8. Kapitel - Überraschungen

Logan riss den Sack von Chases Kopf. Derek tat dasselbe mit Cord.

Cord und Chase blinzelten ein paarmal, bis sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten. Als Chase Logan sah, verzog sich seine Miene spöttisch. Er war zwar immer noch gefesselt und kniete vor Logan, dennoch wirkte er immer noch verdammt arrogant!

„Sieh mal an! Ein Verräter!", zischte er.

Logan ließ sich nicht provozieren. Er richtete seine Pistole direkt auf Chases Kopf.

„Vielleicht bin ich ein Verräter! Aber lieber bin ich das, als dieses perverse Spiel von den Drei mit zu machen. Hast du überhaupt eine Ahnung, was sie alles tun? Oder befolgst du nur blind ihre Befehle! Ich hätte dich für schlauer gehalten, Chase!"

Chase schnaubte.

„Ich weiß wo mein Platz ist. Und du solltest es auch wissen!"

Logan schüttelte den Kopf über so viel Halsstarrigkeit.

„Du hast also wirklich keine Ahnung. Sonst würdest du jetzt nicht so einen Mist von dir geben. Ja, ich weiß jetzt wo mein Platz ist. Er ist hier! Bei den Rebellen bin ich nicht den Machenschaften der Drei ausgesetzt."

Chase lachte spöttisch.

„Was haben sie dir schon getan? Du warst doch schon immer Violas Liebling! Du hast immer alles bekommen, während andere für Privilegien hart arbeiten mussten und sie dann doch nicht bekamen!"

Logans Hand zitterte etwas vor Wut. Das stimmte zwar, aber der Preis war einfach zu hoch dafür gewesen. Und gerade Chase sollte so etwas doch zum Anlass nehmen, sein Gehirn etwas einzuschalten.

„Du willst es also nicht hören? Du hältst es immer noch für Korrekt? Auch was sie von dir verlangen? Die Folterungen? Das Töten?"

Chase zuckte mit den Schultern.

„Das sind Befehle. Und die habe ich zu befolgen! Dafür wurde ich ausgebildet."

Die anderen um Logan herum murrten.

„Hör auf damit, Logan! Er hat zu viele umgebracht, um ihn davon kommen zu lassen!"

„Bring ihn endlich um!"

„Ja! Versetzen wir ihnen einen Schlag, den sie nicht so schnell vergessen!"

Logan starrte auf Chase, der ihn immer noch hämisch angrinste.

„Ja! Erschieße mich! Denn ich werde keine Ruhe geben, bis ich euch alle vernichtet habe. Und mit dir werde ich anfangen! Ich werde meinen Spaß dabei haben, dich langsam zu töten!"

Logan schloss kurz die Augen um sich zu beruhigen und sah dann zu Derek. Der stand neben ihnen, hatte die Arme vor der Brust gekreuzt und starrte Chase böse an. Dann nickte er.

Logan zielte wieder. Doch auf einmal bemerkte er einen Schatten, der sich an ihm vorbei schob.

„Hör auf! Hör sofort damit auf!"

Eve hatte sich vor Chase aufgebaut, beide Arme von sich gestreckt, als wollte gerade sie Chase beschützen.

Logan starrte sie einen Moment verdutzt an, dann machte er eine scheuchende Handbewegung.

„Eve! Geh zur Seite. Ich habe dir erzählt, was er alles getan hat! Er muss für seine Taten sterben!"

Chase sah Eve verblüfft an. Sein Blick ging immer wieder von ihrem Bauch zu ihrem Gesicht, als könnte er nicht glauben, dass sie tatsächlich vor ihm stand und auch noch schwanger war.

„Du wirst ihn nicht töten! Wenn du das tust, musst du mich vorher erschießen!"

Logan schüttelte verzweifelt den Kopf.

„Warum setzt du dich so für ihn ein, Eve! Weißt du nicht mehr, wie er dich behandelt hat? Gerade du solltest nichts dagegen haben, dass wir ihn umbringen! Denkst du nicht, dass er dich auch töten will, weil du geflohen bist?"

Chase senkte den Kopf.

„Ja, geh zur Seite, Eve!" Seine Stimme war ungewohnt leise. Es hörte sich beinahe an, als ob er sich schämen würde, dass sie ihn so sah. „Ich habe es verdient. Ich will nicht, dass dir etwas geschieht! Aber in einem Punkt hat er nicht Recht. Ich würde dich nie im Leben töten!"

