Kapitel 20: George


Da stand sie. Sie schaute mich hemmungslos an und ich fühlte mich ungeschützt und nackt. Wie konnte sie das? Ihr klarer Blick machte mir Angst und ich wollte mich von ihr wegdrehen. Es ging nicht. Ich war an ihren Blick gefangen und würde nie wieder vor ihr fliehen können. Ihr klarer Blick wich einem verschwommenem und ich hatte keine Angst mehr vor ihr. Nein, ich bekam furchtbare Schuldgefühle. „Du hast mich allein gelassen. Uns hast du allein gelassen.", sagte sie mit kalter Stimme zu mir und starrte mich immer noch an.
Ich war ein schrecklicher Mensch! Ich wand mich, konnte aber nicht aus dem Netz, dass sie um sich gesponnen hatte, entwinden. Gequält und voller Schuldgefühle starrte ich sie an und schrie ihren Namen: „Catherine! Catherine! Nein!"
Sie schüttelte nur den Kopf und brach zusammen. Sie starrte nun auf den Boden, auf welchem sie nun zusammengesackt kauerte und hemmungslos weinte und laut aufschluchzte. Es zerriss mich förmlich sie so zu sehen.

Schweißgebadet schrak ich aus meinem Traum auf. „Catherine", flüsterte ich in die Dunkelheit meines Zimmers. „Ich lasse dich, euch nicht allein."
Langsam ließ ich mich wieder in meine Kissen fallen und atmete laut ein und aus.
Was hatte ich nur getan? Ich hatte mein Liebe aufgegeben. Und nicht nur das. Ich hatte mein eigenes Kind, mein Fleisch und Blut, verleugnet und verstoßen.
Und warum? Weil ich zu feige war zu Catherine und unserem Kind zu stehen.
Jetzt saß die Frau meines Lebens in einer Irrenanstalt für Selbstmordgefährdete. Und mein Kind, das noch heranwuchs, wurde mit Medikamenten und was auch immer vollgepumpt.
Ich war ein Feigling!
Ich stand auf und öffnete das Fenster. Ich starrte in die Dunkelheit und in den endlos erscheinenden Himmel mit seinen tausend Sternen. Was Catherine wohl gerade dachte? Schlief sie so friedlich, wie sie es immer bei mir gemacht hatte? Oder wälzte sie sich unruhig in ihrem harten, schmalen Bett, dass viel zu eng für sie war?
Ich vermisste sie.
Konnte ich mich nicht entscheiden? Erst lobte ich ihr lebenslange Liebe, dann schwängerte ich sie, danach machte ich Schluss mit ihr und jetzt vermisste ich sie.
Ich liebe sie. Und ich war einfach überfordert in dieser Situation. Aber sie würde mich nie wieder anschauen oder gar mich lieben.
Ich würde nie mein Kind sehen oder Zeit mit ihm verbringen. Aber ich könnte es Catherine nicht einmal verübeln. Wer wollt denn so einen Vater für sein Kind?
Richtig. Niemand.

Catherine

„Mein Baby.", flüsterte ich in das dunkle Zimmer und streichelte sacht über meinen Bauch.
Ich lag ganz ruhig in meinem Bett, hatte meine Deck zur Seite geschlagen und mein Nachthemd soweit hochgezogen, dass meine Hand auf meinem nackten Bauch liegen konnte.
Ich konnte immer noch nicht fassen, dass da ein kleiner Mensch in mir wächst. Wie er wohl aussehen wird? Und ob es ein junge oder ein Mädchen wird? Hoffentlich ein Mädchen. Ich würde mich aber über beides freuen.
Wahrscheinlich würde mein Baby dunkelbraune Augen und sehr dunkelbraune Haare bekommen. Die perfekte Mischung von George und mir eben.
Ach George... Ich vermisse dich so.
Sehnsüchtig schaue ich aus dem Fenster und versuch ihm meine Gedanken zu schicken. Ich weiß doch, dass du dich nicht von mir trennen wolltest.
Ich musste schmunzeln. Ich stelle mir vor wie wir uns wiedersehen und ich ihm um den Hals falle, seine Locken in seinem Nacken um meine Finger wickele und ihn liebevoll küsse. Dann wären wir eine richtige Familie...
Nachdem meine Mutter, Will, Rose und Emily mich gestern aus diesem Heim für Gestörte geholt hatten, fiel ich allen nacheinander in die Arme und bedankte mich.
Vor allem meiner Mutter war ich dankbar, dass sie an mich glaubte. Auch nachdem ich mich selbst umbringen wollte. Sie vertraute mir.
Ich erfuhr auch, dass mein Vater mich eigentlich eingesperrt lassen wollte und sich nun wieder mit seiner neuen Frau aus dem Staub gemacht hatte.
Danke, Papa. Dass du der schlechteste Vater dieses Planeten bist und dich einen Dreck um deine Tochter kümmerst!

