«14»

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Kennt ihr das Gefühl, wenn ich aufwacht und wisst, dass heute irgendetwas passieren wird? Ja? Gut, dann wisst ihr genau wie ich mich gefühlt hatte, als ich am Morgen der Bandgeburtstagsparty meine Augen öffnete. Es war nur so ein Gefühl – um ehrlich zu sein sogar ein ziemlich schwaches – doch es war da. Es war einfach aus dem Nichts aufgetaucht und machte mich nun innerhalb von wenigen Sekunden so nervös, dass ich es nicht mehr in meinem Bett aushielt und mich deshalb Mitten in der Nacht (sechs Uhr morgens) aufraffte und mir meinen Weg in die Küche bahnte.

Noch im Halbschlaf und von der leisen Vorahnung eingelullt, vergaß ich dabei jedoch, dass mein Koffer, den ich gestern Nachmittag nach meiner Rückkehr aus Aberdeen einfach mitten im Gang stehen lassen hatte, noch immer genau dort drauf wartete, dass ihn jemand zur Seite stellte, und krachte deshalb volle Kanne dagegen. Um genau zu sein, krachte ich so stark dagegen, dass mein Koffer und ich in wunderbarer Synchronizität den Boden küssten, was meinem lieben Gepäckstück jedoch nur einen dumpfen Ton entlockte, während ich für ein paar Minuten wimmernd am Teppich liegen blieb und mich selbst und vor allem mein Knie, das schmerzhaft pochte, bemitleidete.

Als ich das dann auch erledigt hatte und mich bereit dazu fühlte, den weiten und beschwerlichen Weg zur Kaffeemaschine fortzusetzen, rappelte ich mich leise vor mich hin fluchend wieder auf, versetzte dem Koffer einen wütenden Tritt, der ihm mit Sicherheit ebenso weh getan hatte wie mir, und schleppte mich die letzten Meter in die Küche. Dort angekommen bereitete ich mir erst einmal eine Tasse Kaffee zu, bevor ich mich zum Sofa schleppte und den Rest des noch viel zu jungen Morgens damit verbrachte, Bildungsfernsehen (auch Frühstücksfernsehen genannt) zu schauen.

Ein paar Stunden und vier Tassen Kaffee später, fühlte ich mich einigermaßen wach und bereit dazu, den Fernseher endlich wieder abzuschalten. Okay, das war gelogen. Eigentlich fühlte ich mich angesichts des seltsames Gefühls, das mich noch immer begleitete, alles andere als bereit dafür, doch da Tessa in ein paar Minuten vor meiner Tür stehen und mich in irgendein schreckliches Outfit für die Party zwängen würde, hatte ich wohl oder übel keine andere Wahl, als meinen Platz auf dem Sofa aufzugeben und mir stattdessen die Zähne zu putzen, mein Gesicht zu waschen und etwas ansehnlicheres als einen Pyjama mit Pandabären anzuziehen. Ich war gerade mit Letzterem fertig, als Tessa auch schon an meine Haustüre klopfte und kurz darauf mit funkelnden Augen und vor Aufregung geröteten Wangen in meinem Schlafzimmer stand.

Während sie meinen Kleiderschrank nach etwas Tragbaren und dem „Anlass entsprechenden" durchstöberte, lehnte ich mit verschränkten Armen im Türrahmen und versuchte herauszufinden, warum ich mich plötzlich so... nun ja... merkwürdig in ihrer Nähe fühlte. Und damit meinte ich nicht merkwürdig, wie in 'wir haben uns gestritten und jetzt ist die Stimmung zwischen uns merkwürdig', sondern merkwürdig wie in 'irgendetwas ist anders und merkwürdig'. Versteht ihr was ich meine? Nein? Okay, auch gut. Ich versteh's nämlich auch nicht so wirklich.

„Sag mal, besitzt du echt kein einziges Kleid?", fragte Tessa plötzlich und riss mich damit aus meinen Gedanken.

Verwirrt blinzelnd sah ich sie an. „Was?"

„Ich habe dich gefragt, ob du tatsächlich kein Kleid besitzt", wiederholte Tessa und deutete auf meinen Kleiderschrank.

„Ach so... Nein. Wie du weißt, steh' ich nicht so unbedingt auf die Dinger."

„Und was wolltest du dann bitte heute Nachmittag anziehen?" Ihre Stimme klang so entsetzt und überrascht, dass ich für einen Moment das Gefühl hatte, dass sie noch keinen Gedanken daran verschwendet hatte, dass es auch noch andere Kleidungsstücke gab, die man eventuell tragen könnte.

„Ähm... Jeans und T-Shirt?", antwortete ich ein wenig verunsichert.

„Im Ernst jetzt, Emma?!" Wie ich es bereits befürchtet hatte, schien Tessa nicht besonders viel von diesem Plan zu halten. „Jeans und T-Shirt?"

Ich kratzte mich schulterzuckend am Hinterkopf. „Wäre das so schlimm?"

Den Blick, den sie mir nun zuwarf, war Antwort genug, weshalb ich ein resigniertes Seufzen von mir gab, mich vom Türrahmen abstieß und mich neben sie vor den Schrank stellte. Nachdem ich diesen von oben bis unten gemustert und jedes einzelne Kleidungsstück erfasst hatte, wagte ich es, den waghalsigen Vorschlag zu machen, das Shirt durch eine Bluse zu ersetzten. Ehrlich gesagt hielt ich das sogar für einen ziemlich guten Kompromiss, wurde jedoch eines besseren belehrt, als mir Tessa erneut einen vielsagenden Blick zuwarf, bevor sie sich schwungvoll umdrehte und aus meiner Wohnung stürmte.

