[𝟐𝟏.𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥] 𝐍𝐮𝐫 𝐧𝐨𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐫 𝐛𝐞𝐢𝐝𝐞, 𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐚𝐥𝐥𝐞 𝐒𝐭𝐫𝐢𝐜𝐤𝐞 𝐫𝐞𝐢ß𝐞𝐧

Im Nachhinein war es irgendwie seltsam, dass dieser Moment im Bootshaus alles weitere bestimmen sollte. Als Jan ihn geküsst hatte, hatte Tim an der Weggabelung gestanden, und sich dafür entscheiden müssen, ob er alles zerstörte – oder endlich heilte. Und seine Entscheidung hatte dazu geführt, dass er jetzt wieder in ihrer ehemaligen Wohnung mit ihm im Bett lag – nur das alles ganz anders war, als vorletzte Nacht.

Jan lag neben ihm, seine Stirn glänzte im fahlen Licht, das durch einen Spalt zwischen den Vorhängen in das ansonsten dunkle Zimmer fiel. Immer wieder murmelte er unverständlich vor sich hin und es klang schmerzerfüllt und sehnsüchtig. Das Einzige, was Tim ab und zu heraushörte, war sein Name, und jedes Mal wenn der Kleinere ihn in der Dunkelheit des Zimmers raunte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Auch nach der ganzen Zeit fühlte er sich hier, neben ihm, einfach zuhause. So als hätte er die ganzen letzten acht Monate ziellos in der Dunkelheit herumgetrieben, um sich jetzt neben ihm wiederzufinden.

Er kannte es noch gut von früher, wie Jan war, wenn er zu viel getrunken hatte, und obwohl ihm die Augen immer wieder zufielen, beobachtete er ihn. Es war ihm egal, dass er sturzbetrunken und verschwitzt war – er war trotzdem wunderschön. Und was auch immer passierte, das würde immer so bleiben. Weil er ihn liebte.
In dem Moment, in dem Jan ihm im Bootshaus seine Liebe gestanden hatte, war ihm klargeworden, dass er ihn nie wieder gehen lassen konnte. Denn Jan war schon immer betrunken viel zu ehrlich gewesen, und das hieß, dass es Hoffnung gab. Im Nachhinein konnte er sich gar nicht mehr wirklich erklären, warum er das nicht schon viel früher realisiert hatte.

Und ihm war klar geworden, dass Jan ihn brauchte. In den letzten Tagen war er so sehr im Selbstmitleid versunken, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass Jan deswegen litt. Und genau deswegen hatte er seine Entscheidung getroffen. Er hatte sich von ihm losgemacht und ihn zurück zu den anderen gebracht, auch wenn er protestiert hatte. Rewi hatte ein Taxi gerufen – und tatsächlich auch bezahlt – und sie waren hierher gefahren. Denn auch wenn er Jans Wunsch nach Abstand respektieren wollte, konnte er ihn in seinem Zustand einfach nicht allein lassen.
Während er sich fragte, wie sehr es Jan stören würde, dass er mit ihm nachhause gekommen war, fiel er langsam in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Seine Finger ruhten auf den kurzen des Braunhaarigen und im Halbschlaf drückte er sanft seine Hand.

Als er wieder aufwachte war es bis auf den Lichtstrahl immer noch dunkel im Zimmer, aber das Bett neben ihm war leer. Sofort setzte er sich auf. Es war egal, dass er müde war, und dass er wahrscheinlich einen Kater kriegen würde. Eigentlich hatte er wach sein wollen, wenn Jan aufwachte, einfach um für ihn da zu sein. Vor allem, wenn er sich übergeben musste – denn dass er das musste, stand außer Frage.
Wo ist er?
Im Flur schlug ihm Dunkelheit entgegen, und die Bilder, die sofort in seinem Kopf auftauchten, brachten sein Herz zum rasen. Plötzlich war ihm eiskalt. Was, wenn er einen Anfall hatte? Wenn er hier irgendwo liegt? Er zog seinen Hoodie fester um sich und rief nach ihm, bekam aber keine Antwort.

