[𝟐𝟑.𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥] 𝐒𝐢𝐞𝐡' 𝐝𝐢𝐞 𝐒𝐭𝐞𝐫𝐧𝐞, 𝐬𝐢𝐧𝐝 𝐟ü𝐫 𝐬𝐢𝐜𝐡 𝐮𝐧𝐝 𝐚𝐥𝐥𝐞𝐢𝐧
Das Wochenende danach war das schönste seit langem. Sie waren bis Sonntagabend die ganze Zeit zusammen, bis auf das eine Mal, an dem Tim nachhause fuhr um seinen Eltern Bescheid zu sagen und ein paar Sachen zu holen. In der Zeit scrollte Jan unkonzentriert durch Stellenanzeigen, schrieb am Ende aber doch keine neue Bewerbung. Stattdessen rief er Rewi an und erzählte ihm, was passiert war. Er war komplett aus dem Häuschen.
„Lass uns bitte unbedingt treffen in den nächsten Tagen – und bring Tim am besten gleich mit", forderte er ihn auf und Jan konnte nicht widersprechen. Irgendwie wollte er das auch gar nicht, am liebsten hätte er sofort der ganzen Welt erzählt, dass sie es tatsächlich nochmal versuchen wollten, aber er wusste, dass das keine gute Idee war. Am Ende würden nur zu viele Augen gleichzeitig auf ihre Beziehung gerichtet sein. Das war auch der Grund, warum er seinen Eltern noch nichts davon sagte. Und die Tatsache, dass er nicht wusste wie. Seine Mutter würde ihn nicht verurteilen – das wusste er. Aber bei seinem Vater war er sich nicht so sicher.
Das Treffen verschob sich dann doch noch eine Weile, einfach weil Tim in der nächsten Woche ziemlich viel zutun hatte. Er hatte zweimal Nachtdienst, aber an den restlichen Tagen trafen sie sich, und wenn es nur für ein paar Stunden war. Auch wenn er es vermutet hatte, hatte es ihn getroffen, als sein Freund ihm gestanden hatte, dass er die Arbeit für ihre Treffen geschwänzt hatte. Und umso mehr wollte er, dass er es jetzt ernst nahm.
Es war wirklich genauso wie als sie zum ersten Mal zusammengekommen waren – sie konnten die Finger nicht voneinander lassen. Bei jedem Treffen schliefen sie miteinander und Tim blieb nachts so lange wie er konnte.
„Schau dir die Sterne an", sagte er am Mittwoch, als sie spät nachts nur in Jogginghosen am Fenster standen und küsste ihn sanft im Nacken. Davor hatten sie einen Film geschaut und Bestellpizzen gegessen, „Jeder von ihnen ist allein da oben. Aber sie strahlen trotzdem – so wie du."
Jan verstand nicht so richtig, woher diese wunderschönen Worte kamen, aber er drehte sich zu ihm um und küsste ihn – auch wenn seine Lippen bereits wund davon waren. Und danach liebten sie sich in den Lichtern der Nacht.
In der Zeit, wo er nicht da war und Jan nicht arbeiten musste, fühlte sich die Wohnung seltsam leer an. Er versuchte sich die Zeit so gut wie es ging damit zu vertreiben, Ordnung zu schaffen, brachte endlich die Kartons und Flaschen, die sich im Flur gestapelt hatten, weg und begann seine Wäsche zu waschen. Es war unfassbar viel Arbeit aber irgendwie fühlte es sich gut an. Mit allem, was er entsorgte oder verräumte, hatte er das Gefühl, einen Tag der letzten acht Monate zu verstauen. Es fühlte sich an, als wäre er wirklich wieder zuhause – was in Anbetracht der Tatsache, dass er vermutlich in nicht mal zwei Monaten hier ausziehen musste, ein seltsam unpassendes Gefühl war. Aber wer konnte sich schon aussuchen, was er fühlte?
Sogar Murat schien sich lieber in seiner Gegenwart aufzuhalten, strich ihm um die Beine und ließ sich sogar von ihm Hochheben, ohne ihm die Hände zu zerkratzen.
Je näher das Ende der Woche kam, desto aufgeregter war er, weil Tim am Samstag endlich wieder über Nacht bleiben würde. Fast fühlte es sich an wie damals in seiner alten Wohnung, als sie noch nicht zusammen gewesen waren, und jedes Mal in einem Bett schlafen besonders gewesen war. Und abgesehen davon hatten sie sich an dem Tag mit Lucas und Rewi verabredet. Sie wollten in die Stadt etwas essen gehen, und auch wenn er nervös war, freute er sich irgendwie darauf. So hatte er immerhin die Möglichkeit, sich von den düsteren Gedanken wegen des Jobs abzulenken.
