jede einzelne Meldung durchgelesen, bis ich schließlich begriffen habe, dass sie mir all das schreiben, weil Harry, Louis, Liam und Zayn mir beinahe gleichzeitig gefolgt sind."

„Wie bitte?!" Mir entglitten jegliche Gesichtszüge. „Die Jungs folgen dir?"

Tessa nickte. „Ja. Ich habe keine Ahnung warum, aber sie tun es." In Gedanken schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Diese Idioten! Ging es vielleicht noch auffälliger? „Aber weißt du... Also, kannst du dir vielleicht vorstellen, warum..."

Sie brach zögernd ab und sah mich etwas verlegen an. Kopfschüttelnd log ich: „Ich weiß auch nicht, warum sie das getan haben. Falls es das ist, was du mich fragen wolltest..."

„Nein... Ich meine, ja, das wollte ich eigentlich auch fragen aber...

Hellhörig bohrte ich nach: „Ja?"

„Versteh' mich bitte nicht falsch, aber kannst du dir vielleicht vorstellen, warum mir die vier folgen aber... nun ja... Niall nicht?"

Mit offenem Mund starrte ich Tessa an. Ich sollte sie nicht falsch verstehen? Im Ernst? Wie zum Henker könnte ich sie mit ihren krebsroten Wangen nicht falsch verstehen? Sogar ein Blinder würde das ‚falsch verstehen' und zu dem Entschluss kommen, der mir gerade durch den Kopf spukte: Tessa stand auf Niall.

Heilige Wassermelone! Sie hatte sich doch tatsächlich in ihn verguckt! Am liebsten wäre ich jetzt jubelnd aufgesprungen, doch da sich ihre Wangen angesichts meiner entgleisten Gesichtszüge bereits noch röter färbten, versuchte ich mich wieder in den Griff zu kriegen.

„Ähm...Tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung."

„Okay, macht ja nichts. Ich war nur ein wenig überrascht, das ist alles." Sie lächelte. „Und in gewisser Weise fühle ich mich auch geehrt, dass mir vier Fünftel auf Twitter folgen."

„Ach ja?"

„Natürlich, Emma. Denn im Gegensatz zu dir, sieht die Welt sie nicht als fünf Lemminge, sondern als Mitglieder einer erfolgreichen Band, die richtig gute Musik macht."

Überrascht hob ich eine Augenbraue. „Tessa? Outest du dich etwa gerade als One Direction Fan?"

Sie lachte auf, strich sich eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht. „Ja, Emma, das tue ich. Und soll ich dir etwas verraten? Ich bin schon seit XFactor begeistert von ihnen."

„Wirklich?" Meine Augen hatten mittlerweile die Größe eines Tellers angenommen. „Warum hast du nie etwas gesagt? Ich hätte dich zu einem Konzert von ihnen mitgenommen oder sie dir vorgestellt."

„Ich wollte nicht, dass du denkst, dass ich mich nur mit dir unterhalte und anfreunde, damit ich eines Tages die Jungs kennenlernen kann."

Gerührt schob ich meine Unterlippe nach vor. „Hach! Bist du süß!"

Tessas Augen musterten verwirrt meinen wehmütigen Gesichtsausdruck. „Okay...? Ich glaube, ich komme nicht mehr ganz mit."

„Musst du auch nicht", erwiderte ich schnell und schlang meine Arme um meine irritierte Nachbarin.

Sie musste ja nicht wissen, dass mir so etwas tatsächlich schon einmal passiert war und ich mir deswegen eigentlich vorgenommen hatte, etwas vorsichtiger bei der Wahl meiner Bekanntschaften zu sein. Und wie sich soeben herausgestellt hatte, war Tessa eine gute Wahl gewesen. Eine mehr als gute sogar.

