3. Kapitel - Das Fest und die Folgen
Logan lehnte sich gegen die Wand.
Er wartete!
Auf Erin!
Den ganzen restlichen Abend waren ihm ihre Worte nicht aus dem Kopf gegangen. Sie wusste irgendetwas und er wollte wissen, was es war. Sie war sich so sicher gewesen. Und das war man sich eigentlich nur, wenn man etwas gesehen hatte. Er wollte wissen, was es war, was Erin gesehen hatte.
Das Fest war im vollen Gange.
Wie nicht anders zu erwarten, waren Chase und Cord schon betrunken auf dem Fest erschienen und schikanierten die Neuen. Logan verzog angewidert das Gesicht. Wie konnte man sich nur so gehen lassen?
Seufzend wandte er sich ab und starrte wieder zur Tür.
Die meisten waren schon da, aber von Erin fehlte jede Spur.
Wollte sie dem Fest fernbleiben?
Das wäre ein Affront gegen die Gemeinschaft. Gegen das System! Er hoffte, dass sie sich nicht gleich am ersten Tag bei den anderen so einführte, wie bei ihm.
„Suchst du jemand?"
Erschrocken fuhr er zusammen. Erin stand neben ihm und grinste.
Nachdem er sich etwas erholt hatte, atmete er tief ein.
„Wenn ich ehrlich sein soll, ja! Dich!"
Sie riss die Augen auf.
„Mich? Nach unserem letzten Gespräch hatte ich eher das Gefühl, du wolltest mir aus dem Weg gehen! Du bist ja regelrecht vor mir geflohen!"
Er nickte.
„Das hatte ich auch erst vor! Es war nicht sonderlich klug von dir, mich gleich am ersten Tag mit so etwas zu konfrontieren."
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich genau weiß, was ich tue. Dem Kriegerpenner hätte ich es bestimmt nicht gesagt, obwohl er mir das bestimmt geglaubt hätte!"
Sie zeigte mit dem Kinn zu Chase.
Logan fletschte etwas die Zähne.
„Es ist egal, ob er dir das geglaubt hätte. Chase ist ein Typ, der so etwas auf Garantie gegen dich verwendet hätte, nur um ein Vorteil zu bekommen! Und glaube mir, er hätte dir nicht zugehört!"
Sie nickte.
„Das stimmt. Aber er hat Zweifel und einen Hass auf Viola! Und das verstehe ich total! Man kann eigentlich froh sein, dass er im Moment nichts Schlimmeres anstellt!"
Logan glaubte sich verhört zu haben.
Erst Eve und jetzt Erin. Warum hatten sie alle Verständnis für den Idioten?
„Chase ist ein durchtriebener Depp! Es ist ihm egal, wie sehr Viola ihn brüskiert. Er macht sein Ding. Und er kann es!"
Wieder ein Nicken.
„Oh ja. Wie viele Rebellen hat er denn schon getötet?"
Logan lachte sarkastisch.
„Laut den neusten Meldungen waren es fünfzehn. Allein diese Woche!"
Sie riss die Augen auf.
„Er ist besser, als es in seinen Akten steht!"
Logan verschluckte sich an seinem Bier, dass er schon seit Stunden in den Händen hielt.
„Du hast in unsere Akten gesehen? In allen?"
Sie grinste ihn an.
„Willst du dir jetzt anhören, was ich weiß? Habe ich damit deine Aufmerksamkeit geweckt?"
Er nickte und zog sie fort von der Menge. Erst als sie in einem Büro angekommen waren, hielt er an und schloss die Tür.
„So. Jetzt erkläre mir mal, wie du an die Akten gekommen bist!"
Sie setzte sich auf einen Schreibtisch und ließ die Beine baumeln.
„Da muss ich etwas ausholen. Wusstest du, dass wir auf keinen Fall die ersten Jahre bei unseren Eltern aufgewachsen sind? Die Erwachsenen, wie du sie wahrscheinlich kennst, gibt es nämlich nicht!"
Logan hob eine Augenbraue.
