25. Kapitel
Je mehr Zeit ich im Lager verbrachte, desto mehr fühlte ich mich bedrängt. Ich hatte viel mit meiner Mutter gesprochen, die neuerdings von einer übergroßen Frau begleitet wurde. Brienne von Tarth. Oder auch: die Jungfrau von Tarth. Sie sollte besser als manch andere Männer im Kampf sein, so sagte man sich.
Nicht nur die Frau hatte meine Mutter von einem Besuch bei Renly Baratheon mitgebracht, sondern auch traurige Kunde - Lord Renly war tot. Margaery Tyrell war seine Königin gewesen, doch die Tyrells waren nun davon gezogen; sie wollten sich den Lennistern ergeben.
Robb war mit Talisa, die sich als eine Lady von irgendeinem Land Jenseits der Meerenge herausgestellt hatte, auf Reisen, um einige Ritter zu überzeugen, sich ihm anzuschließen. Nun hatte meine Hohe Mutter mehr oder weniger die Befehlsgewalt.
Ich saß in meinem Zelt und schrieb erst einen Brief an Bran und Rickon, dann an Jon. Es war unmöglich, dass Sansa einen lesen konnte, ohne dass die Königin Regentin davon erfahren würde. Es wäre nicht nur gefährlich für meine Schwester, sondern auch für mich, da niemand in Königsmund genau wusste, ob ich am Leben war oder nicht.
Ich hatte gerade die Namen auf die Briefumschläge geschrieben, als ich draußen wütende Stimmen vernahm. Ylenia, die auf meinem Bett lag, hob den Kopf und blickte neugierig zum Eingang. Lady und Nymeria kamen herein und sahen mich abwartend an. Ich erhob mich und verließ mein Zelt. Ich folgte den Stimmen bis zur Unterkunft meiner Mutter. Zahlreiche Lords und Soldaten standen davor und versperrten mir die Sicht. Ich hörte, wie Lord Karstark wütend meine Mutter verfluchte und ich drängte mich zwischen die rasende Menge.
»Ich weiß, wie Ihr Euch fühlt, Lord Karstark. Ihr habt Eure Söhne verloren. Doch meine Töchter leben und ich kann sie zurückholen.«
»Ihr nehmt mir die Rache!«, schrie Lord Karstark. »Er hat meine Söhne umgebracht und nun lasst Ihr den Königsmörder frei, nur um Eure Töchter zu retten. Was ist mit meinem Schmerz?«
»Was hat das zu bedeuten?«, verlangte ich zu wissen, als ich in die Mitte trat, wo nur der Lord und meine Mutter standen.
»Eure Mutter«, der Mann deutete auf die Frau am Zelteingang, »hat den Königsmörder ohne Zustimmung Eures Bruders freigelassen!«
»Mutter ...«, begann ich und entgeistert sah ich sie an.
»Ich habe es für meine Kinder getan«, rechtfertigte sie sich.
»Fahrt zur Hölle, Weib!«, spie Rickard Karstark aus und wandte sich zum Gehen. »Ich werde den König davon in Kenntnis setzen.«
Meine Mutter betrat unverfroren ihr Zelt und hastig folgte ich ihr.
»Du hättest es mit Robb absprechen sollen«, meinte ich.
»Es war das Beste, es jetzt zu tun, wenn er nicht anwesend ist. Er hätte es nie erlaubt«, gab sie leise zurück und ließ sich auf dem Stuhl nieder.
»Und das ist das Problem.« Verständnislos musterte ich sie, während sie ihren Blick gesenkt hielt. »Das halbe Lager ist jetzt wahrscheinlich gegen dich. Die Männer würden dich töten, wenn du nicht Robbs Mutter wärst.« Ich seufzte und nahm ihre Hände in meine, so dass sie aufblickte. »Glaubst du denn wirklich, dass sie uns meine Schwestern zurückgeben werden, wenn sie den Königsmörder erst einmal haben?«
Bevor sie antworten konnte, wurde die Zeltwand zur Seite geschoben. Ich zog meine Hände zurück und wandte mich um. Robb hatte mit Lord Karstark das Zelt betreten. In seinem Gesicht blitzte Wut auf. Der Lord hatte ihm alles berichtet.
»Ich fühl mich hintergangen«, rief er sauer. »Warum hast du ihn befreit?«
»Ich habe sechs Kinder, aber nur zwei befinden sich in Freiheit.«
»Nein, Mutter, vier«, verbesserte ich.
»Sienna, verlass das Zelt«, befahl Robb plötzlich.
Verwundert sah ich ihn an. »Wieso?«
»Sienna«, sagte mein Bruder mit einem warnenden Unterton.
Ich blickte verwirrt zu meiner Mutter und diese nickte mir zu. Ich stöhnte genervt auf, verließ aber widerwillig das Zelt.
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