Alexander und die schmerzende Erkenntnis

Das. War. Unglaublich. Fuck. Warum habe ich solange auf Analsex verzichtet? Warum? Ich weiß es gerade nicht mehr. Meine ganzer Körper bebt vor Ekstase, ich fühle mich frei und unendlich leicht. Das Gefühl zu schweben und nie wieder möchte ich auf dem Boden landen. Ich kann kaum glauben was geschehen ist. Magnus Körper, sein Duft und die Sehnsucht in seinen Augen haben mich komplett verrückt gemacht. Es kostete mich viel Selbstbeherrschung ihm wenigstens etwas Zeit zum Vorbereiten auf meinen Penis zu geben. Wie gerne hätte ich Magnus einfach gepackt, fest in die Laken gedrückt und meinen Schwanz tief in seinem Hintern versenkt. Er wäre nicht der erste Mann gewesen, der ohne Vorwarnung plötzlich unter mir liegt. Doch gefällt es nicht jedem und manchmal kann dieses Verhalten ernste Konsequenzen nach sich ziehen. Vor langer Zeit habe ich mir geschworen, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen.

Magnus war so willig und bereit, sein vor Lust verzerrtes Gesicht, dem Höhepunkt so nahe nur weil der Plug sein williges Loch massierte. Nicht einmal hat er meinen Penis berührt, krallte sich fest in meine Brust und ich war kurz davor ihn einfach auf meinen bettelnden Schwanz zu heben. Ihn hart zu ficken, so wie er und ich es brauchten. Sein Anblick machte mich so verrückt und ich wusste, dass diese Nacht alles verändern würde. Ich bin ihm so verfallen. Seinen wunderschönen leuchtenden Augen, die kleinen Smaragde in einem Ozean der Lust. Den weichen Lippen, zart und sinnlich, mein Untergang und meine Erlösung. Nie wieder möchte ich einen anderen Mann an meiner Seite wissen, nie wieder zulassen, dass Tristesse und Alltag, Stress und das mangelnde Redevermögen, mich direkt in die Arme eines Fremden führen. Magnus ist der Mann nach dem ich so lange Zeit gesucht habe. Beinahe hätte ich die Hoffnung aufgegeben, sah mich schon als alter Knacker in den Toiletten schummriger Bars mit meinem Schwanz im Rachen irgendeines jungen Kerls. Die einzige Möglichkeit auf ein Abenteuer.

Doch mit Magnus ist es anders. Ich fühle mich high, wie von Sinnen und kann kaum klar denken. Er ist alles was ich je wollte. Magnus ist auf direktem Weg in mein Herz vorgedrungen. So kräftig und intensiv wie es kein Mann vor ihm war. Träge öffne ich meine Augen und erschrecke über den Anblick im Spiegel über uns. Magnus liegt zusammengekauert auf der Seite, den Rücken mir zugewandt und zittert. Sein ganzer Körper bebt, das Gesicht tief vergraben in den Laken und Angst überkommt mich. Was ist geschehen? Bereut er es? Habe ich seine Zeichen falsch gedeutet und es war für ihn nicht so schön wie für mich?
"Magnus?", frage ich vorsichtig und höre es nun deutlich. Mein Egoismus und die berauschende Wirkung eines männlichen Körpers haben mich komplett beherrscht. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte ich das offensichtliche nicht sehen? Magnus liegt schluchzend neben mir, er wirkt so verloren und das Beben seines Körpers nimmt immer mehr zu. Ich greife nach der Decke am Ende des Bettes und ziehe sie vorsichtig über uns. Magnus greift nach dem ersten Zipfel den er erreichen kann und wickelt sich schützend in den wärmenden Stoff.