„Ich kann mich sehr gut an meine Eltern erinnern. Sie haben mich groß gezogen und dann zu Viola gebracht, als es Zeit war meine Ausbildung zu beginnen. Wenn ich entlassen werde, sollte ich sie wieder sehen!"
Sie lachte spöttisch, dann wurde ihr Gesicht sehr ernst.
„Falsch! Deine Eltern existieren gar nicht. Zumindest nicht so, wie du es in Erinnerung hast. Sie wissen wahrscheinlich gar nichts von dir. Das, was du Erinnerungen nennst, hat dir Viola eingeflößt!"
Er schnappte nach Luft.
„Was? Wie kommst du darauf?"
Sie lehnte sich zurück und presste ihre Arme gegen ihren Oberkörper.
Sie wirkte sehr ernst.
„Ich bin früher aufgewacht, als Viola es vorausgesehen hat. Ich habe keine Ahnung, warum das so war. Aber ich habe sie gesehen. Die Lebensblasen, in der sie uns wachsen lassen!"
Logan hob eine Augenbraue.
„Was ist eine Lebensblase?"
Sie holte tief Luft.
„So wie ich das gelesen habe, sind die Erwachsenen nichts anderes als Kinderlieferanten. Die Frauen werden in speziellen Häusern gehalten, bekommen synthetisches Essen und wenn sie ihre fruchtbaren Tage haben, werden sie den Männern zugeführt. Sie sehen sich meist nur eine Nacht. Wenn die Befruchtung nicht gleich funktioniert hat, vielleicht auch mehrere Nächte. Sie sprechen nicht miteinander, sondern vollziehen den Akt und werden dann getrennt. Die eigentliche Arbeit machen nur wir! Die Erwachsenen sind wie Zombies und werden mit Medikamenten vollgepumpt!"
Logan setzte sich auf den Boden und starrte Erin an. Seine Beine hielten ihn nicht mehr. Wenn das wahr war, dann...er wollte gar nicht daran denken!
„Hast du sie gesehen?"
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein! Ich konnte mich nie weit von meiner Lebensblase entfernen. Sonst wäre es aufgefallen. Außer den drei Medien gibt es etwa eine Handvoll ausgewählter Erwachsener, die Bescheid wissen. Sie helfen den dreien. Mehr aber auch nicht. Die meisten der Erwachsenen erreichen nicht einmal das vierzigste Lebensjahr. Deswegen denke ich, dass deine sogenannten Eltern überhaupt nicht mehr leben."
Logan schluckte hart.
„Du lügst!"
Sie schüttelte den Kopf.
„Pass auf, Logan. Ich werde es dir irgendwie beweisen. Ich habe heute schon nach Schlupflöchern geschaut, aber noch nichts gefunden. Die Drei halten uns verschlossen, weil wir noch formbar sind. Aber sobald wir ein bestimmtes Alter erreicht haben, werden wir Frauen zu Brutmaschinen und die Männer nur hirnlose Drohnen! Die Rebellen haben das erkannt und kämpfen. Uns wird nur gesagt, dass sie sich gegen das System stellen. Aber sie kämpfen für Freiheit und um ihr Leben!"
Logan keuchte nach Luft. Er konnte es einfach nicht glauben. Ihm wurde schwindlig.
Sie hüpfte vom Tisch und drückte seinen Kopf zwischen die Knie.
„Es war wohl etwas zu viel für dich. Aber ich werde es dir beweisen, Logan!"
Er nickte, was ihm wieder einen Schwindelanfall verursachte.
„Das ist eine schwere Anschuldigung! Ich brauche Beweise. Und selbst dann wird es schwer! Keiner wird uns glauben!"
Sie nickte.
„Das weiß ich doch selbst! Aber wenn du es siehst, wirst du mir helfen?"
Er sah sie entsetzt an.
„Wie soll ich dir helfen?"
Sie schnaubte.
„Wir müssen die anderen davon überzeugen. Die Drei müssen vernichtet werden."
Er lachte spöttisch.
„Meinst du wirklich, du könntest Chase davon überzeugen? Auch wenn es noch nicht offiziell ist, ist er doch der Anführer der Krieger. Ohne die könnten wir nichts machen!"
