«10»
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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war mein erster Gedanke: Aua! Mein zweiter war: Was war gestern Nacht nur passiert? Und mein Dritter: Ugh! Zu viele Gedanken. Viel zu viele Gedanken, die meinen bereits höllisch schmerzenden Kopf nur noch mehr zum Pochen brachten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste ich meine Augen fester zusammen und vergrub mein Gesicht tiefer in dem Kissen, auf dem mein Kopf scheinbar lag. Oh Gott! Mir war unsagbar übel und mein ganzer Körper fühlte sich an, als wäre ein Laster mit voll Karacho darüber gerast, hätte dann umgedreht und wäre dann, noch einmal darüber gefahren, damit es mir auch wirklich schlecht ging. Und das tat es auch. Es ging mir schlecht. Richtig, richtig, richtig schlecht um genau zu sein. Jeder Atemzug schmerzte, jeder Gedanke fühlte sich an als würde er meinen Kopf sprengen und alleine die Tatsache, dass ich wach war, schien meinen Körper komplett zu überfordern.
Aber Moment... Warum war ich eigentlich wach? Warum musste ich diese Kopfschmerzen ertragen, wenn ich doch stattdessen einfach in der wunderbaren Welt der Träume gefangen sein könnte, wo der Himmel rosa und die Wiese gelb war und es keinerlei Schmerzen gab? Ach ja... Wegen den Stimmen. Nein, ausnahmsweise meinte ich damit einmal nicht die in meinem Kopf, sondern die, die scheinbar zu den bösartigen Wesen gehörten, die beschlossen hatten, mich aufzuwecken und mich somit den Auswirkungen der Fehler der letzten Nacht auszusetzen. Apropos letzte Nacht... Was war da noch mal schnell passiert? Ein stechender Schmerz in meinen Schläfen, ließ mich gequält aufstöhnen. Okay, unwichtig. Das konnte ich später auch noch klären. Vielleicht sollte ich mich zuerst auf die Stimmen konzentrieren. Ja, das klang nach einem guten Plan.
„Ist sie wach?"
„Ja, ich glaube schon."
„Gut, dann müssen wir jetzt nur mehr ihn wach bekommen."
Ihn? Wen meinten sie bitteschön mit ‚ihn'? Wer waren sie überhaupt? Und wo war ich eigentlich? Ugh! Okay, okay. Zu viele Fragen. Und vor allem Fragen, mit denen mein angeschlagener Kopf im Moment offensichtlich noch nicht umgehen konnte. Ich gab ein gequältes Murren von mir, presste meine Augen noch fester zusammen und versuchte mich wieder auf die Stimmen zu konzentrieren, die nun noch viel näher erschienen. Vielleicht lag das daran, dass mein verkaterter Kopf jegliches Geräusch in hundertfach verstärkter Lautstärker wahrzunehmen schien. Vielleicht waren die beiden menschlichen Wecker auch einfach nur näher zu mir gekommen.
„Müssen wir sie wirklich aufwecken?"
„Ja!"
„Aber schau sie dir doch mal an!"
„Ja, ich sehe es. Trotzdem."
„Aber-"
„Kein aber, Louis. Wir wissen beide, dass Paul sie umbringt, wenn sie zu spät kommen."
Warum überraschte es mich nicht, dass einer der Übeltäter, die mich aus meinem Schlaf gerissen hatten, Louis war? Und der andere dürfte Harry sein. Zumindest vermutete ich das, denn der Schmerz in meinem Kopf ließ keine wirkliche Feststellung zu. Zumal ihre Stimmen plötzlich so dumpf klangen, als würden sie durch Wasser mit mir sprechen. Oder als wäre eines meiner Ohren einfach tief in dem Kissen versunken, während das andere von meinem Oberarm verdeckt wurde. So, wie es scheinbar auch wirklich war.
„Okay, okay." Ein leises Kichern erfüllte den Raum. „Soll ich es einfach mal mit einer Kitzelattacke probieren?"
Sofort schrillten meine Alarmglocken so laut, dass mein Kopf beinahe explodierte. Mit aufeinandergepressten Lippen, einem Ausdruck des puren Schmerzes im Gesicht und der Nase so tief in dem Kopfkissen vergraben, dass es eigentlich schon die Matratze darunter berühren musste, tat ich das einzig Richtige, das man in dieser Situation tun konnte: Ich tastete neben mich, bekam ein weiteres weiches Kissen in die Finger und schmiss es dann mit so viel Kraft wie ich aufbringen konnte in die Richtung, aus der Louis' Stimme kam. Ein überraschtes „Au!" und ein dumpfes Geräusch bestätigten mir nur Sekunden später, dass ich mein Ziel erwischt hatte.
„Man, Em!"
Louis' laute Stimme ließ mich kurz voller Schmerzen aufstöhnen. „Verschwindet!"
„Und diesen schönen Anblick verpassen? Sicher nicht."
