Magnus und die Peinlichkeit des Seins Part 2

"Duschen und dann Frühstück?", fragt Alexander und ich kann nichts weiter als zu nicken. Mein Gesicht ziert ein breites Grinsen und mit verklärtem Blick schaue ich in seine Augen. All die Schattenseiten meiner Seele, all die Zweifel und meine Unsicherheit sind losgelöst. Ich habe die Kette um mein Gefängnis gesprengt, fühle mich frei und unendlich glücklich. Alexander küsst sanft meine Lippen und ich lasse ihn nur widerwillig gehen. Doch eine Dusche ist genau das was ich jetzt brauche um meine schmerzenden Knochen und den müden Geist zu beleben.
"Du kannst oben duschen wenn du magst und ich leg dir ein paar frische Sachen von mir raus. Die Hose wird zu lang sein und ich denke auch der Pulli. Du kannst selbst entscheiden was du von den Sachen tragen möchtest. Ich springe schnell unter die Dusche. Und dann zaubere ich dir ein leckeres Frühstück während du in Ruhe duschen kannst", sagt er und verschwindet im angrenzenden Badezimmer, nachdem er mir einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze gehaucht hat. Mit gekräuselter Nase und noch immer lächelnd schaue ich ihm hinterher und seufze. Wie kann ein einzelner Mann nur so perfekt sein? Alexander ist wunderschön und ich liebe es das Spiel seiner Muskeln zu verfolgen. Ich bleibe noch eine Weile liegen, genieße die angenehme Wärme welche durch meinen Körper fließt und lausche dem stetigen Rauschen der Dusche. Es lullt mich ein, macht schläfrig und kurz darauf gleite ich sanft in einen kurzen aber intensiven Traum.

Ich sehe Alexanders Schwester und mich im Central Park. Es schneit und unzählige Lichterketten hängen in den knorrigen Ästen der Bäume um uns herum. Laute Stimmen schallen herüber. Ich sehe Menschen unterschiedlichen Alters, Kinder auf Schlittschuhen dick eingepackt in wärmende Stoffe und stolze Eltern welche teils am Rand der Eisfläche und teils auf Kufen stehen. Alexander kommt auf mich zu, in seinen nachtschwarzen Haaren glänzen Sterne gefrorenen Wassers und von dem Bündel Leben, sicher eingepackt unter seiner dicken Jacke, sieht man nur ein Paar pinkfarbene Flauscheohren. Charlotte dreht Piruetten auf der Eisfläche direkt unterhalb des gigantischen Weihnachtsbaumes welcher wunderschön in harmonischen Tönen aus roten und goldenen Kugeln erstrahlt. Ein großer leuchtender Stern prangt auf der Spitze und das dunkle Grün der Tanne verströmt einen harzig frischen Duft.

Weihnachtliche Klänge schweben durch die Luft, weben uns ein mit ihrer lieblichen Melodie. Der fruchtig-süße Geschmack nach gebratenen Äpfeln liegt auf meiner Zunge und auch das herrliche Aroma von Zimt und Sternanis. Alexander legt einen Arm um meine Hüfte und ich kuschele mich selig an seine Seite.
"Magnus", flüstert mein Mann und ich brumme müde. Alexanders Duft und die berauschende Wirkung des Apfelpunsches im Winterwunderland machen mich schläfrig.
"Aufwachen Dornröschen", höre ich ihn sagen. Ich nehme meinen Blick von der fröhlichen Menschenmasse, Alexander blickt stur geradeaus.
"Magnus", sagt er sanft, auch wenn seine Lippen sich nicht bewegen. Ich spüre zärtliches Streicheln an meiner Wange. Doch mein Mann beobachtet noch immer sein Patenkind und unseren Sohn dabei, wie sie sich an den Händen fassend über das Eis flitzen. Der aufgewirbelte Schnee fliegt um die Kufen, legt die Luft um uns herum in einen weißen Schleier. Ihre Gesichter verschwommen, für mich nicht zu erkennen. Zwei Kinder im Teenageralter und ein Baby in den Armen meines Mannes.

