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Ein paar Tage später saß ich in einem der größten Fernsehstudios in L.A. und beobachtetet auf einem Bildschirm das Interview, das meine Lemminge gerade einer überschminkten Moderatorin gaben. Obwohl sie aufgrund der zahlreichen Termine der letzten Tage sichtlich erschöpft waren, verhielten sich Niall, Liam, Louis, Zayn und Harry wie gewohnt sehr professionell, beantworteten brav alle Fragen, scherzten ein wenig mit der Moderatorin und präsentierten sich von ihrer besten Seite. Genauso, wie es Modest von ihnen verlangte. Und genauso wie ich es von ihnen auch gewohnt war. Denn auch, wenn sie an manchen Tagen müde oder ausgelaugt waren oder einfach miese Laune hatten, so zeigten sie das niemals bei öffentlichen Terminen, was nicht nur gut für ihr Image war, sondern vor allem auch die Zusammenarbeit mit ihnen sehr angenehm machte.
Die Moderatorin begann gekünstelt zu lächeln, klimperte mit ihren langen, falschen Wimpern und stellte dann eine Frage zu einem Thema, das die Jungs in fast jedem Interview besprechen mussten: Freundinnen. Da ich die Antwort bereits kannte und mir im Grunde auch keine Überraschungen erwartete, beschloss ich diese Gelegenheit dafür zu nutzen, mir eine schöne Tasse Kaffee zu besorgen. Gähnend hüpfte ich von dem Hocker, auf dem ich schon viel zu lange gesessen war und machte mich dann so leise wie nur möglich auf den Weg in den Backstagebereich. Sobald ich die Tür zum Studio hinter mir zugezogen und somit in dem Bereich war, in dem man auch während der Aufnahmen einigermaßen normal sprechen durfte, begann mein Handy wie auf Kommando in meinen Händen zu vibrieren. Verwundert sah ich auf die mir unbekannte Nummer, bevor ich mich sicherheitshalber noch ein Stückchen vom Aufnahmebereich entfernt und den Anruf entgegennahm
„Geller?"
„Guten Tag, Miss Geller. Hier spricht Evie Brew vom JFK-Airport", meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung und ließ mich für einen Moment daran glauben, dass es doch noch ein Happy End für mich und meinen Koffer geben sollte. Leider wurde diese Hoffnung nur wenige Sekunden später jäh zerstört, als die mir unbekannte Dame sagte: „Es tut mir leid, aber ich fürchte, dass ich keine guten Neuigkeiten für Sie habe. Zu unserem großen Bedauern konnte ihr vermisstes Gepäckstück weder von den Kollegen in London, noch von uns gefunden werden."
„Oh." Enttäuscht lehnte ich mich gegen die nächstbeste Wand. „Und was bedeutet das?"
„Das bedeutet, dass Ihr Koffer unauffindbar ist, Miss Geller."
„Aber... Aber der kann doch nicht einfach weg sein. Sie haben doch sicher irgendein System, mit dem sie das Gepäck eines Fluges nach verfolgen können oder so. Da muss doch mein Koffer irgendwo aufscheinen. Ich meine, ich habe ihn schließlich ordnungsgemäß am Check-in-Schalter abgegeben."
Evie wie-auch-immer-sie-noch-schnell-hieß stieß einen kaum hörbaren Seufzer aus, bevor sie mir in einem Ton, in dem man eigentlich nur mit quengeligen kleinen Kindern sprach, erklärte, dass keiner so recht wusste, was mit meinem Koffer passiert war und dass ich natürlich ein Recht auf Entschädigung hätte. Als sie sich dann erneut bei mir entschuldigte und dabei eine solch nervtötend monotone Stimme hatte, wusste ich nicht nur, dass sie ihren Job abgöttisch liebte, sondern auch, dass ich ihr am liebsten das Gesicht zerkratzt hätte.
Von wegen, es tat ihnen „furchtbar leid"! Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie mir wortwörtlich gesagt, dass es ihr scheißegal war, ob ich den Ring, den ich von meiner Großmutter geschenkt und das Stofftier, das ich von mein Eltern bekommen hatte, jemals wiedersehen würde oder nicht. War ja schließlich auch nicht ihr Problem. Aber zu unser beider Glück war es ihr nicht erlaubt, ihre Meinung zu dem ganzen so deutlich zu sagen, weshalb wir das Telefon letzten Endes doch einigermaßen wie zivilisierte Menschen beendeten.
