14.Kapitel - Wut und Hass / Liebe und Versprechen
„Ich habe mit Cord gesprochen!"
Logan sah auf. Er hatte nicht einmal gehört, dass Chase sich neben ihn gestellt hatte. Verflucht, Chase hatte immer noch nichts verlernt. Er hätte ihn jederzeit verletzen können und Logan hätte sich nicht einmal wehren können, weil er ihn zu spät bemerkt hätte. Doch Chase schien friedlich zu sein. Zumindest beschimpfte er ihn nicht gleich oder beleidigte ihn.
Logan versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich erschrocken hatte.
„Und?", fragte er nur.
Chase holte tief Atem.
„Ich komme mit euch! Cord ebenfalls. Aber ich werde nur so lange bleiben, bis es erledigt ist. Dann gehe ich wieder. Ich denke, dann ist meine Schuld beglichen!"
Logan legte seine Hände auf den Zaun und schaute in den blauen Himmel.
Er war schon früh aufgewacht und war hier her gekommen um dieses Wildpferd zu beobachten.
Es war wunderschön, aber wild und gefährlich. Er hatte von Cord erfahren, dass sich nur Chase ihm nähern konnte. Irgendwie hatte Cord sogar das Gefühl, dass dieses Pferd nur bei ihnen blieb, weil es Chase respektierte. Das würde auch auf Chase passen.
Er seufzte leise.
„Weißt du, ich habe nie an Schuld gedacht! Meiner Meinung nach konntest du nichts für deine Taten! Ich denke,dass du dich ganz anders entwickelt hättest, wenn du nicht in Violas Krallen gelandet wärst"
Chase verzog den Mund.
„Seltsame Worte für jemanden, der mich vor nicht allzu langer Zeit ohne mit der Wimper zu zucken, erschossen hätte."
Logan zuckte mit der Schulter. Ja, das hatte er machen wollen. Aber mittlerweile hatte er mit eigenen Augen gesehen, dass er mit seiner Einschätzung, Chase würde sich nie ändern, völlig falsch gelegen war.
„Glaube, was du willst, Chase! Also, wann sollen wir gehen?", schnaubte er.
Chase sah auch auf das Pferd. Dann pfiff er leise und der Hengst kam auf ihn zu. Chase strich ihm über die Nüstern und das Pferd ließ sich das gefallen. Sobald allerdings Logan die Hand hob, schnappte der blöde Gaul nach ihm.
Chase lachte leise und Logan hob eine Augenbraue.
Es war ein gehässiges Lachen, aber ein Lachen. Aber er wurde schnell wieder ernst.
„Sobald wie möglich. Ich muss erst zu Carter. Ich hoffe, er hat noch Waffen. Ich brauche etwas zum Tausch."
Logan nickte.
„Nimm deinen Pick-Up mit. Dann tausche ich den Bus ein!"
Nun blickte ihn Chase stirnrunzelnd an.
„Wie sollen die ganzen Leute in einen Pick-Up passen?"
Logan zog das Genick ein. Himmel, wenn Chase diesen Blick drauf hatte, fühlte er sich um einiges jünger. Dabei war er genauso alt wie Chase.
„Victor und Ginny wollen hier bleiben! Victor meinte, er wäre zwar ein Krieger gewesen, könnte aber mit euch nicht mehr mithalten. Deswegen bleibt er hier und passt auf deine Familie auf."
Chase nickte. Damit war er anscheinend einverstanden.
„Und die Frau?"
Logan stieß sich vom Zaun ab.
„Es steht mir nicht zu, darüber zu reden. Aber es sind sehr persönliche Gründe. Du solltest selbst mit ihr darüber reden!"
Ohne auf Chase zu warten, ging er zu den Hütten.
„Ich bin nur noch am Reden! Merkt ihr eigentlich noch was? Ich bin kein Redner!"
Logan hob eine Hand, drehte sich aber nicht zu ihm um.
„Das ist dein Problem. Nicht meines!"
12 stand an der Wand und lauschte dem Gespräch zwischen Bill und dem Meister. Er verstand nicht alles, was sie sagten und das ärgerte ihn. Er wusste, dass er nicht klug war, aber immerhin etwas schlauer als die anderen mit denen er kämpfen musste.
Er mochte die Rebellen lieber als den Meister.
Deswegen hörte er zu und versuchte sich alles zu merken, was ihm jedoch schwer fiel.