Im Endeffekt war der Tag wunderschön. Sie blieben ewig mit den beiden weg, und am Ende zogen sie von einer Bar zur nächsten. Am Anfang war es zwar ein Bisschen komisch, weil Tim Lucas schon so lange nicht mehr gesehen hatte und sie beide noch sauer auf Rewi waren, aber der Blonde machte relativ schnell deutlich, dass er es nicht böse gemeint hatte.
„Ich habe einfach nur gemerkt, dass ihr einen Stupser in die richtige Richtung braucht", sagte er schmunzelnd und trank einen Schluck von seinem Cuba Libre, „Ansonsten säßet ihr ja jetzt nicht so hier, oder?"
Und darauf gab es eigentlich nichts zu erwidern. Denn es stimmte – ohne seine Hilfe hätten sie nicht wieder zusammengefunden.
Am meisten freute es Jan aber, wie glücklich Lucas über die Nachricht war.
„Ich hätte auf der Party echt nicht gedacht, dass das mit euch beiden nochmal was wird", sagte er ehrlich, „aber es freut mich – im Ernst. Ihr gehört einfach zusammen."
Auch nachdem sie sich verabschiedet hatten und in Tims Auto durch die neblige Nacht fuhren, konnte er nicht aufhören, an diese Worte zu denken. Es machte ihn unfassbar glücklich, dass noch jemand anderes daran glaubte, dass sie zusammen sein sollten – vor allem nachdem beide von allem wussten, was zwischen ihnen vorgefallen war.
„Du, ich müsste nochmal heim, ich hab mein Laptopladekabel vergessen", unterbrach Tim dann bald die Stille, „Und ich brauche ihn morgen Früh kurz wegen der Fortbildung. Soll ich dich daheim absetzen?"
Jan schüttelte den Kopf. Er hatte ihm bereits vorgestern ziemlich unsicher davon erzählt, aber er fand es nicht schlimm. Eigentlich fand er es sogar gut, dass er nach so kurzer Zeit sich schon wieder so wohl fühlte, dass er bei ihm arbeitete – schließlich konnten sie das nicht ewig ausklammern. Solange er es nicht wieder übertreibt.
Die restliche Fahrt verlief weitgehend schweigend. Das leise Rattern des Motors und der Räder auf den Straßen machte ihn schläfrig, so dass bald schon sein Kopf gegen das kalte Glas sank. Er fiel in einen ruhigen Dämmerzustand und irgendwann spürte er Tims Hand auf seinem Bein. Sein sanftes Streicheln war sein letzter Halt in der Realität, bevor er endgültig in den Schlaf abdriftete.
Er wachte auf, weil es plötzlich ungewohnt still war. Langsam schlug er die Lider auf – sein Kopf dröhnte und als er sich aufsetzte machte sich mit einem stechenden Schmerz bemerkbar, dass er sich den Nacken verspannt hatte. Tim saß neben ihn und lächelte ihn sanft an.
„Na, auch wieder wach?", Jan nickte und rieb sich den Schlaf aus den Augen, „Willst du mit reinkommen? Meine Eltern sind heute Abend bei Freunden – also musst du sie nicht treffen."
Mal wieder verstand er ihn einfach so, wusste wie er sich fühlte, obwohl sie noch nicht darüber gesprochen hatte. Es war so ein ungewohntes und wunderschönes Gefühl.
Erst als er ausstieg und sie die Garage verlassen hatten merkte Jan, dass es wieder angefangen hatte zu schneien. Er fröstelte – aber nicht, weil ihm kalt war, sondern weil er angespannt war. Irgendwie war es einfach seltsam nach all der Zeit wieder hier zu sein.
Als er Tim einen Seitenblick zuwarf, merkte er, dass er genauso nervös war. „Du musst wirklich nicht mitkommen, wenn du dich unwohl fühlst. Es ist eh nicht aufgeräumt oben", sagte er vorsichtig, aber Jan schüttelte den Kopf. Denn trotz allem wollte er das Haus sehen, wollte sehen, wie Tim jetzt lebte.