Dann sah er den dünnen Streifen Licht, der unter der Küchentür hindurchfiel und sein Herzschlag beruhigte sich zumindest ein Bisschen. Trotzdem hatte er immer noch ein flaues Gefühl im Magen, als er die Tür aufstieß. Denn er hatte nicht nur Angst, dass Jan etwas passiert war, er hatte auch Angst vor dem Gespräch, für das es höchste Zeit war.
Weißt du, ich liebe dich trotzdem noch, hallten Jans betrunkene Worte in seinem Kopf.

Es fiel ihm schwer, an etwas anderes zu denken, sobald die Tür weit genug offen stand, dass er etwas sehen konnte. Das Licht kam von der Lampe, die über dem kleinen Tisch, an dem sie gestern noch gefrühstückt hatten, hing und genau dort saß Jan. Einen Moment lang bemerkte er ihn nicht, und Tim konnte ihn dabei beobachten wie er einen Schluck Kaffee aus einer Tasse nahm. Er umklammerte sie, als wäre sie sein letzter Rettungsanker. Und auch jetzt wurde ihm wieder bewusst, wie schön er war. Er liebte ihn so sehr.
Dann knarrte das Parkett vertraut und der Kleinere sah auf. Während Gisela laut „Einbrecher" rief, trafen sich ihre Blicke. Das milde, gelbliche Licht untermalte die Schatten unter Jans Augen in denen das Grün matt war wie milchiges Glas.

„Willst du auch nen Kaffee?", fragte er, aber Tim schüttelte den Kopf und setzte sich stattdessen zu ihm. Seine Nerven waren wie zum Zerreißen gespannt.
„Wie geht's dir?"
„Naja, mir ging es schon besser. Dabei kann man eigentlich gar nicht zu viel Saufen."
Er konnte nicht anders – er musste lachen. Er hatte Gisela einfach so vermisst.
„Anscheinend schon", erwiderte er schmunzelnd und Jan schenkte ihm ein mattes Lächeln.
„Ja, vielleicht hab ichs ein Bisschen übertrieben", gab er zu und seufzte, „Geht es dir gut? Du hattest ja auch nicht gerade wenig."
Tim wurde warm und er nickte.

Schweigen trat zwischen sie, ein langes Schweigen, das Tim undurchdringlich vorkam. Gedanken schwirrten in seinem Kopf – aber er wusste einfach nicht, wo er anfangen sollte.
Irgendwann überwand er sich dann trotzdem.
„Hör zu, Jan. Ich weiß, du glaubst es mir vielleicht nicht, aber ich wusste nicht, dass du auch da bist. Das hat Rewi sich einfallen lassen."
Der Kleinere sah zu ihm auf und der Ausdruck in seinen Augen brach ihm das Herz. So erschöpft und traurig hatte er schon lange nicht mehr ausgesehen. Das letzte Mal an dem einen Tag.
„Ich glaube dir. Manchmal kann Rewi eben echt ein – He. Arschloch sein", er lachte traurig auf, „Das wollte ich zwar nicht so sagen, aber ich glaub Gisela hat gar nicht so Unrecht."

Tim nickte und streckte die Hand über den Tisch in seine Richtung. Er wollte nicht, dass er traurig war. Und noch weniger wollte er der Grund dafür sein.
Als er weitersprach, war Jans Stimme zittrig. „Ich bin ehrlich zu dir", hauchte er, „ich erinner mich nicht mehr so genau an das, was auf dem Klo war. Ich weiß nur noch, dass du mich geküsst und dann – gefickt – an dich gezogen hast."
Tim hatte das Gefühl, dass sein Herz einen Schlag aussetze. Er wusste, dass das, was er jetzt sagen würde, alles weitere bestimmen würde. Aber wird er mir glauben?
„Ich weiß, was du jetzt denkst", erwiderte er leise, „Und an deiner Stelle würde ich das Gleiche denken. Ich...ich will auch ehrlich zu dir sein: Ich wollte es. Ich wollte es so sehr. Aber ich würde nie...niemals so eine Situation ausnutzen. Vor allem nicht nach dem, was du mir gesagt hast..."

„Was habe ich dir denn gesagt?", fragte Jan vorsichtig und sah ihn an. Ein Stück Leben war in seine Augen zurückgekehrt, aber nur, um Unsicherheit in ihnen zu hinterlassen.
„Dass du...dass du..", Tim unterbrach sich, weil er nicht wusste, ob es das Richtige war, es ihm so zu sagen. Aber jetzt war es schon zu spät, „Dass du mich liebst."