Von ihrem plötzlichen Verschwinden irritiert, tapste ich in den Gang, neigte meinen Kopf ein wenig zur Seite und starrte mit gerunzelter Stirn auf die geschlossene Eingangstür meiner Wohnung. Also, wenn ich die Situation jetzt richtig verstand, war Tessa entweder geflüchtet weil sie mich und meinen nicht vorhandenen Modegeschmack nicht mehr ertrug oder (und das war bei weitem schlimmer) weil sie mir etwas aus ihrem eigenen Schrank bringen wollte. So von diesen Optionen eingenommen, schaffte ich es nicht, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen, weshalb ich noch immer wie ein Vollidiot im Gang stand, als Tessa ein paar Minuten später mit einem Haufen bunter Klamotten bewaffnet zurückkam.

„Das ist mal das, was ich in der Eile finden konnte", verkündete sie, als sie auf mich zustürmte und mir den Haufen in die Hände drückte. „Normalerweise müsste da etwas für dich dabei sein."

„Wa-", begann ich und sah fassungslos zwischen ihr und den Klamotten in meinen Armen hin und her. „Ich soll das alles anprobieren?"

„Ja und du fängst lieber gleich damit an." Tessa packte mich sanft an den Schultern, drehte mich in Richtung meines Badezimmers und schubste mich dann wie eine Puppe in dessen Richtung.

Wie in Trance drehte ich mich noch einmal kurz zu ihr um, bevor ich ihrer stummen Aufforderung folgte und mitsamt den Kleidern im Badezimmer verschwand. Innerlich den Tag verfluchend, schloss ich die Tür hinter mir, legte Tessas Klamotten auf einem sicheren Platz ab und machte mich dann daran, eben diese zu begutachten. Schon nach dem ersten prüfenden Blick musste ich jedoch feststellen, dass nichts davon auch nur annähernd in Frage kam, ergab mich jedoch trotzdem meinem Schicksal und zwängte mich in ein viel zu langes, viel zu luftiges und viel zu weißes Sommerkleid. Mit einem Gesichtsausdruck, der meine Stimmung nicht besser widerspiegeln hätte können, strich ich mir seufzend eine Strähne aus dem Gesicht und präsentierte mich und das Kleid meiner blonden Freundin, die ungeduldig auf meinem Bett auf mich wartete. Sobald sie mich in dem weißen Ungetüm erblickte, wurden ihre Gesichtszüge ganz weich und es war mehr als offensichtlich, dass sie ein 'Awwwwww' unterdrücken musste.

„Oh, Emma." Sie strahlte mich zufrieden an. „Du siehst aus wie eine Braut."

Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Ein Grund mehr, warum ich dieses Ding mit Sicherheit nicht anziehen werde."

Tessa schob ihre Unterlippe nach vor und sah mich ein wenig eingeschnappt an. „Du bist wirklich unsensibel, weißt du das?"

„Sorry. Das war ja nichts gegen das Kleid an sich", versuchte ich die Situation zu retten. „Ich bin mir sicher, dass es dir hervorragend steht... aber ich seh' darin einfach nur lächerlich aus."

„Das tust du ganz und gar nicht. Aber nachdem man sowieso nicht gegen deinen Dickschädel ankommen kann, streichen wir es vorläufig einmal von der Liste."

„Was heißt da vorläufig?", fragte ich verängstigt, wurde aber gekonnt ignoriert und zurück ins Badezimmer gescheucht.

Die nächste Viertelstunde verbrachte ich damit, ein unvorteilhaftes Kleid nach dem anderen anzuprobieren und mir dabei vorzukommen, als wäre mein schlimmster Alptraum wahr geworden. Ein Alptraum, der erst dann zu einem halbwegs annehmbaren Ende zu kommen schien, als Tessa und ich uns, nachdem ich mich in ein pinkes (!!!), gelbes und ein weiteres weißes Monstrum gequetscht hatte, auf ein einigermaßen akzeptables, jedoch ziemlich kurzes grünes Kleid einigten. Es war eigentlich ganz nett und wenn man mich nicht dazu zwingen würde, es anzuziehen, hätte ich es vielleicht sogar als hübsch bezeichnet. Doch da ich es nun tragen und mich damit auch noch in der Öffentlichkeit präsentieren musste, fielen mir plötzlich nur mehr ganz andere Ausdrücke dafür und für diesen bisherigen Tag ein. Und glaubt mir, schrecklich und absolut furchtbar waren da noch die kinderfreundlichsten Ausdrücke.

„Jetzt hör' doch endlich damit auf, so eine Schnute zu ziehen", befahl Tessa wenig später mit den Augen rollend, während sie meine armen Haare mit ihrem Glätteisen malträtierte. „Du siehst fantastisch aus. Ich bin mir sicher, die Jungs werden reihenweise auf die Knie fallen, wenn sie dich so sehen."

Ich murmelte ein paar unschöne Ausdrücke, bevor ich verzweifelt fragte: „Warum kannst du nicht die sein, die die Jungs reihenweise auf die Knie zwingt, während ich einfach nur... ich bin?"

„Weil ich nur einen auf die Knie zwingen will", erwiderte sie plötzlich ein wenig schüchtern und mit geröteten Wangen.

Sofort hob ich meinen Blick und sah sie durch den Spiegel hinweg überrascht an. „Wie bitte?"

„Du hast mich schon verstanden", murmelte sie verlegen und zupfte an meinen Haaren herum.

Ohja, das hatte ich. Ich hatte sie sogar sehr gut verstand. Für ein paar Sekunden beobachtete ich sie einfach nur mit aufeinander gepressten Lippen, bevor ich den Kloß in meinem Hals hinunterschluckte, meinen Blick über ihr Outfit, das sie sich vor dem Quälen meiner Haare angezogen hatte, gleiten ließ und meinte: „Ich bin mir sicher, dass das mit diesem Kleid heute kein Problem sein wird, Tessa."

„Meinst du wirklich?"

Meine Brust zog sich angesichts ihres hoffnungsvollen Blickes schmerzhaft zusammen, als ich nickte. „Natürlich. Er wäre ein Idiot, wenn er bei diesem Anblick nicht endlich einmal in die Gänge kommen würde."