Sie schnaubte.

„Halt die Fresse, Chase!"

Er riss seinen Kopf erschrocken zurück. So etwas war er von ihr nicht gewohnt.

Eve senkte langsam die Arme.

„Ich weiß, was er getan hat, Logan. Du hast es mir ja in aller Kleinigkeit erläutert und hattest keine Ahnung, wie weh du mir damit getan hast! Vielleicht hat er den Tod verdient. Doch wenn du ihn tötest, dann tötest du den Vater meines Babys! Und das kann ich nicht zulassen!"

Man konnte nicht sagen, wer nun verblüffter war. Chase oder Logan.

Logan senkte die Waffe.

„Chase? Chase ist der Vater? Oh mein Gott, Eve! Warum gerade er?"

Sie nickte.

„Ja, er ist es! Und ich werde dir bestimmt nicht erklären, warum es so ist! Aber er ist der Vater! Deswegen bitte ich dich, ihn zu verschonen!"

Chase zischte.

„Lass es, Eve. Sie werden sich nicht erweichen lassen, nur weil du behauptest, ich bin der Vater!"

Sie drehte sich zu ihm um.

„Habe ich nicht gesagt, du sollst die Fresse halten?"

Derek trat einen Schritt vor.

„Eve! Wir können dir auch helfen. Du brauchst ihn nicht unbedingt!"

Sie bewegte sich kein Stück von Chase weg.

„Ich werde nicht zulassen, dass ihr den Vater meines Babys tötet! Wie ich schon gesagt habe: wenn ihr Chase töten wollt, müsst ihr mich vorher umbringen!"

Chase rutschte auf den Knien etwas nach vorne und versuchte, sie von sich weg zu schieben.

„Versuch nicht, mich zu beschützen, Eve! Wenn, dann sollte ich derjenige sein, der dich beschützt!"

Sie beachtete ihn gar nicht.

„Also, Logan. Was ist? Willst du mich töten? Willst du das Baby töten?"

Chase versuchte sie zur Seite zu schieben, aber Eve blieb stur stehen.

Logan schüttelte den Kopf und senkte die Waffe.

„Eve! Ich kann es nicht!"

Sie schnaubte.

„Aber du hattest keine Probleme damit, Chase zu töten?"

Er zuckte mit den Schultern. Nein, er hätte wirklich keine Probleme damit gehabt Chase zu erschießen. Er war ein Monster. Doch nun...Eve bestand so darauf, dass er ihn verschonte. Er konnte es nicht verstehen, was sie an dem Kerl fand.

Derek trat noch einen Schritt vor.

„Wie ich schon gesagt habe. Wir können dir helfen. Du bist hier mit deinem Baby in Sicherheit! Du brauchst ihn nicht! Finde einen besseren Mann und kümmere dich nicht um ihn!"

Eve schüttelte den Kopf.

„Du verstehst mich nicht, Derek. Auch wenn er es nicht verdient hat...ich liebe diesen Mann! Ich denke schon immer!"

Wieder konnte man Unglauben in Chase Augen sehen!

„Eve! Das ist nicht dein Ernst!", stieß er hervor.

Nun drehte sie sich zu ihm um.

„Oh doch! Es ist so. Ich weiß, dass du auch anders sein kannst! Denkst du, ich habe nicht bemerkt, wie du dich immer wieder um mich gekümmert hast? Nur eben so, dass es niemand anderes mitbekommt. Du kannst nichts dafür, dass du so geworden bist. Es ist Violas Schuld. Und deswegen will ich nicht, dass unser Kind ohne seinen Vater aufwächst. Und wenn du jetzt noch einmal deine Klappe aufmachst kannst du was erleben, du sturer Esel!"

Bevor Chase etwas erwidern konnte, teilte sich die Menge und Phil trat hervor. Baggins war wie immer an seiner Seite, doch er lief weiter und legte sich vor Eve und Chase, als ob er Partei für sie ergreifen wollte.

„Ich bin ganz Eves Meinung, wenn auch aus anderen Gründen. Ihr könnt Cord und Chase nicht einfach erschießen. Dann seid ihr nicht besser als sie oder die Drei. Wir haben einen Rat, der über das Schicksal der Beiden entscheiden sollte!"

Derek zuckte mit den Schultern.

„Die Menge hatte schon entschieden!"