Nachdem ich mein Handy vielleicht eine Spur zu grob in meiner Tasche verstaut hatte, ließ ich diese achtlos auf den Boden sinken und fuhr mir seufzend durch mein Haar. Obwohl die Chancen immer schon gering gewesen waren, dass ich meinen Koffer jemals wiedersehen würde, hatte ich die Hoffnung bis zu Letzt nicht aufgegeben. Möglicherweise war das etwas naiv gewesen und ich hätte auf Paul hören sollen, der mir schon die ganze Zeit über gesagt hatte, dass ich die Möglichkeit in Betracht ziehen sollte, dass meine Sachen nicht mehr auftauchen würden. Aber ich hatte wieder einmal nicht auf ihn gehört, weshalb ich mich jetzt in der Situation befand, absolut niedergeschmettert und enttäuscht zu sein.
Natürlich war es auch absolut dämlich von mir gewesen, etwas mit solch großem emotionalem Wert wie den Ring, den ich von meiner Großmutter bekommen hatte, auf eine Dienstreise mitzunehmen. Ich meine, was hatte ich mir dabei gedacht? Dass ich irgendwann die Gelegenheit haben würde, ihn zu tragen? Bah! Als würde es jemals in meinem Leben eine Gelegenheit dafür geben. Denn auch, wenn er nicht besonders teuer war oder sehr pompös wirkte, so war er dennoch nicht alltagstauglich. Und wenn ich ehrlich war, war er auch nur in dem Koffer, weil ich ihn aus irgendeinem Grund lieber bei mir hatte, als ihn im Nachtkästchen in meiner Wohnung in London zu wissen. Keine Ahnung warum das so war. Vielleicht war ich einfach ein wenig seltsam.
Von dieser Schlussfolgerung nicht gerade begeistert, schüttelte ich meinen Kopf und hob meine Tasche wieder auf. Ich war mir nicht sicher, ob ich einfach nur überreagierte oder ob der Verlust meines Koffers gerade zusammen mit „The Red Card" zu einem Strudel aus allen möglichen Emotionen geworden war, gegen dessen Sog ich gerade nur mit Mühe und Not ankam. Ich wollte am liebsten weinen, schreien und hysterisch lachen. Ich wollte brüllen und eigentlich doch nur schweigen. Ich wollte alles zusammen und wusste dabei selbst, dass ich mich absolut lächerlich verhielt.
So lächerlich, dass ich für einen Moment die Augen schließen und tief durchatmen musste, damit ich den Kopf wieder ein wenig frei bekommen und mich auf das konzentrieren konnte, was wirklich wichtig war. Und das war in diesem Moment mein Job. Mein Job, den ich mindestens ebenso professionell erledigen wollte, wie es die Jungs gerade taten, weshalb ich meine Augen nach einem beinahe lautlosen Seufzen wieder öffnete. Nachdem ich mir noch einmal durch mein Haar gefahren war und die Bluse, die ich mir vor ein paar Tagen gemeinsam mit Lou gekauft hatte, glatt gestrichen hatte, machte ich mich auf den Weg zurück zum Interview der Lemminge.
Diese waren gerade Mitten in einem sehr, sehr seltsamen Spiel, das man sich offenbar speziell für diesen Anlass hatte einfallen lassen. Im Prinzip war es eine Art Activity nur mit Begriffen, die die Jungs, ihre Fans und ihre Musik betreffen, doch irgendwie hatten es die Verantwortlichen geschafft, das Ganze so kompliziert zu gestalten, dass ich bis zum Schluss keinen blassen Schimmer hatte, was die Lemminge da gerade taten. Ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen wussten sie es selbst auch nicht wirklich und waren dementsprechend froh, als das Ganze endlich vorbei war. Es folgten noch ein paar kurze Fragen, dann war das Interview vorbei und die Jungs verschwanden, nachdem sie sich von der Moderatorin und ihrem Team verabschiedet hatten, in der Garderobe, die man ihnen für heute zur Verfügung gestellt hatte.
Als ich keine fünf Minuten später gemeinsam mit Lou zu den Jungs ging, lag Harry schlafend auf dem Sofa, Liam telefonierte leise in einer Ecke, Zayn und Lou schlürften an zwei dampfenden Tassen und Niall lehnte ohne T-Shirt an einer Wand und tippte auf seinem Handy herum. Es war mehr als offensichtlich, dass sie müde waren und eine Pause brauchten, doch Nialls nackter Oberkörper lenkte mich für ein paar Minuten so dermaßen ab, dass ich erst begriff, dass ich die Jungs eigentlich motivieren sollte, als Lou schon beinahe mit ihrer Ansprache fertig war. Zum Glück schien jedoch niemand diesen Aussetzer bemerkt zu haben, weshalb ich mich schnell beeilte, Lou in allem zuzustimmen und den Jungs zu versichern, dass sie nur mehr ein Fotoshooting und ein Interview hinter sich bringen mussten, ehe sie den restlichen Nachmittag frei haben und somit alles tun und lassen können würden, was im Rahmen des Akzeptablen war.
