Kapitel 17 - Len
So viele Fragen. Keine Antworten. Immer mehr Fragen in meinem Kopf und Jeffreys entschuldigender Blick. Was war das zwischen uns? Wie wird es weiter gehen? Können wir eine Ebene finden? Wird er mich so akzeptieren wie ich bin? Er ist so erfahren, hatte Beziehungen zu Männern die er über alles liebte und Sex mit ich weiß nicht wie vielen anderen teils unbekannten Männern. Eine Frage welche sich konstant in meinen Gedanken schlängelt, ist die Frage nach dem was die Zukunft bringen wird. Kann ich das? Bin ich dazu bereit? Ich mag Jeffrey sehr. Ja wahrscheinlich bin ich bereits heillos verloren und liebe diesen außergewöhnlichen Menschen. Jeffrey ist definitiv dem Mann aus meinen geheimen verborgenen Träumen sehr nahe. Viele Jahre hatte ich das Bild eines Mannes vor Augen, groß, dunkles Haar, ein athletischer Körper. Doch sein Gesicht blieb stets im Schatten und seine Stimme nur ein Flüstern.
Zwei Welten prallen hier aufeinander. Er, der angesehene Arzt, mit beiden Beinen mitten im Leben, erfahren, redegewandt, aufmerksam. Und ich, ein armer indonesischer Junge, mit löchrigen Hosentaschen und kaum genug Geld um über den nächsten Monat zu kommen. Unerfahren, wie ein Kaninchen vor der Schlange, mit zitternden Händen und tausend Fluchtmöglichkeiten im Kopf. Ich habe ihm meine dunkelsten, tief vergrabenen Geheimnisse anvertraut. Dinge, über die ich nie geredet habe und von denen ich glaubte, nie die Kraft zu haben, mit einem anderen Mann darüber zu sprechen. Es machte mir Angst, schnürte mir ein weiteres Mal die Luft ab und ich hätte es verstanden, wenn er wollte das ich seine Wohnung verlasse. Ich bin vielleicht nicht das was er sucht, habe dunkle Flecken auf meiner Seele und einen unsicheren Geist. Aber ich will so nicht länger leben. Versteckt, im Schatten, ohne Liebe und die Geborgenheit einer warmen Umarmung.
Darüber zu reden war nicht nur beängstigend, es war ebenso befreiend. Wer geht schon damit hausieren, dass ein Teil seines Ich umgeben von Tod und Leid war? Dass der Gedanke an ein schnelles Ende den Tag und die Nacht beherrschte? Dass Dämonen aus den letzten Winkeln der Hölle ein Wegbegleiter waren und zum Teil noch immer sind? Es gibt Dinge im Leben, die kann man schwer beschreiben. Alle Worte fühlen sich falsch und irgendwie rechtfertigend an. Dabei ist es doch so einfach. Nicht für alles gibt es eine Erklärung. Manche Dinge sind einfach so wie sie sind. Sie gehören zu uns und unserem Leben, sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Aber werden wir eine Zukunft haben? Wird es ein Danach geben, einen Regenbogen welcher über unseren Häuptern erstrahlt? Seine Kraft und Herrlichkeit in die Welt und unsere Seelen schickt? Ich finde keine Antworten auf diese Fragen, brauche sie aber für weitere Schritte. Warum jetzt? Ist es wegen Jeffrey und seinen offenen Worten? Dieser flehende Blick etwas zu sagen. Er wartet auf eine Reaktion von mir, irgendetwas und sei es noch so klein. Ich frage mich, ob wir zu verschieden sind. Nach einer schwungvollen Drehung, mehreren Litern Wasser welche über den Wannenrand schwabten, sitze ich auf seinen Oberschenkeln, lasse meine Finger durch seine weichen Haare gleiten und hänge meinen Gedanken nach. Jeffrey blickt mir stumm in die Augen. Ruhe und Gelassenheit wollen sie mir signalisieren, aber ich sehe den Sturm in seinen blauen Iriden, dunkel Flecken wild tanzend und voller Schönheit. Seine Hände liegen sanft auf meinen Hüften, eine hauchzarte Berührung, so als hätte er Angst mir weh zu tun.