Jan öffnete den Mund, als wollte er etwas antworten, aber dann schloss er ihn einfach wieder. Tim spürte einen schmerzhaften Stich in der Brust.
„Bitte...bitte glaub mir", hauchte er leise und sah auf seine Hände, die immer noch allein dalagen, „Ich würde so etwas niemals tun. Jan...ich weiß, ich habe damals alles falsch gemacht. Und ich weiß, ich hab dich unfassbar verletzt. Und vielleicht habe ich keine zweite Chance verdient, aber ich wünsche mir seit acht Monaten nichts mehr. Nichts mehr, als dass du mir das sagst, was du heute Nacht zu mir gesagt hast. Denn...auch wenn damals alles zerbrochen ist...hoffe ich, dass es reicht, wenn wir uns lieben. Vor allem, weil ich jetzt erkannt habe, wie dumm ich war. Ich werde alles tun, um dich nicht nochmal so zu verletzen. Ich werde alles tun, um es besser zu machen."

„Hör auf", unterbrach Jan ihn und Tims Blick schnellte zu ihm hoch. Ihre Augen trafen sich und als er die Wärme in dem dunklen Grün erkannte, versank er in ihnen. Er hatte unfassbare Angst vor dem, was er sagen würde, aber er liebte ihn. Und vielleicht reichte das ja wirklich.
„Ich glaube, es war nicht nur deine Schuld", sagte er leise und Tims Herz setzte einen Schlag aus, „Wir beide waren Schuld. Ich hätte auch früher etwas sagen können, aber ich wollte, dass du – hässliches Arschkind – es selbst merkst. Und dann war es zu spät."
„Sag das nicht, Jan", hauchte Tim leise und griff nach seiner Hand, „Ich hab es verkackt. Nicht du."

„Es gibt nicht nur dich oder mich", erwiderte der Kleinere und lächelte matt, „Auch wenn ich monatelang versucht habe, mir etwas anderes einzureden, ist es nicht so. Es gibt nur uns."
Einen Moment lang konnte Tim nichts tun, zu sehr war er gelähmt, weil Jan ihn nicht wegstieß. Und weil das, was er sagte, ihm zumindest einen Teil seiner Last abnahm, auch wenn er sich trotzdem nie verzeihen konnte.
Überwältigt beugte er sich zu ihm rüber und umfasste sein Gesicht.

„Nur uns." Die Worte waren nicht mehr als ein zitternder Luftstoß. Er konnte es kaum erwarten, ihn zu küssen. Aber zuerst holte er sich in seinen Augen die Erlaubnis.

Als ihre Lippen sich dann berührten durchzuckte nicht nur ihn ein Blitz – es zuckte auch vor dem Fenster einer über den Himmel. Aber Tim nahm ihn nicht wahr, für ihn gab es einfach nur Jan. Es hatte immer nur Jan gegeben.
„Lass es uns nochmal versuchen", unterbrach Jan den Kuss und die Worte machten ihn endlich wieder ganz.
„Ja", war alles, was er antworten konnte. Er fühlte einfach zu viel. In den letzten drei Tagen hatte sich alles geändert. Ihre Wege hatten sich nach der ganzen Zeit wieder gekreuzt und irgendwie wieder miteinander verschlungen. Niemals hätte er geglaubt, Jan würde ihn nochmal in seine Nähe lassen.
Aber jetzt will er eine neue Chance. Er gehört endlich wieder zu mir.

Dieser Gedanke zerriss seine Kontrolle endgültig. Er stand auf und ging zu ihm rüber, zog Jan hoch, küsste ihn wieder.
„Jetzt bin ich nicht betrunken", murmelte sein Freund an seine Lippen und plötzlich spürte Tim seine warmen Hände an seinem Rücken nach oben wandern. Mein Freund. Ein angenehm warmer Schauer schoss seine Wirbelsäule hinunter und als er Jan an sich zog, spürte er, dass er es auch wollte. Mal wurden die Küsse stürmischer, mal hauchte er zärtlich Luft an seinen Nacken. Und als ihre Blicke sich dann trafen, strahlten Jans Augen. Das Grün war kein Bisschen mehr matt, stattdessen war es durchzogen von hellen, glänzenden Strudeln – so als würde Laub im Sommer langsam im Wind rauschen, während sich die Sonne auf den Blättern reflektierte.
Ab jetzt würde er immer dafür sorgen, dass sie leuchteten.