Und anscheinend genügte ihnen das schon, denn nur fünf Minuten später blödelten alle fünf wieder wie energiegeladene Kleinkinder umher und brachten mich beinahe damit auf die Palme, dass sie mich in jedem zweiten Satz fragten, ob ich nicht eine Kotztüte gebrauchen könnte. Diese wunderbar sinnvolle Frage hatte ich wohl Niall zu verdanken, der scheinbar jedem in unserem Umfeld von den Ereignissen der Nacht in New York City erzählt hatte. Es wäre ja schließlich zu schade gewesen, wenn das unter uns geblieben wäre.
Doch obwohl mich diese Stichelei beinahe dazu brachte, die Jungs mit einen Tritt in den Allerwertesten zum Mond zu schicken, blieb ich zu meinem eigenen Erstaunen halbwegs ruhig und verfrachtete die fünf Vollpfosten, nachdem sie sich durch ein Meer aus Fans gekämpft hatten, in zwei Autos, die bereits am Hinterausgang des Studios auf sie gewartet hatten. Zwei Stunden später befanden wir uns in Mitten eines Fotoshootings für eines der berühmtesten Magazine der USA. Während die Jungs brav vor der Kamera posierten, saßen Paul und ich in einiger Entfernung auf einem Sofa und brachten uns gegenseitig auf den neuesten Stand, was die noch immer unbekannte neue Mitarbeiterin von Modest betraf.
In den letzten Tagen hatten sowohl Paul als auch ich Nachforschungen zu diesem Thema betrieben, konnten jedoch beide nicht wirklich viel über sie herausfinden. Vielleicht war das ein gutes Zeichen, vielleicht war es das auch nicht. Wir wussten es beide nicht und da zumindest Pauls Job in nächster Zeit nicht in Gefahr war, beschlossen wir gegen Mitte des Fotoshootings, dass wir uns einfach überraschen lassen würden. Schließlich konnte sie ja kaum so schrecklich sein, wie wir sie zu diesem Zeitpunkt einschätzten. Ich meine, die Frau hieß schließlich Benign mit Nachnamen, wie modestmäßig konnte sie da schon sein?
Während ich über diese Frage nachdachte, stand Paul leise seufzend auf. Ohne ein Wort zu sagen stellte er sich vor mich, wartete darauf, dass ich ihn ansah und zerstörte mir dann einfach so meine Frisur. Entrüstet schob ich seine Hand zur Seite und wollte ihm gerade eine Predigt darüber halten, dass man das Nest auf meinem Kopf nicht unbedingt noch schlimmer machen musste, als mein Blick auf seinen traf. Ich hielt ihm genau für fünf Sekunden stand, dann presste ich meine Lippen aufeinander und sah zu Boden. Für ein paar Augenblicke starrte ich wortlos auf Pauls Schuhe, ehe sie aus meinem Blickfeld verschwanden.
Alleine auf dem Sofa zurückgelassen, lehnte ich mich gegen die weichen Kissen und sah zur Decke. Meine Gedanken rasten wie wild durch meinen Kopf, schienen nicht den geringsten Sinn zu ergeben und verschwanden schließlich in einem Strudel aus wirren Überlegungen, die nicht nur überhaupt nicht zu meinem eigentlichen Problem passten, sondern mich vor allem wunderbar ablenkten. Um genau zu sein, zogen sie mich sogar so sehr in ihren Bann, dass ich erst bemerkte, dass sich jemand neben mich gesetzt hatte, als sich eine dampfende Kaffeetasse in mein Blickfeld schob und somit meine Aufmerksamkeit von der Decke und der Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass ich es in meiner Wohnung schneien lassen konnte, ablenkte.
Überrascht runzelte ich die Stirn, bevor meine Augen langsam dem Arm zu seinem Besitzer folgten. Und wie ich es bereits geahnt hatte, handelte es sich dabei um meinen blonden Lieblingsiren. Dieser sah mich für einen kurzen Augenblick nur schweigend an, ehe er mir den Kaffeebecher und den schokoladigsten Schokomuffin entgegenhielt, den ich jemals gesehen hatte.
„Du siehst aus, als könntest du das dringender gebrauchen als ich."
Meine Augen wanderten schockiert zwischen ihm und den Dingen in seinen Händen hin und her. „Niall Horan, teilst du etwa dein Essen mit mir?"