Phil starrte ihn zweifelnd an.

„Der Rat wurde von dem Volk gewählt. So und nur so funktioniert es. Wo kämen wir hin, wenn jeder gerade das tut, was ihm in den Kram passt? Sperrt die beiden ein. Morgen entscheiden wir!"

Keiner wagte es Phil zu widersprechen. Derek nickte Logan zu, hob Chase auf die Füße und zerrte ihn davon. Der wehrte sich und drehte sich verzweifelt zu Eve um.

„Eve! Wir müssen reden! Bitte!"

Sie nickte kaum merklich, was ihn aber zufrieden stellte. Ohne Widerstand ließ er sich von Derek fortführen. Ein anderer schnappte sich Cord und zog ihn ebenfalls fort.

Logan trat zu Eve.

Er glaubte es immer noch nicht.

„Wie konntest du, Eve! Er ist ein Monster! Wie konntest du dich nur auf ihn einlasse? Mh? Er war immer gemein zu dir und trotzdem bist du schwanger von ihm! Ich verstehe dich einfach nicht!"

Erin legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Sei nicht so gemein zu ihr. Im Moment bist du nicht besser als Chase es war. Eve hat wohl etwas in ihm gesehen, was wir nicht sehen! Und jetzt lass sie. Eve braucht Ruhe!"

Sie nickte Eve zu.

„Leg dich hin, Eve! Zuviel Aufregung ist nicht gut für das Baby! Ich sehe wie es dich mitgenommen hat! Keine Sorge, ich passe auf, dass Chase nichts passiert."

Eve nickte ihr dankbar zu und ging zu ihrem Haus!

Logan starrte Erin an.

„Du hast es gewusst! Du hast gewusst, das Eve mit Chase geschlafen hat! Und du hast auch gewusst, dass sie schwanger war."

Sie nickte.

„Ja. Deswegen habe ich ihr geholfen! Sie hatte es Chase sagen wollen, doch er hörte ihr nicht zu. Ich wollte nicht, dass Viola von ihrer Schwangerschaft erfährt. Du weißt, was sie getan hätte. Deswegen habe ich ihr zur Flucht geraten!"

Logan seufzte und legte seine Stirn gegen ihre.

„Sie hätte es Eve weggenommen und Chase hätte nie erfahren, dass er der Vater ist. Aber meinst du, es ändert etwas an an der Situation? Meinst du, es war so gut, dass er es erfahren hat?"

Erin nickte.

„Er sollte es wissen, dass er Vater wird. Ich habe wirklich gehofft, dass er es erfährt. Wer weiß! Vielleicht ändert dieses Kind nun alles!"

Logan glaubte nicht daran. Aber er hoffte es auch.



Chase wurde in einen Raum gebracht. Man nahm ihm die Fesseln ab und ließ ihn dann alleine.

Er setzte sich auf den Boden und lehnte seinen Oberkörper gegen die Wand.

Verdammt!

Er hatte mit allem gerechnet, als er hier her kam, aber nicht mit so etwas. Da war sogar Hoffnung in ihm gewesen, dass er einen Blick auf Eve erhaschen konnte. Aber das hatte ihn nun wirklich umgehauen.

Sie hatte sich verändert. Und er meinte damit nicht das Offensichtlichste, nämlich die Schwangerschaft.

Er wischte sich über das Gesicht.

Das war nicht mehr die Eve, die er gekannt hatte. Die frühere Eve hätte ihn nie als Esel bezeichnet oder ihm gesagt, dass er die Fresse halten sollte. Sie hätte den Kopf gesenkt und seine Beschimpfungen ertragen. Und als sie gesagt hatte, dass sie ihn liebt...er konnte es immer noch nicht glauben.

Er war nicht liebenswert. Ganz im Gegenteil. Alle hassten ihn. Und nun kam diese kleine Frau, die er immer wieder beleidigt hatte und behauptete, sie trüge sein Kind und dass sie ihn lieben würde. Dieses sanfte Wesen, dass er früher oft genug zerstören wollte, stellte sich vor ihn hin und beschützte ihn, als ob er es wert wäre. Gerade er! Er wusste selbst, was er alles getan hatte. Nicht nur mit Eve, auch mit anderen. Und bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte er nie ein schlechtes Gewissen gehabt. Na ja, bis auf das, was er Eve angetan hatte.

Dennoch hielt sie zu ihm!