Sie nickte.
„Das ist mir klar. Es wird schwierig ihn zu überzeugen. Aber sein Hass wird uns helfen!"
Logan schüttelte es innerlich. Sich mit Chase zusammen zu tun war das Letzte, was er wollte!
Aber er nickte.
„Beweise es mir und ich werde mir etwas ausdenken!"
Chase hatte seinen Spaß. Es war zwar nur sein Spaß, aber den genoss er. Die Neuen zuckten schon zusammen, wenn sie nur seine Stimme hörten.
Schnell trank er den letzten Schluck Bier und sah sich nach einem neuen Opfer um.
Oh ja, er war böse und gemein! Und das sollten alle spüren. Er würde sich nun ganz so benehmen, wie ihn Viola immer darstellte.
Er stand auf und bemerkte, dass seine Knie beachtlich wackelten. Er kicherte leise vor sich hin, räusperte sich dann aber. Er war besoffen, doch das durfte man ihm nicht anmerken.
Er sollte etwas frische Luft schnappen.
Langsam bewegte er sich durch die Menge, die ihm respektvoll Platz machte.
Kurz vor der Tür bemerkte er im Augenwinkel jemanden, der still und leise seine Arbeit machte.
Eine Frau! Vom Versorgungstrupp.
Er grinste teuflisch und nahm sich noch einen Schluck von einer Flasche, die auf dem Tisch stand. Einen Moment sah er Sterne vor den Augen.
Was wollte er noch einmal?
Ach ja! Die Küchenbedienstete nerven und ärgern. Vielleicht auch mehr!
Er stolperte und ging in ihre Richtung. Alles war verschwommen. Himmel, wie besoffen war er eigentlich?
Er sah wieder eine Frau, erkannte sie aber nicht.
Egal.
Er musste seine Wut heraus lassen.
Sie ging in Richtung einer Kammer, die er gut kannte. Dort wurde der Alkohol weg gesperrt. Nur eine hatte den Schlüssel. Das war Eve. Dass sie die Tür so unbeaufsichtigt ließ, war ein grober Fehler. Das würde er sie morgen spüren lassen. Erst einmal wollte er die Frau hier.
Er erkannte, dass sie einen langen Rock trug und ihr Haar offen war.
Wer war sie?
Sie ging in die Kammer und er folgte ihr.
Immer noch stand sie mit dem Rücken zu ihm.
Oh, das war ein Fehler.
Er ließ seine Hand auf ihre Schulter krachen.
Eve schrak zusammen, als eine Hand schwer auf ihre Schulter schlug. Sie drehte sich um und erkannte Chase, der hinter ihr stand. Na ja, stehen konnte man das nicht nennen, was er da tat. Er wankte beachtlich, seine Augen waren blutunterlaufen und blickten seltsam hin und her. Er war betrunken. Schlimmer als jemals zuvor.
„Chase! Was machst du hier?"
Er grinste sie an.
„Du kennst mich? Das ist sehr gut!"
Sie hob eine Augenbraue.
Erkannte er sie etwa nicht?
Offenbar nicht, denn er lächelte und schloss dann dir Tür zur Kammer.
„Chase! Was hast du vor?"
Er grinste weiterhin.
„Da du mich ja offenbar kennst, weißt du bestimmt, dass mir etwas vorenthalten wurde. Ich habe beschlossen, dass ich es mir hole. Und zwar bei dir!"
Sie starrte ihn an.
„Das ist nicht dein Ernst!"
Er wankte näher, aber sie wich ihm aus.
Etwas enttäuscht sah er sie an.
„Willst du es mir nicht geben, Mädchen? Du weißt wer ich bin. Ich bin der Beste!"
Er kam immer näher und versuchte Eve zu küssen.
Sie holte aus und verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige.
Er starrte sie wütend an.
„Du bist neu hier. Deswegen werde ich es dir erklären. Man verweigert sich nicht dem Besten."
Er stürzte sich nun auf sie und hielt ihre Arme fest.
„Chase...ich bin nicht neu...ich bin E..."