Er rollte angesichts meines gespielt geschockten Tons mit den Augen. „Ich teile es nicht – ich überlasse es dir."
„Im Ernst jetzt?"
„Wenn du es nicht willst..."
„Doch! Doch!" Schnell nahm ich ihm die beiden Köstlichkeiten ab und trank einen Schluck. Dann sah ich ihn grinsend an und fragte: „Wer bist du und was hast du mit dem echten Niall gemacht?"
„Der ist zu müde, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Und jetzt iss den Muffin, bevor ich es mir anders überlege", erwiderte er kopfschüttelnd und ließ sich tiefer in die weichen Kissen des Sofas sinken.
Das Grinsen in meinem Gesicht wurde noch breiter, als ich meinen Blick von Niall abwandte und mich mit großen Augen den beiden Schätzen in meinen Händen widmete. Genüsslich biss ich in den Muffin, der mir beinahe eine Schokoladenüberdosis bescherte, und trank erneut von meinem Kaffee. Nachdem ich das Ganze noch ein paar Mal wiederholt hatte, hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass es mir ein wenig besser ging. Keine Ahnung warum, aber Zucker und Koffein würden es vermutlich immer schaffen, meine Gemütslage um hundertachtzig Grad zu wenden. Tatsächlich fühlte ich mich plötzlich wieder so gut, dass ich beschloss, einmal meine soziale Seite zu zeigen und Niall den Rest zu überlassen.
Von dieser Geste sichtlich überrascht, sah er mich fragend an, woraufhin ich schulterzuckend meinte: „Nur weil du dein Essen nicht teilst, heißt das nicht, dass ich das auch nicht tue."
Lachend nahm er mir den Muffin ab, verputzte ihn innerhalb von Sekunden und spülte ihn dann mit dem Rest des Kaffees hinunter. In der Zwischenzeit hatte ich meinen Blick von ihm abgewandt (manchmal aß er wirklich wie ein Schwein - zwar wie ein süßes Babyschweinchen, aber das machte den Anblick auch nur unwesentlich besser) und beobachtete nun Harry, wie er einen auf Britain's Next Top Model machte. Als er gerade dabei war, eine äußerst merkwürdig aussehende Pose zu machen, beschloss ich, dass es für mein zukünftiges Verhältnis zu dem Lockenkopf wohl das beste war, wenn ich jetzt nicht weiter zusehen würde, weshalb ich wieder zu Niall sah.
Dieser war gerade dabei, ein paar Brösel von seinem Shirt zu klauben, als ihn mein schallendes Gelächter aufsehen ließ. Irritiert sah er mich mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. „Was'n jetzt los?"
„Du... Du hast da ein wenig Schokolade", meinte ich noch immer lachend und zeigte auf den Fleck an seinem rechten Mundwinkel.
„Wo? Da?", fragte er und wischte sich einige Zentimeter vom Fleck entfernt übers Gesicht.
„Nein, warte." Ohne darüber nachzudenken legte ich eine Hand an seine Wange, während ich mit der anderen die Schokolade von seinem Mundwinkel wischte. „Okay, jetzt ist sie weg."
Für einen kurzen Moment sah mich Niall nur aus großen Augen an, bevor er leise sagte: „Danke."
„Kein Problem." Ich erwiderte das Lächeln, das sich nun auf seine Lippen geschlichen hatte und fragte mich gleichzeitig warum mir plötzlich so warm ums Herz wurde.
„Woran hast du vorhin eigentlich gedacht?", fragte Niall nach kurzem Schweigen.
„Vorhin?"
„Ja, als ich mich zu dir gesetzt habe und du an die Decke gestarrt hast."
„Ach so... an Schnee", antwortete ich ehrlich.
Er schüttelte schmunzelnd seinen Kopf. „Klar, woran denkt man sonst im Sommer?"
Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Höre ich da etwa eine Spur Sarkasmus?"
„Nein, natürlich nicht."
„Du bist doof."
„Bah! Sagt ausgerechnet die Person, die im Juni an Schnee denkt."
Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. „Willst du mir damit irgendetwas Bestimmtes sagen, Niall?"
„Ja. Du hast eine echt beängstigende Leidenschaft für Schnee."
„Und du fürs Essen", erwiderte ich und zog eine Schnute.
Lachend schlug Niall vor: „Einigen wir uns einfach darauf, dass wir beide nicht ganz normal sind, okay?"
