Türchen 21
Guten Morgen, ihr Lieben. Wie versprochen gibt es heute die kleine Geschichte mit euren vielen Worten. War teilweise nicht immer ganz einfach, aber so soll es ja auch sein :P
Danke fürs Mitmachen :)
Bis morgen <3
„So eine Scheiße aber auch!", höre ich meinen Vater rufen. Oh man. Es sind nur noch wenige Tage bis Weihnachten und trotzdem herrscht absolutes Chaos in meiner Familie. Ich sehe flüchtig vom Fernsehbildschirm auf und drehe auf der gemütlichen Couch den Kopf über die Schulter um den Grund seiner Laune herauszufinden. Er sitzt am Küchentisch und drückt kopfschüttelnd den Rücken in die Stuhllehne. War ja klar. Er korrigiert Klausuren. Da hat es wohl einer seiner Schüler gründlich ver...geigt.
„Was gibt's?", frage ich grinsend und sehe wieder zurück zum Fernseher. Als Lehrerkind bin ich es gewohnt, dass meine Eltern immer und überall Schülerklausuren mitschleppen und sich darüber aufregen. Und dass sie immerzu alles und jeden korrigieren müssen.
„Einer meiner Schüler hält Neologismus für eine unheilbare Krankheit. Hier, hör dir das an: ‚Abschließend kommt ein verheerender Neologismus dazu, der ihm auch die letzten Kräfte nahm.'"
Beeindruckend.
Ich höre, wie er vor Ärger seinen Stift auf den Tisch knallt, während ich lache. Ich hab mal gehört, dass Metaphern auch verdammt ansteckend sein sollen...
„Werf mal her!", fordere ich ihn auf und fange mir unmittelbar einen strengen Blick.
„Es heißt ‚wirf', Mila."
Was sag ich?
Korrekturtrolle. Gott, ist er schlecht drauf. Vielleicht hat ihn ja eine Anapher erwischt. Damit ist nicht zu spaßen...
„Endlich bin ich zuhause. Ein einziges Wunder bei diesem Verkehr." Meine Mutter kommt zur Küche rein und lässt ein paar Tüten auf der Arbeitsplatte nieder. Sie sieht platt aus, ihre Wangen sind gerötet und ihre Augen müde. Ob sie vielleicht ein Oxymoron ausbrütet? Okay, es reicht jetzt.
Gar kein Wunder hingegen ist, dass mein Bruder nur kurz nach ihrer Ankunft die Treppe heruntergepoltert kommt.
„Da bist du ja endlich. Ich hab' mega Hunger." Er läuft auf die Tüten zu und sieht in jede flüchtig hinein. Typisch. Ausräumen tut er sie natürlich nicht. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass meine Mutter aber tatsächlich spät ist. Nie im Leben war sie so lange in der Schule.
„Wo warst du denn?", frage ich und drehe mich wieder vom Fernseher weg.
„Ach, das ist nicht so wichtig", antwortet sie und beginnt mit dem Ausräumen der Tüten, wobei mein Bruder jeden ihrer Handgriffe gespannt beobachtet. Teelichter. Klasse. Mit denen konnte er herzlich wenig anfangen. Ich sehe, wie nun auch mein Vater hellhörig wird und in die Richtung meiner Mutter sieht.
„Willst du uns nicht sagen, wo du warst?"
„Ich war... beim Tierarzt." Sie tut gelassen, während sie eine weitere Packung Teelichter herausholt und verstaut. Mein Vater verdreht seine Augen und ich ziehe fragend meine Brauen hoch. Tierarzt? Sofern sie nicht mit meinem Bruder dort war, lügt sie. Wir besitzen kein Haustier.
„Leute, mein Gott, ich war beim Gynäkologen! Jetzt lasst doch die Fragerei." Ich höre, wie mein Vater sich verlegen räuspert und drehe mich wieder in Richtung des Fernsehers. Nett... ihr Vergleich mit dem Tierarzt.
„Was gibt's denn nun zu essen?", fragt mein Bruder weiter und öffnet bereits die Kühlschranktür.
„Ich hab nicht gekocht. Worauf habt ihr denn Hunger? Wie wär's mit... Apfelmus und... Spekulatius auf die Schnelle?" Sie hebt eine gekaufte Packung Spekulatius in die Luft und mein Bruder stöhnt entnervt.