Zärtlich küsst er meine Lippen, ich spüre das Prickeln und schmecke ein minziges Aroma und Alexander.
"Magnus", haucht er dicht an meine Lippen. Wieder diese aufregende Vibration. Sie schickt eine Welle Glück durch meinen Leib und benebelt öffne ich meine Augen. Nur leicht, ein winzig kleines Stück und höre Alexander kichern.
"Du bist so süß. Unglaublich. Was hast du geträumt?", fragt er und erschrocken richte ich mich auf. Mein Kopf begrüßt Alexander mit einem harten Aufprall und fluchend halte ich mir die schmerzende Stirn. Das rosakitschige regenbogenkotzende Einhorn ist noch da. Leicht rau fühlt es sich an, ich verfluche die Laterne und das Pflaster welches leuchtend auf meiner Haut klebt. Es juckt und schmerzt. Mein Kopf schreit mich gerade an was ich nun schon wieder getan habe und hätte er eine Stimme, würde dieser in den derbsten Wörtern die meine Muttersprache hergibt, seine Frustration über meine Tollpatschigkeit herausbrüllen.

Auch Alexander sieht so aus als würde er sich jeden Moment übergeben. Er reibt sich die schmerzende Stelle... nein, er presst sich angestrengt die Hand auf seinen Nasenrücken. Fuck. Ich habe ihm die Nase gebrochen. Habe ich ihm die Nase gebrochen? Wie sieht das aus? Wie fühlt sich das an? Was muss ich tun? Panisch atme ich viel zu schnell ein und aus, der Sauerstoffgehalt in meinem Blut kann sich nicht regulieren und ich zwinge mich dazu mich zu beruhigen. Eine Hyperventilation kann ich jetzt nicht gebrauchen. Der einzige Arzt in der Nähe braucht wahrscheinlich selbst einen Arzt.
"Alexander?", frage ich vorsichtig und meine Stimme zittert verdächtig.
"Alles gut", presst er angestrengt hervor. Seine Hand löst sich langsam und ich atme erleichtert auf. Kein Blut. Das ist gut. Ist es gut? Oh Gott ich habe keine Ahnung.
"Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Tut es sehr weh?"
"Scheiße ja", sagt er lachend und legt den Kopf leicht in den Nacken. Seine Atmung ist kontrolliert und stark. Er ist Arzt und weiß was zu tun ist.
"Wirklich alles gut?", frage ich.

"Ja. Keine Sorge. Die Nase ist nicht gebrochen. Aber du hast mich ganz schön erwischt." So entschuldigend wie möglich mit einem Blick der jeden Welpen im Umkreis von hundert Meilen vor Neid erblassen lässt sehe ich ihn an. Ein sanftes Lächeln umspielt seinen schönen Mund und kann nicht anders als ihn zu küssen. Hauchzart ja fast streichelnd küsse ich seinen Kiefer hoch zur Wange und arbeite mich langsam über die Schläfen vor zu seiner Stirn. Kurz gönne ich mir einen intimen Moment, vergrabe meine Nase in seinem Haaransatz und inhaliere schon fast gierig das erfrischende Aroma von Alexanders Shampoo. Minzige Frische unweht mich, leicht süßlich und wenn der Herrsteller die Absicht hatte eine Sehnsucht nach Meer, Sonne, Strand und Urlaub zu wecken, dann ist es ihm definitiv gelungen. Er riecht nach Sonne und Meer. Meine Heimat vereint mit der Fremde.