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Am nächsten Tag war ich gerade dabei alles für das verspätete Mittagessen mit meinen Jungs vorzubereiten, als mich das Klingen der Tür hochschrecken ließ. Ein prüfender Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass Liam, Zayn, Louis und Harry sich an unsere Vereinbarung hielten und eine halbe Stunde vor Niall bei mir auftauchten.

Ich wischte mir meine Hände an einem Geschirrtuch ab und ging zur Gegensprechanlage. Nachdem ich überprüft hatte, dass es sich auf der anderen Seite der Tür wirklich um meine Freunde und nicht um einen Serienkiller handelte, öffnete ich ihnen und wartetet gegen die Tür gelehnt auf sie.

„Hey, Emma." Liam, kam als erstes die Treppe nach oben gesprintet, dicht gefolgt von Harry. „Wie geht's?"

„Sehr gut, danke", antwortete ich, während ich mich zuerst von ihm und dann von Harry in den Arm nehmen ließ. „Und wie geht's euch? Habt ihr ordentlich Hunger mitgebracht?"

„Auf alle Fälle", sagte Louis begeistert und erklomm die letzten Stufen. „Ich habe heute extra nicht gefrühstückt, damit ich dich arm essen kann."

Ich lachte und umarmte ihn. Dann wartete ich geduldig darauf, dass sich auch Zayn die Treppe nach oben geschleppt hatte. Obwohl er nicht gerade unsportlich und locker mit Louis' Tempo mithalten hätte können, hatte es sich das Faultier von Mensch nicht nehmen lassen, jede Stufe mit dem Tempo einer Uroma hinter sich zu bringen.

Als er schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit mit einem Grinsen im Gesicht vor mir stand, konnte ich einfach nicht anders, als über seine Einzigartigkeit zu schmunzeln. Ich kannte wirklich niemanden, der seine Trägheit so zelebrierte wie es Zayn tat. Der einzige Mensch, der ihm vielleicht das Wasser reichen konnte, war Perrie an ihren freien Tagen. Vielleicht war das auch der Grund, warum ihre Beziehung so gut funktionierte.

Grinsend schüttelte ich den Kopf, verbannte die Gedanken an Zayns Beziehung daraus und ließ mich stattdessen von dem Schwarzhaarigen in den Arm nehmen. „Na, Kleine? Hast du mich vermisst?"

„Natürlich, Zaynie", antwortete ich und zog ihn mit mir in meine Wohnung. „Schließlich haben wir uns ja erst vor zwei Tagen das letzte Mal gesehen."

Zayn wackelte belustigt mit seinen Augenbrauen. „Ja, kam es dir auch so unendlich lange vor?"

„Ohja. Wie eine Ewigkeit."

Zufrieden wuschelte er mir durch die Haare und gesellte sich dann zum Rest der Jungs, der es sich bereits auf meinem Sofa bequem gemacht hatte. Besser gesagt, hatten sie sich gequetscht, denn eigentlich war es nur für zwei Personen gedacht. Doch da Harry und Zayn auf der Lehne hockten, konnten sich Liam und Louis auf der Sitzfläche ausbreiten.

Mit verschränkten Armen stellte ich mich vor meine Lemminge und bedachte jeden einzelnen mit einem prüfenden Blick. Hatte ich schon einmal erwähnt, wie unfair es war, dass die Jungs in so ziemlich jeder Lebenslage wie Models aussahen? Selbst jetzt, wo jeder Normalsterbliche darum bemüht gewesen wäre, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hockten Harry und Zayn auf den Armlehnen als wäre es das Normalste auf der Welt und sahen dabei so unverschämt gut aus, dass man meinen könnte, sie würden sich auf einem Fotoshooting befinden.

Schmollend zog ich eine Schnute und setzte mich auf den Wohnzimmertisch. Gott, es war wirklich ein Wunder, dass ich nicht unter ständigen Minderwertigkeitskomplexen litt. Denn nicht nur die Jungs, sondern beinahe jeder in ihrer direkten Umgebung sah aus wie aus einem dieser Glanzmagazine. Vor allem die Freundinnen der Jungs waren wunderschön und wenn ich Danielle, Eleanor und Perrie nicht so lieben würde, würde ich sie wohl aufgrund ihrer natürlichen Schönheit hassen.

