Kapitel 6

Eiswolf

Das durfte doch alles nicht wahr sein! Nicht nur, dass sich der Leopard nicht hatte abhängen lassen, mich fast die Schlucht heruntergeschubst und es irgendwie geschafft hatte, in den Palast einzudringen ... wurde er bewusstlos? Was hatte das zu bedeuten? Und was sollte ich jetzt machen? Seufzend ging ich auf die Hinterpfoten nieder und starrte auf den schlaffen Körper. Behutsam stupste ich ihn mit der Schnauze an. Plötzlich wallte der weiße Nebel stärker auf und der Katzenkörper veränderte sich, Gliedmaßen wurden länger, das gepunktete Fell verschwand und wurde ... menschlich? Was bei allen Eisheiligen ging hier vor? Kurz darauf lag ein schlanker männlicher Menschenkörper auf dem eisigen Boden. Völlig verblüfft und ratlos starrte ich einfach nur auf den Mann. Seine Haut war hell und seine Haare lang und schwarz, lagen zu allen Seiten verteilt. Welche Magie verwandelte einen Leoparden in einen Menschen? Moment mal ... war das der Grund, warum sie mir so vertraut vorkam? Ich zog die Lefzen zurück und schnüffelte erneut an der reglosen Gestalt. Ja, die Magie war noch da, schwächer jetzt. Auch der weiße Nebel hatte sich wieder normalisiert.

Sein Körper fing auf einmal an zu ruckeln und ich erkannte, dass es Muskelkontraktionen waren. Er zitterte vor Kälte. Er war also doch nicht kälteresistent. Ha! ... Nur komisch, dass mir das beim Leoparden bisher nicht aufgefallen war. Ob die Magie stärker war als Tier? Würde er nun erfrieren? Das konnte ich nicht zulassen. Er war hier, jetzt wollte ich Antworten haben. Nur was tun? Hier konnte ich ihn nicht lassen, es war eindeutig zu kalt für diesen menschlichen Körper. Und ich wusste nicht, wann er aufwachen würde.

„Sieht aus, als müsste ich dich in ein anderes Zimmer schleifen ...", sprach ich im Geiste zu ihm und umfasste eines seiner Fußgelenke vorsichtig mit meinem Maul und zog ihn, so behutsam ich konnte, über den eisigen Boden. „Gib mir bloß nicht die Schuld, wenn dir dein Hintern vor Kälte abfällt!", schnaufte ich gereizt vor mich hin. Diesen Menschen durch die Flure zu zerren, gestaltete sich schwieriger als gedacht. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es geschafft und öffnete die Tür zu einem Raum mit höheren Temperaturen, gefüllt bis unter die Decke mit tropischen Pflanzen. Ich nahm das Bein ein letztes Mal zwischen die Fänge und lief in das Zimmer hinein, ehe ich die Tür schloss. Auf das Bett wuchten schaffte ich nicht, er musste bleiben, wo er war. Meine Magie hasste dieses Klima hier, heiß und feucht.

„Bah, ist das widerlich!", fluchte ich vor mich hin, als Bewegung in den Körper kam und der Mensch erwachte. Verwirrt stemmte er sich auf die Ellbogen und sah mich überrascht an.

„Was ist widerlich?" Seine großen Augen blickten erstaunt, das eine Braun und das andere Hellbraun. Er konnte mich hören?


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