Seelenruhig sitzt er da, seine Hände ruhen auf meinen Hüften, die Daumen streicheln zärtlich über die Beckenknochen. Schicken elektrisierende Impulse über die Nervenenden in meinen Verstand. Friedlich und sinnlich ist dieser Moment. Keine Hast oder Eile zu spüren, fernab jeder Hektik des Alltags, lauten ohrenbetäubenden Geräuschen und einem Puls jenseits von Gut und Böse. Es gibt nur uns beide in diesem Moment welcher romantisch harmonisch verläuft. Kaum vernehmbar, verhalten und doch viel zu laut liefern sich unsere Herzen einen Wettstreit um die Intensität ihrer Schläge. Vielleicht bilde ich mir das alles auch nur ein und sitze alleine in meiner dreckigen mit Schimmel an den Wänden und zerschlissenen Möbeln übersäten Wohnung. Alexander ist nicht real und auch meine Zukunft welche soeben noch zum greifen nahe war.

Zögerlich öffne ich meine Augen, blicke in tiefdunkles Schwarz und seufze erleichtert. Es ist kein Traum und Alexander ist wirklich bei mir. Verträumt betrachte ich sein hübsches Gesicht. Er hat die Augen geschlossen, dichte weiche Wimpern ruhen auf den Wangenknochen und er sieht einfach wunderschön aus. Wie ein schlafender Engel welcher darauf wartet erweckt zu werden. Meine Lippen streicheln über die Beschützer seines Seelenspiegels, hauchen sanfte Küsse auf jeden Millimeter um so viel wie möglich voneinander zu erhalten. Kurz überlege ich auch seine Nasenspitze zu huldigen, verwerfe den Gedanken aber um ihm nicht noch mehr unnötige Schmerzen zu bereiten.
"Entschuldige", hauche ich gegen seine Lippen. Alexander lächelt und mein Herz stolpert mal wieder, die Armee Schmetterlinge in meinem Bauch machen sich bereit für ihren Weg.
"Ich vergebe dir. Du kannst dich super gut entschuldigen", antwortet er und wie im Central Park ist der von ihm stibitzte Kuss kurz und zart, doch für mich könnte es nicht schöner sein.
"Du wolltest duschen gehen", flüstert er leise und anstatt mir die Gelegenheit zu geben aufzustehen und meinen Gang in das Badezimmer vorzunehmen, verbindet Alexander unsere Lippen für einen intensiven langen Kuss. Mir ist schwindelig, in meinem Kopf dreht sich alles und ich bin mir nicht sicher, ob es am Zusammenprall mit der Laterne, Alexanders Schädel oder seinen Küssen liegt.

Es liegt definitiv an seiner Zunge in meinem Mund welche sich fordernd durch den witzig kleinen Spalt meiner Lippen drückt. Ein langgezogenes Keuchen entweicht und ich bin nicht der einzige in diesem Appartement der solche betörenden Geräusche von sich gibt. Gierig umspielen sich unsere Zungen und dann ist es so plötzlich vorbei wie es angefangen hat. Ich bin froh noch immer im Bett zu sitzen, denn meine Beine fühlen sich an wie der schmelzende Schnee in der Frühlingssonne.
"Ich mache dir Frühstück okay?", fragt Alexander.
"Das wäre super. Aber ich kann das auch allein wenn du mir zeigst wo alles steht. Es sei denn du erlaubst einem Mann den du erst seit zwei Stunden kennst ungeniert in deinen Schränken zu wühlen", entgegne ich frech und sehe ein amüsiertes Aufblitzen in seinen Augen. Er überlegt, verengt die Augenbrauen und verlässt wortlos sein Schlafzimmer. Irritiert bleibe ich allein auf dem großen Bett zurück und lausche den Geräuschen aus der unteren Etage. Das klappernde Geräusch von Porzellan, eine Pfanne welche lautstark auf dem Kochfeld landet und der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee. Ich hasse Kaffee.