„Wieso schaust du denn plötzlich so mürrisch?" Liam sah mich mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe nur gerade über etwas nachgedacht. Übrigens, ihr solltet das auch unbedingt mal ausprobieren. Das mit dem Nachdenken meine ich."

Louis stieß ein theatralisches Seufzen aus. „Okay, was haben wir jetzt schon wieder verbrochen?"

„Hmm... Ich weiß auch nicht... Vielleicht habt ihr Idioten beschlossen einen auf ganz unauffällig zu machen?"

„Ich versteh' nur Bahnhof, Em."

„Das glaube ich dir", murmelte ich in mich hinein, ehe ich etwas lauter sagte: „Flossen hoch, wenn ihr Tessa auf Twitter folgt." Verwundert warfen sich die vier kurze Blicke zu, ehe sie alle ihre Hand hoben. „Okay, und jetzt Flossen runter, wenn ihr das nicht erst seit Freitag tut."Keiner ließ seine Hand sinken. „Versteht ihr jetzt, was ich meine?"

Louis' Gesicht verzog sich kurz, ehe er skeptisch fragte: „Woher hast du davon eigentlich schon wieder gewusst?"

„Ich weiß alles, schon vergessen?"

Er lachte kurz auf. „Natürlich."

„Tessa hat es mir erzählt, als ich sie gestern getroffen habe." Ich warf ihnen der Reihe nach tadelnde Blicke zu. „Habt ihr eigentlich eine Ahnung, wie überrascht sie war, als sie sich auf Twitter einloggte und den ganzen Hass sah?"

„Hass?"

„Ja, Harry. Den bekommt man nämlich von sogenannten Fans, wenn einer von euch beschließt einem auf Twitter zu folgen."

„Oh." Der Lockenkopf sah mich besorgt an. „Wie schlimm war es?"

„Ich habe keine Ahnung. Aber es kann nicht allzu schlimm gewesen sein, denn sie hat sich danach noch immer als euer Fan bezeichnet."

Ein breites Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. „Tessa ist ein Fan von uns?"

„Anscheinend. Sie hat sogar zugegeben, dass sie euch schon seit euren Babylemmingtagen mag."

Die vier wechselten begeisterte Blicke und wirkten plötzlich so, als wären sie es nicht gewöhnt, dass jemand ein Fan von ihnen war. Es war ja nicht so, als würden Millionen von Mädchen ihre Seele verkaufen, nur um sie einmal zu treffen.

„Aber soll ich euch das allerbeste erzählen? Tessa steht auf unseren Nialler."

„Was?!", rief Louis mit solch hoher Stimme, dass ich ein wenig zusammenzuckte. Ich grinste ihn breit an und nickte vielsagend. „Weißt du was das bedeutet?"

Während die anderen Jungs diese Tatsache feierten und mein Sofa als Hüpfburg missbrauchten, sah ich den Bandältesten fragend an. „Dass ihr ausnahmsweise mal die richtige Person für ihn ausgesucht habt?"

„Ja!"

Louis sprang auf, drehte sich schrill lachend einmal um sich selbst und warf sich dann mit einem Jubelschrei wieder aufs Sofa, wobei er halb auf Liam und Harry landete, die kurz einen schmerzhaften Ton von sich gaben und sich dann ebenfalls wieder dem Freudengejohle widmeten.

Fassungslos verbarg ich mein Gesicht in beiden Händen und schüttelte langsam meinen Kopf. Vergesst die BRIT oder MTV Awards, streicht die Auftritte bei den Olympischen Spielen und im Madison Square Garden von eurer Liste und löscht auch die ausverkaufte Welttour aus eurem Gedächtnis. Wenn ihr One Direction glücklich machen wollt, sagt ihnen einfach, dass ihre Verkupplungsaktion einmal – ja, ein einziges Mal – die Chance hatte, zu funktionieren. Ihr werdet sehen, dass sie niemals glücklicher waren.