"Magnus?", frage ich erneut und mit deutlich leiserer Stimme.
"Bitte rede mit mir."
"Worüber?", schluchzt er und es zerreißt mir fast das Herz. Ich habe keine Ahnung warum er weint, was der Auslöser für diesen Ausbruch an Emotionen ist. Es sind keine Tränen der Freude und des Glücks. Sondern Traurigkeit und... nein, dass kann nicht sein. Schmerz? Fuck.
"Was kann ich tun? Rede mit mir, bitte. Rede mit mir", sage ich verzweifelt.
"Alexander, ich... egal", antwortet er seufzend. Egal? Es ist nicht egal. Magnus geht es nicht gut. Irgendetwas bedrückt ihn und ich möchte wissen was es ist. Tränen in diesem Ausmaß nach phänomenalem Sex heißen nichts gutes.
"Das ist nicht egal. Ich will wissen was los ist. Warum weinst du?", sage ich aufgebracht. Es ist Magnus gegenüber nicht fair, das weiß ich. Aber ich habe das Gefühl, dass er mir keine Antworten geben wird. Nicht freiwillig.
"Schrei mich nicht an. Bitte", flüstert er. Ich habe nicht geschrien. Habe ich geschrien? Wie kommt er darauf?

Ich bin verwirrt, will endlich wissen warum Magnus weint und ihn in meinen Armen halten. Also tue ich das Einzige, was mir in solch einem Moment helfen würde. Langsam drehe ich mich auf die Seite, sehe Magnus hübschen Rücken, die leicht dunklere Haut und das volle schwarze Haar. Nur leicht berühren meine Fingerspitzen seine Haut, fahren über die Wirbelsäule und die Seite. Kommen auf Magnus Unterbauch zum erliegen und ich spüre wie er sich verkrampft und versucht so wenig wie möglich zu atmen. Ohne ein Wort zu sagen schmiege ich mich an Magnus Rücken, spüre die Wärme seines Körpers und vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Er riecht nach Sex und Verlangen, Salz und Magnus.
"Irgendetwas ist passiert. Und ich möchte, dass wir darüber reden. Du bist mir zu wichtig, als das ich die Tatsache, dass du anscheinend wegen unserem Sex weinst, einfach so ignorieren kann. Das bin ich nicht. Das kann ich nicht", sage ich und beende meine Worte mit einem Kuss unterhalb seines Ohrläppchens. Ein weiteres Schluchzen verlässt seinen Mund, Magnus greift nach meiner Hand und verschränkt unsere Finger miteinander. Geräuschvoll verlässt die angehaltene Luft seine Lungen. Magnus braucht Zeit und ich gebe sie ihm.

Keine Ahnung wie lange wir in dieser Position liegen. Ich spüre Magnus so nah wie nur möglich an meinem Körper und habe doch das Gefühl, dass er meilenweit von mir entfernt ist. Mein Sperma klebt zwischen unseren Körpern, ich halte Magnus mit meinen Beinen umklammert und spüre die Feuchtigkeit zwischen uns. Auch Magnus Bauch und die Brust sind benetzt mit seiner Lust und ich komme mir gerade so unendlich dämlich vor. Ich muss das Bett neu beziehen und Magnus muss duschen. Fuck, wie konnte ich das nur vergessen?
"Ich zeig dir wo das Bad ist okay?", flüstere ich und hauche einen weiteren auf seinen Hals.
"Ich kenne dein Badezimmer bereits. Aber ist egal. Ich komme eh nicht die Treppen runter", antwortet er leise.
"Ich habe hier oben ein extra Bad."
"Mhmh, passt schon." Ich weiß nicht was es ist. Aber Magnus bereitet mir Sorgen.
"Magnus, kannst du aufstehen?", frage ich vorsichtig und sehe wie er leicht den Kopf schüttelt.
"Ich glaube nicht. Zumindest fühlt es sich nicht so an." Solangsam beginnen die Puzzleteile in meinem Kopf ein neues Bild zu ergeben. Ich muss sie nur noch an die richtigen Stellen setzen.