„Okay", stimmte ich nun wieder grinsend zu und zog meine Beine ein wenig an, sodass ich mich im Schneidersitz hinsetzten konnte. Mein Blick wanderte zurück zu Harry, der noch immer vor der Kamera herum tänzelte, ehe er zu Louis weiter wanderte, der hinter dem Fotografen stand und dämliche Grimassen zog, um den Lockenkopf (mit großem Erfolg) zum Lachen zu bringen und blieb schließlich an Zayn und Liam hängen, die auf einem weiteren Sofa am anderen Ende des Raumes saßen und sich unterhielten.
Ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen sprachen sie über etwas wenig erfreuliches und wenn ich ehrlich war, war ich mir nicht einmal sicher, ob ich eigentlich wirklich wissen wollte, um was es ging. Ich hatte zwar eine Vermutung, beschloss aber, dass es mich nichts anging, über was sie sprachen, weshalb ich meinen Blick schließlich zu Paul und Preston, einem weiteren Bodyguard der Jungs, weiter wandern ließ. Sie starrten beide konzentriert auf den Laptop, der vor ihnen am Tisch stand, und die Art und Weise, wie sie sich dabei immer wieder am Hinterkopf kratzten, erweckte den Eindruck, dass sie vor einem schier unlösbaren Problem standen. Vermutlich war dem auch so.
„Hey, Emma?" Sofort riss ich mich von den beiden Männern los und widmete meine Aufmerksamkeit wieder Niall, der nun mit seinem Handy in der Hand neben dem Sofa stand und mich mit einem eindringlichen Blick musterte. „Sag Bescheid, wenn du darüber reden willst."
Verwundert zog ich meine Augenbrauen zusammen und fragte: „Worüber?"
Doch Niall hatte sich schon umgedreht, um sich zu Zayn und Liam zu gesellen. Planlos sah ich ihm hinterher, als es plötzlich „Klick" zu machen und mein manchmal sehr langsames Gehirn zu begreifen schien, was er gemeint haben könnte. Sofort machte meinen Herz einen kleinen Hüpfer und ich schüttelte lächelnd meinen Kopf.
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Ein paar Stunden und ein Interview später, ließ ich mich seufzend auf das Bett des Hotelzimmers fallen, das ich mir mit Lou teilte. Wir hatten den Rest des Nachmittags frei und eigentlich würde ich nichts lieber tun, als diesen im Bett zu verbringen und entweder zu schlafen oder zu lesen. Doch leider hatte ich diesen Plan ohne Lou gemacht, die unbedingt den Hotelpool unsicher machen wollte. Und natürlich konnte sie das nicht alleine machen, weshalb ich schließlich nach einer Viertelstunde Lou's unermüdlichem Betteln nachgab, mich murrend in den Bikini, den sie mir bei unserem gemeinsamen Shoppingtrip aufgeschwatzt hatte, zwängte und ihr dann mit einem Badetuch und einem fetten Schmöker bewaffnet an den Pool folgte. Wenig überraschend wurde dieser bereits von der Hälfte unseres Teams, inklusive Harry, Liam und Niall belagert, da scheinbar alle (Zitat Lou:) „ein wenig Farbe" bekommen wollten. Alle, nur ich nicht.
„Schau' nicht so gequält", befahl Lou kichernd, als wir unsere Badetücher auf zwei Liegebetten ausbreiteten. „Ein bisschen Sonne hat noch niemandem geschadet."
„Sagst du", gab ich murrend zurück.
„Sagst du", äffte sie mich Augen rollend nach. „Gott, Emma! Manchmal bist du echt ein wenig kompliziert."
„Ich bin nie kompliziert!"
„Sicher doch." Sie zog ihr Badekleid aus und legte sich, nachdem sie eine gigantische Sonnenbrille aufgesetzt hatte, im Bikini auf ihre Liege.
„Und ich bin vor allem kein Fan von Sarkasmus!"
Skeptisch sah mich Lou über den Rand der Brille hinweg an. „Ernsthaft, Em?"
Ich seufzte ergeben. „Okay, okay. Ich bin kein Fan vom Sarkasmus anderer Menschen. Besser?"
Sie nickte. „Zumindest bist du wenigstens in einer Sache ehrlich zu dir selbst."
„Wie bitte?"
Aber die blonde Stylistin hatte scheinbar nicht vor, mir ihr rätselhaftes Gerede zu erklären, denn im nächsten Moment war sie schon wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und rannte auf den Pool zu. Sie wechselte kurz ein paar Worte mit Niall, der in einem Schwimmreifen vor sich hin dümpelte und stieg dann die Stufen ins Wasser hinab. Ja, so etwas gab es hier. War ja schließlich eines dieser extrem luxuriösen Hotels, die nicht nur extrem teuer, sondern, wenn man mich fragte, auch ein wenig überflüssig waren. Aber wie sagten meine Vorgesetzten immer? Nur das beste für die Besten. Und One Direction waren nun mal das Beste. Auch, wenn sie meiner Meinung nach nicht immer so behandelt wurden. Aber das war eine ganz andere Geschichte...