Ihm war klar, dass er sich genau merken musste, was sie sagten, denn er erkannte den Sinn nicht, was sie hier erzählten. Aber die Rebellen würden schon wissen, was sie damit anfangen können.
„Ich habe die Blutuntersuchungen durchgeführt, die du haben wolltest, Travis!"
Der Meister nickte.
„Und? Ist es so, wie wir gedacht haben?"
Bill seufzte.
„Es ist vielversprechend was die Frauen angeht, aber es gibt keine Männer, die zu den Frauen passen! Es ist wirklich zum Verrückt werden. Keiner der Probanden hat den Abwehrstoff. Es sind die Frauen, die diese Fähigkeit wohl weiter vererben. Es gab nur eine Ausnahme, die ich kannte und er ist tot."
Travis schnaubte.
„Ich könnte Viola deswegen immer noch umbringen! Wir haben nichts von Chase!"
Bill nickte.
„Wenn wir nur Samenproben von ihm hätten, aber nicht einmal das hat sie veranlasst. Aber selbst dann wäre es nicht sicher, ob wirklich etwas Vernünftiges heraus gekommen wäre. Schau dir 12 an!"
12 wurde hellhörig. Sie sprachen von ihm?
Der Meister beugte sich etwas vor.
„Oh ja. Es ist seltsam. Sehr gutes Genmaterial. Der Vater ein hervorragender Krieger und die Mutter eine Kriegerin! Und dennoch erkenne ich in ihm auch rebellische Ansätze. Sein Bruder war ganz anders! Der war formbar und wir hatten ihn im Griff!"
12 schluckte hart. Bruder? Er hatte einen Bruder?
Bill setzte sich die Brille zurecht.
„Oh ja. Da sie aber nur denselben Vater haben, denke ich, es lag an der Frau. Lässt du 12 immer noch beobachten?"
Der Meister nickte.
„Ja! Ich habe das Gefühl, dass er nicht so primitiv und dumm ist wie die anderen. Aber reden wir nicht mehr von ihm. Wenn er noch einmal so rebellisch ist, werde ich ihn wieder einer Gehirnwäsche unterziehen lassen! Dann wird er schnell wieder gefügig! ansonsten wird er entsorgt. Ich habe keine Probleme damit, auf einen zu verzichten, der mir nicht gehorcht. Es ist schade, dass er nicht die Abwehrstoffe wie sein Bruder hat. Dann wäre er zumindest für etwas zu gebrauchen!"
Bill seufzte erneut.
„Ich habe es sofort überprüfen lassen, aber Fehlanzeige. Was hast du nun vor? Willst du noch mehr Rebellen gefangen nehmen?"
Der Meister nickte.
„Selbstverständlich. Irgendwann müssen wir ja einen Treffer landen. Bisher waren es nur kleine Verbände, die wir gefunden haben. Es muss noch einen größeren Verband geben. Aber meine Elite findet ihn einfach nicht. Auch da habe ich 12 in Verdacht. 1 hat mir erzählt, dass 12 immer auf eine bestimmte Richtung drängt. Mir kommt es so vor, als ob er jemand schützen will."
Sie entfernten sich und 12 lehnte sich gegen die Wand.
Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren.
Er wusste, woran es lag, dass sie die Rebellen, die der Meister meinte, noch nicht gefunden hatten. Es lag an 12.
Er hatte sie immer auf eine falsche Fährte gelockt und behauptet, er hätte etwas Seltsames bemerkt. Aber nun würde er wohl bald auffliegen.
Er musste gehen.
Auch wenn er nicht klug war, dass wusste er.
Er musste verschwinden und die Rebellen warnen.
Er atmete tief ein.
Das war gefährlich. Die Rebellen würden vor ihm Angst haben. Doch der nette Mann würde ihn beschützen. Und der Mann, der sagte, er würde ihm helfen.
12 liefen die Tränen über die Wange.
Er hatte Angst!
Und das Gefühl kannte er eigentlich nicht!
Doch nun musste er mutig sein!
Entschlossen ging er zu der Tür und dann lief er über den Hof.
„12? Wohin?"
64 stand vor ihm.
„12 Auftrag. Muss schauen!"
64 nickte und ließ ihn weiter ziehen. Das war einfach. Da sie eigentlich nie logen, glaubte 64 ihm. Doch 12 konnte lügen. Er hatte es oft genug ausprobiert. Und das half ihm jetzt.
Er ging aus dem Tor und rannte los.
Hoffentlich fand er die Rebellen.