Misstrauisch zog ich eine Augenbraue nach oben. Irgendwie gefiel mir der amüsierte Unterton in Harrys Stimme überhaupt nicht. Nein, er gefiel mir ganz und gar nicht, weshalb ich den waghalsigen Entschluss fasste, zum ersten Mal den Versuch zu unternehmen meine Augen zu öffnen, um das dämliche Grinsen, das ich auf seinem Gesicht vermutete, sehen zu können. Allerdings stellte sich das schon bald als Fehlentscheidung heraus. Als sehr große Fehlentscheidung, um genau zu sein. Denn sobald meine Augen der Helligkeit des Zimmers ausgesetzt waren, begann mein Kopf wieder so stark zu pochen, dass ich das Gefühl hatte, er müsste jeden Moment zerspringen. Doch ich hielt tapfer durch und schaffte es schließlich so mit Mühe und Not in die Richtung zu sehen, in der ich Louis und Harry vermutete.
Als ich jedoch Harrys amüsierten Blick folgte, bereute ich jede Entscheidung, die ich in den letzt Stunden getroffen hatte zutiefst. Zum einen, weil ich dadurch keine Hose anhatte und zum anderen, weil das viel zu große Shirt, das ich aus unerklärlichen Gründen trug, ein wenig nach oben gerutscht war. Um genau zu sein, war es soweit nach oben gerutscht, dass es meinen nur in Unterwäsche verpackten Allerwertesten preisgab. Dass der dann auch noch direkt in die Richtung der Jungs gestreckt und die Unterwäsche mit Minions bedruckt war (1. Minions sind cool! 2. Mehr hatten sie in dem Shop nicht), war dann auch nicht gerade so förderlich für mein Schamgefühl. Denn dieses brachte innerhalb von Sekunden mein Gesicht zum Glühen, ließ mich leise aufquietschen und nach der Decke, die meinen Körper nicht einmal zur Hälfte bedeckte, grabschen. Sobald ich sie in die Finger bekam, zog ich sie mit einem solchen Ruck bis über meinen Kopf, dass mich eine erneute Übelkeitswelle erfasste.
„Ugh!"
Augenblicklich hielt ich inne. Okay, entweder hatte mein Bett gerade gequält aufgestöhnt. Oder... Diesen Gedanken nicht mal zu Ende führend, schob ich die Decke wieder ein wenig nach unten und schielte über den Rand hinweg zur anderen Seite des Bettes. Und das, was ich dort sah, ließ nicht nur meinen Atem stocken und mein Herz aussetzen, sondern auch ein entsetztes Stöhnen über meine Lippen kommen. Denn dort neben mir, lag eine weitere Person. Eine männliche Person, die ich nur zu gut kannte. Und eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen – schließlich war ich nicht neben einer völlig fremden Person aufgewacht – doch ich konnte es nicht. Denn das, was mir nach dem vertrauten Haarschopf auffiel, war der Rücken der Person. Und dieser war nackt. Komplett nackt.
„Was...?", begann ich leise, fühlte mich aber nicht im Stande, diesen Satz zu Ende zu führen. Stattdessen fuhr ich mir mit einer Hand durchs Haar und ließ meinen Kopf wieder zurück aufs Kissen sinken.
„Uhhhhh!" Louis' Stimme hätte nicht aufgeregter klingen können. Ja, Schadenfreude war eine wirklich miese Sache. „Hat da jemand etwa ein Blackout?"
Ich gab ein unverständliches Murren von mir. Nein, ich hatte kein Blackout. Ich hatte bloß ein paar Gedächtnislücken. Ein paar viele, um genau zu sein. Deshalb und auch, weil ich den beiden Grinsekatzen am Ende des Bettes nicht die Genugtuung geben wollte, zugeben zu müssen, dass ich im Moment noch leichte Schwierigkeiten damit hatte, herauszufinden warum Niall oben ohne neben mir im Bett lag, atmete ich ein paar Mal tief ein und aus und versuchte meinem angeschlagenen Gehirn auf die Sprünge zu helfen. Dass das allerdings auch nicht meine beste Idee war, stellte sich nur ein paar Sekunden später heraus, als meine Erinnerungen nach und nach zurückkehrten und ich am liebsten im Erdboden versunken wäre. Ich erinnerte mich wieder an die Party mit Claire, an den viel zu vielen Alkohol, der sich dann wenig später im Beisein von Niall seinen Weg in die Freiheit gebahnt hatte. Ich erinnerte mich an Niall, der mir die Haare zurückhielt und sich um mich gekümmert hatte, obwohl das Ganze schon mehr als die Spitze der Ekelpyramide erreicht gehabt hatte. Und ich erinnerte mich an unser Gespräch über Tessa. Daran, was ich zu ihm gesagt hatte. Doch vor allem erinnerte ich mich wieder an das, was passiert war, kurz bevor ich eingeschlafen war. Komischerweise löste ausgerechnet diese Erinnerung ein Gefühl in mir aus, das ich nicht zuordnen konnte. Das einzige, woran ich mich jedoch nicht erinnern konnte, war warum Niall ohne Shirt neben mir lag.
