4 | Dieses Chaos
○ 》 Melody 《 ○
"Loli, spinnst du? Wo warst du so lange?", herrschte mich meine Schwester an, kaum, dass ich die Tür geöffnet hatte.
"Warum ist das Essen noch nicht fertig?", mischte sich auch mein Vater ein.
Rhys betrat direkt hinter mir die Hütte, woraufhin die beiden ihn schlagartig verstummt musterten.
"Redet nie wieder so mit ihr", knurrte Rhys bedrohlich.
"Wer bist du?", wollte mein Vater unbeeindruckt von meinem Mate wissen.
"Dein schlimmster Albtraum, wenn es sein muss", zischte Rhys.
"Loli, du hast einen Mate gefunden?" Suna wirkte erstaunt. Doch dieser Ausdruck weilte nicht lange auf ihrem Gesicht, sie schien sich schnell wieder zu fangen.
Was sie allerdings als nächstes sagte, ließ mein Herz stolpern. Wie konnte ich nur so naiv sein, und glauben, dass Rhys bei mir bleiben würde? Natürlich konnte er sich noch von mir lossagen. Und vielleicht würde er genau das tun, nachdem meine Schwester ihn über meine missliche Lage aufklärte.
"Wir nehmen dir Lorelei ab, sieh es einfach als nette Geste", begann Suna, und schaute dabei direkt zu Rhys. "Sie ist nichts als eine Last. Ich weiß nicht, ob ihr schon darüber gesprochen habt, aber sie kann sich nicht verwandeln."
"Ich rieche ihren Wolf", knurrte Rhys bedrohlich.
"Das ist wahr. Verwandeln kann sie sich dennoch nicht. Ein kompletter Nichtsnutz eben, kann nicht einmal kochen und, oh, weißt du was sie noch nicht ka..." Augenblicklich verstummte meine Schwester, als Rhys ihr beängstigend nahe kam, und über ihr ragte.
"Noch ein schlechtes Wort über meine Mate, und ich werde dir weh tun!" Seine Stimme splitterte Eis. Selbst meine Adern froren ein, so harsch hatte er gesprochen. "Pack' deine Sachen!", wies er mich an. Obwohl er noch immer über Suna ragte, wusste ich, dass er mit mir sprach.
"Du nimmst sie einfach mit?", wollte mein Vater wissen. "Wer kocht denn dann für mich?"
"Ihr seid ein erbärmliches Pack! Melody, geh endlich deine Sachen holen."
"Sie heißt nicht Melody", lachte Suna auf. "Lügt sie dich etwa an?"
"Hol deine Sachen, bevor ich hier die Beherrschung verliere", knurrte Rhys. Endlich kam wieder Leben in meine Beine, woraufhin ich eilig die Treppe ins erste Stockwerk lief.
In meinem Zimmer angekommen, schnappte ich mir einen Rucksack, in welchen ich einige Klamotten hineinstopfte. Mit zittrigen Fingern packte ich auch einige Hygieneartikel hinein, als schließlich die Tür aufgerissen wurde, und Rhys in meinem kleinen Zimmer stand.
"Hast du alles?"
Hastig nickte ich.
"Wir springen aus dem Fenster."
"Ich ... kann mich wirklich nicht verwandeln", wisperte ich leise, den Tränen erneut so verflixt nahe.
"Melody, alles gut." Er trat näher an mich heran, sichtlich darum bemüht, ruhiger zu werden. Dabei konnte ich seinen Zorn auf meine Familie spüren, als wäre er mein eigener. "Ich verwandle mich in meinen Wolf, du steigst auf meinen Rücken, und dann sehen wir zu, dass wir so viel Abstand wie möglich zu dieser Hütte gewinnen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden soeben Verstärkung anfordern, und ich bin nicht scharf darauf deinem Rudel zu begegnen."
"Okay", hauchte ich. Seine Worte bewirkten allerdings nicht, dass ich ruhiger wurde. Ganz im Gegenteil sogar.
Als er sich dann plötzlich auch noch auszuziehen begann, wusste ich nicht mehr wohin mit meinen Gefühlen und Empfindungen. Konnte sich mein Körper nicht endlich einmal entscheiden, was er heute fühlen wollte? Dieses Chaos brachte mich fast um.
"Hast du noch Platz für meine Klamotten?"
"Uhm, ja klar."