Er musste sie warnen und um ihre Hilfe bitten!
Ginny war in dem kleinen Garten, den Eve angelegt hatte. Sie rupfte Unkraut. Eve war nicht gerade glücklich darüber gewesen, dass sie sich nicht mehr um den Garten kümmern konnte! Ein Baby machte Arbeit. Deswegen hatte Ginny ihr angeboten sich um den Garten zu kümmern, auch wenn Eve sich dagegen gewehrt hatte.
Eve schien etwas zu ahnen, dass Ginny Chases Mutter war, aber sie sagte nichts. Trotzdem merkte man es. Immer wieder drückte sie ihr Cameron in die Arme und einmal hatte sie sogar „Granny" zu ihr gesagt.
Ginny lächelte bei dem Gedanken an den kleinen Jungen. Sie selbst hatte nie erfahren dürfen, wie es war, sein Kind in den Armen zu halten, den speziellen Babygeruch einzuatmen, den sie ausströmten.
Sie herzte nun ihren Enkel, wie sie es eigentlich mit Chase hätte machen sollen.
Sie seufzte leise.
An ihrem Sohn war so viel falsch gemacht worden. Sie hatte keine Ahnung, wie Chase geworden wäre, wenn Cage und sie die Flucht geschafft hätten. Dennoch musste sie zugeben, dass Chase sich gemacht hatte seit sie ihn das letzte Mal im Vulkan gesehen hatte. Damals war er ein erfolgsverwöhnter Junge gewesen. Jetzt war er ein Mann.
Eve!
Sie tat ihm gut.
Und Ginny freute sich darüber, dass ihr Sohn glücklich in ihrer Nähe war.
Eve brachte das zu Stande, was ihr verweigert worden war. Sie gab ihm die Liebe, die er brauchte.
Sie zupfte weiter ein paar Blättchen hinaus, als sie ihren Sohn mit großen Schritten auf sich zukommen sah. Er machte ein finsteres Gesicht und als er sie entdeckte, streckte er einen Finger nach ihr aus.
„Du! Du wartest auf mich!"
Sie wusste nicht genau, was er von ihr wollte, aber sie nickte, während er ins Haus stürmte und nach einer Weile mit Cameron in den Armen hinaus trat.
Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, warum er seinen Sohn holte, um mit ihr zu sprechen doch als sie nun sein Gesicht sah, wusste sie es. Er hatte Cameron dabei, weil er wütend war. Sehr wütend.
Wahrscheinlich war er der Meinung, dass er sich beherrschen konnte, wenn er seinen Sohn in den Armen hielt.
Er atmete tief ein.
„Logan sagte mir, dass du hier bleiben willst!"
Sie nickte.
„Warum? Hier ist nichts! Wir sind noch am Aufbau und haben Arbeit vor uns! Im Vulkan bist du eine sehr wichtige Person. Du bist im Rat und die Leute schätzen deine Meinung! Das hat mir zumindest Eve erzählt"
Wieder nickte sie.
„Ja, das weiß ich! Trotzdem will ich hier bleiben!"
Er schnaubte, was Cameron vor sich hin jammern ließ. Sofort änderte sich Chases Gesicht. Er gurrte seinem Sohn leise zu und wiegte ihn sanft, bis der sich beruhigt hatte.
„Dann sag mir den Grund. Bei Victor verstehe ich es, aber nicht bei dir. Im Vulkan würde es dir besser gehen!"
Ginny schloss kurz die Augen.
Irgendwann musste er es erfahren.
„Ich will bei meiner Familie sein!"
Chase starrte sie an. Sie wusste, dass er es nicht nur ahnte, sondern verstanden hatte, was sie gesagt hatte.
„Du...du bist meine Mum, habe ich Recht?", fragte er.
Sie nickte.
Er wischte sich über das Gesicht.
„Verdammte Scheiße! Ich dachte du wärst tot!"
Sie hob einen Zeigefinger.
„Zügel deine Wortwahl! Vor allem vor deinem Sohn!"
Er kniff die Augen zusammen.
„Ich denke, du hast dir jedes Recht verspielt, mich so zurecht zu weisen!"
Sie starrte ihn entsetzt an, doch dann wurde sie traurig.
„Ich weiß nicht, was du damit meinst?"
Chase schnaubte, dieses Mal leiser.
„Du hast mich alleine gelassen. Die ganzen Jahre war ich der Meinung, du und Dad hätten mich gehasst!"