"Ja das hast du. Und ich hätte etwas sagen müssen. Wir haben beide nicht richtig korrekt gehandelt. Sagt man das so? Du weißt was ich meine. In dem Moment, als ich Schmerzen hatte. In meinem Kopf schrie ich Stop. Jedoch zersprang mein Herz fast vor Glück. Ich hatte endlich Sex, darauf hatte ich solange gewartet. Keine Ahnung, ich fühlte mich wie in einem Tunnel. Da war der Schmerz und mein zerplatzter Traum von einem kitschig romantischen ersten Mal. Und dann die Lust. Etwas, dass ich so noch nicht kannte und diese neuen Gefühle überwältigten mich. Ich konnte kaum atmen und auch nicht klar denken. Alles drehte und vermischte sich. Schmerz und Lust wurden eins und ich glaube ich habe nur noch deinen Namen gesagt oder?", durchbreche ich die Stille zwischen uns und sehe Jeffrey nicken.
"Ja. Es klang wunderschön und spätestens da wusste ich, dass das der beste Sex seit Ewigkeiten war." Er spricht die Wahrheit. Ich sehe es deutlich. Und doch bleibt die schmerzende Erkenntnis, dass er alles andere als liebevoll war.
"Für dich", hauche ich.
"Für mich", erwidert Jeffrey. Streichelnd bittet er um Entschuldigung. Seine Daumen ziehen kleine Kreise über meine Haut. Das Wasser ist bereits deutlich abgekühlt, doch ist uns das egal.
"Worüber denkst du nach?", fragt er und es ist wieder einmal einer dieser Momente, in denen ich mich dafür entscheide, ihm mein Vertrauen und offene Ehrlichkeit zu schenken. Ich hoffe sehr, dass er mich nicht enttäuscht.
"Ich habe über uns nachgedacht und ob wir eine Zukunft hätten. Zusammen, als Paar. Oder ob wir zu verschieden sind."
"Wie kommst du darauf?", fragt er und zieht grübelnd seine Augenbrauen zusammen. Kleine Fältchen bilden sich auf der Stirn, er sieht zum niederknien schön aus.
"Naja, wir kommen aus verschiedenen Ländern. Welten. Ich hatte nie ein leichtes Leben. Ewiger Kampf, Leid und das Wissen, egal wie sehr ich mich anstrenge, es wird nie genug sein. Nie genug und ich bekomme einfach nicht das was ich will."
"Was willst du Len?", fragt er leise und verstärkt den Griff um meine Hüfte.
"Was ich will? Das ist einfach. Und auch wieder nicht. Früher wollte ich ein Leben wie die Männer aus den Hollywood-Kitschfilmen. Ein Haus mit Garten in der Vorstadt. Mit einer strahlendweißen Außenfassade, rotem Dach und Gartenzaun. Rosenbüsche umrahmen ein gusseisernes Gartentor, es duftet herrlich nach Frühling, Sonne und Glück. Zwei Kinder, ein Junge mit schwarzen Haaren und dunklen Augen, einem spitzbübischen Grinsen welches eine Reihe kleiner Mäusezähnchen freilegt. Seine Schwester, meine Tochter dreht Piruetten in einem Mädchentraum aus rosa Seide und pinken Tüll. Schimmernde Feenflügel glitzern sobald die Sonnenstrahlen auf den Hauch von Nichts treffen. Ein kleiner schwarzer Hund mit lockigem Fell, frechen blauen Augen und einem Gemüt so sanft wie die leichte Sommerbrise, welche auf meiner Haut kitzelt und..."
"Einen Mann?", beendet er zögerlich meinen Satz.
"Einen Mann", bestätige ich seufzend. "Nur konnte ich es nicht sagen. Für meine Umwelt war ich Hetero und hatte einfach noch nicht die richtige Frau gefunden. Aber tief in mir drin, da sah ich immer einen Mann an meiner Seite", spreche ich weiter und fühle Worte in meinem Kopf, sie drücken fest gegen meine Schutzmauer, doch sind sie stärker als mein Wille und so lasse ich los und alles frei was mir auf der Seele brennt.