Für einen Moment sah sie mich nur schweigend durch den Spiegel hinweg an und fummelte zu meinem Entsetzten nebenbei weiter an meinen Haaren herum. Doch dann legte sie plötzlich das Glätteisen zur Seite, kam mit einem dankbaren Blick auf mich zugestürzt und schlang ihre Arme so fest um mich, dass ich für einen Moment dachte, sie wollte mich umbringen. Dass sie absolut nichts dergleichen vorhatte, kapierte ich nur einen Wimpernschlag später, als ihre Umarmung etwas lockerer wurde und sie mir einen Kuss auf die Wange drückte.

„Danke, Emma."

„Wofür?", fragte ich mehr als verwirrt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

„Für alles."

Ich runzelte die Stirn. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, was du damit meinst, Tessa."

„Schon okay", erwiderte sie lächelnd und löste sich wieder von mir, bevor sie gekonnt das Thema wechselte: „Wie war's eigentlich in Aberdeen?"

„Gut", antwortete ich und brach den Blickkontakt zu ihr ab, damit sie nicht sah, dass das nur die halbe Wahrheit war.

Denn wenn ich ganz ehrlich war, waren die Tage, die ich bei meiner Familie verbracht hatte, das reinste Gefühlschaos. Nicht nur, weil ich meine Eltern und meinen zweitältesten Bruder Dylan, der als einziger noch in Aberdeen wohnte, während es mich nach London, meinen ältesten Bruder Hugh nach Rom und meinen jüngsten Bruder Nate nach Dublin verschlagen hatte, nach einigen Monaten wieder einmal gesehen hatte, sondern vor allem auch, weil ich plötzlich so viel Zeit hatte. Ich hatte Zeit für meine Familie und musste nicht von einem Termin zum nächsten hetzten und dabei eine Horde Flöhe im Zaum halten.

Ich hatte Zeit zum Nachdenken. Darüber, warum ich mich die letzten Wochen über immer mal wieder so merkwürdig gefühlt hatte. Und über das Gespräch, das Niall und ich vor meiner Abreise geführt hatten und das mir aus irgendeinem Grund einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Immer und immer wieder ging ich es vom Anfang bis zum Ende durch, nur um dann noch einmal von vorne zu beginnen. Aber es ergab nie Sinn. Das ganze Gespräch wirkte wie ein seltsamer Traum, aus dem ich jedes Mal mit dem Gefühl aufwachte, einen Fehler gemacht zu haben. Einen Fehler, den ich weder in Worte fassen konnte, noch in sonst irgendeiner Weise näher beschreiben hätte können. Und genau aus diesem Grund hatte ich beschlossen, endlich mit jemanden darüber zu reden.

Jeder Mensch hatte diese eine Person in seinem Leben, mit der er über alles reden konnte und die einem stets eine Antwort geben konnte. Ich hatte sogar das Glück mehrerer solcher Personen zu haben, doch nur eine von ihnen kam für diese Art von Gespräch in Frage: Mein Bruder Nate. Er war der jüngste meiner Brüder, vor ein paar Wochen zweiundzwanzig geworden, studierte English Literature in Dublin und verstand zum Teil mehr von den Problemen der Frauen, als ich.

Das könnte entweder an der Tatsache liegen, dass er beinahe nur weibliche Freunde hatte, oder daran, dass er in seiner Beziehung eindeutig den Part der Frau übernahm und sich meistens auch in anderen Teilen seines Lebens dementsprechend benahm, was jedoch weder ihn, noch seinen Freund Rhys und mich erst recht nicht störte. Und auch, wenn er sich dabei immer zu einer lebenden Sprüchesammlung verwandelte und nicht immer sehr sinnvolle Ratschläge gab, war es dennoch sehr angenehm zu wissen, dass man jemanden in der Familie hatte, mit dem man auch etwas sensiblere Gespräche führen konnte. Dass er dabei des Öfteren dazu neigte, maßlos zu übertreiben oder viel zu emotional zu werden, gehörte dabei auch einfach zu seiner Rolle als schwuler, großer Bruder dazu. Zumindest behauptete er das selbst immer.

Genauso wie er immer behauptete, dass er ein guter Zuhörer war, was sich allerdings bei unserem „Skype-Date", das wir vor ein paar Tagen geführt hatten, als absolute Fehleinschätzung herausgestellt hatte. Denn sobald ich verkündet hatte, dass ich über ein Thema sprechen wollte, dass nicht nur etwas mit Gefühlen, sondern vor allem auch mit einem männlichen Wesen zu tun hatte, war er so hin und weg gewesen, dass er nach jedem Satz wissen wollte, um wen es dabei ging. Doch ich hatte ihn so lange zappeln lassen, bis er mir versprochen hatte, dass er mich nicht mehr unterbrechen würde, bevor ich ihm verraten hatte, dass es um meinen besten Freund ging.

Zu sagen, dass er erstaunlicherweise kaum überrascht war, war eigentlich eine Untertreibung. Denn irgendwie... Nun, irgendwie schien er nicht im Geringsten überrascht zu gewesen zu sein, was wiederum mich überraschte. Doch ich beschloss nicht weiter nachzufragen und erzählte ihm stattdessen alles, was seit jenem Tag passiert war, als mich die Jungs darum baten, ihnen bei dem Projekt zu helfen. Das erste, was er nach dem Beenden meines Monologes getan hatte, war „die passende Hintergrundmusik" einzuschalten.

Und diese lieferte seiner Meinung nach „Change My Mind" von meinen Lemmingen. Bereits nach den ersten Tönen hatte ich ihn fragen wollen, was er damit bezwecken wollte, war von ihm aber mit erhobenen Zeigefinger zum Schweigen verdonnert worden und hatte erst etwas sagen dürfen, als er die Zeile „Never felt like this before, are we friends or are we more?" lautstark mit gegrölt hatte. Als ich ihn darauf hin irritiert angesehen und ein sehr intelligentes „Hä?" von mir gegeben hatte, hatte er bloß mit den Schultern gezuckt und mir die Frage gestellt, die ich eigentlich mit Leichtigkeit beantworten hätte können sollen – und es dennoch nicht konnte.

„Was ist Niall für dich?"