Ich schüttelte meinen Kopf, vertrieb die Gedanken an meine Vorgesetzten und die damit verbundene „Red Card" aus meinem Kopf und lehnte mich seufzend auf meiner Liege zurück. Obwohl es in der prallen Sonne ziemlich heiß war, schloss ich dennoch meine Augen und genoss die warmen Strahlen, die auf meine Haut trafen. Nun gut, zumindest auf die Teile meiner Haut, die nicht von meinen Shorts, die ich nur widerwillig angezogen hatte, und meinem Shirt bedeckt waren. Denn obwohl ich nicht wirklich eines dieser Mädchen war, das vollkommen unzufrieden mit seinem Körper war, war ich dennoch ein wenig... nun, nennen wir es einfach einmal verunsichert.
Aber wer wäre das nicht, wenn er beinahe täglich von schönen, scheinbar perfekten Menschen umgeben war? Ich meine, ich traf dank meines Jobs recht häufig auf prominente Menschen und egal ob Model, Sänger oder Schauspieler – sie wirkten alle irgendwie makellos. Vermutlich waren sie es nicht, doch wenn man fast drei Jahre ständig diesen Eindruck bekommt, kam es schon mal vor, dass man leichte Zweifel bekam. Und genau diese Zweifel brachten mich auch dazu, dass ich Situationen, die damit zu tun haben, dass ich mich beispielsweise in Shorts oder Bikini zeigen musste, auszuweichen versuchte. Meistens funktionierte das auch ganz gut. Wie gesagt, meistens.
„Sag mal, ist dir nicht heiß?", fragte plötzlich jemand neben mir.
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Liam saß neben mir auf der Liege, die Lou zuvor für sich beansprucht hatte, und sah mich amüsiert an. Ich warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, bevor ich sagte: „Nein, eigentlich nicht."
Liam schüttelte wenig überzeugt seinen Kopf und lehnte sich auf der Liege zurück, was mir einen freien Blick auf seinen trainierten Oberkörper ermöglichte (Danielle war wirklich eine glückliche Frau). „Darf ich dich etwas fragen, Emma?"
„Wenn es nichts mit meinen Klamotten zu tun hat..."
Seine Mundwinkel verzogen sich amüsiert. „Nein, es geht um etwas ganz anderes."
„Gut, dann schieß los."
Für einen Moment schien er über seine nächsten Worte nachzudenken, bevor er zu sprechen begann: „Also, die Jungs und ich... wir fragen uns schon eine ganze Weile, ob du vielleicht deine Meinung geändert hast...?"
„Meine Meinung? Über was?"
„Über unser Projekt. Über Nessa."
„Oh." Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber mit Sicherheit nichts dergleichen. Zumal ich zu meiner eigenen Schande schon eine ganze Weile nicht mehr an dieses 'Projekt' gedacht hatte.
Liam setzte sich wieder auf, drehte sich auf meine Seite und stützte die Arme auf seinen Oberschenkeln auf. „Und?"
„Und was?", fragte ich.
Er seufzte kurz auf. „Hast du deine Meinung geändert?"
„Nein", antwortete ich schnell, damit mir keine Zeit blieb, über diese Frage nachzudenken. „Ich habe meine Meinung natürlich nicht geändert."
„Oh... Okay."
Für ein paar Sekunden glaubte ich einen seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht entdecken zu können, doch er war so schnell wieder verschwunden, dass er auch einfach nur Einbildung hätte sein können. Vielleicht war er von dem Misstrauen, das sich nun in mir breit machte, hervorgerufen worden. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich mich im Moment ziemlich in die Ecke getrieben fühlte. Denn auch, wenn ich es nicht gerne zugeben wollte, so hatte ich dennoch den Hauch einer Ahnung, was der Grund für diese Frage gewesen sein könnte.
Trotzdem oder gerade deshalb fragte ich: „Wie kommt ihr darauf, dass ich meine Meinung geändert haben könnte?"
„Nur so", erwiderte Liam. „Es hätte ja sein können, dass dich irgendetwas dazu gebracht hat, Tessa und Niall nicht mehr zusammenbringen zu wollen..."
„Und was hätte das sein sollen?"
„Sag du's mir."
Unwillkürlich wanderte mein Blick zu Niall, der mittlerweile in dem Schwimmreifen eingeschlafen war, bevor ich mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung."
Liam schüttelte kaum merklich seinen Kopf. „Und wie schaut der nächste Schritt aus?"
