Kapitel 5 - Jeffrey

Ich stehe hier inmitten des verzauberten WinterWunderLandes, umgeben von Menschen und Schneemännern. Die Kinder lachen, streben nach ihrer Bestleistung. Tannenbäume glitzern vom frisch gefallenen Schnee, das Aroma von Apfelpunsch und verbranntem Holz liegt in der Luft. Die Stimme meiner Schwester dringt gedämpft an mein Ohr, ebenso Jubelrufe und ausgelassenes Lachen. Aber das nehme ich nur am Rande wahr. Etwas Abseits steht der schöne unbekannte Mann und beobachtet das bunte Treiben. Sein hübsches Gesicht ziert ein leichtes Lächeln und der Sucher seiner Kamera hat bereits das nächste Motiv gefunden. Seine Haltung verändert sich, aufrechter, standfest, mit einem klaren Ziel vor Augen. Genauso sah mein bester Freund immer aus, wenn er dabei war seine Mannschaft auf dem Footballfeld zum Sieg zu führen. Wenn er sich auf das fokussierte in dem er der Beste war.

Ein stechender Schmerz an meinem Hals lässt mich erschrocken zusammen fahren.
"Tara spinnst du?", zische ich.
"Du tust es schon wieder", antwortet sie mir und ich fühle mich ertappt. Es ist wahr. Ich habe bei jeder einzelnen Begegnung gestarrt und kann froh sein, dass er es nicht bemerkt hat. Nicht alle Männer reagieren gelassen darauf, wenn sie angestarrt werden. Zumindest nicht wenn es sich bei besagtem Gegenüber um einen heterosexuellen und vielleicht sogar noch homophoben Mann handelt. Zweimal ist es mir passiert, dass ich in Erklärungsnot geraten bin. Auf Kontakte dieser Art kann ich verzichten. Auch wenn New York im allgemeinen um einiges toleranter ist, so treiben sich auch hier nicht aufgeklärte Menschen mit einem komischen Weltbild vor Augen herum. Aber irgendetwas sagt mir, dass es bei diesem Mann nicht der Fall ist. Ich kann nicht sagen woran es liegt, ob an der Art wie er sich bewegt oder den schwarz umrandeten Augen? Er trägt eindeutig ein dezentes Augen Make-up. Und ich liebe es.

"Das ist ja nicht mehr zum aushalten", ruft meine Schwester und wirft frustriert die Arme in die Luft. Ich kann ihr nicht folgen, bin zu sehr in Gedanken versunken. Eine Fantasie für einsame Stunden des Vermissens. Starke Arme die mich sanft von hinten umschlingen, weiche Lippen die federleicht über meine erhitzte Haut gleiten und ein liebliches Stöhnen aus dem schönsten Mund der Welt. Ich bin sowas von verloren.
Ruckartig zieht meine Schwester mich fort, über den gefrorenen Boden zwischen schneebedeckten Tannen bleibe ich wie angewurzelt stehen und sehe in ihr zorniges Gesicht. Ein behandschuhter Finger bohrt sich in meine Brust.
"Du", presst sie hervor und ich sehe die kleinen weißen Atemwölkchen empor steigen. Mit den zornig glitzernden Augen und der verdampfenden Atemluft um sie herum, sieht sie einem wütenden Stier in der Arena äußerst ähnlich.
"Bleib einfach hier stehen und bewege dich nicht", sagt sie und ist sogleich verschwunden.

"Tara was hast du vor?", rufe ich aufgeregt hinterher. Ich beobachte meine Schwester, wie sie mit wallender schwarzer Mähne und langen Schritten auf ihren kurzen Beinen über den Wettkampfplatz stapft. Sie umrundet eine Gruppe Eltern und bleibt plötzlich vor dem Mann stehen, der das Blut in meinen Adern zum kochen bringt. Sie sieht ihn an und nimmt seine Hand. Wie in Zeitlupe sehe ich die beiden auf mich zukommen. Tara stolz und triumphierend grinsend, er etwas unbeholfen und leicht überfordert. Sämtliche Fluchtwege sind versperrt und es ist auch nicht das was ich möchte. Tara präsentiert mir die vielleicht letzte Chance auf ein Kennenlernen mit ihm. Denn seien wir mal ehrlich. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns ein viertes Mal durch Zufall hier treffen? Nicht hoch. Verschwindend gering.

Und ehe ich realisiere was soeben geschieht, prallt ein muskulöser Körper gegen meine Brust und ich umfasse instinktiv seine Arme um einen unschönen Sturz zu verhindern. Er taumelt leicht und sogleich wird mein Griff fester. Ich blicke in das schönste Paar braune Augen das ich je gesehen habe. Das Schwarz seiner Pupillen ist ein starker Kontrast zu den vielen kleinen grünen Sprenkeln welche sich in den Iriden tummeln. Ich kann mich nicht entscheiden ob das Funkeln von den Lichtern um uns herum stammt, oder Abermillionen Smaragde ihre letzte Ruhestätte in den Augen des schönen Fremden gefunden haben. Der Glanz und die Schönheit des WinterWunderLandes verblasst neben diesem Mann. Seine Haare haben die gleiche Farbe wie meine, Schneeflocken bedecken die wunderbar weich aussehende Pracht und ich ertappe mich bei dem Gedanken daran, dass meine Hände sich tief in diesem Ozean vergraben. Eine nie dagewesene Welle der Erregung erfasst mich, als er meine Lippen fixiert. Ich stelle mir vor, wie seine sanften geschwungenen Lippen perfekt zu meinen passen. Meine Kehle fühlt sich rau und ausgetrocknet an, ich befeuchte meine Lippen und höre die Stimme meiner Schwester: "Sieh nach oben."

