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Ich habe die Antwort auf ›Was ist deine Lieblingsjahreszeit‹ nie als ernsthafte Frage angesehen. Denn ich würde das sagen, was auch immer mir als Erstes in den Sinn kommt, ohne zu zögern. Ich hatte keinen Favoriten, weil mich nichts besonders repräsentierte, ich mich mit keinem der Saisons verbunden fühlte.

Sommer gab mir die längste Pause, die längste freie lebhafte Zeit, so benutzte ich sie als Antwort, schrieb sie einfach auf, damit ich weitermachen konnte. Ich hatte es ja immer eilig.

Aber Verfälle verlangsamen deine Welt und alles, was dein Verstand tut, ist zu denken. Jetzt habe ich endlich eine Antwort, auch wenn es wie ich vielleicht das schwächste Glied ist. Winter: Die Jahreszeit, in der ich geboren wurde.

Ich genieße meinen Geburtstag schon lange nicht mehr, ich wache jetzt nur noch auf und trauere. Denn ich bin ein weiteres Jahr weiter von dem Menschen entfernt, der ich einmal war, fröhlich und laut. Die Zeit hat diesen Menschen verändert und mein Körper ist alt geworden. Und mit ihm vielleicht auch meine Seele.
Außerdem sind die Winter hier unerträglich kalt.

Der Sommer repräsentiert Monate voller endlosem Geplapper in meinem Gehirn, das ich nicht abschalten kann. Es ist die Sehnsucht nach dem stereotypischen Teenagertraum, von dem ich weiß, dass er nie wahr werden wird, also würde ich mich in meinem Bett verkriechen, durch mein Handy scrollen und den gegenwärtigen und zukünftigen Verlust betrauern.

Frühling; Blumen blühen und Tiere paaren sich. Eine Jahreszeit voller Leben. Doch ich bin Hades, töte alles, was ich berühre, und leider habe ich keine Frühlingsgöttin zur Frau. Nein, Wärme ist nicht für mich bestimmt. Ich wurde in der Kälte geboren und hier überlebe ich kaum, aber ich komme zurecht.

Der Herbst ist die letzte Option und die nahe liegende Antwort auf diese Frage, die nicht so ernst gemeint war, aber irgendwie so geworden ist. Der Herbst ist keine Wärme, Wiedergeburt oder ein Wunderland voller Schnee. Es ist Tod und Schönheit. Worte, die paradox sein sollten, aber nicht sein können, denn der Tod ist nicht von Natur aus hässlich, während viele behaupten, das Leben sei von Natur aus schön.

Während der Sommer warm ist, findet der Herbst Wärme in der Kälte. Ein Gefühl, das ich liebe, wie ein heißes Getränk an einem eisigen Tag oder das Anziehen eines flauschigen, warmen Pullovers, von dem du nicht mehr wusstest, dass du ihn überhaupt noch besitzt.

Der Herbst zeigt uns, wie schön es sein kann, die Toten gehen zu lassen. Denn ich stelle mir die Blätter als Teile von mir vor, die ich nächstes Jahr vielleicht wiedersehen kann. Wahrheit, die ich akzeptieren muss, damit ich wachsen kann. Ich habe den Herbst nie gewählt, er hat mich gewählt.

Diese Jahreszeit voller Tod hat mich nie lebendiger gemacht. Kalter Wind auf meinen Wangen, Blätter fallen auf mich, während ich auf einer Bank unter einem Baum ein Buch lese und die Wahrheit ist, ich habe mich nie freier gefühlt.

Doch alles hat ein Ende und so auch das Jahr und die Farben, die verschwinden. Mein Geburtstag steht vor der Tür. ›Was ist deine Lieblingsjahreszeit‹.

Ich schätze, eine genaue Antwort darauf werde ich nie finden, aber ich gebe mich mit dem Winter zufrieden. Denn Schneestürme können, wenn auch selten nicht nur Schaden und Unheil anrichten, sondern wirken auf eine magische Weise beruhigen auf mich und meine Seele.

Und vielleicht ist genau das, was ich am sehnlichsten gebraucht habe.

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ʼcomment ;
kann mal einer diese lustigen sticker da
als kommentar benutzen,
will sehen, wie das aussieht.

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