Ich ergebe mich der Dinge die da kommen werden und gehe vorsichtig ins Bad. Unsere Nacht hat Spuren hinterlassen, es schmerzt ein wenig aber im Gegensatz zu letzter Nacht, kann ich mich darüber freuen. Es mag verrückt klingen und eigentlich sollte es nicht so sein. Oder? Ich weiß es nicht. Mit solchen Dingen habe ich keine Erfahrung, es war mein erstes Mal. Die Dusche ist erfrischend und belebt meine Glieder und den Geist. Das heiße Wasser prasselt sanft auf meine Haut und ich bleibe länger als normal unter dem Strahl der Regendusche stehen. Ich bin im Himmel und Alexander ist definitiv mein persönlicher Engel welcher mich aus der Hölle Indonesiens und einem versteckten Leben befreit hat. Doch irgendwann muss auch ich dieses himmlische feuchte Paradies verlassen. Ungeniert bediene ich mich an seinem Duschgel und dem Shampoo.

Als ich die Dusche verlasse rieche ich wie Alexander und fühle mich in meiner Haut mehr als wohl. Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel, trockene meine Haare mit einem der flauschigen dunkelblauen Handtücher und bekomme das Grinsen einfach nicht aus meinem Gesicht. Plötzlich schaut mich das Einhorn mahnend an und meine gute Laune verschwindet. Pink. Sehr grelles pink, ein schneeweißes Einhorn und warte, ist das? Ich beuge mich etwas vor, betrachte das Einhorn eingehend und stelle fest, dass mich mein geschultes Auge nicht im Stich gelassen hat. Das Einhorn hat sogar eine Regenbogenmähne und das blau-grüne Mal drum herum ist an den Rändern sogar violett verfärbt. Vorsichtig taste ich nach dem Einhorn. Ja, eindeutig schwanger. Meine Stirn. Eine Beule gesellt sich zu dem Farbkasten auf meiner Haut und ich komme mir gerade alles andere als sexy vor. So sieht er mich? Hat er mich gesehen? Die ganze Nacht und den halben Morgen? Ich sehe lächerlich aus und wundere mich, dass Alexander bei meinem Anblick nicht in schallendes Gelächter verfällt.

"Echt unglaublich", sage ich schnaubend und schüttele leicht den Kopf. Prompt muss ich daran denken, wie liebevoll Alexander sich um meine Wunde gekümmert hat. Und dennoch bin ich froh, dass er mich nicht in seine Notaufnahme verschleppt hat. Die neugierigen Blicke seiner Ärztekollegen und den tratschenden Schwestern hätte ich kaum verkraftet. Und wer möchte schon, dass ein Date in einem Bett der Notaufnahme endet? Niemand. Und ich erst recht nicht. Suchend blicke ich mich um, die Hitze der Dusche hat bereits meinen Körper verlassen und mir ist leicht kalt. Ich sehe keine Kleidung und gehe hinüber in das Schlafzimmer und erblicke sofort wonach ich mich sehne. Neben einem ordentlich zusammengelegten Stapel Kleidung welche eindeutig aus Alexanders Kleiderschrank stammt, sehe ich auch meine am Vorabend getragenen Kleider. Fein säuberlich gefaltet. Meine Unterhose fehlt und auch die Socken. Und mein Pulli. Nur meine Jeans liegt auf dem Bett und die Schuhe stehen davor. Ich habe das Gefühl, Alexander verfolgt einen Plan und wieder tackert sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht fest.

Er möchte eindeutig, dass ich seine Kleidung trage. Und ich kann mir gut vorstellen, unter welchem Argument. Einen Pulli mit zu langen Ärmeln kann man hochkrempeln, aber eine Hose sollte schon passen. Seine Beine sind eindeutig länger als meine und innerlich danke ich ihm dafür. Den Pulli streife ich nur allzu gerne über und sogleich legt sich eine wohlige Wärme über mich. Ich versinke förmlich in der weichen beigen Wolle, fühle die Sanftheit und bin mir ziemlich sicher, dass es sich um ein hochwertiges Material handelt. Kein kratziges Gefühl auf der Haut, sondern weich. Mega super weich und warm. Die schwarze Shorts ist wie zu erwarten etwas weit am Bund, aber meine Hose hält den Stoff da wo er bleiben soll. Socken und Schuhe finden ihren Weg an meinen Körper und mit knurrendem Magen stehe ich unsicher in Alexanders Schlafzimmer.

