Magnus und die Macht des Wortes
"Kann ich dir noch etwas bringen? Eine süße Nachspeise oder einen heißen Espresso?", säuselt der Kellner und wenn ich es nicht besser wüsste würde ich meinen, der macht das mit Absicht. Seine Hand liegt wie beiläufig auf der Schulter von Alexander und ehe ich etwas sagen kann, hat er sie bereits wieder entfernt. Trotzdem formen sich dunkle Fantasien zu hellstrahlenden Bildern in meinem Kopf. Das Essen verlief still und doch war es nicht unangenehm. Noch immer bin ich überrascht und zutiefst gerührt über Alexanders Aufmerksamkeit. Immer wieder sahen wir uns an, haben eine stumme Konversation nur durch die Macht der Blicke des jeweils anderen geführt. Nicht einmal kam der Kellner und störte unsere Vertrautheit. Aber jetzt, als wir unser Mahl beendet haben und ein Gespräch neu entflammt werden kann, steht er plötzlich da und umgarnt mal wieder meine Verabredung. Denn seine Blicke sprechen eine eindeutige Sprache. Und diese gefällt mir ganz und gar nicht. Ich kann ihn lesen wie ein offenes Buch und bereits auf Seite eins hat er Alexander von dem blauen Leinenhemd und seiner Hose befreit. Seite zwei beginnt mit einem Zungenspiel um erhitztes Fleisch, endet in ekstatischen Wellen und bevor ich mich weiter in Seite drei vertiefen kann, greift Alexander nach meiner Hand und schlägt das Buch vor mir geräuschvoll zu.
Verflogen ist der Gedanke an das Zusammenspiel zweier Körper und die rasende Eifersucht die unermüdlich in mir brodelt. Ich versuche es so gut wie möglich zu überspielen. Jedoch bezweifele ich, dass es mir gelingen wird. Ich bin ein schlechter Lügner und meine Emotionen liegen desöfteren frei für jedermann sichtbar vor mir.
"Was meinst du Magnus?", fragt Alexander und lächelt mich liebevoll an.
"Hast du Lust auf ein Dessert?" Und wie ich das habe. Sein Daumen liebkost meinen Handrücken, winzig kleine Impulse aus Funken und elektrisierenden Blitzen schießen durch meinen Körper. Alexanders strahlende Augen nehmen mich gefangen und in meinem Kopf formt sich der Wunsch, dass ich sein Dessert wäre.
"Warum nicht?", antworte ich rau und räuspere mich. Als seine Augen die meinen verlassen fühle ich mich einsam und allein. Alexanders Aufmerksamkeit gilt dem Kellner und der Strudel feuriger Eifersucht regt sich bereits wieder.
"Was kannst du uns empfehlen Sebastian?", wendet er sich an den Kellner und dieser Anblick gefällt mir ganz und gar nicht. Neugierig und mit Vorsicht beobachte ich jede Reaktion und noch so kleine Mimik. Die funkelnden Augen des Kellners lassen mich leicht würgen. Auch seine Zunge die zuerst eine glänzende Spur zieht, aufreizend, neckend. Es ist zum kotzen eklig.
"Nun, da hätten wir zum einen Bratapfeltiramisu mit Mandelkrokant. Ein warmes Schokotörtchen mit flüssigem Karamellkern und Schoko-Chili-Soße, oder köstliches Pflaumen-Zimt Eis mit karamellisierten Pflaumen und Lebkuchensoße."
"Das hört sich alles sehr gut an. Was meinst du Magnus? Worauf hast du Lust?", fragt mich Alexander. Seine Finger gleiten unablässig über meine Haut, alles in mir ist in Aufruhr als warme Fingerspitzen langsam unter den Ärmelsaum meines Shirts fahren. Die Härchen stellen sich sogleich auf, recken sich den Berührungen dieses schönen Mannes entgegen. Ich starre auf wundervolle rosafarbenen Lippen, weingetränkt und ich möchte nichts lieber als von ihnen zu kosten. Die Aufzählung der verschiedenen Arten süßer Sünde habe ich bereits wieder vergessen.
"Magnus?"