Ich hatte gewusste, dass es im Grunde nur eine Antwort darauf gab: Er war mein bester Freund. Doch seltsamerweise war sie mir nicht über die Lippen gekommen. Ich hatte Nate diese Antwort nicht geben können, weil sie sich nicht richtig anfühlte. Nicht richtig und irgendwie unvollständig. Denn natürlich war er mein bester Freund – niemand könnte das jemals ändern – doch gleichzeitig schien er auch soviel mehr zu sein. Wenn ich mit ihm zusammen war, dann war es nicht so wie mit den anderen Jungs. Da war einfach... mehr. Und genau das schien Nate auch zu begriffen zu haben, als er sich kurz geräuspert und dann ein Zitat aus einem Film verwendet hatte, das mich für einen kurzen Moment den Atem anhalten ließ: „A guy and a girl can be just friends, but at one point or another, they will fall for each other."

„Das ist Blödsinn, Nate!", war alles gewesen, was ich darauf hatte sagen können.

„Ach ja?"

„Ja."

Es war Blödsinn, weil es nicht wahr sein durfte. Und weil es nicht so war. Ich war nicht in ihn verliebt und er... er war offensichtlich auch nicht in mich verliebt. Wir waren Freunde. Beste Freunde. Und das war mehr als genug. Es war alles, was ich brauchte und alles, was ich mir eingestehen durfte und wollte. Das hatte ich auch versucht Nate klar zu machen, doch als wir das Gespräch schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit beendeten, konnte ich deutlich sehen, dass er mir das nicht glaubte. Dass er mir das nicht abkaufte und weiterhin fest an seiner Theorie festhielt.

Eine Theorie, die meiner Meinung nach ziemlich lächerlich war und im Grunde genommen genau dem Zitat aus dem Film (500) Days of Summer entsprach. Eine Theorie, die ich mich weigerte zu glauben, die mir aber dennoch nicht aus dem Kopf gehen wollte, weshalb ich auch heute noch – Tage nach unserem Gespräch – über Nates Worte nachdachte. Ich war im Gedanken sogar noch so tief in diesem Gespräch versunken, dass es eine Weile dauerte, bis ich Tessas misstrauischen Blick bemerkte, der vermutlich schon eine ganze Weile auf mir ruhte.

Ertappt versuchte ich mich an einem Lächeln, bevor ich uns beide mit dem Versuch ablenkte, Tessa davon zu überzeugen, dass ich mit Ballerina durchaus das richtige Schuhwerk für die Party gewählt hatte und es überhaupt nicht nötig war, Schuhe mit Absatz anzuziehen. Obwohl sie von meinen Argumenten („Ballerina sind toll" und „Damit stöckele ich wenigstens nicht wie ein Storch") nicht gerade überzeugt wirkte, gab sie schließlich doch noch nach und wechselte zu meinem Verblüffen am Ende auch selbst noch auf die flachen Treter.

Nachdem sie unser Make-up noch perfektioniert und mir damit das Gefühl gegeben hatte, wir würden auf einen Schönheitswettbewerb gehen, schleppten wir uns endlich aus meiner Wohnung und zu dem Taxi, das vor unserem Wohnhaus auf uns wartete und uns zu dem Grundstück ein wenig außerhalb von London bringen sollten, das meine scheinbar viel zu reichen Lemminge extra für diesen Anlass gemietet hatten. Wir verbrachten beinahe die gesamte Fahrt schweigend, starrten beide aus den Fenstern und beobachteten den Londoner Verkehr, der an uns vorbeizog. Als wir schließlich in der Nähe des Hauses ausstiegen und die restlichen Meter zu Fuß zurücklegten, machte sich das Gefühl, das ich schon beim Aufwachen hatte, erneut bemerkbar. Es schien sich von Schritt zu Schritt zu verstärken, verschwand jedoch in dem Augenblick, als wir an unserem Ziel ankamen und sich uns ein beeindruckender Anblick bot.

„Wow!", meinte Tessa und ließ ihre Augen bewundernd über die Villa vor sich schweifen.

„Wow", bestätigte ich nicht minder staunend. „Das ist ja ein riesen Ding."

„Seltsam, Eleanor hat gestern Nacht genau das gleiche gesagt", ertönte plötzlich eine Stimme hinter uns, dicht gefolgt von einem „Au!". Überrascht wandten Tessa und ich uns um, nur um ein paar Meter hinter uns einen schmollenden Louis, der sich seinen Hinterkopf rieb, und eine mit den Augen rollende Eleanor zu erblicken.

„Sorry, Mädels. Er hat heute Morgen seinen Verstand im Bett vergessen", meinte Eleanor und kam, nachdem sie ihm noch einen kurzen Kuss auf die Wange gedrückt hatte, auf uns zu. „Hi, ich bin Eleanor und du musst Tessa se-"

Weiter kam sie jedoch nicht, denn in diesem Moment stieß Louis ein lautstarkes und langgezogenes „Emmaaaaaaaaaaaaa!" aus, kam auf mich zugelaufen und umarmte mich so fest, dass mir die Luft wegblieb. Nach Luft schnappend, tätschelte ich seinen Rücken, während ich Eleanor einen irritierten Blick zuwarf. Louis, der sich weder von meinem nahenden Erstickungstod, noch von meinem gequälten Gesichtsausdruck beirren ließ, verstärkte noch einmal den Druck um meine armen, leidenden Rippenknochen, bevor er verkündete: „Ich hab dich vermisst, Emma!"

Zutiefst gerührt hielt ich für einen Moment inne, um ihm aus großen Augen anzusehen, ehe ich zu lachen begann und erneut seinen Rücken tätschelte. „Louis, wir haben uns gerade einmal eine Woche nicht gesehen!"

„Zehn Tage, Em. Es waren ganze zehn Tage!"

„Oh Gott, wirklich? Wie haben wir das nur überleben können?"

Louis schüttelte ratlos seinen Kopf und brachte mich damit nur noch mehr zum Lachen. „Ich weiß es nicht. Es muss ein Wunder sein, Emma. Ein Wunder."