Sie stapften über den Asphalt ums Haus herum und zum Eingang des Gartens. Die Schneeschicht war inzwischen so hoch, dass sie fast komplett mit den Stiefeln einsanken. Als Tim das Tor öffnete und ihm aufhielt, kam es Jan vor, als würde er durch die Tür einer Zeitmaschine treten. Vor ihm lag der gleiche kurze Rasen. Die gleichen Hecken. Der gleiche Schuppen ein Stück vor der Ecke, um die es zur Terrasse ging, in dem sie schon unzählige Male zwischen den Gartengeräten rumgemacht hatten. Und daneben stand immer noch der Baum mit den dunklen Beeren, dessen Äste so schwer mit Schnee beladen waren, dass sie sich bogen. Der Schnee war der einzige Unterschied zum letzten Mal, als er hier gewesen war, aber er erinnerte an Schneemänner und heiße Küsse in der Kälte der Nacht.
„Weißt du noch, wie wir damals den ganzen Tequila getrunken haben, nachdem Patrick und Quentin heimgefahren waren? Und dann eine Schneeballschlacht gemacht haben?"
Jans Gesicht glühte, als er daran zurückdachte. Er erinnerte sich an das verwirrende und elektrisierende Gefühl von Tims heißer Haut auf ihm und dem kalten Schnee unter ihm. „Ja, ich erinnere mich – he."
Als er zu der Stelle neben dem Schuppen unter dem Baum sah, konnte er für einen Augenblick die Abdrücke ihrer nackten Körper im Schnee sehen. Sein Kopf zuckte unkontrolliert.
Tim kam auf ihn zu. Im trüben Mondlicht wirkten seine Augen grau. „Genau solche Momente habe ich an uns immer geliebt. Wir hätten das nicht verlieren dürfen."
Seine Stimme klang so traurig, dass Jan ihn an sich zog und fest drückte. „Wir können das wieder haben", erwiderte er leise und Tim nickte an seiner Schulter, „Hör auf, traurig zu sein. Wir haben uns wieder."
Daraufhin hob der Größere den Kopf und küsste ihn sanft. Eine Weile standen sie einfach so da, dann gingen sie rein. Der Weg über die Veranda fühlte sich seltsam schwer an, aber trotzdem war es wie nachhause kommen.
Kaum waren sie drinnen, sprang Henry in ihre Richtung und wedelte mit dem Schwanz. Jan ging zu ihm und strich ihm über den Kopf.
„Wuff. Na, wie geht's dir? Hundefleisch." Sein Tourette ließ ihn aufgeregt herumzappeln und Henry sprang um seine Beine.
„Ist ja gut, Großer", Tim lachte und seine Augen leuchteten, „Ich weiß, wir haben ihn beide vermisst."
Jan lächelte und als er sich wieder unter Kontrolle hatte ging er zu ihm, zog ihn nochmal an sich. „Hör auf, im ernst", sagte er zärtlich, „Das ist vorbei."
Er wusste, dass Tim sich immer noch Vorwürfe machte. Aber sie hatten neu angefangen und das hieß sie mussten die alten Narben endlich heilen lassen. Der Größere legte die Hand an seine Wange und küsste ihn. „Ich weiß", flüsterte er dann an seine Lippen, „Ich kann es nur einfach nicht glauben."
„Ich ja auch nicht", gab er zu, „Es ist schön, wieder hier zu sein."
Er nahm sich einen Moment Zeit, um sich bewusst im Wohnzimmer umzusehen. Nichts hatte sich verändert – er war wirklich in der Vergangenheit angekommen. Nur dass sie die Zukunft war. Dass Tim seine Zukunft war.
Sein Freund zog ihn zu der großen Couch und küsste ihn plötzlich leidenschaftlich. „Du hast hier gefehlt", sagte er mit schwerer Stimme und Jan spürte einen Kloß im Hals.
Anstatt etwas zu antworten, zog er ihn auf das dunkle Sofa runter und verschloss seine Lippen wieder mit einem Kuss.
Und du hast mir gefehlt.
Doch in dem Moment als sich Tim auf ihn sinken ließ, hallte plötzlich ein lautes Klacken durch das Haus, gefolgt von Stimmen.
„Tim, warte mal", flüsterte er, aber Gisela verriet sie natürlich, „Alarm! Wir sind hier und splitternackt!"
Tims Augen weiteten sich und er konnte sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Trotzdem war seine Stimme ernst, als er sich unsicher durch die Haare fuhr. „Ich wusste das nicht...", begann er, wurde aber davon unterbrochen, dass seine Eltern ins Wohnzimmer kamen. Die beiden waren schick gekleidet und wirkten ausgelassen. Schnell fuhren sie auseinander und setzten sich auf.