"Ja. Was?", frage ich leicht verwirrt und schüttele sachte meinen Kopf. Es ist unsagbar heiß in diesem Restaurant und gerade wünsche ich mir nichts sehnlicher als eine kleine Abkühlung. Vielleicht ein sanfter Schneefall, weiße unschuldige Sterne. Fast spüre ich die Kälte und schmecke die Reinheit des glitzernden Schnees. Alexander vernebelt meine Sinne. Dabei brauche ich sie um nicht ganz so unerfahren und unsicher zu wirken wie ich in Wirklichkeit bin. Das dieser kluge gutaussehende Mann eine Jungfrau datet, muss er nicht wissen.
"Entscheide du." Ich habe sowieso keine Ahnung was auf der Karte steht.
"Also gut. Dann nehme ich das Tiramisu und für den schönsten Mann der Welt das Schokotörtchen." Verlegen wende ich meinen Blick von Alexander ab und lächele selig. Er findet mich schön. Mich. Ein frustriertes Knurren zerstört den Moment und die zarte Röte auf meinen Wangen weicht glühendrotem Zorn in meinen Augen. Wütend funkele ich den Kellner an und er mich. Wir liefern uns ein Blickduell, nur kurz ist dieser Moment und doch fühle ich mich wie der heimliche Sieger. Denn der schmierige Kellner dreht sich schwungvoll um und hätte er Haare so blond und lang wie Rapunzel, dann würden sie bei diesem Abgang laut klatschend in meinem Gesicht landen. Triumphierend grinse ich und fühle mich euphorisch. Alexander ist mit mir hier, ich bin seine Verabredung und kann ungeniert seine Hand halten und ihn anschmachten.
"Spielen wir ein Spiel Magnus? Um die Wartezeit zu verkürzen?", unterbricht Alexander mein Starren. Ich wundere mich über die Frage. Ein Spiel? Er will ein Spiel spielen? Welches?
"Welches?", frage ich vorsichtig.
"Nichts schlimmes", antwortet er lachend und vertreibt somit die aufkommende angespannte Atmosphäre.
"Ich möchte dich noch weiter kennenlernen. Am liebsten würde ich alles über dich erfahren. Also, bist du dabei?" Ich nicke und höre mir seine Spielregeln an welche ganz einfach sind. Jeder stellt eine Frage und wir müssen beide darauf antworten.
"Du fängst an", sage ich und ich könnte schwören das Grinsen auf seinem Gesicht hat er von Luzifer gestohlen. Plötzlich überkommt mich Angst. Was wenn er sexuelle Fragen stellt?
"Fangen wir harmlos an. Was ist deine Lieblingsfarbe?" Erleichtert atme ich aus. Das ist einfach. Gibt es nicht.
"Keine. Und du?", antworte ich schulterzuckend und ernte einen verwirrten Blick.
"Wie keine? Das ist unmöglich. Jeder Mensch hat eine."
"Ich nicht. Ich mag alle Farben. Sogar schwarz. Dunkelschwarz wie ein Kommilitone so poetisch vor kurzem meine Haarfarbe beschrieben hat."
"Aha. Kennst du ihn gut?", fragt Alexander und mustert mich eindringlich. Ist er jetzt eifersüchtig? Sieht so Eifersucht aus? Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen gepresst, die Kiefer knirschend und blaue Augen die unruhig hin und her flackern? Ich frage ihn nicht danach.
"Nicht so gut. Wir hatten eine Projektarbeit im letzten Semester zusammen. Aber das war es dann auch schon. Hast du Haustiere?", setze ich sogleich hinterher. Die Räder in seinem Kopf sind noch immer am laufen.
"Nein. Ich wollte als Kind immer eine Katze haben. Aber meine Eltern waren dagegen."
"Warum?", frage ich interessiert.