Ich habe Hunger. Mein Magen knurrt laut, protestiert über meine Unentschlossenheit und der Tatsache, dass wir gleich an einem Tisch zusammen sitzen werden. Mal wieder und ich kann nur schwer leugnen, dass ich Angst habe, dass es komisch still zwischen uns wird. Es gibt noch immer Dinge über die wir reden müssen. Es sind unangenehme Gespräche und Themen welche ein gewisses Feingefühl erfordern. Ich war nicht ehrlich, fühle mich schlecht weil ich einfach nicht den Mut fand, über dieses Thema zu sprechen. Ich habe es bewusst verdrängt, in eine Kiste gesperrt und ganz weit in den Tiefen des Marianengrabens versteckt. Aber muss ich das? Es ist meine Entscheidung über mein Sexualleben zu reden. Oder eben auch nicht zu reden.
"Magnus?", ruft Alexander und unterbricht mal wieder den Wirbelsturm meiner sich kreisenden Gedanken.
"Alles okay bei dir?"
"Ja", antworte ich schnell. "Alles okay. Ich bin gleich bei dir."

Einmal tief durchatmen, Schultern straffen und los geht es. Ich weiß nicht was mich erwartet. Es ist das erste Mal das ich woanders übernachtet habe und dann auch noch mit solch einem Finale. Und es ist auch mein erstes Frühstück am nächsten Morgen mit einem Mann. Ich hoffe, dass es nicht komisch zwischen uns wird. Im Licht des neuen Tages zeigt sich die ganze Schönheit des Appartement. Alles wirkt harmonisch und gut durchdacht. Die Möbel hochwertig und ihre Zusammenstellung nicht zufällig. Nein, hier hat sich jemand Gedanken gemacht. Den Besitzer genauestens analysiert und eine hervorragende Wahl getroffen. Okay, ich bin offiziell neidisch. Auf den weichen flauschigen Teppich vor dem riesengroßen Sofa und der gigantischen Fensterfront, welche jede Menge Licht spendet. Die Morgensonne schiebt sich durch Schneeverhangene Wolken, kündigt den Beginn eines neuen Tages an. Es ist früh, sehr früh wie sich nach einem Blick auf mein Telefon zeigt, welches in vertrauter Zweisamkeit neben dem von Alexander liegt. Jace sieht mich an und in Gedanken führe ich ein Gespräch mit seinem besten Freund. Ich hätte ihn gerne kennengelernt, mir die alten Geschichten über ihre gemeinsame Zeit angehört, die langweiligen Abende beim Football schauen ertragen und vielleicht... Nein, das ist absurd und viel zu früh. Noch immer fasziniert mich dieses Bild und ein Gedanke macht sich breit. Rasent schnell ergreift er Besitz von mir und ehe ich mich versehe, habe ich es getan. Nervös drehe ich mich um und atme erleichtert aus, als ich Alexander mit dem Rücken mir zugewandt in der Küche stehen sehe. Er hat es nicht bemerkt, hoffentlich und so soll es vorerst auch bleiben.