"Und dann frage ich mich, ob du mich aushälst. Ein mittelloser indonesischer Student, mit nichts außer seiner Liebe zur Fotografie, einem homophoben Vater und keinerlei sexuellen Erfahrungen. Meine Familie hatte nie viel Geld. Ich habe ein Stipendium und einen Job als Pizzalieferant. Anders könnte ich mir das Leben hier nicht leisten. Und selbst das reicht nicht aus. Du lebst in einer ganz anderen Welt. Bist Arzt und wirst ungarnt von schönen jungen Männern. Du könntest jeden haben. Dein Badezimmer ist so groß wie meine gesamte Wohnung. Ich wohne in einem Loch, anders kann man es nicht ausdrücken. Da hilft kein schönreden. Es stinkt nach... allem und in jeder zweiten Ecke sitzt ein Junkie, welcher dir am liebsten dein letztes Geld aus den ohnehin schon löchrigen Taschen klauen möchte um sich den nächsten Schuss zu holen. Wahrscheinlich landen diese armen Seelen dann bei dir in der Notaufnahme. Du hattest Männer im Überfluss und ich..." Mit tränenfeuchten Augen wende ich meinen Blick von ihm ab. Ich sehe die Erkenntnis in seinen Augen, dass er so gar nichts mit mir gemeinsam hat.
"Du hast mein Herz berührt. Seit langer Zeit ist es wieder kräftig und schnell am schlagen. Ich höre dir dabei zu wie du über dein Leben sprichst und stelle mir eine Frage", sagt Jeffrey . Ich spüre seine Finger an meiner Wange, ein hauchzartes Streicheln und mit festem Griff unter mein Kinn zwingt er mich ihn anzusehen.
"Wo ist der Len, der mich unter dem Mistelzweig küsste und mit einer eindeutigen Botschaft klar machte, dass er mich wollte? Der mit einem kleinen fiesen Trick mich dazu brachte, Ja zu einem Date zu sagen."
"Keine Ahnung. Nicht hier. Wahrscheinlich schläft er im Central Park dicht an Frosty gekuschelt", sage ich schulterzuckend und sehe ein amüsiertes Grinsen auf Jeffreys Gesicht. Kleine Lachfältchen bilden sich um das Sternenmeer seiner funkelnden Iriden. Leichtigkeit breitet sich aus, hüllt uns in eine wärmende Decke, schmeichelt und umsorgt. Seine starken Hände fahren sanft über meinen Rücken, hinterlassen eine Welle der Erregung auf meiner Haut und ich beiße mir fest auf die Unterlippe. Es schmerzt im Augenblick des Druckes und lenkt meine Gedanken in eine andere Richtung.
"Dann lass ihn sich ausruhen. Aber morgen gehen wir gemeinsam in den Central Park und holen ihn nach Hause. Wie klingt das?" Jeffreys Worte lassen mich schwer schlucken. Gemeinsam. Nach Hause. Im Zusammenspiel mit seiner dunklen rauen Stimme die meine Sinne stimuliert und das angestrebte Ziel meiner Gedanken verschwimmen lässt, wirkt unsere Zukunft so einfach und glitzernd.
"Das klingt gut. Ich glaube, er hat den Schlaf verdient. Nach der ganzen Aufregung", antworte ich und Jeffrey nickt, fixiert meine Lippen, nickt noch immer und sieht mir tief in die Augen. Mein Herz rast im selben Moment wie eine Herde wildgewordener Pferde und ebenso laut hallt das Geräusch von den gefliesten Wänden wieder. Es fühlt sich an als würde mein Herz versuchen die Barriere meines Leibes zu durchbrechen. Es will zu ihm, Jeffrey und ich halte es nicht auf.