"Du solltest duschen und ich beziehe schnell das Bett neu. Dann kannst du dich schonmal hinein kuscheln während ich noch schnell unter die Dusche springe. Klingt das gut?" Das Schluchzen wird weniger und ich löse meinen Griff aus Magnus Fingern, drehe seinen Kopf in meine Richtung und seufze laut. Kleine Sterne glitzern in seinen Augen, Tränen bedecken die funkelnden Smaragde mit einem Silberschleier. Mein Herz schlägt laut polternd auf dem Boden auf. Magnus so zu sehen ist unfassbar schwer. Unzählige Fragen bilden sich in meinem Kopf, doch Antworten bleiben fern. Ich schließe kurz meine Augen, atme tief ein und noch bevor der Atem meine Lippen verlässt, liegen diese weich und sinnlich auf denen von Magnus. Gefühlvoll und sanft, nur federleicht berührt mich seine süße Sünde. Küsse sind nicht immer fordernd und wild, ungestüm und heiß. Sie können auch streichelnd und heilend, zärtlich und zerbrechlich sein. Genau so ist gerade zwischen uns. Dieser Kuss sagt so viel mehr als alle Worte die ich finden könnte. Magnus ist mir wichtig und ich bin nicht bereit ihn einfach so gehen zu lassen. Mit Schmerzen im Herzen und verwirrenden Gedanken. Langsam beruhigt Magnus sich wieder und nickt schließlich leicht. Ich fühle die Bewegung als kitzelndes Streicheln an meinen Lippen, spüre heißen Atem welcher sich mit meinem vermischt.

"Komm, ich helfe dir aufstehen. Okay?"
"Okay", antwortet er und ich stehe auf, reiche Magnus meine Hand und bin erleichtert, als er diese ergreift.
"Du hast Schmerzen oder?", frage ich direkt und Magnus schaut beschämt auf die Decke welche schützend über seinen Beinen und dem Intimbereich liegt. Mein letzter Sex ist drei Jahre her und ich habe nicht wirklich darauf geachtet, ob Magnus Zeit braucht sich an mich zu gewöhnen oder nicht. Ob das Tempo und die Intensität meiner Stöße ihn genauso erregt wie mich. Will war es egal. Er liebte es wenn ich hart und schnell in ihn stieß. Wie konnte ich nur so dumm sein? Jedoch steht nicht jeder Mann auf Bassed Hound.
"Magnus. Es tut mir leid. Lass uns reden", bitte ich und höre mich leicht verzweifelt an.
"Ich habe es mir immer anders vorgestellt", höre ich ihn sagen.
"Was?", frage ich verwundert. Und dann trifft mich die schmerzende Erkenntnis wie ein Schlag. Nein, Schlag ist untertrieben. Wie eine Lawine brechen seine Worte des vergangenen Abends über mir zusammen. 'Erstes Date... Seine Verlegenheit während unserer Gespräche... Nicht geoutet... Seine Unsicherheit...

"Weißt du was?", sage ich rau und schlucke den dicken Kloß in meiner Kehle hinunter, der nun schwer wie Blei in mir ruht.
"Ich lasse dir Badewasser ein. Du wirst danach unfassbar müde sein. Aber es wird dir gut tun. Reden können wir auch noch morgen."
"Okay", antwortet Magnus und schenkt mir ein schüchternes Lächeln welches mein Herz für einen kurzen Moment ins stolpern bringt.
"Aber erst...", sage ich ächzend und beuge mich über Magnus und angele nach der Packung Taschentücher auf dem Nachtisch. Meine Brust berührt seine und ich kann noch immer die Hitze seines Körpers fühlen.
"... kannst du dich hiermit säubern. Den Rest erledigt das Badewasser. Oh und du darfst dir auch den Badeschaum aussuchen. Ich habe Sweet Apple pie, Prinzessinnentraum mit Glitzer, Erdbeereinhorn - auch sehr beliebt oder... und das riecht wirklich himmlisch, Zedernholz mit Jojobaöl. Die perfekte Kombination zum Entspannen." Ein riesengroßes Fragezeichen schwebt über Magnus Kopf und gerade noch rechtzeitig unterdrücke ich ein lautes Lachen. Stattdessen beiße ich mir auf die Unterlippe. Magnus sieht absolut hinreißend aus. Seine Augen huschen nervös hin und her, sie suchen einen Punkt zum fixieren und finden doch keine Ruhe. Er scheint leicht überfordert mit meiner Auswahl und ganz ehrlich, ich wäre es auch.
"Möchtest du wie ein Erdbeerfeld riechen oder doch lieber der ruhige Wald?", frage ich.