Instinktiv folge ich ihren Worten und könnte schreien vor Glück. Über unseren Köpfen hängt ein grünblättriger Mistelzweig mit dicken weißen Beeren. Die große rote Schleife symbolisiert das Geschenk, welches meine Schwester mir gerade bereitet hat. Auf einem glänzend polierten Silbertablett serviert sie mir die wahrscheinlich einmalige Gelegenheit für einen Kuss mit dem Mann aus meinen Träumen.
Zaghaft, gar federleicht liegen weiche vom Frost dieses Dezemberabends kühle Lippen auf meinen. Nur langsam kommt die Information bei mir an und gerade als der schöne Fremde sich wieder entziehen will  lege ich meine Hände auf seine Hüften und presse seinen von der Kälte bebenden Leib dicht an meinen. Der Druck auf unsere Lippen verstärkt sich und ich habe das Gefühl zu schweben als zeitgleich die Spitze seiner Zunge durch meine Lippen drängt. Heiße Lust nimmt mich gefangen, ich möchte nie wieder damit aufhören ihm so nah zu sein. Stürmisch, verlangend, mit einer Prise Sanftheit bewegen sich Lippen im Einklang und Zungen die soeben noch um Dominanz kämpften umschlingen sich spielend und fordernd.

So sehr ich den Winter auch liebe, so sehr verfluche ich ihn in diesem Moment. Seine Hände liegen auf der wärmenden Wolle meines Mantels und ich wünschte, die Sonne würde über unseren Häuptern strahlen und die brennende Hitze in meinen Lenden ebenso auf meine Haut bringen. Nicht dicke Ballen sondern hauchzarte Materialien würden uns trennen und das Gefühl seiner Haut auf meiner näher bringen. Ruckartig löst er diesen allesvergessenen Kuss und katapultiert mich schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Die Welt um uns herum ist laut und die Blase in welcher wir uns verloren zerplatzt. Dicke Flocken Sternenlicht segeln auf die Erde und das Schwarz seiner Haare ist bereits einem Teppich aus Reinheit gewichen. Die Smaragde in seinen Iriden funkeln und die Erkenntnis über das was gerade geschehen ist, spiegelt sich in seinem Gesicht wieder.

"Permisi. Saya tidak bermaksud menyerangnya. Maafkan saya." Ich habe keine Ahnung was er gesagt hat. Aber es klingt unglaublich sexy aus seinem Mund. Mit von der Kälte geröteten Wangen und kleinen Dampfwölkchen die seine leicht gespaltenen Lippen passieren sieht er mich entschuldigend an.
"Ich habe keine Ahnung was du gesagt hast. Ist mir auch egal. Lass mich dir einen Kaffee ausgeben. Und dann darfst du mich auch nochmal küssen", sage ich lächelnd.
"Atau makan malam." Anscheinend versteht er mich nicht. Enttäuscht blicke ich in seine funkelnden Augen und lasse meine Hände von seinen Schultern gleiten. Tonnenschwer hängen meine Arme neben meinem Körper herab, ziehen mich mit jeder quälend langsam verstreichenden Sekunde tiefer in die gefrorenen Erdmassen.
"Bilang iya. Iya?"

"Iya?", wiederhole ich und sehe ihn über das ganze Gesicht strahlen. Mich beschleicht das Gefühl, dass er mich ausgetrickst hat.
"Wann führst du mich aus?", fragt er mit einem umwerfenden Akzent. Gleichzeitig Lächeln und finster dreinschauen ist nicht so einfach wie es klingt. Mein Herz droht die Barriere zwischen unseren Leibern zu durchbrechen und ich unterdrücke einen spontanen Ausbruch meiner Gefühle. Ich will ihn nicht verschrecken oder das Gefühl geben mich über ihn lustig zu machen indem er dabei zusieht, wie ich lauthals lache.
"Du hast mich ausgetrickst", antworte ich mit sanfter Stimme und schenke ihm ein aufrichtiges Lächeln. Er beißt sich verlegen auf die Unterlippe und blickt mich aus seinen smaragdgrünen funkelnden Augen an. Wie kann ein Mann nur so gut und heiß aussehen und gleichzeitig so unschuldig wirken? Zischend ziehe ich die Luft ein und beobachte seine Reaktion. Er senkt seinen Blick, nur einen kurzen Augenblick und ich sehe ihn bereits in eindeutiger Pose vor mir knien. Ein Sturm verloren geglaubter Emotionen durchflutet meinen Leib und ich nicke als er mich fragend ansieht.
"Ein Abendessen und ein Kuss. Wie klingt das?", frage ich und hoffe auf die richtige Antwort.
"Das klingt sehr gut. Ich bin Len", antwortet er und der Klang seines Namen hat sich bereits tief in meinem Kopf verankert.

"Jeffrey", sage ich und starre wie gebannt auf seine Lippen. Wie gerne würde ich ihn noch einmal küssen. Die Weichheit seiner Lippen auf meinen spüren und das süße Aroma von fruchtigen Beeren mit einer Note Zimt schmecken.

☃️🎄🎁

Was Len zu Jeffrey sagt:

"Permisi. Saya tidak bermaksud menyerangnya. Maafkan saya."
Entschuldige. Ich wollte sie nicht überfallen. Das tut mir leid.

"Atau makan malam."
Oder ein Abendessen.

"Bilang iya. Iya?"
Sag ja. Ja?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top