Wenn er es nicht selbst erlebt hätte, würde er es nicht glauben wollen.

Eve hatte sich vor ihn gestellt und gedroht, dass Logan erst sie umbringen musste, bevor er an Chase gehen konnte.

Er legte seinen Kopf auf die Knie.

Konnte das wahr sein?

Wurde er wirklich Vater?

Ja, er hatte mit ihr geschlafen, aber war es da wirklich passiert? Oder hatte sie es nur gesagt, um ihn zu schützen? Er wusste es nicht!

Er grübelte sehr lange. Es wurde immer dunkler in dem kargen Raum und er begann zu frieren! Nicht einmal seine Jacke hatten sie ihm gelassen.

Er atmete tief durch!

Morgen würde es sich also entscheiden. Chase war sich sicher, dass sie ihn nicht ungeschoren davon kommen ließen. Aber das war ihm egal. Er wollte nur noch einmal mit Eve sprechen. Ihr sagen, wie leid ihm alles tat.

Er hörte, wie jemand die Tür öffnete. Langsam hob er den Kopf, stand dann aber schnell auf, als er Eve erkannte.

Sie hatte eine Schüssel in der Hand und eine Decke auf dem Arm. Lächelnd kam sie auf ihn zu.

„Eve!" Seine Stimme klang erleichtert.

Sie wirkte etwas unsicher und begann sofort, sich zu entschuldigen. Er hasste es, dass sie ihm gegenüber sich immer zu rechtfertigen versuchte.

„Keine Sorge... Ich habe Cord auch etwas gebracht. Aber ich weiß, du hast jede Menge Fragen. Deswegen habe ich ihn zu erst versorgt."

Er nahm ihr die Schüssel aus der Hand und roch daran. Erstaunt hob er die Augenbrauen, als ihm der Magen knurrte. Er hatte keine Ahnung, was da alles drin war, aber es roch köstlich. Seit Eves Verschwinden hatten sie kein so gutes Essen mehr bekommen. Er nahm den Löffel entgegen und begann mit Heißhunger zu essen.

„Das ist sehr gut! Himmel, Eve, du ahnst nicht, wie sehr ich dein Essen vermisst habe."

Sie lächelte und legte ihm die Decke über die Schulter, als er sich wieder auf den Boden setzte. Mit vollem Mund sah er zu ihr hoch und klopfte dann neben sich auf den Boden. Sie schüttelte lachend den Kopf.

„Oh nein! Selbst wenn ich da runter kommen sollte, hast du nachher Schwierigkeiten mich wieder rauf zu bringen! Glaube mir! Es ist besser, ich stehe!"

Er sah sich im Raum um, bis er einen Steinblock entdeckte. Er legte die Schüssel zur Seite und zog den Block etwas mehr zur Wand, so dass sie sich anlehnen konnte. Dann legte er die Decke darauf und reichte ihr seine Hand.

„Ich weiß nicht viel über Schwangere, aber dass sie nicht lange stehen sollten, das weiß ich! Und glaube mir, wenn ich dir sage, dass wir uns lange unterhalten werden!"

Sie setzte sich dankbar hin und reichte ihm aber ihr großes Schultertuch.

„Nimm das. Ich weiß, dass du frierst!"

Offenbar hatte sie mit Widerstand gerechnet, doch Chase nahm den Umhang und machte sich wieder an den Eintopf.

Sie beobachtete ihn eine ganze Weile schweigend, bis er fertig war. Dann sah sie ihn nur an und er starrte zurück. Immer wieder ging sein Blick zu ihrem Bauch, auf dem sie ihre Hand schützend gelegt hatte. es dauerte eine Weile, bis er sich räusperte.

„Ich weiß, ich sollte nicht fragen, aber stimmt es wirklich? Bin ich der Vater?"

Sie nickte, aber ihr Gesicht zeigte Enttäuschung und Wut.

„Was? Warum dieses Gesicht?"

Sie schnaubte.

„Was denkst du von mir, Chase? Das ich mit dir schlafe und sobald ich hier bin jemand anderes an mich heranlasse? Glaubst du das wirklich?"

Er schüttelte den Kopf.

„Entschuldige! So wollte ich es nicht ausdrücken. Aber...aber warum hast du mir nichts gesagt?"

Er setzte sich nun vor sie hin. Aber das bereute er, als er ihr wütendes Gesicht sah.