Anschleichen ist zwecklos. Meine Schritte sind viel zu laut, die leise Musik welche aus versteckten Lautsprechern dringt übertönt mich nicht.
"Hi", sage ich. Alexander dreht sich freudestrahlend zu mir herum, er lächelt und alle Besorgnis ist verflogen. Der schwarze Pfannenwender in seiner rechten Hand ist ein wahrer Kontrast zu der Schürze in Regenbogenfarben und dem riesigen weißen Schriftzug quer über seiner Brust. 'Only gay in the kitchen' Ich unterdrücke ein Lachen und presse die Lippen fest aufeinander. Was zur Hölle ist das? Und wo kann man das kaufen?
"Guten Morgen. Komm her. Möchtest du Eier zum Frühstück?", fragt er lächelnd und ich folge dem herrlich aromatischen Duft nach gebratenen Eiern. Der Regenbogen lenkt mich ab, er schreit förmlich nach einem Kommentar meinerseits. Doch Alexander ist schneller und lenkt meine Aufmerksamkeit auf das üppige Frühstücksangebot.
"Spiegeleier oder Rührei? Magst du Toast? Ich habe auch Pancakes vorbereitet. Die ersten sind gleich fertig. Ich mag gerne Müsli und Joghurt mit Beerenobst. Auf dem Tresen findest du alles. Ich wusste nicht was du magst und ehrlich, dass gehört alles zu meinem Plan. Ich will dich beeindrucken", plappert er fröhlich vor sich her, zeigt mir die verschiedensten Möglichkeiten eines reichlichen Frühstücks und meine Augen können kaum glauben was sie sehen.

"Ähm... ich weiß nicht", sage ich leicht überfordert. Auf dem Tresen hinter mir stehen kleine Schüsseln mit den unterschiedlichsten Sorten Beeren, Naturjoghurt und Müsli. Frisch gebrühter Kaffee duftet, Spiegeleier brutzeln in der Pfanne und die gold-gelben Pancakes lachen mich unverschämt an. Alexander stellt eine Packung Bacon zurück in den gigantischen Kühlschrank dessen helles Licht mich blendet.
"Du kannst ruhig Bacon machen. Es ist okay. Du musst meinetwegen nicht darauf verzichten. Nur benutze bitte eine eigene Pfanne", sage ich. Wenn es zu seinem Ritual gehört am Morgen ein klassisches amerikanisches Frühstück mit Eiern, Bacon und Bohnen zu essen, dann werde ich ihn nicht davon abhalten. Genauso wie im Restaurant habe ich kein Problem damit, wenn die Menschen in meiner Umgebung Fleisch essen. Niemand soll und muss sich meinetwegen verbiegen.
"An manchen Tagen brauche ich ein herzhaftes Frühstück. Aber in der Regel bin ich eher der süße Typ."
"Eindeutig", sage ich und ernte ein bezauberndes Lächeln von Alexander. Wie kann ein Mann nur so perfekt sein? Ich schmelze förmlich über seine Fürsorge, die Hingabe und Leidenschaft mit der er mir zeigt, dass es ihm wichtig ist das es mir gut geht.

"Alexander? Ich muss dir etwas gestehen", sage ich und seine Mimik verändert sich von der einen auf die nächste Sekunde. Auch die Gesichtsfarbe wird noch heller und ich denke es ist Zeit ihn zu erlösen.
"Ich mag keinen Kaffee. Hast du Tee?"
"Magnus", ruft er empört. Und doch ist eine gewisse Erleichterung hörbar. Schmunzelnd lege ich meinen Kopf schief und schaue so unschuldig wie es nur geht. In Kombination mit dem Monstereinhorn auf meiner Stirn sicherlich ein bizarrer Anblick.
"Ja natürlich. Die Teebox befindet sich im oberen Schrank. Ganz rechts. Bediene dich einfach", antwortet er.
Energisch wühlen ich mich durch hunderte verschiedene Sorten Tee. Pfefferminze, Kirschtraum, Apfel-Zimt, Fenchel und noch weitere ungewöhnliche Namen, aber nicht das was ich suche. Kurz schaue ich mich in Alexanders Küche um während er seelenruhig und mit der Präzision eines Chirurgen die Pancakes wendet. Leise summend kümmert er sich um unser Mahl und gezielt greife ich an ihm vorbei. Ingwer. Genau das was ich jetzt brauche.