„Ernsthaft, Em?", riss mich Louis aus meinen Gedanken. „Weißt du wirklich nichts mehr? Überhaupt nichts mehr? Nicht einmal, wie du mit Niall im Bett gel-"
„Klappe, Lou!", unterbrach ich ihn zischend.
Der Bandälteste gab ein beleidigtes Schauben von sich. „Man, was bist du denn für eine Spaßbremse?"
„Ich hab einen scheiß Kater und kaum geschlafen – also entschuldige bitte, wenn ich nicht sofort aufspringe und bester Laune bin", gab ich murrend zurück, während ich mich vorsichtig auf den Rücken drehte.
„Wer saufen kann, kann auch aufstehen." Von dieser Lebensweisheit mehr als beeindruckt, zeigte ich ihm den Mittelfinger. „Also wirklich, junge Dame. Wo sind Ihre Manieren?"
„Dort, wo du auch landen wirst, wenn du nicht gleich still bist", antwortete ich und setzte mich behutsam auf.
„Wie auch immer", unterbrach Harry unseren kleinen Zickenkrieg und sah warnend in meine Richtung, „Ihr solltet jetzt wirklich aufstehen."
Ich schaubte missbilligend. „Ach ja? Und warum?"
„Weil wir in zwei Stunde auf den Weg zum Flughafen sein sollten."
Niall gab ein verschlafenes Brummen von sich, bevor er sich zum ersten Mal auch zu Wort meldete: „Dann lasst uns jetzt weiterschlafen und kommt in 'ner Stunde wieder."
„Das würden wir ja wirklich gerne tun, Niall", begann der Lockenkopf grinsend. „Allerdings müsst ihr noch eure Sachen zusammenpacken, frühstücken und auschecken. Und wie ich euch beide kenne, dauert das länger als eine Stunde."
Niall und ich seufzten gleichzeitig theatralisch auf, bevor er sich ebenfalls aufsetzte und mit halb geöffneten Augen zu seinen Bandkollegen schielte. „Hat euch schon mal jemand gesagt, dass ihr echt anstrengend seid?"
„Nope, eigentlich nicht." So sehr ich Louis' gute Laune ansonsten liebte, so brachte sie mich jetzt beinahe dazu, ihm an die Gurgel zu springen. Vor allem dieses schadenfrohe Lächeln, das seine Lippen zierte, als er Niall neugierig musterte, machte mich irgendwie aggressiv. „Sag mal, Nialler, hast du auch einen Kater oder schaust du morgens immer so beschissen aus?"
Niall warf ihm einen tödlichen Blick zu und ließ sich wieder zurück aufs Kissen sinken. Wir alle wussten, dass Niall keinen Kater hatte, sondern einfach nur unausgeschlafen war. Und ebenso gut wussten wir auch, dass das nicht das erste Mal war, das wir uns direkt nach dem Aufstehen sahen. Doch vor allem wussten wir, dass Louis all das nur gesagt hatte, damit er etwas gesagt hatte. Und damit er uns ärgern konnte. Denn scheinbar gab es für den Einundzwanzigjährigen (ja, das musste wirklich einmal hervorgehoben werden!) im Moment nichts Lustigeres, als uns beide zu nerven. Das merkte man auch an dem selbstzufriedenen Grinsen, das sich angesichts unserer bösen Blicke, auf sein Gesicht geschlichen hatte und auch nicht verschwand, als wir ihn und Harry mit unseren Kissen beschmissen, damit sie endlich abhauten.
Als sie verschwunden waren, legte sich Niall leise murrend wieder hin, schloss die Augen und drehte sich zu Seite. Anscheinend hatte er beschlossen, dass er Harrys Worte ignorieren und zumindest noch für eine Weile weiterschlafen würde. Am liebsten wäre ich seinem Beispiel gefolgt, doch da mein Gehirn nun langsam ebenfalls zu erwachen schien und die Erinnerungen der letzten Nacht noch deutlicher zurückkehrten, wünschte ich mir plötzlich nichts sehnlicher, als eine schöne lange Dusche. Aus diesem Grund hievte ich mich behutsam aus dem schönen gemütlichen Bett, schnappte mir frische Unterwäsche (dieses Mal mit Biene Maja Aufdruck) und schlurfte ins Badezimmer. Ich duschte mich, wusch mir die Haare und putzte mir dann mit einem Handtuch um meinen Körper die Zähne. Dann wagte ich zum ersten Mal an diesem Morgen einen Blick in den Spiegel zu werfen, bereute diese Entscheidung jedoch sofort wieder, als mir ein blasses und müde aussehendes Mädchen, über dessen gesamtes Gesicht das Make-up des Vorabends verteilt war, daraus entgegenblickte. Toll, offenbar schaute ich ebenso beschissen aus, wie ich mich fühlte. Genervt entfernte ich das Make-up, strich mir eine Strähne meines nassen Haares aus dem Gesicht und wandte mich von dem Spiegel ab.