„Ja, ist klar", erwiderte ich breit grinsend und warf Eleanor einen vielsagenden Blick zu.

Diese schüttelte angesichts ihres Freundes einfach nur ihren Kopf, stieß ein leises Seufzen aus und wandte sich dann wieder an Tessa, um das Begrüßungsritual zu Ende zu bringen. Dann wartete sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen darauf, dass Louis und ich unser theatralisches Wiedersehen beendeten, bevor wir alle gemeinsam die letzten Meter zu der Villa zurücklegten. Louis, der sich als einziger von uns halbwegs in diesem gigantischen Gebäude auszukennen schien, führte uns direkt durch die beeindruckende Eingangshalle in ein noch viel beeindruckenderes Wohnzimmer, dessen Wände beinahe nur aus Glasfronten bestanden, die so zur Seite geschoben wurden, dass man im Grunde einen direkten Übergang zur Terrasse hatte.

Zu sagen, dass ich sprachlos von so viel Protz und gleichzeitig gutem Geschmack war, wäre maßlos untertrieben gewesen. Zumal man meiner Meinung nach nicht einmal in Worte fassen konnte, wie atemberaubend der Ausblick von der Terrasse auf den anschließenden Garten war, den man über eine elegante Treppe erreichte, die vermutlich alleine schon mehr gekostet hatte, als ich in meinem ganzen Leben jemals verdienen würde.

Der weitläufig Garten, der sich vom Fuße der Treppe bis zu einem „kleinen" Wald am anderen Ende des Grundstücks zu erstrecken schien, war mitunter das Schönste, das ich bisher in dieser Hinsicht sehen durfte. Ein schön geschwungener Kiesweg schlängelte sich beinahe über die gesamte Grünfläche und endete schließlich bei einem Häuschen, das scheinbar zu dem großzügigen Pool gehörte, der sich daneben befand. Links und recht vom Weg waren immer wieder einmal große Zeltpavillons aufgestellt, in denen man entweder Sitzgelegenheiten, etwas zu Essen oder eine Bar vorfand und auch ein wenig vor der stechenden Julisonne geschützt war. Ein DJ, der sich direkt rechts vom Treppenende auf einer kleinen Erhöhung befand, versorgte das ganze Spektakel mit Musik, während zahlreiche Kellner in viel zu adretter Kleidung durch die Gästeschar wuselten und Getränke oder kleine Häppchen anboten. Außerdem konnte ich schwören, dass ich noch eine Hüpfburg, einen Spielplatz und einen Bereich ausmachen konnte, in dem man sich unter große Schirme auf bequem aussehenden Liegen entspannen konnte.

Zusammenfassend: Das Ganze war einfach nur unglaublich.

Unglaublich protzig. Unglaublich schön. Und unglaublich cool. Doch vor allem, hatte mir noch nichts so deutlich vor Augen geführt, was die Jungs in den letzten Jahren geschaffen hatten. Denn wenn man bedachte, dass diese ganze Party von fünf Jungs zwischen neunzehn und einundzwanzig bezahlt worden war, und im Grunde ein Dankeschön an ihre Familie und Freunde sein sollte, die sie immer unterstützt hatten, so war das Ganze plötzlich nicht mehr protzig oder übertrieben – es war einfach nur ein Zeichen dafür, wie viel ihnen diese Menschen in ihrem Leben wert waren. Und wenn ich schätzen müsste, dürfe das eine ganze Menge sein.

„Nicht schlecht, oder?", fragte Louis breit grinsend.

„Es ist... groß", erwiderte Tessa staunend.

„Und beeindruckend", fügte ich nickend hinzu.

„Ja... Wir wollten es eigentlich ein wenig kleiner halten, aber irgendwie hatten wir alle so viele Ideen, dass letzten Endes das hier raus gekommen ist."

Ich riss meinen Blick von dem Garten los, drehte mich zu Louis, der hinter mir stand, um und meinte schmunzelnd: „Lass mich raten: Die Idee mit der Hüpfburg war deine?"

Er zuckte mit den Schultern. „Man muss sich ja auch um die kleinen Gäste kümmern."

„Ja, klar. Du wolltest sie natürlich nur für die kleinen Gäste." Ich grinste breit, bevor ich ihm ein Zeichen gab, dass er sich ein wenig weiter zu mir runter beugen sollte, damit ich ihm ins Ohr flüstern konnte. „Gib mir Bescheid, wenn du sie erobern willst. Ich bin so was von dabei."

Er nickte heftigst, während er breit grinsend meinte: „Ich habe mir nichts anderes von dir erwartet, Miss Geller."

„Geht mir genauso, Mr Tomlinson."

„Habt ihr's bald oder muss ich erst die eifersüchtige Freundin raus hängen lassen, damit ihr mit diesem Getuschel aufhört?", fragte Eleanor sichtlich amüsiert und zog eine Augenbraue nach oben.

„'Tschuldige, Eleanor", murmelten Lou und ich synchron.

„Jaja." Sie warf uns belustigte Blicke zu, ehe sie sich an ihren Freund wandte. „Wo ist eigentlich der Rest deiner Affenbande?"

„Sie müssten eigentlich irgendwo in der Nähe sein", erwiderte er und sah sich suchend um.

Eleanor und Tessa taten es ihm gleich und ließen ihre Augen ebenfalls über den Garten schweifen, während ich mich jedoch dafür entschied, in die andere Richtung zu sehen und mich zum Wohnzimmer umdrehte. Sobald mein Blick auf die Glasfront traf, setzte mein Herz für einen Schlag aus, bevor er in dreifacher Geschwindigkeit zu rasen begann. Denn dort stand er. Lässig gegen die Wand gelehnt, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und einem Ausdruck im Gesicht, den ich ebenso wenig zu deuten wusste, wie den in seinen Augen, als sich unsere Blicke trafen.