Nun ja, zumindest könnte man diesen Eindruck gewinnen, wenn man Zayn, Liam, Harry und Louis – auch der menschliche Knoten genannt – auf meinem Sofa dabei beobachtete, wie sie sich gegenseitig in die Arme fielen und wie kleine Mädchen kreischten.

„Ihr seid nicht ganz dicht", meinte ich nach ein paar Minuten. Ich hatte es gewagt, meine Hände wieder von meinem Gesicht zu nehmen, nur um danach festzustellen, dass sie sich noch immer wie Vollidioten aufführten. „Ernsthaft, ihr seid vollkommen durchgeknallt."

Liam löste sich lachend aus dem Haufen, setzte sich zu mir auf den Tisch und stieß mir sanft mit dem Ellbogen in die Rippen. „Jetzt tu' nicht so, als wäre das neu für dich."

„Es ist nicht neu, aber immer wieder von neuem erschreckend."

Lachend nahm er mich in den Arm. „Du bist verrückt, Emma."

„Ja. Ich bin verrückt, dass ich mit euch arbeite", gab ich scherzhaft zurück und lehnte mich in seine Umarmung.

Krrrrrrriiiiinnnng

Das tinnitusfördernde Geräusch meiner Türklingel ließ uns erschrocken auseinanderfahren. Sogar Harry, Zayn und Louis hielten mitten in ihrer Gruppenumarmung inne und sahen abwartend zu Tür. Als es erneut klingelte, stand ich schnell auf und eilte zur Gegensprechanlage. Allerdings kam ich erst gar nicht dazu, nach dem Hörer zu greifen, denn dank seiner langen Beine war Liam schneller bei der Tür gewesen als ich und hatte ihn bereits abgehoben.

„Hallo?"

„Hey... Liam?", fragte Nialls verzerrte Stimme. „Ich bin's. Mach' die Tür auf, ich hab Hunger!"

„Sorry, Sie müssen hier falsch sein. Ich kenne keinen Liam."

Mit großen Augen sah ich den kichernden Liam an, der den armen halbverhungerten Iren wohl ein wenig auf den Arm nehmen wollte. Begleitet von unterdrücktem glucksen der Jungs am Sofa, rief Niall: „Was soll denn der Mist? Leute, macht die Tür auf!"

„Bitte gehen Sie von der Haustür weg oder ich fühle mich dazu verpflichtet die Polizei zu alarmieren!", forderte Liam mit bewundernswert ruhiger Stimme.

Lachend lehnte ich mich gegen die Wand. Oh man, ich konnte mir gerade richtig vorstellen, wie sich Niall verzweifelt durch seine Haare fuhr, die Lippen aufeinander presste und versuchte, nicht komplett aus der Haut zu fahren, nur um dann zu begreifen, dass das in seinem Zustand – also, kurz vor dem Hungertod – nicht möglich war.

Wie auf Kommando kläffte Niall in diesem Moment auch schon los: „Ihr Vollidioten! Das ist nicht witzig! Macht verdammt noch mal die Tür auf oder ich wer-.... Oh... Hi!"

Die Veränderung in seiner Stimme ließ uns alle neugierige Blicke miteinander wechseln. War das etwa...? Unser Verdacht wurde keine zwei Sekunden später bestätigt, als eine vertraute weibliche Stimme fragte: „Willst du zu Emma?"

„Ja."