"Mir egal. Entscheide du. Ich muss mich erst sortieren", erwidert Magnus und ich bin erleichtert, dass er mir die Entscheidung überlassen hat. Also Zedernholz. Ich liebe Charlie und habe nur ihretwegen eine Auswahl fruchtig blumiger Badezusätze auf dem Wannenrand stehen. Aber an meinem Partner bevorzuge ich doch lieber einen männlich maskulinen Duft. Und dieser hier ist perfekt. Das Wasser läuft in die geräumige Wanne und ich höre das sanfte Plätschern und den leise knisternden Schaum. Meine Gedanken sind jedoch bei Magnus und der immer wieder kehrenden Frage, ob ich eine Grenze überschritten habe. Ich war so ein Idiot, getrieben von jahrelangem Konsum ungezügelter Leidenschaft. Wenn man über so lange Zeit einen festen Partner hat, ist die Frage nach sexuellen Vorlieben nicht wichtig. Man entdeckt zusammen, kennt sich und die Lieblingsstellung des Partners. Und meine ist eindeutig Bassed Hound und Barebacking. Ich musste Will nicht um Erlaubnis fragen. Er bot sich mir quasi an und zu Beginn unserer Beziehung fand ich das extrem geil. Doch das änderte sich im Laufe der Jahre. Und irgendwie hatte ich in den letzten Jahren seit unserer Trennung immer die Angst im Nacken, dass es wieder so sein wird. Dass mein Partner mich einengt, mir nicht den Freiraum gibt den ich benötige um meine Gedanken von Hoffnungslosigkeit und Trauer verarbeiten zu können. Mein Job ist nicht einfach. Ich bin umgeben von Tod und Leid, aber auch Freude und Zuversicht. Es ist an der Zeit, mein Leben in eine andere Richtung zu wenden. Mich darauf einzulassen, dass nicht nur die Arbeit als Arzt und meine kleine verbliebene Familie existieren.

Dort hinter dieser Tür, in meinem Schlafzimmer liegt ein Mann, der längst verlorengeglaubte Gefühle in mir erweckt hat. Welcher mit jedem Wort aus seinem Mund meine vollste Aufmerksamkeit hat und in meiner Vorstellung bereits einen feinen Silberreif am Finger trägt. Das was geschehen ist, kann ich nicht rückgängig machen. Es war ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Magnus ist es wert, auf ihn zu achten. Der Blowjob im Bad war eines der erotischsten Dinge seit langem. Er sah so wunderschön aus und fasziniert lauschte ich seinem Stöhnen. Gleichzeitig machte es mich glücklich und erregte mich ungemein. Ich wollte Magnus um jeden Preis. Aber ich hätte auch gewartet. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob er schon mal Sex hatte so wie ich glaubte. Seine Worte sagen etwas anderes. So sollte es nicht sein. Das erste Mal mit einem Mann ist anders als mit einer Frau. Früher, in unserer Teenagerzeit und den ersten Erfahrungen, hatte ich viele Gespräche mit Jace. Es gab kaum, nein eigentlich gar keine Geheimnisse zwischen uns. Auch wenn er als Heteromann nichts über schwulen Sex in der Praxis wusste, so war er doch meine erste Anlaufstelle und ich fragte ihn um Rat. Genauso war es auch bei ihm. Wir schätzten die Meinung des anderen sehr. Jace war immer ehrlich und offen für Neues. Würde er noch leben, hätte er schon längst eine Nachricht von mir mit der Bitte mich morgen zu treffen.

Als ich mein Schlafzimmer betrete liegt Magnus auf dem Bauch, sein Kopf bettet auf den Armen und verzückt betrachte ich sein hübsches Gesicht. Schwarze dichte Wimpern ruhen auf karamellfarbener Haut und ich seufze leise. Er sieht so entspannt und friedlich aus. Ich wünschte, er wäre es auch.
"Starrst du mich an?", fragt er kichernd und ich fühle mich ertappt. Ja ich habe gestarrt. Wer hätte das nicht? Immerhin liegt der schönste Mann der Welt in meinem Bett.
"Wie könnte ich nicht. Wann bekommt mal schonmal die Gelegenheit einen Engel beim schlafen zuzusehen?"
"Ich bin kein Engel", antwortet er leicht empört und sieht mich aus funkelnden Augen an.
"Ich bin Gott." Ja das ist er. Für mich ist er ein göttliches Wesen und kurzerhand beschließe ich, diesen zauberhaften Mann wie einen Gottkönig ins Badezimmer zu tragen. Noch bevor Magnus ein Wort des Protestes hervorbringen kann, liegt er in meinen Armen und umklammert angestrengt meinen Hals.
"Alexander. Was tust du?", fragt er aufgeregt.
"Meinen Gott in die Badewanne tragen", antworte ich gelassen. Magnus wehrt sich nicht, zappelt nicht wie wild herum oder versucht aus meinen Armen zu entkommen. Stattdessen schmiegt er seinen Kopf in meine Halsbeuge und ich höre ihn leise sagen: "Wir müssen wirklich reden. Es gibt da etwas, was du wissen solltest."