"Wenn ich mich zeige, so wie ich bin,
wenn ich dich sehe, so wie du bist,
passen wir vielleicht gar nicht zusammen, so wie wir sind',
sagt der Zweifel. 'Nur wenn ich dich nehme, so wie du bist, nur wenn ich mich gebe, so wie ich bin, können wir uns nahe sein, so wie wir sind', sagt die Liebe." Mit diesen zauberhaften Worten legt Jeffrey seine Lippen auf meine, federleichtes Streicheln, elektrisierendes Prickeln bei jeder Berührung und ein letztes Seufzen aus meinem Mund bevor unsere Zungen sich finden, tanzen, liebkosen, davongetragen auf den Schwingen der Liebe. Hinfort über den Ozean mit gischtgetriebenen Wellen, dunkles Blau und strahlendes Weiß. Er drückt mich nah an seinen Körper, ich fühle die Wärme seiner Haut und die definierten Muskeln. Automatisch finden meine Hände ihren Weg in seine Haare. Weiches schwarz rinnt durch leicht zitternde Finger, Kribbeln durchwandert meinen Körper, nimmt Besitz von jeder Zelle und Nervenfaser. Ein berauschender Kuss und Jeffreys streichelnde Hände überall an meinem Rücken, ein zärtlicher Fingerstreich über meine Wirbelsäule und ich stöhne leise in seinen Mund. Ein Grinsen legt sich auf seine Lippen, ich spüre es deutlich und wieder einmal sind es die kleinen Dinge, welche mich zu Wachs in seinen Armen werden lassen.
Langsam wandern Jeffreys Lippen über meine, liebkosen Kiefer und Ohrläppchen, saugen zaghaft und bittend. Heißer Atem kitzelt mich, lässt die Erregung meiner Haut noch weiter wachsen und mich erschaudern. Wohlig, mit einer Armee Schmetterlinge im Bauch, deren weiche Flügel sanft meinen Leib streicheln. Leise seufzend lege ich meinen Kopf in den Nacken, schließe meine Augen und fühle die wachsende Erregung. Dicht gedrängt zwischen unseren Körpern, pochend heiß und bereit ein Feuer in unseren Lenden zu entfachen. Jeffreys Fingern streicheln über meinen Hintern, gleiten in den vom warmen Wasser feuchten Spalt und plötzlich fühlt sich alles anders an. Nicht warm und leicht, sondern kalt und die Erinnerung an den Schmerz in meinem Hintern verankert sich tief in meinen Gedanken.
Ich fühle Jeffreys kalte Finger, atme hektisch und kralle mich fest in seine Schultern. Unnatürlich laut rauscht das Blut in meinen Ohren, Adrenalin durchflutet meine Adern, mein Herz stolpert und schmerzt, ich wimmere leise und augenblicklich verlassen seine Finger meinen Körper. Ich atme erleichtert auf und öffne langsam meine Augen. Tiefdunkles Blau blickt mir entgegen, kein funkelndes Sternenmeer sondern Besorgnis über meine Reaktion.
"Jeffrey", flüstere ich. Mein Hals fühlt sich rau und die Stimme zittrig an.
"Ist okay Len."
"Ich kann das nicht", entgegne ich und stoße die angehaltene Luft aus.
"Es ist alles gut. Wir müssen nichts überstürzen", antwortet er und lehnt seine Stirn gegen meine. Jeffreys Atem kitzelt auf meinen Lippen, ich möchte ihn küssen, ein Leben lang. Aber ich bin gerade nicht in der Lage ein weiteres Mal mit ihm zu schlafen.
"Das haben wir doch bereits", höre ich mich sagen und bereue meine Worte sogleich. Wir wollten es beide und auch wenn es für mich nicht so erfüllend war wie für Jeffrey, so trifft ihn nicht die alleinige Schuld. Denn ich hätte jederzeit etwas sagen können, ja wohl auch müssen. Bei dem Gedanken zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen, ich wollte ihn und endlich das Gefühl von Leben in meinen Adern spüren.
"Dreh dich um Len", sagt er und ohne weitere Fragen zu stellen folge ich seiner Aufforderung. Wohlriechendes kühles Gel benetzt meine Haut, Jeffrey säubert meinen Körper und seine wissenden Hände massieren meine Kopfhaut. Perfekt in meinen Augen, ich seufze und genieße das Prickeln, dieses seichte Knistern unserer Anziehungskraft. Jeffrey ist zärtlich und liebevoll, haucht federleichte Küsse auf meine Schulter und ehe ich mich versehe, schwabt das Wasser gefährlich nah an dem Wannenrand. Leicht panisch öffne ich meine Augen und erschrecke mich fast über meine eigene Verwirrung. Ich habe mich verloren in seinen Berührungen, den wunderschönen weichen Lippen auf meiner Haut und sehe nun einen tropfnassen Jeffrey aus der Wanne steigen. Wieder einmal stockt mir der Atem und in meinen Wangen sammelt sich plötzliche Hitze. Wie ein römischer Athlet steht er da, mit dem Rücken mir zugewandt. Breite Schultern, Muskeln wohldefiniert, eine schmale Taille und dieser perfekt geformte Hintern. Wie kann ein einzelner Mann nur so fucking heiß sein? An ihm ist einfach alles perfekt. Selbst die zarte Narbe auf seiner sonst so makellosen Haut. Unbewusst lecke ich mir über die trockenen Lippen und murre enttäuscht, als er sich ein Handtuch um die Hüften bindet.