„Für mich nur 'nen Tequilashot", kommt es monoton aus der Richtung meines Vaters und ich muss erneut schmunzeln. Und schon wieder hat es einer vermasselt. Mitfühlend zündet meine Mutter eine Kerze auf dem Küchentisch an. Sie soll vermutlich einen beruhigenden Einfluss auf meinen Vater haben, aber wow... Ich finde das eher gefährlich. Es braucht nicht mehr viel und mein Vater wird all seine Schülerklausuren anzünden. Wenn wir Pech haben, dann sich gleich mit.
„Kinder, denkt bitte dran: Falls ihr noch ein Geschenk für Tante Gudrun sucht, dann empfehle ich euch den hübschen Dekorationsladen in der Stadt."
Depot also, denke ich.
„Ihr wisst ja, Gudrun hat über den Sommer neue Fenster bekommen und die sind noch so furchtbar leer und kahl."
Mein Bruder und ich tauschen einen flüchtigen Blick und er gibt mir damit sofort zu verstehen, wessen Aufgabe Tante Gudruns Geschenk und ihre dämlichen Fenster von nun an sei. Na warte. Ich stehe auf und schlendere unauffällig in die Küche. Er kann unmöglich alle Geschenkbesorgungen an mich abdrücken.
„Wir machen das zusammen", teile ich ihm mit, während ich mir eine Tasse schnappe und einen Teebeutel darin versenke.
„Vergiss es, ich hab genug zu tun", stöhnt er und lehnt sich an den Kühlschrank.
„Ach ja? Was denn? Das Seepferdchen machen oder was? Ich habe mich schon um das Geschenk für unsere Mutter gekümmert, wenn ich dich erinnern darf", zische ich in seine Richtung und vergewissere mich, dass sie weit genug entfernt ist, um unserer Konversation nicht lauschen zu können.
„Was war das noch gleich?"
„Eine Dekantierkaraffe!"
Ja.
Er sieht mich mit dem what-the-fuck-Blick an und ich weiß, dass er gleich erst einmal googeln muss. So wie ich es auch musste.
„Wieso wünscht die sich nicht einfach ein Buch oder so, wie jeder normale Mensch? Und außerdem habe ich keine Ahnung, was alte Frauen sich so an die Fenster hängen. Segelschiffe oder so", sagt er und ich muss grinsen.
„Hast du schon einmal irgendwo ein Segelschiff am Fenster hängen sehen?"
„Keine Ahnung man, Frauen sind komisch, in meiner Klasse wollen plötzlich alle Mädchen Einhörner haben." Sein Blick ist ehrlich verwirrt. Verständlicherweise.
„Falls ihr euch gerade über mein Weihnachtsgeschenk unterhaltet: Euer Vater und ich würden uns auch über ein Gedicht freuen, so wie früher." Sie sieht uns an, begeistert von ihrer eigenen Idee. Der Ausdruck auf dem Gesicht meines Vaters ist anders.
„Ohja, ein wunderbares Gedicht von unseren eloquenten Kindern, perfekt skandiert", murmelt er, wobei ein Blinder mit Krückstock sehen könnte, dass er sich vermutlich selbst über Zewarolle mehr freuen würde. Oder einen weiteren Tequilashot.
„Na weshalb denn nicht, bei dem ausgezeichneten Duktus unserer Kinder?" Meine Mutter strahlt ihn an und für einen Moment habe ich Angst, dass sie wirklich glaubt, was sie da sagt. Im Gesicht meines Bruders hingegen ist Überforderung zu lesen. Noch mehr Wörter zum Googeln, so viel steht fest.
„Ich sprech dir ein Gedicht, wenn du mir dafür gleich einen Döner holst", schlägt er dann vor und sieht zu meiner Mutter. Oh nein, sie wird doch nicht etwa-
„Deal!", strahlt sie und stellt sich erwartungsvoll auf. Ganz toll. Wenn da mal nicht irgendetwas Eingebildetes über sich selbst auf uns wartet.
„Schön. ‚Es war einmal ein Lehrersohn, der war der coolste der Nation. Sehr beliebt, bei Jung und Alt und jedes Mädchen war in ihn verknallt. Schön und reich, ihr glaubt es kaum, und außerdem stark wie-"
„Ein Zuckerwattebaum?", beende ich für ihn und höre meine Eltern lachen. Schluss mit Selbstdarstellung. Seinen Döner wird er sowieso bekommen.
Tja, nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Irgendwie freue ich mich ja darauf. Ein Fest voller Magie, so, wie es sich für Weihnachten gehört. Und mit dieser Familie ist immer was los.
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