In Windeseile habe ich das Bett neu bezogen und sitze nun hinter Magnus in der Badewanne. Erst war ich unsicher, ob es richtig ist und er das möchte. Doch Magnus nahm mir die Entscheidung ab, indem er seine Hand nach mir ausstreckte und somit alle Zweifel beiseite schob. Ohne zu zögern setzte ich mich hinter ihn, streckte die Beine neben seinen und Magnus lehnte sich sogleich mit seinem Rücken an meine Brust. Vertrautheit und Ruhe liegt über uns. Meine Finger streichen sanft durch Magnus Haar, die andere Hand liegt über der Stelle wo sein Herz fest und gleichmäßig in seiner Brust schlägt. Der Duft nach Zedern mit dieser charakteristischen balsamisch-holzigen und würzigen Note liegt in der Luft. Silbrig-glänzende Schaumblasen zerplatzen leise, das Knistern und Magnus Atem bilden eine eigene Melodie. Ich könnte ewig hier liegen, mit Magnus in meinen Armen, Wärme, Geborgenheit und Stille. Absolute Stille und Ruhe, Balsam für die Seele und sich ständig drehenden Gedanken.

Kurz stoppe ich die Liebkosung seiner Haare. Magnus wirkt nervös, rutscht über den glatten Boden der Badewanne, versucht eine neue Position zu finden. Schneller pulsiert der Lebensmuskel in seiner Brust, drückt kräftig gegen meine Fingerspitzen. Seine Brust hebt und senkt sich schneller, ich streichele beruhigend über seine warme feuchte Haut und gebe ihm Zeit sich zu sammeln. Seitdem das heiße Wasser unsere Glieder wärmt, haben wir noch nicht ein Wort miteinander gesprochen.
Plötzlich löst er sich aus meiner Umarmung. Ich betrachte seinen Rücken mit dem schönen Schwung definierter Muskeln und den Schaumblasen, regenbogen-glitzernd auf seiner weichen Haut. Magnus sitzt mit den Unterarmen auf den Knien gestützt und gesenktem Kopf vor mir. Er möchte etwas sagen, doch findet keinen Anfang. Meine Hände gleiten in das wohlduftende Schaumbad, streichen über Magnus unteren Rücken, hinauf zu Schulterblättern und Nacken, verteilen Schaum in kreisenden Bewegungen und Magnus brummt leise. Mit festem Griff, nicht zu stark aber angemessen um die Verspannungen in seinem Nacken zu lösen, massieren ich die Muskeln und punktiere einige Triggerpunkte neben der Halswirbelsäule. Magnus keucht, genießt die wohltuende Entspannung und fängt plötzlich an zu reden. Wie ein sprudelnder Wasserfall verlassen teils verwirrende Worte seinen Mund. Ich höre zu, sauge alles auf wie ein Schwamm und verstehe ihn nun umso besser.

"Ich habe mir mein erstes Mal immer anders vorgestellt. Keine Ahnung... irgendwie einfacher, sanfter."
"Ich wusste..."
"Nein Alexander. Lass mich bitte erst ausreden. Das hier fällt mir nicht leicht", sagt er schnell und ich stoppe die Massage, lege meine Lippen auf seine warme Haut und verteile sanfte Küsse als Bestätigung. Ich möchte, dass er keine Angst haben muss mit mir darüber zu reden.
"Das macht es gerade nicht einfacher", flüstert er.
"Hmhm", entgegne ich und mache einfach weiter, fahre sanft und federleicht über jeden einzelnen Wirbel hinüber zur Schulter und bette meinen Kopf auf dieser. Magnus atmet tief durch, sammelt Kraft und Stärke.

