2. Kapitel - Gefährliche Gedanken
Logan führte die Neuen zu den Räumen der Strategen. Im Laufen gab er schon Anweisungen, was von ihnen erwartet wurde. Die beiden Jungs steckte er in ein Zimmer, erklärte, was er jetzt von ihnen erwartete und wandte sich dann der jungen Frau zu.
„Du hast Glück. Weil sonst kein Mädchen da ist, wirst du ein Einzelzimmer bekommen! Das kann sich aber jederzeit ändern!"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Das wäre mir auch egal!"
Logan runzelte die Stirn.
„Wie meinst du das?"
Sie lächelte ihn übertrieben freundlich an.
„Das werde ich dir nun kaum auf die Nase binden. Ich weiß, wer du bist. Du bist Violas kleiner Liebling. Du sollst bald als Violas Begleiter ausgebildet werden! Ich traue dir genauso wenig wie dem ach so heiligem Dreigestirn!"
Logan stieß seinen Atem aus und schubste sie regelrecht ins Zimmer, bevor er die Tür schloss.
„Bist du wahnsinnig? Es ist dein erster Tag hier und du begehst so etwas wie Hochverrat. Ich sollte dich gleich wieder zu Viola schicken."
Sie schnaubte ihn böse an.
„Damit sie mit mir auch so eine Gehirnwäsche veranstaltet wie bei dir? Nein, danke. Dann schicke mich lieber hinaus zu den Rebellen. Denn lieber sterbe ich, als das ich so ein leichtgläubiges Arschloch werde wie du eines bist!"
Logan japste.
So etwas Freches war ihm noch nie untergekommen.
„Du hast keine Ahnung, mit wem du gerade redest."
Sie grinste ihn arrogant an.
„Oh doch! Das habe ich. Glaub mir, ich habe mich informiert, sobald ich wach war. Alle haben herum geheult und nach ihren Eltern geschrien, doch ich weiß es besser. Wenn du nun Chase wärst, würde ich meine Klappe halten, doch ich werde ein exzellenter Stratege werden. Und das weiß Viola! Sie hat mich schließlich darauf programmiert! Und du kannst nichts dagegen tun, außer mich zu ertragen!"
Logans Kopf ruckte nach oben.
„Sie...sie hat dich programmiert?"
Erin schüttelte belustigt den Kopf.
„Du glaubst also auch immer noch, dass deine Eltern dich erzogen haben? FALSCH! Ich weiß es besser! Unsere Eltern wissen nicht einmal, wie wir aussehen oder dass es uns gibt! Ich glaube nicht einmal, dass sie überhaupt noch leben. Und soll ich dir noch etwas sagen? Es ist ihnen auch scheißegal, was mit uns ist."
Logan kreuzte die Arme vor seiner Brust.
„Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Ich kann mich an meine Eltern noch erinnern. Sie waren sehr liebevoll zu mir!"
Erin lachte laut. Es war kein fröhliches Lachen.
„Ach ja? Wenn sie dich so sehr geliebt haben, warum haben sie dich dann nicht behalten, hm?"
Logan legte den Kopf schief.
„Na ja, es wurde ihnen befohlen, dass sie mich abgeben, damit ich eine optimale Ausbildung bekomme!"
Wieder lachte sie.
„Ach so! Wenn ein anderer das zu mir gesagt hätte, wäre ich glatt darauf hinein gefallen. Aber jetzt erkläre mir doch einmal: wie kann es sein, dass dies schon jahrelang gut geht? Dass keine Mutter, kein Vater sich jemals dagegen gewehrt hat? Und wie kann es sein, dass niemand mehr etwas von seinen Eltern hört? Kannst du dich daran erinnern, wie sie dich zu Viola gebracht haben? Oder bist du auch eines Tages in einem sterilen Zimmer aufgewacht, mit lauter vermummten Menschen um dich herum?"
Logan schnaubte. Doch dann überlegte er.
Verflixt!
Sie hatte Recht. Er konnte sich noch daran erinnern, dass seine Eltern mit ihm über seine Ausbildung gesprochen hatten. Aber dann verschwammen seine Erinnerungen. Und er war wirklich in so einem Zimmer aufgewacht.
Dennoch wollte er es nicht glauben.
„Ich höre mir deinen Blödsinn nicht länger an, Erin. Zieh dich um und komm in die Schaltzentrale!"
Sie lachte, als er sich umdrehte.
„Ich habe Recht, ist es nicht so? Und das macht dir gerade eine Heidenangst!"