Und nun lagen wir zwei, mein Baby und ich, in meinem Zimmer, in meinem Bett und dem zukünftigen Geburtsort des Kleinen.
Ich merkte wie meine Wangen feucht wurden und plötzlich fiel mir auf, dass ich angefangen hatte, zu weinen.
Ich musste lachen und freute mich auf den kleinen Menschen in mir. Ich, wir würden ihn lieben und verwöhnen. George, der kleine Mensch und ich würden die perfekte Familie werden.

Erzähler

Catherine und George träumten beide von ihrem zukünftigen Glück, während Misses Geoffrey nur von Frederick träumen konnte. Kein Gedanke konnte ihr durch den Kopf gehen, ohne dass sie an ihn dachte. Es war wie ein Fluch. Sie wollte unbedingt von ihm abkommen, dachte aber nur umso mehr an ihn.
Frederick bekam von diesen Träumereien seiner ehemaligen Affäre nichts mit. Er schaute sich nur die spanischen Tänzerinnen an und verschwendete keinen einzigen Gedanken mehr an die Londoner Frauen. Sie waren ihm, im Vergleich zu den spärlich bekleideten Spanierinnen, geradezu hässlich und eingesperrt vorgekommen.
Genau zur gleichen Zeit, wie Frederick Spanierinnen mit den Londonerinnen verglich, schlief Elisabeth friedlich in einem abgelegen Kloster Hamburgs. Am nächsten Tag würde sie nach Berlin reisen und sich dort die Kirchen anschauen. Außerdem würde sie nach einem Souvenir für Emily, Rose und Charlotte suchen, welches sie ihnen dann in Paris überreichen und ihre Geschichten erzählen würde.
In London lag Bettina wach in ihrem Bett und überlegte fieberhaft, warum sie nicht „ich liebe dich" zu Timothy sagen konnte.
Und Timothy dachte über Bettina nach. Er dachte an die Zeit, in der er sich nicht getraut hatte sie anzusprechen und dann sich nur getraut hatte einen anonymen Liebesbrief an sie zu schreiben. Er schmunzelte darüber, wie feige er war und wie Bettina ihn nun von seinem lästigen Stottern geheilt hatte.
Rose lag indessen in Arthurs Armen und schlief ruhig, während Arthur diesem ruhigen Atmen lauschte und versuchte zu schlafen. Es gelang ihm nicht, da er unablässig an Roses Vater denken musste. Sollte er sich von ihm abhalten lassen, Rose zu heiraten? War ihr Vater Rose nicht egal? Dann wäre seine Meinung ihm doch auch egal, oder?
Charlotte und Emily saßen immer noch beisammen, tranken Tee und unterhielten sich ausgiebig über dies und das.
Sofie schlief so, wie Arthur es sich wünschte. Ganz ruhig und normal. Ohne irgendwelche Albträume oder schlechte Gedanken. Sofie war komplett im Reinen mit sich und der Welt.
Doch Will war wach. Er dachte an Miriam, die ihm heute Abend gesagt hatte, sie wäre nun mit einem anderen liiert. Er überlegte, ob Beth ihn noch mochte und dass es die falsche Entscheidung gewesen ist, sich für Miriam zu entscheiden. Er hatte sich für Miriam entschieden. Miriam hatte sich für einen anderen entschieden. Und Elisabeth hasste ihn. Was für ein Pech er auch nur haben musste...

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