Grinsend dreht er sich zu mir und hält ein großes flauschiges Handtuch bereit. Ich beeile mich den Fluten zu entspringen und schmiege mich in Jeffreys Arme. Aufmerksam wie er ist trocknet er meine Haare mit einem kleineren Handtuch und streicht sanft über das Pflaster an meiner Stirn. Noch immer bin ich nicht begeistert über das gewählte Motiv und verziehe angewidert das Gesicht. Ein leichter Schmerz durchzieht meine Stirn und ich stöhne genervt.
"Hast du Kopfschmerzen?", fragt Jeffrey besorgt und prüft die Reaktion meiner Pupillen. Typisch Mediziner.
"Nein", wimmele ich ihn ab. Kein Kopfschmerz, aber ein Hämatom ungewissen Ausmaßes bahnt sich an. Jeder hatte schon mal eine Kollision mit einem nicht formbaren Gegenstand. So auch ich und damals, als der Türrahmen in meiner Schule plötzlich meinen Weg kreuzte, fühlte es sich genauso an.
"Hmm... Es ist bereits etwas blau. Ich bin so dumm. Wie konnte mir das nur passieren? Ich habe doch immer Kühlpacks im Gefrierschrank", rechtfertigt er sich. Er gibt sich die Schuld, doch trifft ihn keine. So schlimm sah es doch gar nicht aus.
"Was? Nein. Mach dir keine Gedanken. Das ist nicht mein erstes Hämatom. Und ist bestimmt nicht mein Letztes."
"Sicher das es dir gut geht?", fragt er noch immer besorgt und ich verdrehe die Augen.
"Ja", antworte ich, nehme sein Gesicht zwischen meine Hände und hauche einen Kuss auf seine Lippen.
"Mir ist kalt", hauche ich und Jeffrey greift rasch nach meiner Hand und führt uns zielstrebig in sein Schlafzimmer. Das Bett ist frisch bezogen und das was ich mir nach unserem gemeinsamen Orgasmus gewünscht habe, passiert ohne das ich ein Wort sagen muss. Jeffrey zieht mich in seine Arme, ich platziere meinen Kopf auf seiner Brust, höre das stetige schlagen seines Herzens und fühle das sanfte pulsieren. Vibrierende Wellen gleiten durch meinen Leib, Wärme umgibt mich und der berauschende Duft von Jeffrey. Tief vergrabe ich meine Nase in seiner Brust, nehme soviel wie möglich von ihm auf, genieße, speichere, konserviere.
Ich weiß nicht wohin der Wind uns treibt. In eine schillernde, regenbogen-glitzernde Zukunft mit Liebe, Hingabe und Glückseligkeit? Oder in düstere Finsternis mit Schmerz, Leid und Tränen. Die Zukunft liegt im Schatten. Ich habe einen Traum und Jeffrey spielt in diesem eindeutig die Rolle des Mannes an meiner Seite. Doch lassen mich auch die vielen verschiedenen Fragen über seine Vergangenheit mit anderen Männern nicht in Ruhe. Leises Flüstern drängt sich aus den Schatten, immer deutlicher die Stimmen in meinem Kopf. Wir liegen in friedlicher Umarmung, reden nicht ein Wort, sondern genießen einfach das Hier und Jetzt. Doch quälen mich die Fragen und ich kann nicht länger warten.
"Erzählst du mir von den Partys? Wie hieß das nochmal?", frage ich vorsichtig.
"Warum?" Mit dieser Frage habe ich gerechnet. Was geht mich sein Sexleben an und Jeffreys Reaktion ist mehr als deutlich. Hat er noch bis eben meine Haut liebevoll gestreichelt und kleine Küsse auf meine Haare gehaucht, so steif liegt er nun im Bett neben mir.