Präzise schneide ich die aromatische Knolle in schmale Scheiben. Der brennend scharf-würzige Geschmack des Ingwer legt sich bereits auf meinen Gaumen. Ich liebe den Geschmack, wie fast jeder Indonesier. Alexander beobachtet mich dabei, ich spüre seine Blicke auf mir und hoffe, die scharfe Klinge des Messers nicht versehentlich in meinen Finger zu treiben. Eine Verletzung ist mehr als genug. Auch wenn Alexander als Unfallchirug desöfteren blutende Finger zu sehen bekommt, kann ich auf diesen Anblick getrost verzichten. Sprudelnd heißes Wasser lässt die feinen Stücke in der gläsernen Teekanne tanzen. Neben der gut gefüllten Teebox stand auch eine kleine Kanne mit passenden Tassen. Routiniert bereite ich den Tee zu, gebe etwas Honig in meine Tasse und nach einer angemessenen Zeit des Ziehenlassen auch den wohlduftenden Ingwertee. Noch immer beobachtet Alexander jeden meiner Handgriffe und ich schmunzele über seinen verklärten Gesichtsausdruck. Es wirkt fast so, als sei er in einer anderen Welt gefangen. Oder zumindest in einer anderen Zeit.

"Alexander?", rufe ich sanft. Der Pancake in der Pfanne ist an den Rändern schon leicht dunkel, doch ehe ich diesen vor dem Feuertod retten muss, erwacht Alexander aus seiner Traumreise und nimmt den Pancake aus der Pfanne.
"Geht es dir gut?", frage ich.
"Klar. Aber ich hatte gerade ein Deja-vu. Kennst du das? Ich hasse das Gefühl", antwortet er Augen verdrehend. Ja ich kenne das Gefühl. Es ist alles andere als schön. Ich mag es ebenso wenig. Und oft trifft es uns in Momenten, die so unerwartet kommen wie Schneefall im August.
"Ich kenne das", antworte ich.
"Ja. Es ist nur... Ach egal."
"Nein sag es ruhig. Was ist los?", frage ich leicht besorgt. Irgendwas bedrückt ihn.
"Mein Dad hat das immer gemacht. Also Ingwertee. Wir hatten immer ausreichend frischen Ingwer zuhause. Zum einen, weil meine Mum ganz gerne asiatisch kochte. Und zum anderen, weil sie öfter unter starken Kopfschmerzen litt. Mein Dad hat ihr dann immer einen Ingwertee gekocht. Sie wollte so lange wie möglich auf Tabletten verzichten. Der Tee half ihr meistens. Daran musste ich gerade denken als ich sah wie du die Knolle geschnitten hast. Eben genauso, wie mein Dad es immer für meine Mum gemacht hat. Er hat sie sehr geliebt."

"Dein Dad war ein großartiger Ehemann und Vater. Er hat seine Familie geliebt. So sollte es sein", sage ich und Alexander nickt.
"Ja. So sollte es sein." Damit schweigt er und beendet die Erinnerung an seinen Vater und eine vergangene Zeit. Wortlos setzt er sich auf den Hocker, starrt in die Kaffeetasse in seinen Händen und schweigt. Unschlüssig stehe ich da, überlege was ich tun soll, setze mich kurzerhand neben ihn und beginne still zu essen. Ein vollbeladener Teller Pancakes steht vor mir, der goldglänzende Ahornsirup ergießt sich über den Stapel. Mein Magen knurrt laut und ich fange einfach an zu essen. Es ist himmlisch. Ich bin im Himmel und stöhne genießerisch. Scheiße ist das lecker.