Für ein paar Sekunden sahen wir uns einfach nur so an, dann riss ich mich aus meiner Starre los, hob eine Hand und winkte ihm kurz verunsichert zu. Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht im Geringsten, als er mir zu nickte und sich dann von der Wand abstieß, um auf uns zuzukommen. Auf halbem Weg begann sein Blick jedoch von mir zu Tessa, die neben mir stand und sich nun ebenfalls zu ihm umgedreht hatte, zu wandern, was ihn schließlich dazu brachte, kurz stehen zu bleiben und zögernd zwischen und hin und her zusehen.

Sofort begann Tessa nervös zu flüstern, doch ich hörte ihr nicht zu, konzentrierte mich bloß auf mein Herz, das mir bis zum Hals zu schlagen schien, und Nates Worte, die plötzlich in einer Endlosschleife durch meine Gedanken rasten. Immer und immer wieder hallte die Frage „Was ist Niall für dich?" durch meinen Kopf, bevor der Kloß in meinem Hals unerträglich wurde und ich mein schlechtes Gewissen einfach nicht mehr ignorieren konnte. Ich schluckte einmal schwer, trat dann einen Schritt zurück und nahm ihm somit die Entscheidung ab, wen er zuerst begrüßen sollte.

Ich drehte mich ein wenig zur Seite, wartete darauf, dass er Tessa in eine Umarmung gezogen und ihr irgendetwas ins Ohr geflüstert hatte, das sie leise kichern ließ. Dann sah ich wieder zu ihm, ließ mir nicht anmerken, dass in mir gerade das pure Chaos herrschte und erwiderte seine Begrüßungsumarmung, die irgendwie anders war, als sonst. Sie war weder unterkühlt noch so übertrieben wie Louis' vorhin, doch sie war auch nicht so fest und ehrlich wie sonst immer. Auch, wenn sie dennoch diese warme Gefühl in mir auslöste und meine Annahme bestätigte, dass Niall die besten Umarmungen auf der ganzen Welt gab.

Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, wurde ich von Liam, Zayn und Harry, die plötzlich in Begleitung von Danielle und Perrie neben uns standen, in eine Gruppenumarmung gezogen, sodass ich Niall erst wieder in die Augen sehen musste, als ich mich von den dreien befreien konnte und auch die beiden Freundinnen begrüßt hatte. Er erwiderte meinem Blick nur ein paar Sekunden, ehe er Louis etwas zumurmelte und mit Tessa im Schlepptau in Richtung Bar verschwand. Doch während ihnen der Rest der Gruppe mit selbstzufriedenem Lächeln im Gesicht oder überrascht nach oben gezogenen Augenbrauen hinterher blickte, wandte ich mich von den beiden ab.

Ich wusste, dass Liam, Louis, Harry und Zayn ihnen am liebsten stolz hinterher geschrien hätten, doch zu unser aller Glück begnügten sie sich mit High Fives, bevor sie erwartungsvoll und mit erhobenen Händen zu mir sahen. Und ich wollte mich wirklich mit ihnen freuen und bei jedem von ihnen einschlagen – aber ich konnte es einfach nicht. Ich konnte mich nicht freuen, weil ich gerade eben das Gefühl hatte, zu ersticken und mich deshalb einfach mit einem gespielt genervten Augenrollen und einem halbherzigen Kommentar von ihnen abwandte und im Haus verschwand. Ich hörte sie irgendetwas Spottendes hinter herrufen, drehte mich jedoch nicht mehr zu ihnen um, sondern besorgte mir bei einem Kellner, der gerade das Wohnzimmer durchquerte, ein Glas Wasser und ließ mich damit auf das sündhaft teure Sofa fallen.

An meinem Glas nippend und mich selbst verfluchend, blieb ich dort so lange sitzen, bis Josh mir im Vorbeigehen verkündete, dass die Jungs alle zusammentrommeln ließen, damit sie ein paar Worte an das Team, ihre Familien und Freunde richten konnte. Ich folgte ihm zurück auf die Terrasse, wo wir uns zu Dan und Josh's Freundin stellten und neugierig zu den Jungs sahen, die am Ende der Treppe standen und – weil sie nun mal anders als die anderen waren – ihre Rede nicht von einer Erhöhung hielten, sondern einfach das Publikum darauf platzierten und selbst ein paar Meter darunter standen.

Während alle fünf Lemminge ein paar sentimentale Worte von sich gaben, sich bei allen möglichen Leuten bedankten und uns mit mehr oder weniger gelungenen Scherzen zum Lachen brachten, ließ ich meine Augen über die Menschen neben und hinter mir schweifen. Wie bereits erwartet hatte, kannte ich den Großteil der Anwesenden, nickte ab und an einem von ihnen zu, wenn sie mich zufällig gerade ebenfalls anschauten, bevor mein Blick an Tessa hängenblieb, die nur ein paar Meter von mir entfernt stand.

Für einen Moment dachte ich darüber nach, ob ich zu ihr gehen sollte, erinnerte mich dann jedoch selbst daran, dass diese Frage angesichts der Tatsache, dass sie meine Freundin war, vollkommen überflüssig war und kämpfte mich dann an Zayns Familie, Lou, Lux und Tom, Paul, seiner Frau und seinen Kindern, sowie Angela, eine Mitarbeiterin von Modest, die sogar einigermaßen normal war, zu ihr durch. Sie lächelte mich breit an, als ich mich neben sie stellte, widmete ihre Aufmerksamkeit dann aber sofort wieder Louis, der gerade mit seinem Teil des Gequassels dran war.

„Wie gefällt dir die Party bisher so?", fragte ich, nachdem die Reden zu Ende waren.

„Sehr gut", erwiderte sie strahlend. „Die Leute hier sind echt super nett und das Essen ist einfach fantastisch. Und stell' dir vor, ich hab Olly Murs vorhin zufällig auf den Weg hierher getroffen. Olly Murs! DEN Olly Murs!"

Schmunzelnd fuhr ich mir durchs Haar. „Und? Hast du ihn um ein Autogramm gebeten?"

„Natürlich nicht." Sie sah mich fassungslos an. „Was glaubst du, wie das rüber gekommen wäre, wenn ich ihn auf so einer Party um ein Autogramm gefragt hätte?"