„Dann lass uns doch mal ins Schlafzimmer gehen." Seine Stimme war rauer als sonst und sein Herz schlug wie verrückt. Er kannte den Weg immer noch auswendig, auch wenn es im Flur dunkel war, auch wenn ins Schlafzimmer nur der fahle Lichtschein der Straßenlaterne fiel. Nach all der Zeit war es immer noch dieselbe Wohnung, immer noch das selbe Bett. Und es war immer noch Jan, auch wenn er sich verändert hatte. Seine Haut war noch genauso rau wie damals und seine Lippen genauso weich. Seine Berührungen genauso leidenschaftlich und sein Geruch genauso angenehm.

Tim überließ ihm weitgehend die Führung, ließ sich treiben. Etwas anderes hätte er auch gar nicht gekonnt. Vor zwei Tagen noch hatte es sich verzweifelt angefühlt, als die Klamotten auf dem Boden gelandet waren. Aber jetzt war alles ruhiger, sanfter, liebevoller. Als Jan ihm den Hoodie über den Kopf zog und er kurz in der Öffnung stecken blieb, mussten sie beide lachen und es war unglaublich, wie Jans Augen dabei glänzten. Als würde die Straßenlaterne nur vor dem Fenster stehen, damit ihr mattes Licht das Grün strahlen lassen konnte.

Tim ließ sich Zeit, jede Stelle von Jans Körper zu küssen. Denn jetzt hatten sie es nicht mehr eilig. Der Kleinere wand sich unter seinen Berührungen und keuchte immer wieder leise in der Dunkelheit und es war das schönste Geräusch der Welt. Genauso wie vor zwei Tagen erzitterte er, als er sich dann vorsichtig auf ihn heruntersinken ließ. Ihr Rhythmus passte immer noch so gut zusammen, dass ihm schwindelig wurde und als die Welt für einen Moment erbebte, legte er seine Hand an Jans Wange.
„Ich liebe dich", flüsterte er, und stockte dabei ein Wenig, weil er Luft hohlen musste. Der Kleinere lächelte und vereinte ihre Lippen zu einem fahrigen Kuss.
„Ich dich auch, Tim. Ich dich auch."

Als sie später zusammen lagen ging die Sonne schon auf. Jans Kopf ruhte auf Tims Brust und er strich ihm schläfrig durch die Haare. Irgendwann, als er schon fast eingeschlafen war, stützte Jan sich dann plötzlich auf und sah ihn an. Zuerst dachte er, er wollte ihn nur küssen, aber dann sah er, wie eindringlich sein Blick war und blinzelte die Müdigkeit weg.
„Ich will, dass du weißt, dass ich niemandem in den letzten Monaten so nah gewesen bin, wie dir heute und vorgestern", sagte er dann leise. Tim wurde warm, weil er merkte, wie ernst es ihm war. Anstatt zu antworten lächelte er und umfasste sanft seinen Hinterkopf, vereinte ihre Lippen. Er wusste, dass Jan verstehen würde, wie dankbar er ihm war.

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So Leute, das wars mal wieder. Es tut mir wirklich leid, dass jetzt wieder so lange nichts kam - wenn ihr näheres dazu wissen wollt, könnt ihr gerne auf meinem Profil bei den Ankündigungen reinlesen, falls ihr das noch nicht gesehen habt. ^^

Ich hoffe, dass es euch gefallen hat, auch wenn ich nicht weiß, ob das schon als Lemon durchgeht. :D Aber immerhin haben die beiden jetzt wieder zueinandergefunden. Oder? Immerhin hat Jan vergessen, etwas zu erwähnen.
Lasst mir gerne eure Meinung als Kommentar da. ^^

Danke für fast 6000 Aufrufe und für alle Votes und wenn ihr nach der langen Pause immer noch da seid. Ich melde mich, wenn bei meiner OP morgen alles gut geht, bald wieder. ^^

Die Zeile aus dem Titel ist aus dem Lied "Musik" von Kayef. 

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