„Ich habe es versucht! Kannst du dich erinnern? An dem Abend bevor ich weg bin. Ich habe gesagt, ich müsste mit dir reden! Aber du arroganter Esel hast ja wieder gemeint, ich würde dich um ein weiteres Schäferstündchen anflehen! Oder etwas anderes. Keine Ahnung, was in deinem Kopf vorgeht!"

Er hob sein Kinn.

„Das habe ich nicht!"

Sie lachte spöttisch!

Wir können nie zusammen kommen, Eve! Ich werde eine Frau zugeteilt bekommen! Und das wird bestimmt nicht jemand von den Küchenschaben sein! Deine Probleme sind nicht meine! Waren das nicht deine Worte?"

Chase schämte sich einen Moment. So hatte er es zwar nicht ausgedrückt, aber genauso gemeint!

Er hob langsam seine Hand, wollte ihren Bauch berühren, aber stoppte mitten in der Bewegung. Sie schnaubte und nahm seine Hand und legte sie auf den Bauch.

„Es ist dein Kind, Chase. Ich werde nicht zulassen, dass es Viola bekommt!"

Er sah sie ernst an.

„Sie würde es nie bekommen. Selbst, wenn du bei mir geblieben wärst! Denkst du, ich hätte es zugelassen?"

Eve lachte traurig.

„Du hast immer noch keine Ahnung, Chase. Sie hätte es mir weggenommen. So wie sie dich deinen Eltern weggenommen hat!"

Er zog die Hand weg und hob seinen Kopf.

„Meine Eltern haben mich gehasst!"

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, das ist nicht wahr. Deine Eltern haben dich so sehr geliebt, dass auch sie geflohen sind. Doch ihre Flucht wurde bemerkt. Dein Vater wurde erschossen und deine Mutter haben sie nach deiner Geburt alleine in der Wüste zurück gelassen. Nur dich haben sie mitgenommen."

Er riss die Augen auf. Nein! Das stimmte nicht.

„Das ist eine Lüge!"

Sie schüttelte traurig den Kopf.

„Wir wurden alle unseren Eltern weggenommen. Wundert es dich nicht, dass man nie Kinder sieht? Ich habe nicht ein einziges Kinderlachen gehört. Oder ein Weinen! Kannst du das Gegenteil behaupten?"

Chase starrte sie an. Er konnte es nicht glauben. Dennoch wusste er, dass sie Recht hatte. Er hatte nie Kinder gehört. 

Er seufzte leise, dann griff er in seine Hosentasche, als er sich an den Umschlag erinnerte, den Logan zurück gelassen hatte. Mit zitternden Händen öffnete er den Umschlag. Er schaffte es nicht. Eve nahm ihm den Umschlag vorsichtig ab und riss ihn auf. Aber sie holte die Papiere nicht heraus, sondern reichte ihm wieder den Umschlag.

„Danke!"

Chase nahm das erste Blatt Papier heraus und begann zu lesen. Dann wischte er sich über das Gesicht und schloss einen Moment die Augen. Den zweiten Brief las er auch.

Er schätzte es Eve hoch an, dass sie nichts sagte, sondern ihn nur beobachtete. Er reichte ihr die Blätter.

„Es scheint so, als ob du Recht hattest. Mit allem! Ich war so blind! Kein Wunder, dass mich Viola so hasst. Sie wollte meinen Vater haben und war schwer enttäuscht, als er sich für meine Mutter entschied!"

Was er in den Händen gehalten hatte, war ein Brief, den seine Mutter an seinen Vater geschrieben hatte. Dort hatte sie ihm versichert, wie sehr sie ihn liebte und Viola ihr deswegen das Leben zur Hölle machte. Sie flehte ihn an, mit ihr zu fliehen. Besonders da sie zu dem Zeitpunkt schon schwanger war. Der zweite Brief war von seinem Vater. Er hatte seiner Mutter versichert, wie sehr er sie und sein Baby lieben würde.Und das er alles für sie tun würde.

Als Eve den Brief weglegte und ihm sanft über das Gesicht strich, legte er den Kopf auf ihren Bauch.

„Verflucht, Eve. Wenn ich das vorher alles nur geahnt hätte...es tut mir so leid. Auch wie ich dich behandelt habe. Ich hatte kein Recht dazu! Verzeih mir bitte. Das ist das einzige, was ich mir noch wünsche. Ich weiß, dass die Rebellen mich morgen verurteilen werden. Und ich werde sterben."