Er hörte ihr nicht mehr zu, sondern knallte die Tür zu und ging zu der Schaltzentrale.
Dennoch konnte er ihre Worte nicht vergessen.
Was wusste sie? Und woher wusste sie es?
Sie war sich so sicher!
Und je mehr er darüber nachdachte, kamen ihm Zweifel.
Er schüttelte den Kopf.
Nein, das war alles eine Lüge.
Er sollte sie wirklich melden!
Aber irgendetwas hinderte ihn daran. Es war ihre Entschlossenheit. Und auch die Weigerung zu Viola zu gehen. Außerdem erinnerte er sich noch daran, dass Viola sie nicht freundlich angesehen hatte. Es war fast so, als ob sie ahnte, dass Erin eigentlich nicht zu ihnen gehörte. Sie war einfach kein Teil des Systems. Und dennoch hatte Viola sie zu ihm geschickt. Wie hatte ihn Erin vorhin noch genannt? Ja, Violas Liebling! Sollte er diese Frau mäßigen und sie wieder auf den richtigen Weg bringen? War sie deswegen zu ihm eingeteilt worden? Oder war sie wirklich eine exzellente Strategin?
Er öffnete die Tür des Büros und setzte sich auf den erstbesten Stuhl, den er fand. Verwirrt wischte er sich über das Gesicht. Das konnte nur ein Zufall sein. Oder wollten die Drei ihn prüfen und Erin spielte ihm nur etwas vor? Und warum hatte sie Chase erwähnt?
Er schnaubte. Gerade Chase!
Mit ihm würde Logan nie warm werden.
Schon von Anfang an waren sie Konkurrenten, auch wenn sie nie länger als fünf Minuten miteinander gesprochen hatten. Dennoch konnte Logan Chases Art nichts abgewinnen. Chase war einfach ein übler Kerl, der mit niemand auskam.
Aber was, wenn Erin Recht hatte und es überhaupt nicht Chases Schuld war? Wenn er so von Viola gemacht wurde? Hatte er nicht selbst gesehen, wie Viola Chase immer wieder bestrafte? Dass sie ihn hasste?
Logan wischte sich über das Gesicht.
Die Gedanken wirbelten nur so durch seinen Kopf.
Himmel, das war alles Mist!
Und er hatte das Gefühl, er wäre mittendrin!
Viola packte das schreiende Balg an den Füßen und legte es in die Klappe. Dann betätigte sie einen Hebel und ließ den Schreihals vor die gesicherten Mauern plumpsen.
Wieder ein Kind, das sie nicht gebrauchen konnten.
Travis hatte eine neue Maschine entwickelt, die schon in jungen Jahren erkennen konnte, ob das Kind Krankheiten, Behinderungen oder rebellische Gedanken bekommen würde. Leider hatten sie nun immer weniger Kinder, die sie erziehen konnten.
Sie schnaubte leise. Selbst denjenigen zu erlauben sich weiter fortzupflanzen, die eigentlich ihre Ausbildung noch nicht beendet hatten, war ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Die Erwachsenen wurden unfruchtbar.
Warum auch immer.
Sie hatten keine Ahnung.
Aber es gab im Moment keine Schwangere mehr, auch wenn sich jede Frau an den genauen Plan halten musste. An ihren fruchtbaren Tagen wurden sie zu den Männern geführt. Doch es passierte nichts. Und wenn Kinder geboren wurden, hatten sie irgendeinen Defekt.
Die Tür wurde aufgestoßen und Travis erschien mit Bill.
„Was habe ich gehört? Du hast Chase nicht eingeteilt? Er hat keine Frau von dir bekommen?"
Sie hob ihr Kinn.
„Er hat es nicht verdient!"
Travis war wütend.
Und eigentlich legte man sich dann nicht mit ihm an.
„Ich habe dir genaue Anweisungen gegeben. Chase ist einundzwanzig und im besten zeugungsfähigem Alter! Wir brauchen Soldaten. Du weißt selbst, dass unsere Auswahl geringer geworden ist. Und die Rebellen werden immer stärker. Was hat dich also daran gehindert unserem besten Soldaten eine Frau zuzuweisen?"
Viola ging zur nächsten Lebensblase.
Das Kind darin war vielversprechend. Allerdings war es ein Stratege! Sie brauchten mehr Krieger!
„Ich bin immer noch für die Kinder verantwortlich. Diese Paarung, die du vorgesehen hast...was wäre das für ein Kind geworden?"
Travis schnaubte.