"Es ist interessiert mich einfach", sage ich aufgebracht. "Wenn du nicht darüber reden möchtest, dann hättest du es mir nicht erzählen sollen."
"Len, beruhige dich. Ich erzähle es dir wenn du es wissen möchtest. Aber ich habe Bedenken, dass du mich dann mit ganz anderen Augen siehst", versucht er mich zu beruhigen. Ich weiß auch nicht warum mich das gerade so unendlich eifersüchtig macht. Eifersucht. Ich bin eifersüchtig. Auf die Männer vor mir, die Jeffrey das gaben was er brauchte. Kann ich ihm das geben was er braucht? Welcher Typ Mann ist er? Der, der wartet und seine Lust und Begierde im Griff hat? Oder doch ein Mann, welcher regelmäßig Sex hat und braucht und sich holt was er begehrt, sollte sein Partner nicht dazu bereit sein? Ich kann mir nicht vorstellen den Mann meines Herzens mit anderen Männern zu teilen. Dieser Gedanke bereitet mir Übelkeit, auch das Wissen, über das Risiko von ansteckenden Krankheiten.
"Ich würde es einfach nur gerne verstehen. Du bist Arzt. Und trotzdem setzt du dich dem Risiko einer Infektion aus", sage ich.
"Das mach ich schon lange nicht mehr. Du bist mein erster Mann seit drei Jahren", antwortet er und ich schaue ihn verwirrt an. Ein sanftes Lächeln umspielt seinen schönen Mund und für einen kurzen Augenblick schließt er die Augen, atmet tief durch und beginnt zu erzählen. Dabei behält er die Augen geschlossen, ich betrachte ihn und jede Regung seiner Muskeln, die veränderte Mimik und spüre deutlich, dass es Jeffrey nicht so leicht fällt darüber zu reden.
"Barebacking ist der ursprüngliche Begriff unter homosexuellen Männern für ungeschützten Analverkehr. Aber das ist schon länger nicht mehr so und wird auch bei heterosexuellen Paaren verwendet die auf Kondome verzichten. Bassed Hound ist die Stellung in der wir uns befanden. Ich mag das sehr. Es ist eine Variante des Doggy-Style. Meine Sexpartner befinden sich immer auf den Knien und den Händen, ich drücke sie mit dem Oberkörper nach unten und achte darauf, dass sie auch in dieser Position bleiben. Ich liebe den Anblick muskulöser Rücken und das Gefühl Muskeln und Sehnen unter meinen Händen zu spüren. Wenn sie mir ihren Hintern entgegen strecken, mich förmlich anbetteln sie endlich zu ficken. Dann fühle ich das Feuer in mir heiß lodern, kann mich kaum zurückhalten und tue genau das was sie von mir erwarten. Ich ficke sie hart und schnell. Es berauscht mich und ich liebe es wenn meine Sexpartner unter mir liegen und sich in anderen Ebenen befinden, nur weil ich meinen Schwanz immer wieder in sie stoße. Du sahst so wunderschön aus, ich war komplett in einer anderen Welt. Es fühlte sich so gut, nein atemberaubend an. Ich kann das kaum beschreiben. Alles war perfekt. Du warst perfekt."
Jeffrey macht eine kurze Pause, runzelt die Stirn und schüttelt leicht den Kopf.
"Wenn ich gewusst hätte, dass du noch Jungfrau bist, dann hätte ich niemals diese Position gewählt. Dein erstes Mal sollte schön, sanft und so angenehm wie möglich sein. Nicht schnell und hart."
"Es ist okay. Du hast es nicht gewusst", sage ich schnell.