Nachdem ich in die Unterwäsche geschlüpft war und mir den Hotelbademantel, der an der Tür hing, angezogen hatte, schlich ich leise zurück ins Schlafzimmer. Niall lag noch genauso da, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Vorsichtig und darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, schlich ich ums Bett herum und ging auf seiner Seite des Bettes in die Hocke. Langsam ließ ich meinen Blick über sein Gesicht schweifen, bevor ich lautlos seufzte und ihm sanft mit einem Finger an die Wange stupste. So gerne ich ihn einfach weiterschlafen lassen wollte – wir mussten in ein wenig mehr als eineinhalb Stunden in einem Auto Richtung Flughafen sitzen. Ich stupste ihn noch einmal, doch wie bereits nach dem ersten Versuch zeigte er keinerlei Reaktion.
„Niall", sagte ich und rüttelte ihn leicht an der Schulter. „Niall, wach auf."
Niall gab ein leises Brummen von sich, presste seine Augen fester zusammen und vergrub sein Gesicht ein wenig mehr in dem weichen Kissen. Das Ganze machte er mit einem solch unschuldigen Ausdruck im Gesicht, dass ich nicht anders konnte, als zu lächeln. Aber ich ließ trotzdem nicht locker, stupste ihm dieses Mal kurz an die Nase, bevor ich mich ganz nah an sein Ohr lehnte und flüsterte: „Ich weiß, dass du wach bist."
„Bin ich nicht", murmelte er verschlafen.
Kichernd schüttelte ich meinen Kopf und wich etwas von ihm zurück. „Komm schon, Niall!"
„Nur noch fünf Minuten."
Amüsiert stupste ich ihm erneut an die Nase. „Vergiss es, du Schlafmütze."
Für ein paar Sekunden rührte Niall sich überhaupt nicht. Dann setzte er sich plötzlich auf, streckte seine Arme aus und umfasste damit meine Taille. Noch bevor ich in irgendeiner Weise reagieren konnte, hatte er mich schon über seine nackte Brust auf die andere Seite des Bettes gerollt, umarmte mich von hinten und murmelte: „Fünf Minuten, okay?"
Zu geschockt von dieser Geste, schaffte ich es nicht auch nur ein Wort zu sagen und nickte einfach nur. Erinnerungen von der Nacht, als wir in Nialls Wohnung in dieser Position eingeschlafen waren, bahnten sich ihren Weg in meine Gedanken, brachten mein Herz zum Rasen und lösten ein Gefühl in meinen Bauch aus, das ich nicht wirklich zuzuordnen wusste. Entweder wurde mir von dieser viel zu schnellen und abrupten Bewegung gerade übel oder aber... Ich kam nicht mehr dazu, diesen Gedanken zu Ende zu denken, denn in diesem Moment kuschelte sich Niall so nahe an meinen Rücken, dass ich seinen Herzschlag durch den dünnen Stoff des Bademantel, der zu meinem Entsetzten alles war, was ich abgesehen von Unterwäsche anhatte, spüren konnte. Obwohl ich mir in diesem Moment nichts mehr wünschte, als nicht nur einen Bademantel anzuhaben, begann ich mich langsam zu entspannen. Und während ich meine Augen schloss, um mir ebenfalls noch ein paar Minuten Ruhe zu gönnen, fragte ich mich, ob sein Herz wirklich so schnell schlug oder ob es nur Einbildung war.
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„Da bist du ja endlich!", begrüßte mich Louis breit grinsend, als ich eine halbe Stunde später den Frühstücksraum des Hotels betrat.
Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, ehe ich die Kraft aufbringen konnte, mich aus Nialls Klammergriff zu befreien und ihn davon zu überzeugen, dass er ebenfalls aufstehen musste. Als ich es schließlich geschafft hatte und er noch immer komplett verschlafen und mit zerwuschelten Haaren aus meinem Zimmer getapst war, hatte ich schnell meine Tasche gepackt und mir bei Lou neue Klamotten für den heutigen Tag ausgeliehen. Beides ging einigermaßen schnell. Ersteres, weil ich dank meines verlorengegangenen Koffers kaum Gepäck hatte und das andere, weil ich ausnahmsweise nicht besonders wählerisch war. Vielleicht lag es an dem Kater. Vielleicht aber auch daran, dass Lou dieses Mal nicht vorzuhaben schien, meinen Kleidungsstil in irgendeiner Weise verändern zu wollen. Das könnte wiederum auch daran liegen, dass ich echt beschissen aussehen musste. Aber das war mir egal. Wenn man mit einem Kater, höllischen Kopfschmerzen und einem unguten Gefühl in der Magengegend gutaussehend konnte, war man ein Alien. Und das war eine Tatsache. Eine bewiesene Tatsache.