Bevor sie den Satz aussprechen konnte, küsste er sie grob auf den Mund. Sie wehrte sich heftig, doch er hielt sie unerbittlich fest. Nach einer Weile wurden seine Küsse sanfter, fast bittend.
„Bitte, Mädchen! Du glaubst nicht, wie ich dich im Moment brauche. Alle haben sich gegen mich verschworen. Ich...ich muss mich wieder wie ein Mann fühlen!"
Alles in ihr schrie nein! Er sollte sich zum Teufel scheren. Doch er war auf einmal so anders. Er wirkte verloren und seine Bitte erweichte ihr Herz. Aber sollte er wieder grob werden, würde sie ihn stoppen. Das schwor sie sich.
Sie befreite sanft ihre Hände und legte sie auf seine Wangen. Er war so betrunken, er würde es wahrscheinlich nur beim Küssen belassen.
Sie bot ihm die Lippen an und er küsste sie wieder so sanft wie vorher. Alles Grobe und Stürmische war weg. Er war nur noch zärtlich und das kannte sie nicht von ihm.
Er drängte sich näher an sie. Sie spürte etwas Hartes an ihrem Bauch. Verwundert öffnete sie die Augen und sah, dass er lächelte.
Himmel! Warum war er so erregt, wenn er doch so betrunken war, dass er sie nicht einmal erkannte.
Sie spürte die Wand an ihrem Rücken und dann seine Hände, die ihren Rock hochhoben, den sie heute angezogen hatte.
„Schlinge deine Beine um mich, meine Süße!", flüsterte er ihr ins Ohr.
Mit Schwung hob er sie auf seine Hüfte und sie schlang die Beine um ihn.
Er küsste sie, doch er wurde fordernder. Seine Zunge streiften ihre Zähne und dann ihre Zunge. Sie tat es ihm gleich und bald wurde sie sicherer. Sie schlang die Arme um seinen Hals und er fing an, sich an ihr zu reiben.
„Scheiße, Süße, du fühlst dich so gut an."
Sie lächelte und küsste ihn wieder, bis sie hörte, wie er den Reißverschluss seiner Hose aufmachte. Das konnte doch nicht sein. Wollte sie wirklich so weit gehen? Einen Moment sträubte sie sich gegen ihn.
„Bitte! Eve!"
Sie starrte ihn an. Chase hatte die Augen geöffnet und blickte in ihr Gesicht. Sein Blick war flehend. Einen solchen Chase hatte sie noch nie gesehen!
Wieder schmiegte sie sich an ihn und gab ihm so ihr Einverständnis.
Er griff unter ihren Rock und schob ihr Höschen zur Seite und streichelte ihre intimste Stelle.
Sie stöhnte leise auf.
„Eve, meine Süße! Ja, gib mir das, was die Arschlöcher mir verweigert haben!"
Er küsste ihren Hals, während er sie weiter streichelte. Seine Finger berührten ihre Scheide und nach einer Weile drang er mit einem Finger ein. Sie spannte sich an, wollte mehr, aber er schüttelte den Kopf.
„Nein! Ich werde dir nicht wehtun! Ich kann noch warten! Ich will, dass du bereit für mich bist."
Sie schnaubte unwirsch.
„Das bin ich, du Idiot. Mach endlich was!"
Er lachte verblüfft, dann küsste er sie und drang langsam in sie ein. Sie bemerkte am Rand, dass er nicht einmal seine Hose herunter gezogen hatte. Eigentlich müsste sie sauer deswegen sein, doch er fühlte sich so gut in ihr an, dass sie ihm das schnell verzieh!
Er stöhnte leise an ihrem Hals, bevor er sie an der Stelle küsste, an der ihr Puls hektisch schlug.
Seine Stöße wurden immer schneller.
Er stöhnte heißer auf und küsste sie immer wieder.
Sie klammerte sich an ihn.
„Chase!", stöhnte sie leise.
Er drückte sie gegen die Wand, dass ihr Rücken schon schmerzte, aber er nahm nun keine Rücksicht mehr auf sie. Immer wieder stieß er in sie, bis er auf einmal laut aufstöhnte und in die Knie ging. Er behielt sie in seinen Armen, bis er wieder zu Atem kam.