„Ich denke, wir sollten einfach einmal ein wenig abwarten", antwortete ich nach kurzer Überlegung. „Vielleicht kriegen sie es ab jetzt ja alleine hin."
„Ja, vielleicht. Und wenn nicht?"
Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Du stellst heute aber wirklich viele seltsame Fragen, Liam."
Abwehrend hob er seine Hände. „Ich frage das alles nur, weil ich mir Sorgen mache."
„Sorgen? Um was? Um das Projekt?"
„Unter anderem...", sagte er, bevor er plötzlich aufstand und mir mit einem Lächeln seine Hand entgegenhielt. „Aber genug davon. Lass' uns lieber ins Wasser gehen und Niall endlich von diesem dämlichen Schwimmreifen schubsen."
Lachend schüttelte ich meinen Kopf. „Danke, aber ich verzichte."
„Aufs Wasser oder darauf, Niall aus seinem Schläfchen zu reißen?"
„Beides."
Er warf mir einen anklagenden Blick zu. „Emma, es hat gefühlte tausend Grad. Willst du ernsthaft weiterhin vollkommen angezogen hier draußen herumliegen?"
„Das war mein Plan, ja."
„Nichts da!" Er griff nach meinen Armen und zog mich daran hoch. „Du hast jetzt genau zwei Möglichkeiten. Entweder du ziehst deine Klamotten freiwillig aus..."
„Oder?"
„...oder du landest mit ihnen im Wasser. Deine Entscheidung, Emma."
„Du bluffst doch nur", gab ich lächelnd zurück.
„Glaubst du das wirklich?", fragte er in einem Ton, der mir nicht gefiel. Um genau zu sein, gefiel er mir ganz und gar nicht. Denn er verriet mir, dass er es ernst meinte. Absolut ernst. So ernst, dass da tatsächlich nicht einmal die Spur eines Bluffs zu erkennen war. „Also, wie schaut's aus? Mit oder ohne Klamotten?"
Leise vor mich hin grummelnd, ging ich im Geiste meine Möglichkeiten durch. So, wie ich das sah, hatte ich genau drei davon. Erstens, ich ließ mich einfach von Liam in den Pool schmeißen und verschwand dann mit triefend nassen Klamotten im Hotel. Zweitens, ich rannte so schnell ich konnte davon und landete, nachdem er mich eingeholt hatte, ihm Pool. Oder drittens, ich überwand meinen eigenen Schweinehund, all meine Selbstzweifel und Unsicherheiten und zog mir einfach meine Shorts und mein Shirt aus und sprang dann mit Liam in das herrlich kühle Nass. Erstaunlicherweise tentierte ich tatsächlich zur dritten Option. Ob das an der Hitze oder an der Tatsache lag, dass das Wasser plötzlich absolut verlockend aussah und meiner aufgeheizten Haut sicher gut tun würde, wusste ich nicht zu sagen. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem, gewürzt mit einer Prise geschmolzenem Gehirn.
Liams abwartenden Blick auf mir spürend, gab ich nach kurzer Bedenkzeit eine ergebendes Seufzend von mir und nickte. Offenbar genügte das schon, um Liam ein triumphierendes Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, bevor er mir einen Wangenknuffer gab, der Louis' echt Konkurrenz machen könnte, und in Richtung des Pools davon stampfte. Für einen Moment war ich versucht, doch noch Möglichkeit Nummer zwei in Betracht zu ziehen und so schnell wie möglich davon zu laufen, kam jedoch erneut zu dem Entschluss, dass mich Liam einholen würde. Aus diesem Grund schob ich diesen Gedanken zu Seite, ergab mich meinem Schicksal und griff nach dem Knopf meiner Shorts, um diesen zu öffnen. Nachdem ich mich schweren Herzens von meinen Shorts getrennt hatte, zog ich mir auch noch mein Shirt aus, bevor ich meine Arme schützend um meinen Oberkörper schlang und langsam zu Liam tapste, der am Poolrand auf mich wartete.
„Und? War das jetzt so schlimm?", fragte er lächelnd, als ich neben ihm stand.
Ich gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. Manchmal waren die Jungs wirklich schadenfroh. Als wollte er mir das beweisen, schenkte Liam mir ein selbstzufriedenes Lächeln, bevor er mit einer Arschbombe ins Becken sprang und dabei so nah neben Niall landete, dass dieser aus seinem Schwimmreifen geschleudert wurde. Sofort begannen Lou und ich zu lachen, während Niall, der mit einem theatralischen Prusten aufgetaucht war, mit einem ziemlich beängstigenden Knurren auf Liam zustürmte und diesen mit aller Kraft unter Wasser drückte. Als er Liam schließlich wieder losließ, war ich der festen Überzeugung, dass jetzt eine Wasserschlacht oder ähnliches ausbrechen würde. Doch zu meiner Überraschung geschah nichts dergleichen.