"Aus dem gleichen Grund, warum sie mich nicht in die Schule geschickt haben. Sie hatten ständig Angst ich würde mir Keime und Bakterien einfangen. Nach der Operation musste ich ein paar Wochen Zuhause bleiben und da das Schuljahr bereits begonnen hatte, bekam ich Privatunterricht. Und das blieb so bis zu meinem zwölften Geburtstag. Mir ging es gut, ich nahm meine Medikamente und wollte endlich Freunde haben. Eben ein ganz normales Teenagerleben. Nicht nur meine Schwester und diesen steinalten Lehrer der nach Knoblauch roch und ständig über Gedichtbände und nicht lösbare Klammern philosophierte. Es ist nicht verboten ein Haustier zu haben wenn man transplantiert ist. Aber die Ärzte raten davon ab. Was ist mit dir?" Und wieder einmal überrascht mich seine offene und ehrliche Art.
"Ähm... ja. Nein. Eigentlich doch", stammele ich und sortiere kurz meine Gedanken.
"Meine Großeltern hatten einen Hund. Einen großen schwarzen Hund mit leuchtenden Augen und einem Gemüt so sanft wie eine Herde Schafe. Er hatte keinen richtigen Namen. Wir nannten ihn 'pelindung'. Das bedeutet soviel wie Beschützer. Meine Familie lebte immer in ärmlichen Verhältnissen. Da gab es nichts zu holen. Aber allein seine Größe und das tiefe Knurren hielt so manchen Halunken auf Abstand. Daher pelindung, Beschützer."
"Das ist schön. Meine Lieblingsfarbe ist blau", sagt Alexander und jetzt fällt es mir auf. Er hatte auf diese Frage noch gar nicht geantwortet.
"Blau steht dir sehr gut. Es unterstreicht die Farbe deiner Augen. Ich habe noch nie ein solches Blau bei einem Mann gesehen", hauche ich.
"Sagt der Mann mit den faszinierenden Augen und einer einzigartigen Schönheit. Du hast sicher unzähligen Männern den Kopf verdreht." Nein habe ich nicht. Zumindest nicht bewusst. Aufgeregt schlägt mein Herz, möchte ihm alles erzählen. Jede Sehnsucht, jeden noch so kleinen Traum und unser Kennenlernen nicht mit einer Lüge beginnen. Doch der Teufel in meinem Kopf schreit mich an, bleckt seine Zähne und vergräbt messerscharfe Klauen tief in meinem Fleisch. Alexander erwartet sicher einen erfahrenen Mann der weiß was er tut und nicht bei jeder kleinen Berührung sofort kommt. Ziemlich sicher ist eine indonesische männliche Jungfrau das letzte was er will. Mein schwules Sexleben beschränkte sich auf erste Erfahrungen in der Stille der Nacht und Pornos mit verboten heißen Kerlen. Ich kenne das Gefühl ekstatischer Wellen die meinen Leib durchfluten wenn mein Verstand eine Reise ins Land der erotischen Fantasien antritt. Früh habe ich bemerkt, dass es mir nicht reicht einfach mit der Hand Befriedigung zu verschaffen. Einfache Masturbation, schnelles reiben meiner Hand über den harten Schwanz und einen heißen Pornodarsteller vor Augen sind nicht das was mir das Gefühl absoluter Befriedigung bringt.
Indonesien gehört nicht zu den tolerantesten Ländern auf unserem schönen Planeten. Die Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung, gar Haft- und Prügelstrafen, war immer da und auch ein Land wie die Vereinigten Staaten von Amerika, sind nicht immer so frei wie es ihr Landesmotto sagt. Wie gerne hätte ich zugelassen, dass ein Mann mit starken Armen mich bis zur Besinnungslosigkeit vögelt und mich in eine bessere freie Zukunft entführt. Aber dem war nicht so. Meine Fantasie war das einzige was mir blieb und so begab ich mich in der geschützten Dunkelheit der Nacht regelmäßig auf eine Reise. Ich hatte Bilder im Kopf von verschiedenen großen Männern mit dunklen Haaren, gesichtslos, denn ihre Körper waren das Wichtigste. Jedesmal wenn ich meine Augen schloss und Hände über meine Haut wanderten stellte ich mir vor, dass ebendiese dem erwählten Mann in meiner Fantasie gehörten. Ich fühlte die Berührungen als wären sie wahr und nicht nur ein Traum, eine erotische Fantasie aus den tiefsten Ebenen meiner Gedanken. Mein schwerer Atem durchdrang die Stille der Nacht, meine Fingerspitzen neckten harte Brustwarzen und ich berührte meinen Schwanz erst, als es fast nicht mehr zum aushalten war.