"Ich wusste früh, dass ich auf Männer stehe. Frauen waren nie interessant. In der Schule habe ich mich versteckt, so getan als wäre ich heterosexuell. Einfach normal und nicht unnatürlich. Es gab viele dunkle Stunden während meiner Teenagerjahre. Ich würde lügen wenn ich sage, dass alles für mich rosarot und toll war. Meine Eltern haben rund um die Uhr gearbeitet um wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag auf den Tisch zu bekommen. Ich war viel alleine, ging zur Schule und lernte ununterbrochen. Ich wollte das Leben meiner Eltern nicht. Je älter ich wurde, um so schwerer wurde es einen Magnus zu spielen, der ich nicht war. Die Fotorgrafie half mir schon immer meine Gefühlen und Emotionen zu verarbeiten. Einen Tag nach meinem 18. Geburtstag sprachen meine Eltern das erste Mal von einer arrangierten Ehe. Ich habe in dem Moment gedacht, mein Leben wäre jetzt zu Ende. Meine Hände zitterten und mir wurde eiskalt. Ich hatte Angst und sah mich schon als gebrochenen Mann auf meiner eigenen Hochzeit. Zum Glück konnte ich meine Eltern vorerst davon abhalten. Aber das Thema ist noch nicht vom Tisch und ich hadere mit mir, ob ich mich outen soll oder nicht. Einmal war ich kurz davor. Ich war frustriert, depressiv und sexuell geladen. Bevor ich etwas sagen konnte, schimpfte mein Vater über ein Video welches er im Internet sah und meiner Mum und mir natürlich zeigen musste. Ein erfolgreicher Schauspieler bekannte sich zu seiner Homosexualität und strahlte bis über beide Ohren. Die Erleichterung war deutlich zu sehen und mittlerweile ist er glücklich verheiratet. Mit seinem Co-Star. Unfassbar wie sich das Leben manchmal entwickelt und das Schicksal zuschlägt. Innerlich war ich am durchdrehen. Dieser Mann war sehr oft der Hauptdarsteller in meinen Fantasien und Träumen. Ich freute mich sehr für ihn und seinen Partner. Und mein Vater, ja der ließ einen schwulenfeindlichen Spruch nach dem anderen folgen. Und das war es mit meinem Vorsatz zu dem zu stehen was ich war. Ich habe das Leben gehasst. Sex beherrschte meine Gedanken und leider auch ein heterosexueller Mann. Jede Nacht betete ich dafür, dass Gott mich erlöst. Dass er mir hilft mein Leben zu beenden. Alexander, ich habe nie darüber geredet. Es gab niemanden, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich wollte sterben, wollte das Leben eines schwulen Mannes nicht. Aber für mich war immer klar, dass ich mich unter diesen Umständen welche in Indonesien herrschen, nicht outen werde. Oft habe ich darüber nachgedacht mir von einem Touristen in einer schummrigen dreckigen Gasse die Unschuld nehmen zu lassen. Aber ganz ehrlich, der Gedanke bereitete mir jedesmal Übelkeit. Denn tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich mein erstes Mal nicht im Stehen in irgendeinem Hinterhof oder einem fragwürdigen Hotel erleben möchte. Und auch der Mann sollte nicht irgendein Kerl aus dem Internet oder ein Freier sein."

Magnus Geschichte berührt mich sehr und erinnert stark an den jungen Mann aus Indonesien, den ich auf meiner Reise kennenlernte. Auch er lebte ein verstecktes Leben, hatte Angst vor der Zukunft und mittlerweile weiß ich auch, dass er nicht mehr am Leben ist. Seine Frau fand ein Foto von uns und die Adresse meiner Eltern. Ich erinnere mich an das Bild. Sie schrieb mir einen Brief und wie das Schicksal es manchmal für witzig und richtig hält, wusste sie all die Jahre, das etwas nicht mit ihm stimmte. Er hat sich nie geoutet, hinterließ einen Brief mit einem einzigen Satz welcher sich tief in meine Erinnerung gebrannt hat. Saya akhirnya bebas. - Ich bin endlich frei. Magnus muss es genauso ergangen sind. Ich habe viel geweint, auch wenn ich ihn nicht wirklich kannte und wir nur eine Nacht zusammen verbracht hatten, so war ich unendlich traurig. Niemand sollte in Angst leben müssen. Jeder hat es verdient so zu sein wie er ist. Frei in seinen Gedanken und Taten.