Für einen kurzen Moment war nichts außer dem Klimpern eines Schlüsselbundes zu hören. Dann konnte man noch kurz leise Stimmen wahrnehmen, bevor uns ein Geräusch verriet, dass die Tür ins Schloss gefallen war. Erneut wechselten wir kurze Blicke, ehe Zayn, Louis und Harry aufsprangen und zur Tür gerannt kamen. Mit dem Zeigefinger an den Lippen, der uns sagen sollte, dass wir still sein mussten, öffnete Liam die Tür einen kleinen Spalt und wir lauschten mit angehaltenem Atem den Geräuschen im Stiegenhaus.

Zuerst waren bloß Schritte zu hören, als die beiden schweigend zusammen in den ersten Stock gingen. Als sie scheinbar an Tessas Tür angekommen waren, stoppten die Schritte und unverständliches Gemurmel erfüllte den Gang. Wir drängten uns noch näher an die Tür, die Liam mittlerweile schon halb geöffnet hatte. Doch wir konnten dem Gespräch im Stockwerk unter uns noch immer nicht ganz folgen. Offenbar ahnten die beiden, dass sie nicht ganz ungestört waren.

Tessas weiche Stimme und Wortfetzen wie „Mittagessen" und „Großmutter" drangen zu uns durch, ehe Niall etwas Unverständliches brummte. Dann war das Öffnen und Schließen einer Tür zu hören. Und plötzlich war es still im Gang.

Mit offenen Mündern sahen die Jungs und ich uns an. Oh mein Gott! Oh. Mein. Gott! Mühevoll unterdrückten wir den ersten Jubelschrei bis Liam die Tür geschlossen hatte. Danach gab es kein Halten mehr. Als hätte es einen Startschuss gegeben, begannen wir zu lachen und wie wild auf und ab zu hüpfen. Es hatte tatsächlich funktioniert! Unglaublicherweise hatte der Plan tatsächlich funktioniert!

Voller Euphorie ließ ich mich von Harry hochheben und durch die Luft wirbelnd. Er drehte sich ein paar Mal um die eigene Achse und stoppte erst, als ich ihm ein Zeichen gab, dass mir schlecht wurde. Glucksend stellte er mich daraufhin wieder auf meine Beine und hüpfte Zayn auf den Rücken.

Schwindelig und mit dem Gefühl, als würde sich alles um mich herum drehen, lehnte ich mich gegen die Tür und sah den Jungs beim weiteren Jubeln zu. Hatte ich vorhin schon gedacht, dass man sich nicht noch übertriebener Freuen konnte, so wurde ich jetzt eines besseren belehrt. Zayn raste mit Harry, den er Huckeback trug, durch mein Wohnzimmer und machte dabei Hubschraubergeräusche. Harry hatte eine Faust in die Luft gestreckt und sang immer wieder „So sehen Sieger aus! Schalalalala! So sehen Sieger aus! Schalalalala!" Liam und Louis hielten sich an den Händen und hüpften laut lachend im Kreis, was ihnen das Aussehen von kleinen, spielenden Kindern gab.

Lachend fuhr ich mir durchs Haar. Ich wusste nicht, was schöner war. Meine Jungs so gutgelaunt und lachend zu sehen oder die Tatsache, dass sie sich so freuten, weil ihre Verkupplungsversuche scheinbar erfolgreich waren. Als Zayn sich von hinten auf das Sofa fallen ließ und Harry somit halb auf ihm und halb auf dem Boden landete, bekam ich einen solchen Lachanfall, dass mir Tränen in die Augen stiegen.

Gott, ich liebte diese Jungs einfach. Sie und ihren Humor, ihre Scherze und kindischen Phasen und vor allem, ihre Freundschaft. Nichts auf dieser Welt, könnte mich jemals dazu bringen, diese Freundschaft in Frage zu stellen. Nichts.

Denn auch, wenn es manche Menschen nicht wahrnehmen wollten: One Direction war mehr als nur eine Band. Zayn, Liam, Louis, Niall und Harry waren mehr als nur Bandkollegen.

Sie waren Freunde. Und vor allem waren sie eine Familie.

Meine Familie.

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