In den Genuss von Sextoys und ihrem speziellen Reiz kam ich das erste Mal vor knapp zwei Jahren. Sexualität ist etwas worüber Indonesier nicht sprechen. Prostitution ist ein Verbrechen gegen die Sitten und die Moral. Obwohl es weit verbreitet, toleriert und in den Gassen von Jakarta zum Alltag gehört. Prostitution ist illegal und die Polizei sieht gerne darüber hinweg. Selbstverständlich nicht uneigennützig. Bordelle, Straßenprostitution, erotische Massagen. Junge Mädchen und Jungs in Frauenkleidern. Alles was das Herz des westlichen Mannes und der Einheimischen begehrt. Nur ist es nicht das was ich begehre. Ich wollte nie einen fremden Mann der mir meine Jungfräulichkeit in irgendeinem Hinterhof einer dreckigen Gasse nimmt. Einen Sexshop sucht man in Jakarta und dem restlichen Indonesien vergeblich. Stattdessen tat ich das was viele Männer in meiner Situation tun. Sie helfen sich und benutzen Gegenstände wie einen Stift oder den Stiel einer Bürste um die Freuden einer Penetration zu erleben.
Es ist ein Geheimnis welches ich tief in mir trage. Scham und Angst begleiten mich, dass mein Handeln unsittlich ist und die Menschen mich für das was ich mache verurteilen. Als ich das erste Mal einen Sexshop betrat, brannte die Sonne heiß auf den New Yorker Asphalt und verstärkte sämtliche Gerüche der Stadt. Es war erdrückend schwül, kaum Luft zum atmen und obwohl ich einiges an Hitze gewohnt war, fühlte es sich anders an. Mit wild klopfendem Herzen stand ich vor einem unscheinbaren Laden, welches sein enormes Potential erst nach Überquerung der Türschwelle offenbarte. 'Rainbow Passion' und mein schwules Ich war im siebten Himmel. Ein freundlicher älterer Herr mit noch immer vollem blonden Haar und tiefer Reibeisenstimme empfing mich freudestrahlend. Zögerlich sah ich mich um, begrüßte ihn stumm und meine Augen kamen von all den Eindrücken kaum hinterher. Eine kleine Regenbogenfahne im Schaufenster war von außen betrachtet der einzige Hinweis darauf, dass hier überwiegend männliches schwules Publikum ihr hartverdientes Geld über den Tresen schob. Und der Name des Ladens. Eigentlich war es offensichtlich. Dennoch für mich Neuland.
In einer Ecke des Ladens hingen alle möglichen Kombinationen aus Leder mit und ohne Nieten und Reißverschlüssen um wichtige Details für das erotische Liebesspiel freizugeben. Ledermasken und Schlagwerkzeuge für das Spielzimmer. Nach einem kurzen aber interessierten Blick ging ich weiter in die Tiefen des Rainbow Passion. Aufgeregtes Kribbeln begleitete mich seit Betreten des Ladens und als ich vor der üppigen Auswahl an Dildos, Plugs und Prostatastimulatoren stand, glaubte ich Engel singen zu hören. Hiervon hatte ich immer geträumt. Unbegrenzte Möglichkeiten erschlossen sich und doch knetete ich verlegen meine Hände als der Inhaber des Ladens plötzlich und unerwartet neben mir auftauchte. Er war sehr freundlich und schien meine Unsicherheit zu spüren.
"Dein erster Besuch in einem Sexshop?", fragte er und ich nickte. Sein Lächeln vertrieb all meine Sorgen und Gedanken.