"Du warst noch Jungfrau?", frage ich das offensichtliche und Magnus nickt. Ich schlinge meine Arme um seinen Oberkörper, drücke ihn fest an mich und atme erleichtert aus als Magnus sich in meine Arme schmiegt.
"Ja das war ich. Ich wollte es so sehr. Ich wollte dich. Meine romantische Vorstellung von Kerzenschein, leiser sanfter Musik im Hintergrund und zärtlichen Küssen war schon recht kitschig. Dessen bin ich mir bewusst. Ich war leicht überfordert, ich wusste ich muss etwas sagen. Es tat weh und ich konnte kaum atmen. Doch du warst so im Rausch, gefangen und ich war zerrissen. Wusste nicht was ich tun soll und lag einfach nur da und habe gewartet bis es vorbei ist. Irgendwann konnte ich es noch genießen. Aber bis dahin, war es eine Qual. Ich wollte es und dann auch wieder nicht. Nicht so. Sondern zärtlicher. Du hast noch nicht mal ein Kondom benutzt. Ich mag zwar unerfahren sein, aber ich bin nicht blöd. Die Wahrscheinlichkeit, sich mit irgendeiner der verschiedenen Krankheiten anzustecken, ist hoch. Weißt du, seitdem ich in New York lebe, kann ich endlich die Erfahrungen nachholen von denen ich in Jakarta nur träumen konnte. Es gibt einen kleinen Laden, total unscheinbar von außen, aber innen gibt es alles was das Herz eines schwulen Mannes begehrt. Der Inhaber nimmt sich bei jedem meiner Besuche Zeit und wir plaudern eine Weile über verschiedene Themen. Bei ihm kaufte ich meine ersten Toys und er erklärte mir mit einer engelsgleichen Geduld die verschiedenen Möglichkeiten und ihre Anwendung. Ich bin ihm sehr dankbar und auch wenn ich bereits des öfteren einen Plug beim masturbieren zur Unterstützung verwendet hatte, so ist es doch etwas anderes plötzlich... du weißt schon was ich sagen will."
"Es ist etwas anderes mit einem Mann Sex zu haben und seinen Penis in sich zu spüren. Keine Kontrolle über das Tempo und die Intensität zu haben. Oder einfach nur einen Plug einzuführen. Obwohl einfach das falsche Wort ist. Nicht jeder Mann mag das. Ich weiß das nur zu gut", beende ich seinen Satz.
"Was meinst du damit?", fragt Magnus und ich beschließe ihm gegenüber die gleiche offene Ehrlichkeit entgegen zu bringen, wie er es bei mir tat. Es ist ihm sichtlich schwer gefallen darüber zu reden. Wer möchte schon, dass sein Date erfährt, wie unerfahren er eigentlich ist? Niemand.

"Mein Ex wollte toppen, aber ich ließ ihn nicht", antworte ich ehrlich und warte auf Magnus Reaktion.
"Verstehe."
"Nein Magnus, du verstehst nicht. Ich mag das nicht. Es ist nicht so das ich es nicht versucht hätte. Während der Highschool hatte ich meinen ersten Freund und wir erlebten viele Dinge gemeinsam. Es verging kaum ein Tag ohne das wir Sex hatten oder zumindest einen Blowjob. Ich war verliebt in ihn und besessen vom berauschenden Gefühl des Orgasmus. Nach unserer Trennung fand ich andere Wege an schnellen anonymen Sex zu kommen. Einfach nur Befriedigung. Aber ich wollte mich nicht ficken lassen. Das war nicht mein Ding. Und so ist es noch immer."