Ich zupfte das T-Shirt, das mir Lou geliehen hatte, ein wenig zu Recht und steuerte auf den Tisch zu, an dem Louis gemeinsam mit Liam saß und mich erwartungsvoll ansah. Sobald ich nah genug dran war, dass nur Liam und ich ihn hören konnten, fragte er: „Und? Wie hast du geschlafen, Emma?"
Mit einem misstrauischen Blick in seine Richtung ließ ich mich neben Liam auf einen Stuhl fallen. „Geht so."
„War wohl 'ne lange Nacht, hm?"
„Ja, kann man wohl so sagen..."
„Aja..." Er sah kurz zu Liam. „Und woran lag das genau?"
„Louis", seufzte ich gequält.
„Was denn?"
„Warum spuckst du nicht gleich aus, was du eigentlich fragen willst und hörst damit auf, um den heißen Brei herumzureden?", fragte ich und massierte dabei genervt meine pochenden Schläfen. Vielleicht war ich heute etwas gereizt. Wie gesagt, vielleicht...
Louis' Grinsen wurde noch breiter, als er einen vielsagenden Blick mit Liam wechselte. „Wenn du meinst. Also, du und Niall...?"
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. „Komm zum Punkt, Louis."
„Das war mein Punkt."
„Dein Punkt ist also, dass du einen unvollständigen Satz in den Raum wirfst und mich damit auf die Palme bringst?"
Er kicherte amüsiert. „Ich steh' drauf, wenn du mies drauf bist."
„Ich bin nicht mies drauf", zischte ich genervt.
„Natürlich nicht."
Reif, wie ich nun mal war, zeigte ich ihm die Zunge. Und reif, wie er nun mal war, tat er es mir gleich. Ich zog eine Schnute und murmelte: „Ich will zurück in mein Bett."
„In dein Bett, in dem Harry und ich dich zufällig mit Niall erwischt haben?"
Ja, Louis hatte ein Talent dafür, das Thema wieder unauffällig auf das zu lenken, was er eigentlich wissen wollte. „Gott, sag das nicht so."
„Warum?"
„Weil..." Ich seufzte gequält. „Weil das so klingt, als wäre..."
„Ja?", hackte Louis nach, doch ich hatte nicht vor diesen Satz zu beenden.
Stattdessen fuhr ich mir mit einer Hand durch mein noch immer feuchtes Haar und stand auf. „Weißt du was, Lou? Glaub was du willst, es ist mir egal."
Und mit diesen Worten drehte ich mich um und ließ die beiden Jungs alleine. Begleitet von Kopfschmerzen, die durchs Louis' Verhör noch schlimmer geworden zu sein schienen, schleppte ich mich zum großen Frühstücksbuffet am anderen Ende des Raumes. Nachdem ich mir eine rettende Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, warf ich einen Blick auf das breitgefächerte Essensangebot, entschied mich jedoch aufgrund meines leicht rebellischen Magens nur für eine trockene Semmel. An meinem Lieblingsmuntermacher nippend, machte ich mich auf den Weg zurück zu Liam und Louis. Auf halber Strecke traf ich auf einen aufgeregt wirkenden Niall, der an mir vorbei zum Buffet stürmte. Diese Auswahl musste für ihn einfach nur wie im Paradies sein, weshalb ich nicht erwartete, dass er sich bald zu mir und seinen Bandkollegen an den Tisch gesellen würde.
In der Tat brauchte er tatsächlich geschlagene fünfzehn Minuten, bevor er sich mit zwei überfüllten Tellern und einem glücklichen Grinsen im Gesicht zu uns setzte. In der Zwischenzeit hatte ich meine Tasse bereits geleert und Liam und Louis dabei zugehört, wie sie sich über ihre Beziehungen unterhielten. Scheinbar war zwischen Liam und Danielle wieder alles in Ordnung, was mich innerlich erleichtert aufatmen ließ. Ich mochte die beiden zusammen. Ebenso wie ich Eleanor und Louis süß zusammenfand. Und Perrie und Zayn waren sowieso ein Kapitel für sich. Oh man... Ich hörte mich gerade wie ein absolutes Fangirl an. Aber egal. Ich mochte Payzer, Elounor und Zerrie. Sie passten alle gut zusammen und machten sich glücklich. Und nichts machte mich glücklicher, als die Tatsache, dass meine Lemminge glücklich waren. Okay, das klang jetzt wirklich seltsamer, als es sollte. Uff... Sofort schüttelte ich meinen Kopf und riss mich aus diesen irritierenden Gedanken.
Als ich mich wieder auf das Gerede der Jungs konzentrierte wollte, spürte ich plötzlich eine warme Hand auf meiner Schulter. Erschrocken zuckte ich zusammen, bevor ich meinen Blick hob. „Paul! Du hast mich fast zu Tode erschreckt."