"Möchtest du etwas Bestimmtes oder dich einfach erstmal nur umsehen?" Ich wusste was ich wollte. Nur wusste ich nicht wie man es benutzte. Mein Entschluss ihm offen und ehrlich entgegen zu treten, war die beste Entscheidung des Tages. Steven nahm sich Zeit, erklärte mir die verschiedenen Toys in seinem Sortiment und deren Benutzung. Er sagte mir gleich zu Beginn, dass ich ihm alle Fragen stellen könnte die mir auf der Seele brannten. Er hätte schon so einiges erlebt in seinen dreiundzwanzig Jahren als Inhaber eines der ältesten schwulen Sexshops in New York. Die Vielzahl war überwältigend. Dildos mit und ohne Vibration, Plugs in unterschiedlichen Größen und Materialien, Penisringe und Gleitgele. Für jeden Geschmack etwas dabei. Seine freundliche Art, der offene Blick und ein lockerer Spruch auf den Lippen machten es einfach ihm zu vertrauen. Unbeschwert und mit dem Kopf voller Antworten verließ ich Stunden später das Rainbow Passion und kehrte seitdem öfter dorthin zurück. Ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht und eine unscheinbare Tüte in der Hand. Das war der Beginn neuer Erfahrungen und egal wie sehr mich das Vibroei in meinem Hintern oder der nicht gerade kleine Dildo auch erfreuen, so ersetzen sie keinen echten Penis eines echten Mannes.
"Magnus", sagt Alec sanft und ich blinzele ein paar Mal.
"Wo warst du mit deinen Gedanken?", fragt er mich kichernd. Ziemlich weit weg. Ich weiß noch immer nicht was ich ihm antworten soll. Zum einen möchte ich keine Geheimnisse vor ihm haben. Zum anderen ist es mir unangenehm mit meinen zweiundzwanzig Jahren noch Jungfrau zu sein. Beim ersten Date spricht man doch nicht über solche Dinge oder? Oder? Ich weiß es nicht. Mein Kopf fühlt sich seltsam leer an und ich komme mir so dumm vor.
"So schlimm?"
"Nein. Eigentlich nicht", entgegene ich kopfschüttelnd. Alexander ist in einer anderen Kultur aufgewachsen. Seine Eltern haben ihn immerhin nach dem Outing nicht verstoßen. Wussten sie es überhaupt?
"Wussten deine Eltern das du auf Männer stehst?", frage ich vorsichtig. Nachdem was ich erfahren habe, standen sie sich nahe. Aber nicht alle Eltern sind so tolerant wie man meinen möchte.
"Ja. Sie wussten es. Ich hatte mein Coming out mit 16. Also bei meinen Eltern. Für mich war das schon früh klar. Ich kam von einem Date und er war nicht gerade zimperlich gewesen. Mein Hals leuchtete wie ein Weihnachtsbaum und ich konnte es nicht verstecken. Es war Sommer und meine Eltern saßen im Garten auf der Terrasse als ich versuchte lautlos in mein Zimmer zu gelangen. Naja, meine Mutter hatte schon immer gute Ohren und einen hervorragenden Geruchssinn. Mein Vater lachte sich halb schlapp als er mich sah und mir war das dermaßen unangenehm. Das war so peinlich und ich verfluchte Simon in diesem Moment so sehr. Natürlich wollten sie alles über meine Herzensdame wissen und ich kaute nervös auf meiner Unterlippe herum. Ich erinnere mich noch genau, Mum zog mich zu sich auf die Bank und Dad wechselte auf die andere Seite. Es dauerte keine zwei Sekunden und sie sah mich nachdenklich an. Ihre Worte werde ich nie vergessen. "Kein Mädchen Robert." Das war alles. Mehr nicht. Ich sah meine Mutter an und in ihrem Blick lag so viel Liebe. Alle Bedenken und Zweifel waren von einer Sekunde auf die nächste wie weggeblasen. Der riesengroße Felsbrocken liegt noch heute im Garten meines Elternhauses. Irgendwann verstand auch mein Vater was seine Frau ihm versuchte zu sagen und alles was er antwortete war: "Hoffentlich geht er gerne angeln."
"Und? Ging er gerne angeln?", frage ich.
"Ja. Simon ging gerne angeln. Das mit uns lief eine Weile, aber überstand die Highschool nicht. Ich möchte diese Zeit und die daraus entstandenen Erfahrungen nicht missen. Er war mein erster Freund und mit ihm hatte ich auch mein erstes Mal."
"So genau muss ich das nicht wissen", lenke ich ein.