Ginny schüttelte den Kopf.
„Nein! So war das nicht! Wir haben dich geliebt. Dein Dad...obwohl er dich nie kennen lernen durfte, hatte er dich geliebt! Und ich auch. Ich habe dich in mir gehabt. Schon vom ersten Augenblick, als ich gewusst habe, dass ich schwanger bin, habe ich dich geliebt. Denkst du, wir wären sonst geflohen? Ich wollte dich nicht Viola überlassen! Ich ahnte schon damals, was sie tat. Und ich hatte Recht!"
Chase drehte ihr den Rücken zu.
Verflixt!
Selbst diese Geste kannte sie. Cage hatte ihr auch immer den Rücken zugedreht, wenn er unsicher war. Er hatte ihr nie zeigen wollen, was in ihm vorging.
„Trotzdem hast du mich nie gesucht!", kam es leise von ihm.
Ginny kam einen Schritt auf ihn zu. Sie hob die Hand, wollte ihm über den Rücken streichen, doch sie hielt mitten in der Bewegung inne. Das würde er nicht zulassen. Nicht in diesem Moment.
„Ich habe dich nicht gesucht, weil ich dachte, Viola hätte dich umgebracht!"
Chase schüttelte ungläubig den Kopf.
„Warum hätte sie das tun sollen?"
Sie seufzte leise. Tränen stiegen in ihre Augen, doch sie hielt sie tapfer zurück.
„Sie hat deinen Vater eiskalt erschießen lassen, obwohl sie behauptet hatte, sie würde ihn lieben! Wie hätte ich wissen sollen, dass sie nicht mit dir genauso verfährt?"
Er lachte bitter.
„Du hast mich geboren. Warum hätte sie warten sollen? Viola hätte mich schon vorher umbringen lassen können!"
Ginny atmete erneut tief ein.
„Das ist mir auch klar geworden, als ich dich gesehen habe. Himmel, Chase, als ich dich im Vulkan das erste Mal gesehen habe...du siehst deinem Vater so ähnlich. Ich wusste sofort, dass du mein Sohn bist. Ich habe all die Jahre umsonst getrauert. Um dich!"
Er drehte sich langsam um. Sein Blick war immer noch unsicher.
„Warum hast du im Vulkan nichts gesagt?"
Sie versuchte sich an einem Lächeln.
„Weil du so hasserfüllt warst, Chase! Du hast alle gehasst. Die Rebellen, die Drei und dich selbst! Du hättest mir kein Wort geglaubt."
Er nickte langsam.
„Das stimmt. Aber du wolltest es mir nun auch nicht sagen! Warum?"
Sie setzte sich auf die Verandatreppe. Ihre Knie schlotterten.
„Ich wusste nicht, wie du es aufnimmst. Du hast von Viola nur erfahren, dass wir dich nicht gewollt haben. Doch das war eine Lüge. Verflixt, Chase, wenn ich gewusst hätte, dass du noch lebst...ich hätte dich zu mir geholt! Ich hätte alles in Bewegung gesetzt, damit du bei mir sein kannst!"
Chase ging in den Schatten, setzte sich aber nicht neben sie. Er blieb auf Abstand und das tat ihr weh, auch wenn sie es verstand.
„Oder war es so, dass du dich für mich geschämt hast? Du hast bestimmt von mir gehört. Und als du das Monster gesehen hast, dass ich geworden bin..."
Sie hob die Hand.
„Du bist kein Monster, Chase! Ich habe Augen im Kopf! Und ich bin nicht dumm! Du wurdest in gewisser Weise dazu gezwungen so zu sein. Doch schau dich jetzt an! Welches Monster würde so liebevoll mit seinem Sohn umgehen? Und ich sehe auch, wie sehr du Eve liebst, auch wenn du es nicht zeigen kannst. Aber auch für sie würdest du eher sterben, als dass ihr etwas geschieht!"
Er nickte.
„Das stimmt! Eve zeigt mir jeden Tag, dass ich so schlecht nicht sein kann! Ich habe ihre Liebe nicht verdient. Dennoch will ich alles tun, damit sie mit mir zufrieden ist!"
Nun konnte Ginny ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Das wäre eigentlich meine Aufgabe gewesen. Ich hätte dir Liebe beibringen müssen. Aber ich war schwach! Und so unglaublich naiv!"
Nun setzte er sich neben sie. Er kramte in der Hosentasche und zog zwei Briefe heraus.