„Es wäre ein sehr guter Krieger geworden! Du weißt selbst, dass wir sie nur für die Sicherung behalten können, bis sie vierundzwanzig sind. Danach ist der Samen schwach und wir müssen mehr Arbeit in sie investieren, damit etwas Gutes dabei herauskommt. Und sie haben ihre eigene Meinung. So wie du Chase behandelt hast, werde ich ihn danach nicht mehr lange am Leben lassen können. Ihn kann man nicht lange unter Kontrolle halten!"
Viola knurrte.
„Ich habe Chase so erzogen, dass er dir immer dienen wird. Er ist ein Krieger durch und durch. Und ich habe noch drei Jahre Zeit, bis er weg muss!"
Bill hob die Hände.
„So kommen wir nicht weiter, Viola! Wir wissen, wie sehr du Chase hasst. Es liegt an seinem Erzeuger, oder? Du hättest dich selbst gerne Cave hingegeben."
Viola wurde kreidebleich.
Das war eine andere Geschichte und sie wollte nicht daran erinnert werden.
„Cave war etwas Besonderes. Aber er wollte mich nicht!"
Travis lachte laut aus.
„Du warst ihm zu alt! Cave war fünfunddreißig Jahre jünger als du. Er war ein genauso guter Krieger wie es nun sein Sohn ist. Er hatte die Auswahl und er hat dich nicht genommen. Selbst jetzt, über zwanzig Jahre nach seinem Tod nimmst du ihm das noch übel!"
Ja! Viola nahm es Cave noch übel. Sie hatte ihn vom ersten Tag an geliebt, als sie ihn entlassen hatte. Cave war ein starker Mann gewesen, genau wie sein Sohn jetzt.
Groß, blond und stark! Er war der geborene Beschützer und die Frauen himmelten ihn an.
Sie hätte ihn gerne als Gefährten gehabt, besonders, als er sich hochgearbeitet hatte. Als Belohnung durfte er sich eine Frau aussuchen. Viola hatte ihm gesagt, dass sie auch sehr interessiert an ihm wäre und dass er einige Annehmlichkeiten zugesprochen bekommen würde, wenn er sich für sie entscheiden würde. Doch er hatte nur gelacht und sich für Desiree entschieden. Eine ebenso gute Kriegerin, mit der er oft auf Einsätzen gewesen war.
Viola schnaubte, als sie an den blonden Engel dachte, der aber sehr gut an der Waffe war.
Sie hatten sich beide in einander verliebt und sobald Desiree schwanger war, wollten die beiden fliehen. Doch Viola hatte von ihrem Plan erfahren, hatte andere Krieger geschickt, um sie zurück zu holen und ihnen Chase weggenommen.
Cave kam bei dem Fluchtversuch ums Leben und Desiree hatten sie in der Wildnis ausgesetzt. Niemand wusste, was aus ihr geworden war.
Viola hatte dafür gesorgt, dass er keine guten Erinnerungen an seine Eltern hatte. Er hasste seine Eltern und das war allein Violas Verdienst. Und es war ihr eine Genugtuung.
Travis unterbrach ihre Gedanken.
„Bei der nächsten Bekanntgabe wirst du Chase eine Frau zuteilen. Und auch Logan!"
Viola schüttelte entsetzt den Kopf.
„Nicht Logan. Er ist so unschuldig!"
Travis schnaubte.
„Es ist mir egal. Wir haben für Nachwuchs zu sorgen. Und du wirst deine Gefühle hinten anstellen! Suche eine passende Frau für Chase und für Logan! Wir müssen beide bei Laune halten!"
Ohne auf sie weiter ein zu gehen, drehte er sich um und verschwand. Bill blieb noch einen Moment.
„Es hätte dir klar sein sollen, Viola. Es kommt alles zurück, was du verbrochen hast. Ich habe es gesehen. Wenn du nicht nachgibst, wird es böse enden!"
Auch wenn sie etwas anderes behaupteten, war Bill der Einzige, der die Gabe der Voraussicht hatte. Doch sie waren nicht so stark ausgebildet, wie Travis immer behauptete. Es waren eher Andeutungen.
Deswegen tat Viola sie mit einem Schulterzucken ab.
„Ich lass nicht zu, dass es noch einen Soldaten gibt, der mich verschmäht!"
Bill schüttelte fassungslos den Kopf.
„Viola. Du bist nun beinahe achtzig Jahre alt. Ich weiß, warum du immer noch so jung aussiehst. Ich weiß, dass du von dem Serum nimmst, dass wir zum Schutz brauchen. Trotzdem wirst du verlieren. Gib nach! Ich bitte dich!"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ich werde es mir überlegen!"