"Entschuldige. Was ist mit dir? Wie haben deine Eltern reagiert?" Jetzt oder nie. Wahrheit oder Lüge. Ich schlucke trocken und mein Hals schnürt sich zu. Alle Geräusche um uns herum sind verstummt, es ist still und man kann eine Stecknadel fallen hören. Nervös blicke ich mich um. Nein, es ist laut und die Gespräche der anderen Gäste drehen sich nicht um mein Sexleben. Sie sind gefangen in ihrer eigenen Welt und beachten uns nicht.
"Gar nicht. Ich bin nicht geoutet. Und du bist der erste Mann den ich date seitdem ich in New York lebe." Erleichtert atme ich aus. Es fühlt sich nur halb so schlimm an wie ich glaubte.
"Ja, ich kann mir denken das es für dich nicht einfach war immer so zu tun als wäre man jemand anderer. Nicht alle Länder sind so tolerant und glaube mir wenn ich dir sage, du bist nicht der einzige schwule Mann in Indonesien und du bist nicht allein." Alexander drückt fest meine Hand und lächelt mich liebevoll an. Diese Geste sagt mehr als tausend Worte und sie bedeutet mir unendlich viel.
"Ich weiß."
"Auf unserem Trip durch Indonesien lernte ich einen Mann kennen und kam ihm sehr nahe. Er erzählte mir seine Geschichte und am Ende des Tages landeten wir in meinem Hotelzimmer und vögelten die ganze Nacht. Eine Woche später heiratete er eine Frau die er nicht liebte und seine Eltern für ihn ausgesucht hatten. Ich weiß Bescheid Magnus. Es ist okay wenn du nicht bereit bist dich zu outen. Aber du solltest wissen, dass ich dich unglaublich faszinierend und heiß finde."
"Du überrascht mich. Wie locker Du damit umgehst."
"Was? Das du im Schlechtesten Fall mich ein Leben lang vor deiner Familie verleugnest? Der Gedanke ist nicht schön. Aber niemand kann dich dazu zwingen diesen Schritt zu gehen. Und einen Versuch ist es wert. Denn erst wenn wir es versuchen wissen wir, ob es funktioniert. Oder ob wir scheitern."
"Alexander... ich..." Tief einatmen Magnus. Er ist so verständnisvoll und würde ein unbeschwertes Leben mit einem geouteten Mann einem unsicheren von Zweifeln beladenen Leben mit mir vorziehen. Das ist alles zuviel und ich entscheide mich Alexander zu vertrauen.
"Ich finde dich auch heiß und du bist klug und liebevoll und wunderschön. Ich kann mir durchaus vorstellen wie es wäre mit dir zu leben. Aber ich weiß nicht ob ich es ertragen würde meine Eltern für den Rest ihres Lebens zu belügen", antworte ich ehrlich. Und diese Ehrlichkeit wird mit einem sanften Lächeln belohnt.
"Du musst diesen Weg nicht alleine gehen. Wir lernen uns gerade erst kennen. Wer weiß wohin der Wind uns trägt?"
"Mich hoffentlich bald in dein Schlafzimmer", mischt sich plötzlich und ungefragt der Kellner ein und Alexander verschluckt sich am Wein den er gerade dabei war zu trinken. Hustend wedelt er mit der Hand und mir platzt endgültig der Kragen. Wutentbrannt springe ich auf, meine Oberschenkel knallen gegen die Kante des Tisches. Zischend unterdrücke ich einen Fluch und die Flasche Rotwein vor Alexander schlägt dumpf auf dem Tisch auf. Blutrote Flüssigkeit färbt reines Weiß und ich kann nicht länger die glühend heiße Eifersucht in meinen Adern ignorieren.
"Es reicht", sage ich mit fester lauter Stimme. Doch weiter komme ich nicht. Mit offenem Mund starre ich auf die Szenerie die sich mir bietet. Der Inhalt des teuren Weines läuft plätschernd über den Tisch. Der Stoff der Tischwäsche kann die Menge nicht aufnehmen. Somit ist es der Stoff von Alexanders Hose welcher gierig den Traubensaft aufsaugt. Seine Reaktion ist zu langsam, der graue Stoff färbt sich dunkel. Ich unterdrücke einen lauten Fluch als der Kellner nach meiner Serviette greift und beginnt am Stoff von Alexanders Hose zu reiben.
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