„'Tschuldige, Kleine. Das wollte ich nicht." Er löste seine Hand von meiner Schulter. „Ich wollte dich nur fragen, ob wir uns kurz unterhalten können? Unter vier Augen, wenn's geht."
Scheinbar war ich nicht die Einzige, die fand, dass seine Worte nicht gut klangen, denn sowohl Louis, als auch Liam und Niall hatten ihre Aufmerksamkeit auf uns gerichtet und sahen nun erwartungsvoll in meine Richtung. Ich erwiderte kurz Liams Blick, bevor ich kaum merklich mit den Schultern zuckte und mich wieder an Paul wandte. „Sicher."
Ich erhob mich, folgte meinem Lieblingssecurity zu einem Tisch in einer ruhigen Ecke und setzte mich dort ihm gegenüber auf einen der Sessel. Ich wusste, dass das, was jetzt kommen würde, nicht unbedingt eine Lobeshymne sein würde. Und ich sollte recht behalten. Denn nachdem er seine Hände vor sich auf den Tisch gefaltet und seine Augen prüfend über mein Gesicht wandern hatte lassen, räusperte er sich und meinte: „Du warst gestern Nacht ziemlich lange fort."
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Dennoch fühlte ich mich gezwungen zu antworten. „Kommt drauf an, was man unter lange versteht."
Paul warf mir einen dieser Blicke zu, den ich noch zu gut von den Standpauken meiner Eltern kannte, als ich jünger war. „So, wie du heute aussiehst, würde ich sagen, dass es zu lange war. Und, dass du zu viel getrunken hast."
„Okay, Paul", begann ich misstrauisch. Ich war alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Auch, was meine Schlafenszeiten und den Alkoholkonsum betrafen. „Was soll das hier werden?"
„Das hier, meine liebe Emma, soll eine Warnung werden."
„Eine Warnung?" Verwundert runzelte ich die Stirn. „Vor was?"
„Die bessere Frage wäre vor wen", verkündete Paul und lehnte sich seufzend zurück. „Hör zu, ich verstehe, dass du ab und an fortgehen und deinen Spaß haben willst. Und auch, dass du mit den Jungs befreundet bist und Zeit mit ihnen verbringst. Ich versteh das wirklich und seh' auch nicht wirklich ein Problem darin..."
Oh man... Ich ahnte schon worauf das hinauslaufen würde. Abwehrend verschränkte ich meine Arme vor der Brust und fragte vielleicht einen Touch zu aggressiv: „Aber?"
„Aber es gibt Menschen – und wir wissen beide, wen ich damit meine – die durchaus ein Problem mit diesem Verhalten haben."
Ja, ich wusste, wen er meinte. Ich wusste es mit einer solchen Sicherheit, dass sofort jegliche Aggression aus meinem Körper verschwand und durch das ungute Gefühl ersetzt wurde, dass mir das, was jetzt gleich folgen würde, nicht gefallen würde. Plötzlich ziemlich verunsichert strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte: „Was haben sie gesagt?"
„Sie wissen noch nichts von deinem gestrigen nächtlichen Ausflug, aber sie kennen die Fotos, die dich und Harry auf dem Konzert zeigen und sie wissen von der lautstarken Verfolgungsjagd, die du dir mit Niall geliefert hast. Vermutlich wissen sie sogar noch über viel, viel mehr bescheid, was dich und die Jungs betrifft", begann er ruhig. „Und wie gesagt, ich sehe kein Problem darin. Ihr seid alle ungefähr im selben Alter, arbeitet täglich miteinander und versteht euch ziemlich gut. Da ist es meiner Meinung nach normal, dass ihr euch auch anfreundet. Aber die Leute vom Management... Sie lieben klare Grenzen, verstehst du? Vor allem was das Privat- und Berufsleben betrifft."
Bereits ahnend, worauf das hinauslaufen soll, fragte ich: „Es ist also wieder einmal soweit?"
„Ich befürchte schon."
Genervt rollte ich mit den Augen und schüttelte meinen Kopf. Mindestens zweimal im Jahr bekommen einige Mitarbeiter (zumeist die weiblichen) eine Art Verwarnung von oberster Stelle. Wir hatten sie irgendwann einfach „The Red Card" getauft, weil sie so etwas wie einen Platzverweis darstellt. Im Grunde bekommt man diese immer dann, wenn sich die Bosse einbildeten, dass man ein „unangemessenes Arbeitsverhältnis" mit zu vielen „öffentlichen Entgleisungen" hatte.
Was sie uns damit genau sagen wollten, war mir auch nach drei Jahren noch ein Rätsel. Alles, was ich wusste war, dass es bedeutete, dass ich mich in nächster Zeit in der Öffentlichkeit ein wenig von den Jungs fernhalten musste. Und das war nicht nur auf mein Berufs-, sondern vor allem auf mein Privatleben bezogen. Wenn ich es nicht tat, würde mir wohl dasselbe passieren wie Carmen. Carmen arbeitete am Beginn der Karriere der Jungs für uns, war ziemlich gut mit Liam und Zayn befreundet, bekam „The Red Card" und wurde dann, nachdem sie diese ignoriert hatte, so schnell gefeuert, dass ich nicht einmal die Gelegenheit bekommen hatte, mich von ihr zu verabschieden. Ja, so schnell ging das. Puff! Und schon war sie weg.
