Kapitel 5
Leopard
Verflucht. Diese Kälte machte mich fertig. Warum musste dieses Tier auch immer tiefer in den Norden rennen? Machte er – ich war mir sicher, dass es ein Männchen war – das mit Absicht? Ahnte er, dass mich die Minusgrade niederstreckten und dass ich bereits zum zweiten Mal gestorben und wiedergekommen war? Egal! Ich wollte nicht aufgeben das Rätsel, um ihn herum zu lösen. Außerdem mochte ich irgendwie seinen Geruch und seine Nähe. Zwar war er nicht warm, aber dafür umso flauschiger, was mir zumindest ein wenig Geborgenheit schenkte.
Träge erwachte ich und sah zu dem weißen Wolf in der dunklen Wolke mit den einprägsamen Augen und raffte mich auf. Es ging also weiter und ich folgte ihm noch tiefer in die eisige Wildnis. Mein heißer Atem gefror schon fast in der Luft, den ich unaufhörlich wegen der Anstrengung ausstieß. Jeder Schritt war eine Tortur und ich wusste nicht, wie lange ich es in dieser barbarischen Kälte noch aushielt, ehe ich ein weiteres Mal zusammenbrechen und sterben würde. Den Wolf schien mein Leiden nicht zu interessieren. Er jagte weiter über das Eis und den Schnee, bis er vor einer Schlucht stoppte. Ich hielt ebenfalls inne, geriet ins Schlittern und krachte ungebremst mit meinem Kopf gegen sein Hinterteil – ups. Warum war es hier so glatt?
Hastig rappelte ich mich wieder auf, schüttelte mich und hielt den Kopf gesenkt, während der Eiswolf wütend mit den Zähnen fletschte. Seine Augen funkelten noch wilder, so als hätte ich ihn mit dieser Aktion bei etwas sehr Wichtigem gestört. Daher nahm ich ein paar Pfotenlängen Abstand und blieb in Bewegung, weil mir sonst alles einfror. Trotzdem behielt ich den Wolf im Auge.
Wenig später erschien eine unglaublich pompöse Eisbrücke, die uns über die Schlucht führte. Ich folgte dem Eiswolf, der endlich weiterlief, und staunte nicht schlecht, als sich vor uns ein riesiger Eispalast auftat. So etwas hatte ich noch nie gesehen und ehrlich gesagt, hatte ich nicht einmal geahnt, dass es existierte. War das überhaupt aus dieser Welt? Die Eiseskälte war vergessen und einer Faszination gewichen. Begeistert sah ich mich um, bestaunte die Baukunst und verlor den Wolf aus den Augen. Zumindest für einen Augenblick und versuchte sofort, seine Witterung wieder aufzunehmen.
Ich jagte schlitternd durch den Palast und als ich ihn endlich wieder fand, hörte ich eine dunkle Stimme, die fluchte: „Oh nein. Nicht doch!" Ich verlor auf dem glatten Boden vor Überraschung den Halt unter den Pfoten, plumpste schmerzhaft auf meinen Hintern und schlitterte geradewegs durch den Raum direkt in den Wolf hinein. Schon wieder. Und wäre das allein nicht schlimm genug, bemerkte ich viel zu spät, wie müde ich wurde und auf ihm liegend einschlief.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top