Ich sah sie kurzzeitig aus großen Augen an, bevor ich lautstark zu lachen begann. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, sagte ich: „Du hast Recht. Aber du bekommst sicher noch eine Gelegenheit."

Sie zuckte mit den Schultern. „Hoffentlich."

Ich klopfte ihr aufmunternd auf die Schultern, lehnte mich dann ans Terrassengeländer und beobachtete die Menschen auf der Grünfläche. Immer mal wieder deutete ich auf ein paar von ihnen, erklärte Tessa wer sie waren oder stellte ihr ein paar davon vor, wenn sie später an uns vorbeikommen sollten. Ab und zu sprachen wir auch über ganz andere Dinge, erzählten uns irgendwelche komischen Geschichten aus unserer Kindheit und obwohl wir beide lachten und es von außen so aussehen musste, als wären wir einfach nur zwei Freundinnen, die Spaß miteinander hatten, so sah es in meinem Inneren ganz anders aus.

Das Gefühl, dass ich mich merkwürdig in ihrer Nähe fühlte, schien sich von Minute zu Minute zu verstärken und war am Ende schon so stark, dass ich mich nicht einmal mehr auf ihre Worte konzentrieren konnte. Ich wollte es nicht fühlen, wollte es ignorieren – doch es gelang mir in diesem Moment ebenso wenig, wie vor ein paar Stunden in meiner Wohnung. Das Gefühl war sogar so dominant, dass ich erst bemerkte, dass Niall zu uns trat, als ich seine Stimme hörte.

Überrascht sah ich zwischen ihm und Tessa hin und her, doch er schien mich nicht einmal eines Blickes zu würdigen. Ein Stechen, so schmerzhaft wie tausend kleine Nadeln, breitete sich in meiner Brust aus und brachte mich schließlich dazu, mich mit einer lahmen Ausrede von den beiden abzuwenden. Zu meinem Glück stand Lou nur ein paar Meter von mir entfernt, sodass ich mich hoffentlich einigermaßen unauffällig zu ihr verziehen konnte.

Die nächsten Stunden verbrachte ich mit Lou und ihrer kleinen, zuckersüßen Tochter am Spielplatz, ehe es dunkel wurde und wir alle dazu aufgefordert wurden, uns um das große Lagerfeuer zu versammeln, das ein wenig abseits des Weges angezündet worden war. Sobald sich alle Gäste darum verteilt hatten, ließen sich meine Lemminge auf die zwei Holzbänke fallen, die darum standen und verkündeten, dass sie nun ein paar Songs zum besten geben und darauf hoffen würden, dass niemand etwas dagegen einzuwenden hätte.

Wenig überraschend bekamen sie bloß Gelächter zu Antwort, sodass sie sich vielsagende Blicke zuwarfen, bevor Niall seine Gitarre schnappte und die ersten Töne von „Wonderwall" zu spielen begann. Sofort wurde es ganz still und als die Jungs den Refrain erreichten, schloss ich lächelnd meine Augen und schwankte langsam mit Lux, die wie ein kleines Äffchen auf meiner rechten Seite hing und sich mit ihren Händen an meinem Hals und mit ihren Beinchen an meine Hüften klammerte, im Takt hin und her. Egal wie oft ich die Jungs schon singen gehört hatte, ich würde niemals verhindern können, dass ich jedes Mal von neuem eine Gänsehaut bekam. Eine Gänsehaut, die auch nicht verschwinden wollte, als die Jungs „I'm Yours", „I Gotta Feeling", „Valerie", „Stereo Hearts" und schließlich „Torn", den Song, mit dem alles angefangen hatten, anstimmten.

Als die letzten Töne des Songs verstummten, begannen alle zu applaudieren und ich könnte schwören, dass sich die eine oder andere Mutter eine Träne aus den Augenwinkeln wischte. Lachend forderte ich Lux dazu auf, für uns beide zu klatschen, da ich sie ja festhalten musste, was die Kleine natürlich sofort tat, während sie Harry, Louis, Niall, Liam und Zayn aus großen Augen ansah. Ich folgte ihrem Blick, sah den Jungs dabei zu, wie sie ihre Familien umarmten und mit ihren Freunden sprachen.

Dann sah ich wieder zu Lux, die noch immer klatschte, obwohl alle anderen schon längst aufgehört hatten, und fragte sie: „Was hältst du davon, wenn wir noch einmal zur Schaukel gehen?"

„Jaaaaaaa!", rief sie so laut, dass Lou mich fragend ansah.

Ich erklärte ihr kurz mein Vorhaben und machte mich dann, nachdem sie dem Ganzen lächelnd zugestimmt hatte, mit Lux auf den Weg zurück zum Spielplatz. Dort angekommen, ließ ich sie auf den Boden, setzte mich auf eine der Schaukeln und sah sie dann fragend an. Lux zog für ein paar Sekunden ihre Augenbrauen zusammen, stolperte dann jedoch auf mich zu und setzte sich auf meinen Schoß. Lächelnd schlang ich einen Arm um ihren Bauch, stützte mein Kinn auf ihren Kopf und begann langsam zu schaukeln. Ich schloss meine Augen, blendete das Gelächter, das vom Lagerfeuer und dem Haus zu uns drang, aus und widmete mich wieder einmal meinen Gedanken.

Mir war bewusst, dass ich in letzter Zeit viel zu oft nachdachte, doch was blieb mir denn anderes übrig? Was sollte ich denn sonst tun, wenn ich keine Ahnung hatte, was sich da gerade in meinem Leben abspielte? Wenn ich jedes Mal, wenn ich mit jemanden darüber sprach, nur noch verwirrter wurde? Okay, wenn ich ganz, ganz, ganz ehrlich war, wusste ich, was ich stattdessen tun hätte sollen. Ich hätte damit aufhören sollen, so viel nachzudenken und stattdessen einfach einmal die Wahrheit zu lassen sollen. Aber das – meine lieben Freunde – war leichter gesagt als getan, weshalb ich mich mit allen Mitteln dagegen sträubte und mir stattdessen lieber weiterhin meinen Kopf über Dinge zerbrach, denen ich tief in meinem Inneren vermutlich schon lange die richtige Bedeutung zugeordnet hatte.

