Kapitel 7

Emanuel Madaki

„Uns sind einige soziale Probleme Ihrer Tochter in unserer Einrichtung aufgefallen. Ich würde sie gerne zu einem gemeinsamen Gespräch mit unserer Schulpsychologin bitten, um weitere Schritte zu besprechen. Es zeigten sich einige Anzeichen eines Posttraumatischen Belastungssyndroms, eventuell sollten Sie überlegen therapeutische Maßnahmen zu ergreifen."

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich war entsetzt. Ich konnte nicht glauben, dass diese Frau von meiner Tochter sprach. Eben diese Tochter, die gerade unsere Kellertür öffnete und die Treppen nach unten verschwand.

Was war nur aus ihr geworden. Emilia, mein Stolz, was ihre sportlichen und schulischen Leistungen betraf. Doch in letzter Zeit hatte sie sich tatsächlich verändert, sie machte kaum noch Sport und ich hörte schon lange nichts mehr aus der Schule.

„Wir werden darüber nachdenken", antwortete ich der Frau am Telefon und legte auf.

Schweigend lief ich das Zimmer auf und ab, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Erst das Geräusch der zufallenden Haustür brachte mich von meinem Pfad durchs Zimmer ab.

„Rike", begrüßte ich meine Frau erleichtert, „wir müssen reden." Etwas verdutzt über meine plötzliche Aufforderung blickte sie mich an, kam jedoch, nachdem sie sich die Schuhe ausgezogen hatte, mit mir. „Emilias Schule hat angerufen", eröffnete ich das Gespräch.

„Was hat sie angestellt?", wollte meine Frau wissen.

„Ihre Direktorin ist der Meinung, sie hätte psychische Probleme. Sie würde den Unterricht schwänzen und müsste als Strafe mit einer Klassenkameradin Zeit verbringen."

„Das ist doch toll!", antwortete sie mir. Ich wusste beim Besten Willen nicht, woher sie diese Freude nahm. Hatte sie mir überhaupt richtig zugehört?

„Unsere Tochter hat Unterricht geschwänzt und du freust dich?"

„Nein, das meinte ich nicht. Sie verbringt wieder Zeit mit Mitschülern, hast du gesagt? Das ist doch was wir wollten. Du darfst nicht immer so streng mit ihr sein, Emi hatte nur eine schwere Zeit. Es wird sich alles wieder geben."

„Aber dafür Regeln der Schule brechen? Ich finde das geht zu weit, sie wird sich ihre ganze Zukunft verbauen!"

Unsere Kellertür öffnete sich knarrend und unterbrach mich damit. Meine Tochter kam wieder nach oben, eine große Tasche über ihre Schuler hängend. Es war eine Tasche, die mir ein verblüfftes Gesicht entlockte. Ich hätte nicht gedacht, dass sie ihre alten Sachen zum Segeln so schnell wieder anfassen würde.

„Siehst du", meinte meine Frau beruhigend, „sie holt ihre Segelsachen, scheint als würde diese Strafe tatsächlich helfen."

Ich blieb noch eine Weile sitzen, vielleicht hatte Rike Recht. Zufrieden lächelte ich, es gab sich alles von selbst. Meine Tochter würde wieder ein Ziel haben.

Erst später bemerkte ich, dass ich die Forderung von Emilias Direktorin nicht erwähnt und auch schon fast wieder vergessen hatte.

Antonia

„Hier", meinte ich und drückte dem Küken ein Blatt in die Hand.

„Das ist doch nicht wirklich der Bericht?", wollte das Mädchen wissen, nachdem sie es gemustert hatte.

„Was denn sonst?", antwortete ich etwas genervt.

„Da stehen genau zwei Sätze. Wir waren joggen. Das war ziemlich anstrengend", las sie vor. „Ist das dein Ernst?"

„Du wolltest einen Bericht, ich habe Etwas geschrieben. Und sogar unterschiedliche Dinge für uns." Ich hielt ihr meinen Zettel unter die Nase.

„Wie schwer der der Fülle des Inhalts das doch gewesen sein muss", murmelte sie verärgert vor sich hin.

Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich ab. Emilia rief mir noch etwas Protestierendes hinterher, doch ich ignorierte es. Wie immer wartete meine Clique vor der Schule auf mich. Sie begrüßten mich, wenn auch nicht ganz so euphorisch wie sonst, schließlich hatte ich sie gestern sitzen gelassen.

An diesem Tag gesellten sich nicht so viele Schüler wie sonst zu uns, nichts Ungewöhnliches denn wir waren früh dran. Dennoch erinnerte es mich daran, dass ich eine Party hatte veranstalten wollen, man musste seine Anhänger bei Laune halten.

Nachdem ich entschieden hatte, dass Sonntag ein schöner Tag zum Feiern wäre, sagte ich meinen Freunden Bescheid, sie sollten schon einmal vorgehen.

Im Laufe der Woche hatte ich gelernt, dass wenn ich einen Umweg über die Toilette machte, ich andere Leute loswurde um anschließend ungestört zum Büro unserer Rektorin zu gelangen. Dies hatte den Vorteil, dass ich ihr den Bericht bringen konnte ohne vor allen Schülern gedemütigt zu werden.

Zu meinem Glück war Frau Esche gerade in eine Akte vertieft, sodass sie mir lediglich ein Zeichen gab, den Bericht abzulegen. Die letzten Tage hatte sie immer einen Blick darauf geworfen, bevor sie mich entließ. Ich muss zugeben, mir war bewusst, dass mein Bericht alles andere als ausreichend war. Wenn sie sich meine Version anschauen würde, wüsste sie sofort, dass ich die letzten Tage den Bericht nicht selbst geschrieben hatte.

Natürlich hätte ich für den letzten Bericht einen der Schüler bestechen können, für mich zu schreiben. Doch ich hatte Angst etwas von meinem Ansehen zu verlieren, wenn ich erzählte, was genau an diesem Tag passiert war. Und meine Autorität an der Schule war mir wichtiger als die Meinung vom Küken. Es kümmerte mich nicht, was das Küken oder unsere Direktorin von meiner Leistung hielten. Das war es, was ich an diesem Tag immer wieder in meinen Gedanken wiederholte.

Ich gestand es mir zu diesem Zeitpunkt nicht ein, doch war dies so nicht ganz richtig. Ich hätte einfach eine ausgedachte Geschichte über den Tag schreiben lassen können. Es wäre ganz einfach gewesen, jedoch wollte ich Emilia nicht enttäuschen. Ich wusste damals noch nicht warum, doch ich wollte, dass sie wusste, dass ich nicht für jede Aufgabe andere Leute bräuchte.

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