„Den hat mir Logan vor seiner Flucht hinterlegt. Ich habe sie erst gelesen, als Eve mit mir im Vulkan gesprochen hat."
Ginny öffnete mit zitternden Händen einen Brief und erkannte, dass es der Brief war, den sie Cage geschickt hatte. Schon damals hatte sie gewusst, dass Viola die beiden voller Hass beobachtete. Cage und sie hatten sich nur noch heimlich getroffen, bis es offiziell wurde. Der andere Brief war von Cage an sie. Eine Antwort, die Viola nicht gefallen hatte.
Dass diese Briefe noch existierten, zeigte Ginny, dass Viola keineswegs den Hass auf sie aufgegeben hatte. Sie wollte sich wohl immer wieder daran erinnern, was Cage ihr damals angetan hatte. Zumindest in Violas Augen war es eine Ungerechtigkeit und sie verstand nicht, warum Cage ihr Angebot abgelehnt hatte.
Chase legte sich Cameron an die Schulter und streichelte sanft über seinen Rücken. Er küsste sanft seine Wange.
„Du weißt, was sie von mir verlangen!"
Sie nickte.
„Ich werde gehen! Ich dachte, ich beschütze nur meine Familie!"
Wieder nickte Ginny.
„Aber nun...ich verspüre immer noch Hass in mir! Besonders jetzt! Es ändert alles!"
Sie faltete die Briefe zusammen und reichte sie Chase. Doch der schüttelte den Kopf.
„Behalte sie! Auch wenn es vielleicht böse klingt, bedeuten mir diese Worte nicht viel!"
Sie erstarrte.
„Nicht, dass es mir egal wäre, aber ich kann damit nichts anfangen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich alles schlagartig geändert hat. Ich habe gesagt, ich fühle Hass in mir. Aber nicht, wie ich ihn früher verspürt habe. Im Moment ist er anders. Und ich habe Angst!"
Sie nickte verständnisvoll.
„Du hast Angst, dass du wieder in dein altes Ich verfallen könntest, habe ich Recht? Du hast Angst, dass du wieder Spaß am Töten haben könntest, dass du dein Ziel aus den Augen verlierst!"
Er nickte leicht.
„Ja! Das habe ich!"
Sie zeigte auf Cameron.
„Sieh dir dein Sohn an, Chase und dann Eve. Und dann sage mir, ob du ihn und die Frau vergessen könntest, die dir so ein Geschenk gemacht hat. Die sich vor dich gestellt hat, als man dich erschießen wollte. Eve hätte in dem Moment alles getan, nur um dich zu schützen. Es hätte auch alles anders kommen können. Sie hätte es sich einfach machen können, mein Sohn! Das weißt du."
Sie stand auf und strich ihm über die Wange.
„Nein! Du brauchst keine Angst zu haben, Chase. Du bist jetzt Vater. Und auch wenn du die Schwangerschaft nicht miterlebt hast, so doch die Geburt! Das war ein Geschenk für dich, Chase! Das wirst du nie im Leben vergessen!"
Er sah sie staunend an.
„Ich hoffe, du hast Recht...Mum!"
Eve wollte tapfer sein.
Verdammt, sie musste es sein, aber es fiel ihr verdammt schwer.
Sie beobachtete Chase, der Victor noch einmal genaue Anweisungen gab. Der Ältere verdrehte die Augen, was Eve zum Lächeln brachte. Nein, Victor brauchte keine Anweisungen. Er würde seine Sache gut machen. Er war so etwas wie ein Naturtalent und fühlte sich hier so wohl, dass er Eve anvertraut hatte, dass er sich überlegte nicht für immer hier zu bleiben. Außerdem verstand er sich gut mit Ginny, die er von früher kannte. Eve konnte sehen, dass er für sie mehr empfand als Freundschaft. Allerdings hatte er Angst, dass er nicht mit Chase Vater konkurrieren konnte.
Nein, mit Victor würde niemand Probleme bekommen.
Ginny stand neben ihr und seufzte leise.
„Er will nicht weg von hier!"
Eve nickte.
„Das kann ich auch verstehen. Er hat hier alles aufgebaut und nun soll er es jemanden überlassen, den er nicht kennt!"
Ginny schnalzte mit der Zunge.
„Rede dir das nur ein. Ich habe Augen im Kopf. Und ich sehe, dass Chase dich nicht verlassen will! Er denkt, er ist noch nicht soweit, dass er ohne dich zurecht kommt."