Ich war mir durchaus bewusst, dass das ganze hier absolut lächerlich klang. Und wenn ich diese Karte in meiner Zeit als Assistentin der Jungs nicht schon gefühlte hundertmal bekommen hätte, hätte ich sie vermutlich auch für ein Hirngespinst von verbitterten, ehemaligen Angestellten von Modest oder für einen schlechten Witz gehalten. Doch eines konnte ich euch versichern: witzig war an diesem Mist überhaupt nichts. Das hatte ich am eigenen Leib erfahren müssen. Und auch, wenn ich diese Aktion für puren Schwachsinn hielt und am liebsten diesen besserwisserischen Schlipsträgern meine Meinung Geigen würde, so hatte ich mich nie dagegen gewehrt, sondern den „Platzverweise" mehr oder weniger akzeptiert. Zum einen, weil ich meinen Job trotz solcher Schikanen liebte und zum anderen, weil ich keine Ahnung hatte, was ich mit meinem Leben ohne diese Arbeit, den Jungs oder dem Rest der Crew anfangen sollte.
Armselig, ich weiß. Doch diese Leute waren für mich so etwas wie eine zweite Familie geworden. Eine Familie mit einem strengen, aber dennoch liebevollen Dad, der seine Kinder im Notfall auch schon mal dorthin schleppte, wo er sie haben wollte (Paul), einer jugendlichen, immer gutgelaunten, leicht verrückten aber absolut liebevollen Mum, die ihren Kindern nichts ausschlagen konnte und am liebsten jeden Unsinn mitmachen würde (Lou) und fünf verrückten Söhnen, die allesamt nicht ganz normal und gerade deshalb so besonders waren.
„Gut, dann werd ich mal wieder einen Gang zurückschalten", gab ich murrend zurück. Ich hasste diesen Mist. Ich hasste ihn so dermaßen. Doch ich würde mich jetzt nicht aufregen. Schließlich war Paul der Letzten, der etwas dafür konnte.
Nickend sagte er: „Es gibt da allerdings noch etwas, das ich mit dir besprechen wollte."
„Okay, schieß los, Paulchen."
„Erstens, nenn mich nie wieder Paulchen", begann er mit einem versucht bösen Blick. „Und zweitens habe ich mitbekommen, dass wir in den nächsten Tagen eine neue Mitarbeiterin von Modest bekommen werden."
Verwundert runzelte ich meine Stirn. „Und was wird sie machen?"
Pauls Blick wurde etwas weicher. „Das weiß ich auch nicht so genau. Alles, was ich weiß ist, dass du ein wenig vorsichtiger werden musst, Emma."
„Vorsichtiger?"
Er nickte. „Ich weiß, du bist jünger als der Großteil der Jungs und deshalb solltest du eigentlich auch das Recht haben, all das zu tun, was sie tun. Aber das ist leider nicht so, Em. Du hast eine andere Art von Verantwortung als sie. Wenn sie sich kindisch benehmen, fortgehen und weiß Gott was noch alles machen, dann hat das andere Auswirkungen, als ob du da machen würdest. Verstehst du, worauf ich hinaus will?"
Ja, leider wusste ich das nur zu gut. Ich massierte kurz meine schmerzenden Schläfen. „Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?"
„Wie gesagt, ich denke, du solltest vorsichtiger werden. Wenn du mit den Jungs unterwegs bist, darfst du nicht vergessen, als was du hier auftrittst. Und damit meine ich, dass du nicht Mitten in der Nacht betrunken ins Hotel zurückkommen oder dir keine Essensschlacht mit den Jungs liefern solltest. Stattdessen solltest du die sein, die solche Sachen verhindert. Auch, wenn du eigentlich schon Feierabend hast und vor allem, wenn du mit ihnen als ihre Assistentin unterwegs bist. Ich finde das genauso nervtötend wie du, Emma, und um ehrlich zu sein, sehe ich kein Problem darin, wenn du auch manchmal ein wenig aus dir herauskommst. Aber unsere Big Bosse wollen das nicht. Sie wollen, dass wir, wenn wir mit den Jungs unterwegs sind, immer professionell arbeiten und uns keine Ausrutscher erlauben. Sie wollen, dass wir perfekt sind und die Jungs im Zaum halten. Und sie wollen, dass wir niemals die Grenze überschreiten, die sie uns durch den Vertrag aufgezwungen haben."