"Hm, das ist das beste Frühstück sein Ewigkeiten", sage ich schmatzend und belade meine Gabel mit einer weiteren Portion Pancakes und Obst. Alexander schweigt noch immer und ich bin mir gerade nicht sicher ob er sich an die Bräuche meines Landes hält oder in Gedanken versunken ist. Ein Blick genügt mir um zu wissen, dass er gerade nicht bei mir ist. Noch immer starrt er das flüssige schwarz in seiner Tasse an, welche er mit festen Griff umfasst. Seine Fingerknöchel sind bereits ganz weiß und die Eier liegen unangetastet auf dem Teller. Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit sind sie bereits kalt und seufzend lasse ich meine Gabel sinken, schlucke den breiigen Kloß herunter und berühre sanft seinen Arm.
"Wo bist du?", frage ich. Alexander erschrickt, wendet sich mir zu und lächelt gequält.
"Manchmal ist das Leben echt eine Schlampe. Ich hätte dich gerne meinen Eltern vorgestellt. Mum hätte dich sehr gemocht. Ich weiß es. Weil ich dich sehr gerne mag. Oh Gott das klingt so kitschig", sagt er verlegen und in schüttele lächelnd meinen Kopf.

"Nein. Klingt es gar nicht. Ich hätte gerne so ein ungezwungenes Leben wie du geführt. Ich liebe meine Eltern. Aber das hier, wir und ein schwules offenes Leben, dass ist unvorstellbar in meiner Welt. In meinem Land. Meine Familie würde mich verstoßen wenn ich mich outen würde. Das war immer meine größte Angst. Du hast Glück gehabt. Dein Vater hat dich geliebt. Er hat so viel für dich getan. Und auch deine Mum. Sie waren beide liebevolle starke Eltern. Die Erinnerungen an sie sind gut. Lass es zu, auch wenn es schmerzt. Denn der Schmerz hilft uns, die Hürden des Lebens zu meistern. Wir sind immer nur so stark, wie an unserem schwächsten Tag."
"Du bist nicht allein", sagt er leise und verstärkt somit mein Gefühl, dass ich dabei bin mich heillos in ihn zu verlieren.
"Ich weiß. Aber es ist nicht leicht. Ich würde gerne den Regenbogen in mir freilassen und ohne weiter darüber nachdenken zu müssen meinen Eltern von dem wunderbaren Menschen in meinem Leben erzählen. Von dir und deiner Heldentat."

"Welche Heldentat?", fragt er lachend und ich zeige gespielt genervt auf das Einhorn an meiner Stirn.
"Das steht dir ausgezeichnet. Ein kleiner Regenbogen für meinen Regenbogenprinzen. Nicht zu schwul. Angemessen", entgegnet Alexander und küsst sanft meine Stirn.
"Besser als das schreiende Statement vor mir", sage ich und deute mit meinen Zeigefinger auf seine Brust und den Schriftzug quer darüber.
"Hast du ein Problem damit?", fragt Alexander.
"Nein. Versteh mich nicht falsch. Ich würde am liebsten der ganzen Welt entgegenschreien: 'Ich bin schwul. Na und? Ich stehe auf Kerle. Ist das ein Problem? Mir egal. Geh und lebe dein Leben.' Aber dazu habe ich noch nicht den Mut. Kleine Schritte. Ich habe zweiundzwanzig Jahre lang so getan als wäre ich hetero. Du trägst ein eindeutiges Statement. In deinem Schlafzimmer. Auf dieser kitschigen Schürze. Wo hast du die her? Ist das nicht voll das Klischee?"

Das Blut in meinen Adern gefriert und mein Herz zieht sich schmerzlich zusammen. Alexanders Mimik verändert sich. Von liebevoll und sanft zu eiskalt und abwehrend. Mir graut es vor seinen nächsten Worten und noch bevor er etwas sagen kann, bereue ich die meinen. Ich habe ein Deja-vu von unserem Dinner und dem Gespräch über Jace Tod.
"Das ist ein Geschenk meines Vaters. Das Letzte vor seinem Tod."
Fuck. Bitte nicht. Nicht schon wieder.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top