Ich stopfte sie ebenso in meinen Rucksack, darauf bedacht seinen nackten Körper ja nicht zu offensichtlich zu mustern.
Verdammt, dieser athletische Körper! Nur mit Mühe schaffte ich es, ihm nicht mit meinen schlanken Fingern über den Oberkörper zu fahren. Feine Härchen zwirbelten sich auf seinem Brustkorb, die ich zu gerne angefasst und geküsst hätte. Meine Augen wanderten weiter zu seinem besten Stück, was mich schwer schlucken ließ. So groß, und so ... erregend.
"Du hast ja keine Ahnung, was dein Blick gerade mit mir macht. Aber wir müssen jetzt wirklich los, so ungern ich das sage."
Peinlich berührt schaute ich in seine Schokoaugen zurück. Dann sah ich zu, wie von einem Moment zum nächsten ein großer brauner Wolf in meinem Zimmer stand. Heilige Mondgöttin, er war so ausdrucksstark und schön!
Rhys legte sich für mich auf den Boden, damit ich leichter auf seinen Rücken klettern konnte. Zuerst öffnete ich allerdings noch mein Fenster, durch welches wir beide hoffentlich durchpassen würden.
Als ich dann tatsächlich mitsamt meinem Rucksack geschultert auf seinen Rücken kletterte, überkam mich eine Welle der Angst. Was, wenn ich mich nicht halten konnte? Von ihm runter fiel? Wir beide aufgrund meines Gewichts auf den Boden prallten?
Doch ehe ich mir noch mehr Gedanken darum machen konnte, schoss Rhys auf das Fenster zu. Ich krallte meine Fingernägel tief in sein Fell, duckte mich, und flog ... gemeinsam mit Rhys. Wir schwebten für einen klitzekleinen Augenblick, bis mich der geräuschvolle Aufprall seiner riesigen Pfoten im Schnee aus den Gedanken riss. Wie lange waren wir geflogen? Für mich hatte es sich mindestens doppelt so lange angefühlt, als es tatsächlich gewesen war.
Ich passte mich Rhys Bewegungen an, hielt meinen Oberkörper weiterhin gebückt. Auf keinen Fall wollte ich an einem Ast oder dergleichen hängenbleiben.
Hinter uns nahm ich plötzlich ein Heulen war. Mehrere Wölfe stimmten mit ein, was meine Furcht nur mehr größer werden ließ.
Als hätte ich soeben einen Schalter betätigt, lief Rhys noch schneller. Er preschte mit einer immensen Geschwindigkeit durch den Wald, bis unsere Grenze endlich erkennbar wurde. Auf der anderen Seite warteten die drei Werwölfe von vorhin auf uns. Sie standen in menschlicher Gestalt wartend zwischen den Bäumen.
Kaum hatten wir das Revier der Schattenjäger erreicht, wurde mein Mate langsamer, schnaubte schwer aus, ehe er mich von seinem Rücken gleiten ließ.
Er verwandelte sich zurück, woraufhin ich ihm mit gesenktem Blick seine Kleidungsstücke reichte.
"Alles gut?" Die Frage war an Rhys gerichtet. Der Werwolf, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah, hatte gesprochen. Ich nahm an, dass sie Brüder waren.
"Ja", antwortete er erstaunlich ruhig. "Verdammt, das sind vielleicht Arschlöcher!", stieß er jedoch keine Sekunde später aus. Rhys kam auf mich zu, schloss mich in eine Umarmung, und fuhr dabei zärtlich mit einer Hand über meinen Rücken. "Ich bin froh, dass du von nun an nicht mehr bei ihnen leben musst."
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, standen plötzlich einige Wölfe zähnefletschend an der Grenze. Rhys drückte mich enger an seinen Körper, während sich seiner selbst zum Zerreißen anspannte.
Sunas Mate verwandelte sich in einen Menschen. Er funkelte Rhys gefährlich an. "Komm Suna noch einmal so nahe, und du bist tot."
"Gleiches gilt für euch alle, solltet ihr meine Mate auch nur einmal schief anschauen!"
"Rhys." Sein Bruder legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter.
"Nicht jetzt, Derek."
"Sie stehen im anderen Revier. Uns trennt die Grenze. Wir sollten einfach von hier verschwinden. Fünf gegen acht ist ein bisschen unfair, hm?"
Rhys murrte vor sich hin, gab seinem Bruder zum Glück schließlich recht. "Wir gehen jetzt. Komm, Melody."
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