Chase hatte keine Lust auf dieses verdammte Fest!
Warum musste er da unbedingt hin?
Er hatte doch heute gesehen, was von ihm gehalten wurde.
Er fragte sich nur, warum Viola ihn so hasste. Er tat seine Arbeit, war ein Arschloch und tötete Rebellen. Auch wenn es nach außen hin den Anschein machte, dass es ihn kalt ließ, war er innerlich wütend.
Das Einzige, was Spaß machen könnte, war, dass er die Neuen und die niedrigen Ränge nieder machen konnte. Aber dazu brauchte er eine bessere Laune.
Chase ging an seinen Schrank und holte eine Flasche Whiskey heraus.
Heute Nacht würde er sich volllaufen lassen. Wenn er morgen nicht die übliche Leistung brachte, dann war diese „Strafe" wenigstens gerechtfertigt.
Bevor er den ersten Schluck aus der Flasche nehmen konnte, klopfte es an der Tür. Fluchend stellte Chase die Flasche ab und öffnete dem Besucher. Cord stand vor ihm und er wirkte alles andere als glücklich.
„Cord! Ich dachte, du bist mit Gwendolyn im vollem Gange!"
Cord zuckte mit den Schultern.
„Weißt du noch, als wir uns über ihren Intelligenzquotienten lustig gemacht haben? In Wahrheit ist es noch viel schlimmer!"
Cord wirkte beinahe verzweifelt, als er sich auf die Couch schmiss, die Flasche beäugte und sie dann an sich nahm.
Chase verdrehte die Augen.
Verdammt, er hatte keine Lust sich mit Cord über Gwendolyn zu unterhalten. Aber Cord schien das nicht zu spüren.
„Ich habe sie mir geschnappt und bin mit ihr in mein Apartment. Gerade als ich in die Vollen gehen will, schaut sie mich seltsam an und meinte, sie hätte eigentlich gedacht, dass sie dir zugeteilt wird."
Chase schüttelte sich.
Nie hätte er sich mit Gwendolyn eingelassen. Zumindest nicht freiwillig. Etwas Intelligenz musste die Frau schon haben. Vor allem konnte er Cord verstehen, wenn er danach abgehauen war.
„Sorry, Kumpel!"
Cord winkte ab und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Chase setzte sich ihm gegenüber und verlangte die Flasche zurück.
„Das ist doch nicht deine Schuld! Aber ich bekam dann keinen mehr hoch. Sie war enttäuscht, sah aber nicht ein, dass es eventuell an ihr gelegen haben könnte!"
Chase lachte leise und nahm selbst einen Schluck.
Der Whiskey brannte höllisch, aber das war jetzt genau das, was er brauchte.
„Und da hast du beschlossen, dass du zu mir kommst und dich beschwerst?"
Cord schüttelte den Kopf.
„Nein! Aber ich habe mir gedacht, dass du dich schon einmal für das Fest vorbereiten willst." Er zeigte auf die Flasche. „Und ich hatte Recht! Also, wie ist es? Lassen wir uns gleich volllaufen und das Fest die anderen feiern?"
Chase schüttelte den Kopf.
„Wir müssen Präsenz zeigen! Außerdem will ich den Neuen zeigen, dass sie nichts zu melden haben! Und die Küchenschaben sollten auch wieder ihr Fett weg bekommen!"
Cord lachte.
„Hast du Eve heute nicht schon genug gequält? Warum eigentlich immer sie? Sie ist eigentlich ein nettes Mädchen, aber immer hackst du auf ihr herum."
Chase hatte darauf keine Antwort.
Cord hatte Recht. Sie war nett und sie versuchte auch alles, um es ihm Recht zu machen, aber irgendwie wollte er niemanden zeigen, dass er sie eigentlich ganz nett fand.
„Sie muss lernen, wo ihr Platz ist, Cord! Und das hat sie immer noch nicht begriffen!"
Cord setzte sich auf.
„Das ist Blödsinn, Chase. Wenn es jemand verstanden hat, dann Eve! Lass sie doch einfach mal in Ruhe!"
Das konnte Chase nicht versprechen. Es reizte ihn einfach, sie zu erniedrigen. Dass er danach immer wieder versuchte, es gut zu machen, behielt er für sich.
Er nahm noch einen großen Schluck.
„Willst du mich weiter voll labern? Oder sollen wir den Abend mal so richtig genießen!"
Cord nahm ihm die Flasche weg.
„Da fragst du noch? Her mit dem Zeug und dann auf das Fest!"
-EX
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