"Hast du noch Kontakt zu deinem Ex?", fragt Magnus vorsichtig. Das Wissen über vergangene Liebschaften hat schon so manche Beziehung in die Knie gezwungen. Ich bin mir nicht sicher, wie tolerant Magnus auf mein Liebesleben reagiert. Aber ich bin ihm die Wahrheit schuldig. Wenn das mit uns funktionieren soll, und ich will das es funktioniert, dann darf ich ihm das nicht verschweigen. Das erste Mal ist prägend, gerade für einen so unerfahrenen Mann wie Magnus.
"Welchen?", frage ich kichernd und könnte mich sogleich selbst Ohrfeigen. Magnus dreht sich ruckartig zu mir herum, das Wasser bewegt sich in Wellen durch die Badewanne und landet klatschend auf den dunkelbraunen Fliesen. Entsetzt sieht er mich an, seine Augen strahlen eine ungeheure Unruhe aus. Wild flackernd tanzen grüne Smaragde im flüssigen Gold seiner Iriden. Und auch wenn gerade ein Sturm in ihnen tobt und Magnus verunsichert wirkt, so sah er nie schöner aus als in diesem Moment. Verzückt betrachte ich sein schönes Gesicht, tiefschwarze dichte Wimpern, welche beschützend um den Seelenspiegel liegen. Die leicht gespaltenen Lippen, zartes rosa und die von der Wärme des Wassers erhitzten Wangen. Alles an ihm ist einfach perfekt und ich streiche sanft über seine Lippen. Heißer Atem kitzelt an der Kuppe meines Daumen und sofort ist die Erinnerung an unser Liebesspiel im Badezimmer zurück.
"Keine Sorge Magnus. Es gibt niemand anderen in meinem Leben. Simon schickt mir jedes Jahr eine Weihnachtskarte mit einem Foto seines Mannes und den drei Kindern. Und Will, ihn habe ich nach unserer Trennung nicht wieder gesehen. Der Rest ist unbedeutend. Quäle dich nicht mit Details. Das ist Vergangenheit und nicht wichtig. Was zählt, ist das Hier und Jetzt und unsere Zukunft."
"Zukunft", flüstert Magnus und dieses einzelne Wort schickt prickelnde Schauer über meine Haut.

"Während des College war ich oft auf Barebacking-Partys. Ein Kommilitone hat die Events organisiert. Wir waren jung und wollten einfach nur Spaß haben. Ich habe schnell Gefallen daran gefunden. Es gab einen festen Kreis, genaue Absprachen. Jeder kannte die Vorlieben der anderen. Tabus wurden offen ausgesprochen und ansonsten konnte man machen wonach einem gerade war. Ohne Rücksicht auf verletzte Gefühle oder Gefühle im allgemeinen. Keiner der Männer suchte die große Liebe. Wir wollten saufen, koksen und ficken. Ich bevorzugte nur das ficken. Irgendwann bin ich nicht mehr hin gegangen."
"Warum?", fragt Magnus.
"Warum? Wegen Scott. Er stand eines Tages vor meiner Tür. Mein Mitbewohner war nicht da. Ich weiß noch genau wie verloren er wirkte. Er war blass und zitterte. Erst dachte ich, Scott wäre auf einem schlechten Trip. Dass das Koks nicht in Ordnung war und wollte ihn packen und ins Krankenhaus bringen. Daraufhin flippte er vollkommen aus und weinte und schrie. Nachdem er sich etwas beruhigt hatte erzählte er mir, dass er im Krankenhaus war und einen HIV-Test hat machen lassen. Ich fühlte mich in dem Moment so... ich kann es gar nicht beschreiben. Entsetzt, wütend auf mich und ihn und die Welt. Ich hatte wahnsinnige Angst und bekam kaum noch Luft. Am nächsten Tag saß ich im Krankenhaus und habe einen Test machen lassen. Das waren die schlimmsten Wochen meines Lebens. Ich malte mir sämtliche Horroszenarien aus, wälzte Fachbücher und war bei einem Beratungsgespräch. Ich hasste mich selbst so sehr. Als das Ergebnis negativ war, brach ich weinend zusammen. Die nächsten Jahre hatte ich nur noch Sex mit Kondom. Bis ich Will kennenlernte. Als es ernst zwischen uns wurde machten wir beide einen Test. Und seit dem Tag habe ich nie wieder ein Kondom benutzt. Es tut mir leid Magnus. Ich habe falsch reagiert."

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