"Mein erster Freund stand mehr auf Kuschelsex. Es war schön, aber es reichte mir irgendwann nicht mehr. Bei meinem ersten anonymen Treffen, ein Kerl von einer Datingplattform, bekam ich genaue Anweisungen wie er es gerne hatte und was ich alles machen darf und was nicht. Und dieser Mann wollte einfach nur gefickt werden. Ihm war alles egal. Wir trafen uns in einem Motel außerhalb der Stadt. Als ich ihn sah, bekam ich den Schock meines Lebens. Es war der Mann unserer Schulbibliothekarin. Ich konnte das nicht, war schon auf halben Weg zur Tür und entschied mich dagegen das Motel zu verlassen. Warum weiß ich bis heute nicht. Aber die Art wie er mit mir sprach, die Dinge die ich tun sollte, reizten mich. Ich war jung und wollte Sex. Einfach nur Sex. Und er war nur fünf Jahre älter als ich, sehr attraktiv und konnte dir das Hirn wegblasen. Wir kifften und unterhielten uns ein wenig, tranken Bier und so begann es. Ich war high und auch etwas angetrunken, er ritt mich als wäre er der Teufel persönlich und als er plötzlich vor mir kniete und mir seinen Arsch entgegen streckte, ließ ich alle Schranken fallen. Das war das erste Mal, dass ich mich komplett ausleben konnte. Und ich liebte es. In dieser Nacht war es mir egal, dass wir kein Kondom benutzten. Es fühlte sich alles so viel besser an. Noch nie fühlte ich mich so gut wie in dieser Nacht mit ihm. Einem Kerl nach außen Hetero, verheiratet mit einem stillen Mäuschen und innerlich der schwule Mann der sich in alle verfügbaren Löcher ficken ließ. Es blieb unser Geheimnis. Bis heute. Er hat es geschafft aus seinem Korsett auszubrechen. Auch wenn seine Frau daran zerbrach. Aber er wollte so nicht mehr länger leben und nahm in Kauf, dass man ihn mit Schimpf und Schande aus der Stadt jagte. Und so war es auch. Er outete sich als schwul, öffentlich, indem er mit seinem festen Partner auf dem Kirchensommerfest unserer Kleinstadt erschien. Das war ein riesen Skandal."
"Und auf dem College lernte ich Kyle kennen. Wir verstanden uns gut und irgendwann erzählte er mir von den Partys welche er veranstaltete. Alles in einem geschützten Umfeld, privat und die Männer mussten regelmäßig einen HIV-Test machen. Niemand außer den Männern dort wusste davon. Es gab Drogen und Alkohol, Jungs die zu allem bereit waren. Und so ist es überall auf diesen Partys. Alle wollen Spaß, einfach nur Spaß. Die Beweggründe für Barebacking sind verschieden. Es ist eine bewusste Entscheidung, die jeder Mann treffen muss. Auch mit den bekannten Risiken im Hinterkopf. Manche Männer haben eine generelle Ablehnung gegenüber Kondomen, andere haben die Vorstellung, ungeschützter Analverkehr sei natürlicher, romantischer, erregender, männlicher und intimer. Was natürlich nicht so ist. Aber auch ich dachte eine Zeit lang so. Ich kenne Männer, welche den Wunsch haben, den Unterschied zwischen einer zugeneigten und verantwortungsvollen Partnerschaft und schnellem, verpflichtungsfreiem Sex mit und ohne Kondom kennenzulernen. Es gibt Studien zu dem Thema. Du kannst es nachlesen. Eine besondere Nähe zur Schwulenszene, eine gegen sich oder andere gerichtete Homophobie. Es ist wie überall. Für alles und jeden gibt es Studien und Erklärungen, manche gut und manche einfach nur zum kotzen. Ja ich bin Arzt. Ja ich weiß um die Risiken. Und das wusste ich schon früher. Aber in dem Moment wenn ich das Haus von Kyle betrat, meine Kleidung auszog und mich zu Bradley setzte, einen Joint in der einen Hand und seinen Schwanz in der anderen, war mir das egal. Ich gehe nicht damit von Tür zu Tür und erzähle jedem von meiner Vorliebe. Den Anfeindungen möchte ich mich nicht aussetzen und es geht auch niemanden etwas an. Aber ich möchte ehrlich sein Len", sagt Jeffrey und endlich öffnet er seine Augen und sieht mich an.
"Du bist mir wichtig. Ich bin in meiner letzten Beziehung nicht treu gewesen. Das hatte verschiedene Gründe und diese sollen auch keine Ausreden sein. Wenn du es wissen möchtest, dann werde ich dir davon erzählen. Aber nicht heute. Heute, möchte ich einfach die restliche Nacht mit dir zusammen verbringen. Dich in den Armen halten und über deinen Schlaf wachen. Und du würdest mich unendlich glücklich machen, wenn du am Morgen noch da bist."
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