„Ich habe nicht vor, den Vertrag zu brechen", verkündete ich schon fast ein wenig entrüstet. „Und ich habe auch nicht vor, in irgendeiner Weise unprofessionell zu sein. Ja gut, ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte mich gestern Abend nicht so betrinken sollen, wenn ich heute den ganzen Tag arbeiten und fit sein muss. Aber das ist nicht ihr Problem, sondern meines. Solange ich aufstehe und arbeite und mich nicht einfach krankmelde, weil ich einen Kater habe, ist es mein Problem. Mein persönliches Problem, das ich mir in meiner Freizeit geschaffen habe. Ich war nur mit einer Freundin unterwegs, habe kein einziges Mal über die Jungs, meine Arbeit oder Modest gesprochen und habe auch sonst nichts getan, das ein negatives Licht auf diesen Zirkus hier werfen würde. Ich habe nichts getan, das den Vertrag gebrochen hätte und wie ich schon gesagt habe, habe ich das auch nicht vor. Die Jungs sind nun mal meine Freunde – wenn sie damit ein Problem haben, dann sollten sie wirklich mal ihr eigenes Leben überdenken, anstatt unseres zu verurteilen und zu kontrollieren. Wir sind nicht ihr Eigentum. Und ebenso wenig sind es die Jungs."
Wütend presste ich meine Lippen wieder aufeinander und lehnte mich in dem Stuhl zurück. Paul, der während meiner kleinen Ansprach kein einziges Mal seinen Blick von mir abgewandt hatte, schüttelte leicht den Kopf, bevor sich ein kaum erkennbares Schmunzeln auf seine Lippen schlich. Aber es war so schnell wieder verschwunden, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob es tatsächlich existiert hatte. Stattdessen schwiegen wir beide und eine Stille breitete sich zwischen uns aus. Eine Stille, die mir die Möglichkeit gab, über alles nachzudenken. Doch egal wie oft ich unser bisheriges Gespräch auch im Geiste wiederholte, ich kam immer zum selben Schluss.
Aus diesem Grund räusperte ich mich schließlich leise und brach das Schweigen zwischen uns: „Paul?"
Der Angesprochene zog eine Augenbraue nach oben. „Ja, Kleine?"
„Du bist doch ein ehrlicher Mensch, oder?" Als er zögerlich nickte, fragte ich: „Denkst du... Denkst du, dass mein Job in Gefahr ist? Dass sie mich feuern wollen und deshalb diese neue Mitarbeiterin eingestellt haben? Damit sie meinen Job übernehmen kann?"
Für einen kurzen Augenblick sagte Paul nichts, sondern sah mich einfach nur an. Dann stand er von seinem Platz auf und stellte sich neben mich. Er legte erneut eine Hand auf meine Schulter und sah mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen zu mir hinunter. „Sei einfach vorsichtiger, okay?"
Ein Gefühl, als hätte man mir gerade mit der Faust in den Bauch geschlagen, breitete sich in mir aus. Doch ich ließ mir nichts anmerken, nickte wortlos und sah Paul dann dabei zu, wie er zu Liam, Louis und Niall ging, kurz etwas zu ihnen sagte und dann den Raum verließ. Sobald er durch die Tür verschwunden war, richtete ich meinen Blick aus dem Fenster neben dem Tisch und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Es war nicht so, dass ich Angst hatte, tatsächlich so schnell meinen Job zu verlieren, aber alleine die Tatsache, dass meine Vorgesetzten im Moment so unzufrieden mit mir und meiner Arbeit zu sein schienen, löste ein ungutes Gefühl in mir aus.
Ich hasste es, wenn ich das, was ich tat, nicht gut genug machte. Wenn meine Arbeit nicht so war, wie sie sein sollte. Und vor allem hasste ich es, wenn ich genau wusste, dass ich selbst daran schuld war. Ich hatte nicht vor, meine Beziehung zu den Jungs besonders zu verändern, aber ich würde mir zumindest einen Teil von Pauls Worten (die ja im Grunde irgendwie die meiner Vorgesetzten waren) zu Herzen nehmen.
„Hey, alles klar?", fragte plötzlich eine vertraute Stimme. Ich löste meinen Blick von dem Fenster und sah zu Liam, der neben mir stand und mich mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah.
„Ja, alles bestens", log ich. „Wir hatten nur ein paar organisatorische Dinge zu besprechen."
Obwohl er alles andere als überzeugt wirkte, hackte er nicht weiter nach, sondern sah mir einfach dabei zu, wie ich mich von meinem Platz hoch hievte und mir leise seufzend durchs Haar fuhr. Das war eine der zahlreichen angenehmen Eigenschaften von Liam. Er war nicht aufdringlich, zwang niemanden zu einer Antwort und schien immer genau zu wissen, wann es besser war, etwas auf sich beruhen zu lassen.
Egal, wie neugierig er dabei selbst war oder wie gerne er der Person helfen würde – wenn man seine Hilfe nicht wollte, drängt er diese einem auch nicht auf. Und genau das machte ihn zu dem wunderbaren Menschen, der er war.
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