Stattdessen kletterte Niall schmunzelnd zurück auf den Schwimmreifen, während sich Liam plötzlich an mich wandte. „Kommst du? Oder brauchst du eine extra Einladung?"
Augenblicklich konnte ich Nialls Blick auf mir spüren, wagte es jedoch aus irgendeinem Grund nicht, zu ihm zu sehen, als ich nickte und langsam auf den Einstieg zuging. Ohne noch einmal darüber nachzudenken, folgte ich ein paar Stufen ins Wasser, bevor ich mit einer mehr oder weniger eleganten Bewegung untertauchte und ein paar Meter vom Einstieg entfernt wieder auftauchte. Ich kam gerade noch dazu mir meine nassen Haare aus dem Gesicht zu streichen, als mich auch schon zwei Arme von hinten umfassten. Kreischend wurde ich ein wenig hochgehoben, bevor ich mit einem lauten Platsch wieder im Wasser landete. Sobald ich wieder an der Wasseroberfläche war, drehte ich mich entsetzt zu dem bösartigen Wesen, das mich gerade quer über das Becken 'geschmissen' hatte, um.
„Was zum Henker war das denn bitte, Liam?!"
Doch der Angesprochene zuckte nur grinsend mit den Schultern, bevor er den überaus reifen Vorschlag einbrachte, dass Harry, der angelockt von unserem Geschrei ebenfalls ins Wasser gekommen war, Niall, er und ich doch Hahnenkämpfe austragen könnten. Obwohl ich mich mit aller Kraft dagegen sträubte, endete ich schließlich auf Liams Schultern und kämpfte gegen Niall und Harry. Wenig überraschend verloren wir (dank mir) schon nach wenigen Sekunden, was Harry und Niall zu einem solch übertriebenen Siegestanz inspirierte, dass Liam augenblicklich eine Revanche forderte.
Ich denke, ich muss nicht erwähnen, dass wir diese ebenfalls verloren, weshalb Niall und ich letztendlich die Plätze tauschten, sodass ich nun auf Harrys und er auf Liams Schultern saß. Wie ich es bereits befürchtet hatte, verloren wir erneut die erste Runde, da ich einfach nicht stark genug war, um gegen Niall anzukommen. Dennoch stimmten Harry und ich sofort einer zweiten Runde zu, die von Anfang an mehr zu unseren Gunsten zu verlaufen schien. Das dachte ich zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als mich eine mir unbekannte Frau, die plötzlich am Beckenrand stand, so sehr ablenkte, dass mich Niall um ein Haar wieder ins kühle Nass befördert hätte. Doch ein schneller Griff nach seiner Hand half mir gerade noch rechtzeitig das Gleichgewicht zu bewahren.
Niall, der die Frau nun ebenfalls bemerkt hatte, hielt überrascht inne, bevor er mich wieder in eine halbwegs aufrechte Position zog und mit verwirrtem Blick in ihre Richtung nickte. Da ich keine Antwort auf seine stumme Frage wusste, zuckte ich nur mit den Schultern und wollte gerade vorschlagen, dass wir sie ignorieren sollten, als sie sich plötzlich räusperte.
Überrascht drehten sich unsere vier Köpfe beinahe synchron in ihre Richtung. Für ein paar Sekunden ließ die mysteriöse und etwas unheimliche Frau ihre dunkelbraunen, fast schwarzen Augen über unsere Gesichter wandern, bevor sie mich direkt ansah und fragte: „Sind Sie Miss Geller?"
Ich wechselte einen schnellen Blick mit Niall, bevor ich wieder zu der Frau sah und zögerlich nickte. Augenblicklich breitete sich ein beängstigendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. „Schön, dann habe ich Sie ja endlich gefunden."
„Und wer sind Sie, wenn man fragen darf?", meldete sich nun Niall zu Wort.
Ihre dunklen Augen musterten ihn für einen Moment, bevor sie zu seiner Hand wanderte, die meine noch immer festhielt und das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand. Dann sah sie wieder zu mir und als ihre Augen auf meine trafen, begann mein Herz wie wild zu schlagen.
Und plötzlich wusste ich wer sie war.
Ich wusste es mit einer solchen Sicherheit, dass mein Körper bereits von einer Gänsehaut überzogen war, als sie sagte: „Mein Name ist Cressida. Cressida Benign."
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