„Hey..." Lou's Stimme ließ mich überrascht meine Augen öffnen und zu ihr blicken. Sie stand ein paar Meter von uns entfernt und musterte mich skeptisch. „Liam sucht dich."

Überrascht legte ich meine Stirn in Falten, nickte jedoch verstehend und erhob mich zusammen mit Lux von der Schaukel. Dann übergab ich Lux ihrer Mum, lächelte dieser noch kurz zu und verschwand in Richtung der Villa. Für eine Weile irrte ich suchen zwischen den ganzen Menschen umher, ehe ich Liam im Wohnzimmer fand. Er wirkte ziemlich aufgeregt, hüpfte nervös von einem Bein auf das anderen und setzte, als er mich auf sich zukommen sah, ein breites Grinsen auf.

Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit, ihn zu fragen, was er von mir wollte, denn sobald ich bei ihm angekommen war, schnappte er sich meine Hand und zog mich wortlos hinter sich her in einen etwas abgelegenen Raum. Dort wurde die ganze Sache gleich noch unheimlicher, denn außer Harry, Zayn und Louis, die mit einer Flasche Wodka in den Händen dastanden, war der Raum vollkommen leer. Ich meine, wirklich vollkommen leer! Er besaß nicht einmal ein Möbelstück, was die Vermutung nahe legte, dass er eigentlich nicht dafür gedacht war, genutzt zu werden, was wiederum die Frage aufrief, warum sich vier meiner fünf Lemminge ausgerechnet in diesem Raum befanden und mich breit angrinsten.

Die Antwort darauf sollte ich nur wenige Augenblicke später bekommen, als mir Harry ein Glas in die Hände drückte und verkündete: „Auf uns und darauf, dass wir es geschafft haben!"

„Auf uns!", kam es dreistimmig zurück, bevor ich abwartende Blicke erntete, weil ich mein Glas als einzige noch nicht gehoben hatte.

Doch ich ignorierte ihre Blicke und die Frage, warum sie mit mir und ohne Niall auf ihren Erfolg anstießen und sah sie stattdessen der Reihe nach verwirrt an. „Ich kapier gerade nichts mehr."

„Man, Emma", seufzte Liam theatralisch. „Verstehst du nicht? Wir haben es geschafft!"

„Was habt ihr geschafft?", fragte ich nur noch mehr aus dem Konzept gebracht.

„Nessa! Emma, wir haben das Projekt Nessa geschafft."

Sofort wurde mir ganz schwer ums Herz und obwohl ich einen Verdacht hatte, was er mir damit sagen wollte, wollte ich diesem keinen Glauben schenken. Mit dem Gefühl, eine tonnenschwere Last auf mir zu haben, schüttelte ich langsam meinen Kopf. „Was... Was meinst du damit?"

Liam stieß ein Seufzen aus, bevor er sich erneut meine Hand schnappte und mich mit sich zum Fenster zog. Und das, was ich dort sah, ließ meine Welt innerhalb von Sekunden zusammenbrechen: Niall und Tessa standen in einer etwas versteckten Ecke der Terrasse, die so schwach beleuchtet war, dass man ihre Gesichter nicht erkennen konnte.

Doch das war auch nicht notwendig. Es war nicht notwendig, da ich auch so sah, wie nah sie beieinander standen. Ich sah auch so, dass Niall ihre Hand hielt. Und ich brauchte auch kein Licht, um das zu sehen, was mein Herz in tausend kleine Scherben zerbrechen ließ. Nein, ich brauchte kein Licht, um zu sehen, dass sie sich küssten. Doch vor allem, brauchte ich nichts außer diesen Anblick, um endlich zu zulassen, was ich schon so lange zu verdrängen versucht hatte. Um endlich zu kapieren, was ich mir nicht eingestehen wollte. Um endlich das zu verstehen, was ich schon eine ganze Weile fühlte.

Und ich brauchte nichts weiter, um endlich zugeben zu können, dass Nate Recht hatte. Dass er mit allem absolut Recht hatte. Denn ich hatte mich in meinen besten Freund verliebt. Ich hatte mich in Niall verliebt. In den Menschen, der mich besser kannte, als jeder andere. Der immer für da war. Der mich niemals im Stich lassen würde und mein Herz schon eine ganze Weile zum Rasen brachte. Ja, Nate hatte Recht. Er hatte verdammt noch einmal Recht und ich war zu dumm, um das zu erkennen. Ich war zu dumm, um es rechtzeitig zu bemerken. Ich war zu dumm, um mich selbst davor zu schützen, dass ich jetzt mit ansehen musste, wie der Mensch, in den ich mich verliebt hatte, nun da unten stand und eine andere küsste. Aber vor allem, war ich zu dumm, um diesen Schmerz zuzulassen.

Den Schmerz, den Zayn, der nun neben mir stand und mich aufmerksam musterte, mit Sicherheit in meinen Augen sehen konnte. Den Schmerz, der mir so deutlich ins Gesicht geschrieben stehen musste, dass es mich all meine Kräfte kostete, den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken und ein falsches Lächeln aufzusetzen, als ich mich zu den anderen Jungs umdrehte und mit ihnen auf unseren vermeintlichen Sieg anstieß. Den Schmerz, der mir die Tränen in die Augen trieb, als ich den Wodka schluckte. Den Schmerz, den ich erst zulassen konnte, als ich aus dem Raum gestürmt war und mit Tränen verschleierten Blick so lange durch das Haus gerannt war, bis ich alleine in einer leeren Zimmer war. Den Schmerz, der mich schluchzend zu Boden sinken ließ, als ich begriff, dass ich verloren hatte. Dass ich den Kampf verloren hatte, den ich niemals wirklich gekämpft hatte.

Weil ich zu blind gewesen war.

Zu blind, um zu erkennen, dass ich unsterblich in Niall verliebt war...

„A guy and a girl can be just friends, but at one point or another, they will fall for each other."

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