„Ich...danke dir, Eve! Aber, es wird nichts zwischen uns ändern!"
Sie wollte sich bei den Worten aus seiner Umarmung befreien, doch er hielt sie eisern fest.
„Das hast du gewusst, Eve. Ich bin ein Krieger. Und wenn ich für jemanden bestimmt werde, wird es niemals jemand von dem Versorgungstrupp sein."
Sie seufzte leise.
Das war ihr bewusst. Sie hatte von ihm nichts zu erwarten. Sie löste sich vorsichtig aus seiner Umarmung.
„Mir ist klar, dass ich nur der Lückenbüßer bin, Chase. Ich mach mir keine Illusionen, dass du auf einmal in mich verliebt sein könntest. Ich bin Realist, Chase."
Er sah zu ihr hoch. Sein Blick war traurig, doch das änderte sich gleich. Er wurde wütend. Sehr wütend.
„Dann verschwinde, du Realist!"
Sie schnaubte leise.
„Ich verschwinde und du wirst morgen da weiter machen, wo du heute Mittag aufgehört hast. Das weiß ich! Dir geht dein Ruf über alles. Daran ändert auch das hier alles nichts!"
Sie drehte sich um und sah ihn noch einmal über die Schulter an.
„Ich halte das aus, Chase. Aber ich weiß nicht, ob du es erträgst!"
Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie aus der Kammer.
Acht Wochen später
Erin saß mit den anderen Strategen beim Abendessen und beobachtete, wie Chase Eve wieder drangsalierte. Es durfte ihr eigentlich nichts ausmachen, aber es schien so, als ob Chase immer schlimmer mit Eve umging. Sie wurde immer ruhiger und die Blicke, die sie ihm ab und zu zuwarf, würden jeden anderen Mann zusammenzucken lassen. Es hatte auch Wirkung bei Chase, allerdings nicht lange. Dann machte er weiter. Er merkte nicht einmal, dass seine ganzen Kollegen peinlich berührt waren. Ansonsten feuerten sie ihn an, doch wenn er Eve beleidigte, dann waren sie ruhig. Sie mochten alle Eve und verstanden ihren Anführer nicht.
Erin ging es genauso.
Seit sie hier war, hatte sie Eve kennen und schätzen gelernt.
Logan hatte Eve Erin vorgestellt und Erin mochte diese ruhige Frau, die für jeden ein Lächeln übrig hatte. Selbst für Chase, auch wenn man sah, dass es aufgesetzt war.
Doch nun machte Eve ihr Sorgen. Sie wirkte immer müde und abgespannt. Besonders morgens war sie blass und wenn Chase sie nervte, konnte sie teilweise die Tränen nicht zurückhalten.
„Sieh nicht hin! Wenn Chase bemerkt, dass wir uns für die Szene interessieren, geht es Eve noch schlechter."
Logan schob sich wieder einen Löffel in den Mund, ohne sie an zu sehen.
Das Verhältnis zwischen ihnen war auch angespannt.
Erin hatte noch keine Möglichkeit gefunden, Logan zu beweisen, dass sie Recht hatte. Sie suchte jeden Tag danach, aber sie kam einfach nicht weiter.
Es war ihr aber bewusst, dass sie jetzt so langsam Beweise liefern musste. Logan verfiel wieder in seinen alten Trott und alles, was die Medien ihm erzählten, nahm er für bare Münze.
Alle standen auf und ließen das Geschirr stehen, wo es war. Erin schnalzte mit der Zunge.
Merkten sie denn alle nicht, dass Eve nicht mehr konnte? Mussten sie unbedingt an diesem bescheuerten System festhalten und ihr die meiste Arbeit überlassen?
Sie sammelte die Teller ein und stellte sie auf den Tablett- Wagen, den sie Richtung Küche schob.
„Ich habe dir gesagt, dass es nichts ändern wird, Eve. Warum bestehst du nun so darauf mit mir reden zu wollen. Du hast dich auch so entschieden!"
War das Chase? Warum klang er so wütend?