„Hallo Tim", begrüßte ihn Tina und ihre Augen weiteten sich erstaunt, als ihr Blick von ihm zu Jan schweifte. Er spürte, wie er rot wurde, „Und...hallo, Jan. Schön dich zu sehen!"
„Das kann ich nur zurückgeben", erwiderte er vorsichtig und Tim stand hastig auf.
„Wieso seid ihr denn schon zurück? Ich dachte ihr wolltet erst nach zwölf wieder kommen", sagte er schnell und warf ihm einen Blick zu. Eigentlich wollte Jan unmerklich den Kopf schütteln, aber sein Tourette warf seinen Kopf hin und her.
„Ja, wollten wir eigentlich auch", Frank sah sie schmunzelnd an und zuckte mit den Schultern, „Aber deiner Mutter ging es nicht so gut und deswegen sind wir schon heim."
Einen Moment lang wusste niemand so wirklich, was er sagen sollte, aber dann Ergriff Tina wieder das Wort.
„Wollt ihr mit in die Küche kommen? Willst du einen Kaffee, Jan?", fragte sie zögerlich, aber Tim schüttelte schnell den Kopf.
„Nein, ich wollte eigentlich nur kurz mein Ladekabel holen und dann sind wir wieder weg", begann er und hastete Richtung Treppe. Jan sah ihm hinterher und dachte kurz nach, dann fasste er einen Entschluss.
„Ja, gerne", antwortete er mit zittriger Stimme und konnte hören, wie sein Freund auf der Treppe verharrte. Er sah zu ihm hoch und erkannte sogar von hier, wie erstaunt er war.
„Du kannst auch gern mit hochkommen", rief er unsicher und strich geistesabwesend über Henrys Kopf, der ihm die Treppe nach oben nachgelaufen war.
„Nein, alles gut. He. Nein, eigentlich hab ich einfach nur kein Bock auf dich Vollidiot", rief er zurück und hörte Tina auflachen.
„Mit Gisela ist wirklich immer was los", sagte sie laut genug, dass er es hörte, und das brachte ihn zum Schmunzeln. Er warf Tim noch ein beruhigendes Lächeln zu, und drehte sich dann um, folgte seinen Eltern in die Küche.
Er war zwar nervös, aber gleichzeitig fand er es unfassbar schön, dass Tina und Frank ihn so herzlich aufnahmen. Auch wenn er es nicht gedacht hätte, war das genau das, was er brauchte – ein Stück Normalität in dem ganzen Chaos, das um sie herum trieb.
Und er kannte Tim gut genug, um zu wissen, wie sehr es ihn freuen würde. Der Blauäugige liebte seine Familie über alles und eigentlich war es immer selbstverständlich gewesen, dass Jan ein Teil von ihr war.
Aber jetzt war all das nicht mehr selbstverständlich. Alles hatte sich verändert. Und vielleicht würde auch Tim das Bisschen Normalität gut tun, nach allem, was passiert war. Vielleicht würde es ihm zeigen, dass sie eine Chance hatten, würde die dunklen Gedanken und das schlechte Gewissen endlich vertreiben.
Er konnte es nur hoffen.
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Hey, Leute ^^ Das wars also mal wieder. Ich könnte mich jetzt mal wieder dafür entschuldigen, dass ich so lange nichts hochgeladen habe, aber das bringt euch nichts. Dadurch musstet ihr auch nicht kürzer warten. Trotzdem werde ich es jetzt sagen: Es tut mir leid - denn das tut es wirklich. Ich weiß, wie es ist lange auf ein Update zu warten, wenn man unbedingt weiterlesen will, und ich habe mir jetzt auch fest vorgenommen, regelmäßiger hochzuladen. Ob und wie das klappt, kann ich aber nicht versprechen.
Aber immerhin ist inzwischen so ein Bisschen winterliches Wetter. ^^
Was ich euch aber weiter versprechen kann, ist dass die Geschichte weitergeschrieben und abgeschlossen wird. Daran hat sich nichts geändert.
Danke für über 6600 Aufrufe, fast 400 Votes, und all eure lieben Kommentare zu meinem Lied. Das hat mir wirklich sehr viel bedeutet. Und danke für alle, die mir sagen ich soll mich nicht stressen, insbesondere Writing_Toast. Ihr könnt gerne mal bei ihr vorbeischauen, falls ihr das noch nicht getan habt. Und ein hallo an alle, die durch sie hier dazugekommen sind. ^^
Die Zeile aus dem Titel ist aus dem Lied "Alles Gute kommt zurück" von Zate.
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