Eve zuckte mit den Schultern, aber es freute sie, dass es auch andere bemerkten, dass Chase nicht wie das Monster von früher war.
Chase wandte sich von Victor ab und kam auf sie zu. Er nahm Cameron in seine Arme und drückte sein Gesicht vorsichtig auf dessen Bauch.
„Dad muss gehen, Cameron! Du passt auf die Frauen auf, okay? Auf deine Mum und auf Granny!"
Cameron antwortete darauf mit einem kleinen Rülpser, was Chase lächeln ließ.
„Genau die Antwort, die ich erwartet habe. Und hab ein Auge auf Victor! Hörst du? Ich traue ihm nicht und weiß genau, dass er dich bestechen will! Fall nicht auf sein Gegurre rein und schicke ihn an die Arbeit!"
Er sah kurz zu seiner Mutter und zögerte einen Moment. Dann ging ein Ruck durch ihn und er küsste sie auf die Stirn, ehe er ihr Cameron in die Arme drückte.
Ginny streichelte Chase über die Wange. Sie hatte Tränen in den Augen.
Chase kam zu Eve, aber anstatt sie in die Arme zu nehmen, wie sie erwartet hatte, zog er sie mit sich in die Hütte.
„Eve...ich...ich...."
Sie legte ihm einen Finger auf den Mund.
„Ich weiß, Liebling! Es ist alles etwas zu viel im Moment für dich."
Er schüttelte den Kopf.
„Das ist es nicht. Ich wollte etwas anderes sagen."
Sie lächelte.
„Du hast gestern alles gesagt, Chase. Ich werde auf deinen Sohn aufpassen. Victor wird mir helfen. Und auch deine Mutter."
Chase atmete tief ein, dann nahm er sie in seine Arme.
Sie blieben eine Weile so stehen. Keiner sagte etwas.
Eve drückte ihre Nase an seine Brust und sog den vertrauten Geruch ein.
„Du wirst auf dich aufpassen, Chase! Nicht wahr? Du kommst zurück! Und dann werden wir endlich in Frieden leben können!"
Er nickte.
„Das habe ich dir versprochen. Aber das war es nicht, was ich dir sagen wollte!"
Sie hob den Kopf.
„Nicht?"
Er schüttelte den Kopf und fuhr sich dann nervös mit einer Hand durch die Haare.
Chase war nervös? Warum denn?
Wieder drückte er sie an sich.
„Ich werde zurückkommen. Aber nicht nur wegen Cameron. Es...ich...oh verdammt, Eve! Ich liebe dich!"
Sie sah ihn erschrocken an.
Hatte er das tatsächlich gerade gesagt?
Er hatte die Augen geschlossen und seine Stirn gegen ihre gedrückt.
Eve wusste, dass ihm das sehr schwer gefallen war. Er hatte nie gelernt, wie man seine Gefühle ausdrückte. Eve hatte gehofft, aber das er es ihr nun gesagt hatte, ließ ihr wieder Tränen aufsteigen.
„Oh mein Gott, Eve. Ich wollte dich nicht verletzen. Nicht weinen! Ich weiß, dass man mich nicht lieben kann. Meine Mutter ja, aber sonst niemand. Dennoch..."
Sie legte ihm wieder einen Finger auf den Mund.
„Sei ruhig, du Blödmann! Ich liebe dich auch. Und ich werde es kaum abwarten können, bis ich es dir endlich zeigen und beweisen kann!"
Er küsste sie zärtlich und drückte sie noch einmal an sich. Dann drehte er sich um und verließ die Hütte.
Eve folgte ihm nicht.
Sie konnte nicht.
Sie wollte nicht sehen, wie er mit Cord in den Pick-Up stieg und sie verließ.
Es war gefährlich, was er vorhatte und sie hatte Angst um ihn.
Aber sie erinnerte sich an sein Versprechen.
Und Chase hielt seine Versprechen.
Die Motoren wurden gestartet und die Autos fuhren fort.
Ein Ruck ging durch Eves Körper.
Sie rannte aus der Hütte und lief den Wagen hinterher.
„Chase! Komm zurück! Ich liebe dich!"
Der Wagen hielt an und er rannte noch einmal auf sie zu.
Fest nahm er sie in seine Arme.
„Ich komme zurück!"
Wieder stieg er in seinen Wagen. Eve hörte, wie er Cord anschnauzte.
„Grins nicht so dämlich, du Idiot!"
Dann fuhr er endgültig weg.
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