„Du hast mir praktisch keine Wahl gelassen, Chase. Aber wir müssen wirklich miteinander reden. Es ist wichtig!"
Er schnaubte laut.
„Wenn es für dich wichtig ist, kann es für mich nicht wichtig sein, Eve! Ich kämpfe gegen die Rebellen und kann mich nicht um unwichtige Kleinigkeiten kümmern!"
Eve schluchzte leise.
„Hör auf zu heulen. Ich habe es versucht, aber du hast abgeblockt!"
Erin hob eine Augenbraue. Was hatte Chase versucht? Was lief da zwischen Chase und Eve?
„Ja, du hast abgeblockt. Ich wollte mit dir reden, erinnerst du dich? Aber du hast mich einfach stehen lassen, als ob ich ein Niemand wäre. Und jetzt soll ich dir wieder zuhören? Du hast mir auch nicht zugehört! Also lass mich in Ruhe!"
Erin zwängte sich in eine Ecke, als Chase wutschnaubend aus der Kammer kam. Vorsichtig schlich sie sich wieder hinaus. Sie hörte Eve weinen und ging leise in die Kammer.
Eve kniete auf dem Boden und weinte herzerweichend. Erin legte ihr eine Hand auf den Rücken. Eve erschrak und wischte sich schnell die Tränen weg.
„Erin! Hallo! Kann ich dir irgendwie helfen?"
Sie versuchte zu lächeln, aber es misslang ihr.
„Es scheint mir eher so, als ob ich dir helfen sollte. Was ist los, Eve? Und was hast du mit dem Arsch zu schaffen?"
Eve schlug sich wieder die Hände vor das Gesicht.
„Es ist besser, wenn du nichts von meinem Problem erfährst, Erin! Du kannst mir nicht helfen!"
Erin setzte sich neben sie und legte ihren Arm um Eves Schulter.
„Versuch es einfach. Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht. Mir ist nur nicht klar, was Chase damit zu tun hat!"
Eve lachte leise.
„Er hat sehr viel damit zu tun. Aber er will mir nicht einmal zuhören. Dabei kann nur er mir helfen! Doch er will nicht. Du hast es gehört!"
Auf einmal fiel es Erin wie Schuppen von den Augen.
„Oh mein Gott! Du bist schwanger von Chase!"
Erschrocken blickte Eve sie an. Doch dann nickte sie.
Kein Wunder war sie so verzweifelt.
Erin nahm ihr Gesicht in beide Hände.
„Hör mir zu, Eve. Du kannst nicht hier bleiben! Ich kann dir das jetzt nicht erklären, aber wenn Viola oder die anderen mit bekommen, dass du schwanger bist, werden sie dir das Kind weg nehmen!"
Eve sah sie verständnislos an.
„Wie meinst du das? Ich werde es aufziehen und später an Viola weiterreichen!"
Erin schüttelte den Kopf.
„Nein, Eve. Du musst mir glauben. Sie werden es dir wegnehmen und dich wahrscheinlich töten, weil du gegen das System verstoßen hast."
Eve starrte sie entsetzt an. Dann hielt sie sich die Hand an den Bauch.
„Ich will mein Baby nicht verlieren. Was soll ich tun?"
Erin holte tief Luft.
„Auch wenn du Angst hast, du musst fliehen. Vielleicht findest du ein paar Rebellen, die deine Geschichte glauben und dich aufnehmen!"
Eve nickte.
„Ich könnte fliehen!"
Erin starrte nun Eve an. Es steckte mehr in dieser Frau, als sie erwartet hatte.
„Wann kannst du hier verschwinden?"
Eve wischte sich die Tränen entschlossen weg.
„Heute Nacht! In einer Stunde kann ich weg sein!"
Erin nickte.
„Dann packe das Nötigste zusammen. Ich werde dir helfen, so gut ich kann!"
Eine Stunde später standen die Beiden wieder in der Küche. Keiner vom Versorgungstrupp war da doch die Küche blitzte vor Sauberkeit.
Erin sah, dass Eve nur ein kleines Bündel dabei hatte.