Sie wollte etwas erwidern, doch er legte ihr einen Finger auf den Mund.

„Du hast keine Ahnung, was ich seit deinem Verschwinden alles getan habe. Ich bin ein Monster! Sie werden mich töten und ich hätte es verdient! Aber wenigstens weiß ich, dass du und unser Kind in Sicherheit seid! Mehr brauche ich nicht. Nur noch, dass du mir verzeihst!"

Sie lächelte ihn an.

„Chase! Du dummer Esel! Das habe ich schon längst!"

Er schlang seine Arme um ihre Hüfte.

„Das ist alles, was ich...."

Die Tür schwang auf. Phil stand vor ihnen, seine Haare noch chaotischer als es sonst war.

„Steht auf! Wir haben nicht viel Zeit!"

Chase starrte den alten Mann verwirrt an.

„Keine Zeit? Wozu keine Zeit?"

Jetzt kam auch Erin in den Raum.

„Logan hat die Wachen abgelenkt! Wir haben euch einen Wagen bestückt. Er wartet draußen. Ihr müsst fliehen. Phil hat schon vor gefühlt und es sieht so aus, als ob du morgen hingerichtet wirst, Chase. Und auch Cord. Ihr solltet so schnell wie möglich hier verschwinden!"

Chase schüttelte den Kopf.

„Ohne Eve werde ich nirgends hingehen!"

Phil schnalzte mit der Zunge.

„Natürlich wird dich Eve begleiten. Aber du musst mir versprechen, dass ihr nicht mehr zu den Drei zurückkehrt. Reist in den Norden. Jeder vermutet, dass die Wüste nicht endet. Aber ich weiß, dass es weiter geht, wenn man nur Geduld hat. Ihr werdet einen Platz finden, der für euch sicher ist."

Chase stand auf und zog Eve nach oben.

Er sah ihr fest in die Augen.

„Willst du mit mir gehen?"

Sie grinste.

„Ich habe keine andere Wahl, wenn dein Kind mit seinem Vater aufwachsen soll, oder?"

Er küsste sie hart auf den Mund und wandte sich an Phil.

„Dann los!"



Die Flucht wurde erst am anderen Morgen bemerkt. Außerdem fehlten einige Sachen. Einige Stoffballen, Geräte, die man zum Ackerbau gebrauchen konnte und verschiedene Samen. Außerdem zwei Rinder und ein Bulle, einige Hühner und Lebensmittel. Phil war auch ganz traurig, dass die drei Fliehenden wohl auch Baggins mitgenommen hatten. Er blieb den ganzen Tag über in seiner Höhle und ab und zu konnte man ihn schluchzen hören, obwohl einige behaupteten, der alte Mann würde nicht weinen, sondern eher lachen. Er war wohl verrückt geworden.

Seltsam war, dass es nirgends Ausbruchsspuren gab. Und die Wachen behaupteten steif und fest, sie hätten nichts von dem Verschwinden bemerkt.

Niemand glaubte daran, dass die zwei Soldaten selbstständig geflohen waren. Sie hatten Hilfe!

Und als man das Fehlen von Eve bemerkte wurde jedem sofort klar, wer ihnen geholfen hatte. Auch ihr Auftreten am Tag zuvor und als sie verraten hatte, dass Chase der Vater ihres Kindes war, konnten sich alle denken, dass sie es gewesen war.

Die meisten nahmen es ihr nicht übel, dass sie Chase geholfen hatte. Sie hatten aber Angst vor Chase. Niemand wusste, ob sie wieder zurückgegangen waren.

Eine Einheit, die sie suchen sollte, kam wieder zurück. Von ihnen fehlte jede Spur!

Phil lächelte.

Er hoffte, dass sie glücklich werden würden. Er bedauerte es zwar, dass er wahrscheinlich nie wieder etwas von ihnen hören würde, aber so war es besser. Er hatte gesehen, in welche Richtung Chase gefahren war. Sie hatten wirklich den Norden eingeschlagen und Phil war sich sicher, dass Chase Eve geglaubt hatte, dass sie in Gefahr waren.

Er hatte mit Logan und Erin alle Spuren beseitigt und Logan war sogar soweit gegangen, dass er die Funkgeräte mit Blut beschmiert hatte und sie in der Nähe der Drei platziert hatte.

Jeder würde glauben, dass Chase und Cord tot waren. 

Alles war gut!


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top