„Du brauchst mehr! Ich weiß nicht, wie lange du alleine sein wirst!"
Eve lächelte, aber sie wirkte traurig.
„Ich werde nicht lange alleine sein, Erin! Glaube mir. Ich habe nie geglaubt, dass ich darauf einmal zurückgreifen muss, aber ich habe eine Möglichkeit. Und dort wird auch für mich gesorgt!"
Sie reichte Erin die Arbeitskleidung von ihr.
„Du musst das hier anziehen, Erin. Und auch deine roten Haare sollten bedeckt sein. Man darf dich nicht so schnell erkennen. Ich werde mich in einem der Fässer verstecken. Du musst sie vor das Tor schieben und dich dann links halten. Schiebe mich so weit, bis du alte Fässer siehst. Dort kannst du mich heraus lassen."
Erin runzelte die Stirn.
„Warum?"
Eve seufzte.
„Es fällt auf, wenn wir zu zweit losgehen und nur eine kommt wieder zurück. Glaub mir, Chase hat die Wachen gut im Griff und sie werden dich beobachten, bis du zu dem genannten Platz kommst."
Erin zog sich den Kittel über und versteckte ihr Haar unter eine Kappe.
„Aber was erwartet mich auf dem Platz?"
Eve war schon voraus gegangen und stieg in ein leeres Fass.
„Erin, egal, was passiert, schreie nicht! Sie werden dir nichts tun, wenn sie mich erkennen!"
Erin schnappte nach Luft. Sie konnte sich denken, wer dort auf sie wartete. Auch wenn sie eine gute Meinung von den Rebellen hatte, im Moment hatte sie Angst! Was werden sie sagen? Würden sie Erin laufen lassen?
Sie stopfte ein Tuch über Eve und schmiss einen Eimer mit Essensreste darüber.
Dann schob sie den Wagen vorwärts.
Erst kurz vor dem Tor hielt man sie an.
„Halt! Was tust du noch hier?"
Erin schluckte hart.
„Versorgungstrupp! Ich muss die Reste vergraben!"
Der Mann, der Wache hielt, sah in das erste Fass und verzog das Gesicht.
„Wo ist Eve? Eigentlich ist sie dafür zuständig!"
Erin zuckte mit den Schultern.
„Es geht ihr nicht gut. Ich glaube, sie wird krank. Sie ist schon in ihrem Zimmer! Deswegen werde ich das heute übernehmen!"
Der Mann sprach es leise nach und Erin war klar, dass er mit seinem Chef sprach. Und der Chef war Chase! Sie hoffte nur, dass Chase ihr das abnahm.
Der Kerl wartete einen Augenblick, dann winkte er sie weiter.
„Beeile dich! Und dann kümmere dich um Eve! Und dann mache Meldung bei uns, wie es ihr geht!"
Erin nickte und passierte das Tor. Als sie außer Hörweite kam, beugte sie sich über das Fass, in dem Eve lag.
„Was ist das mit dir und Chase? Er ist immer gemein zu dir, aber er schickt mich, um mich um dich zu kümmern. Und er will wissen, wie es dir geht?"
Sie hörte, wie Eve leise seufzte.
„Er ist nicht immer so gemein, Erin. Er...er kann auch anders!"
Das glaubte Erin nun gar nicht.
Sie kannte Chase nur als gemeinen und miesen Kerl, der zwar kämpfen konnte, aber von anderen seine Leistung erwartete. Und an die kam keiner heran. Also bestrafte er sie auf die eine oder andere Weise. Sie konnte ihn nicht ausstehen.
„Wenn er erfährt, dass du weg bist, was wird dann geschehen?", flüsterte sie.
Eve schwieg eine ganze Weile.
„Ich weiß es nicht, Erin! Ich hoffe, ich bin ihm wirklich so egal, wie er es vorhin behauptet hat. Ansonsten tut es mir leid für alle!"
Erin schnaubte.
„Mach dir keine Gedanken um uns, Eve! Denke nur an dich und dein Baby!"
Sie schob den Karren weiter, bis sie an dem Platz angekommen war, den Eve beschrieben hatte. Es war sehr dunkel, aber Erin spürte, dass sie nicht allein hier war.
„Eve?", flüsterte sie ängstlich.
Eine Gestalt kam aus dem Schatten.
„Ja, das frage ich mich auch gerade! Wo ist Eve?"
Erin schnappte nach Luft. Ein großer Mann kam auf sie zu. Sie hatte erwartet, dass die Rebellen eher dürr und abgerissen aussahen, doch er sah stark aus. Er war etwa dreißig Jahre alt, hatte blondes Haar, das etwas über seinen Hemdkragen ging. Sein Bart war ordentlich gestutzt und seine Kleidung ähnelte denen, welche die Soldaten bei ihnen trugen. Sie kniff die Augen zusammen. Nein, das war Kleidung der Soldaten. Woher hatte er die Kleidung?
Das Fass, in dem Eve saß, wackelte etwas.
„Mach ihr keine Angst, Derek. Erin hilft mir!"
Das Gesicht des Mannes erhellte sich sofort, als er Eves Stimme hörte. Doch dann verdunkelte es sich wieder.
„Warum brauchst du Hilfe, meine Kleine? Und warum versteckst du dich in dem verdammten Fass?"
Er half ihr aus dem Fass und hob sie auf dem Boden.
Eve schaute beschämt auf den Boden.
„Ich...ich...Derek, ich bin schwanger!"
Er holte tief Luft, dann umarmte er sie.
„Ich denke mal, es war keine Verbindung, die Travis gebilligt hat!"
Eve schüttelte den Kopf, aber sah nicht hoch.
Derek hob ihr Kinn hoch.
„Ich habe dir versprochen, dass ich dir helfen werde, wenn du jemals Hilfe brauchst! Du hast uns jetzt so lange geholfen. Da werde ich mein Wort nicht brechen."
Er pfiff leise und noch andere Männer kamen.
Sie füllten Kisten mit den Essensresten und verschwanden dann wieder so schnell, wie sie gekommen waren.
Derek wandte sich an Erin.
„Ich danke dir. Wir werden Eve beschützen. Warte noch einen Augenblick, dann kannst du zurück."
Erin nickte.
„Ich werde dafür sorgen, dass ihr wieder die Reste bekommt! Logan wird es nicht gefallen, aber mir wird etwas einfallen!"
Derek kniff ihr in die Wange.
„Das ist nett von dir, aber du solltest dich nicht in Gefahr bringen! Durch Eves Hilfe haben wir das Schlimmste überstanden und können uns selbst versorgen. Aber wenn ich es mir Recht überlege solltest du lieber mit uns mitkommen."
Erin grinste.
„Das werde ich nicht! Passt auf Eve auf. Ich suche immer noch nach Beweisen, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Aber ich komme einfach nicht aus unseren Zentrum heraus."
Derek nickte leicht.
„Der einzige Zugang geht durch das Büro des Chefs der Krieger. Suche hinter dem großen Aktenschrank. Du musst noch jemanden mitnehmen, sonst schaffst du es nicht! Seid vorsichtig. Aber dann werdet ihr die Wahrheit sehen!"
Erins Herz rutschte in die Hose.
„Toll. Ins Büro von Chase. Ganz klasse!"
Derek lachte.
„Du wirst es schaffen. Du bist die erste, die ich kennen gelernt habe, die etwas ahnt! Deswegen glaube ich an dich! Und wenn du Hilfe brauchst, komm zu uns. Solche mutigen Leute brauchen wir!"
Erin nickte und umarmte dann Eve.
Leicht fuhr sie mit der Hand über ihren Bauch.
„Pass auf dich auf. Und auf das Baby, auch wenn der Vater ein Arschloch ist!", flüsterte sie ihr zu. „Aber es wird in Freiheit geboren und von seiner Mutter geliebt!"
Eve nickte, aber man sah ihr an, dass sie Angst hatte. Derek nahm ihren Arm.
„Komm, Eve. Chase lässt dich nie lange aus den Augen! Wir müssen verschwinden!"
Erin winkte ihnen noch einmal zu, dann schnappte sie sich den leeren Wagen und ging wieder zurück.
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