Szene ③
„Denkst du, das verrate ich euch? Ihr seid mir schon lang genug auf den Fersen. Endlich habe ich die Möglichkeit, euch auszuschalten, ohne einen Hinweis auf meine Identität zu verraten." Leise begann der Förster zu lachen.
Bennos Herz schlug ihm bis zum Hals, als er in eingefrorener Position den Worten des Mörders lauschte. Er war angespannt, doch das hielt ihn nicht davon ab, nun leicht zu lächeln.
Die Identität des Försters war gerade nicht sein Problem, denn die hatte er schon knacken können. Seine Stimme, ohne den Stimmenverzehrer zu hören, hatte Erinnerungen in ihm geweckt. Er kannte diese Stimme und somit das Geheimnis. Doch das jetzt anzusprechen, wäre unklug. Noch war der Förster zu reden bereit.
„Wer bist du?", fragte Jasper noch einmal. Es schien gerade wohl sein einziger Antrieb zu sein.
„Die Polizei wird sicher gleich da sein, und bis dahin muss ich verschwinden. Also kann ich jetzt kein Schwätzchen mit euch halten", entschuldigte sich der Förster.
Äußerlich hatte er seine Identität gut verborgen. Das Gesicht steckte unter einer schwarzen Maske, die Haare in einer Kapuze. Die Hände waren behandschuht und der Körper in einem Mantel und einer Hose verpackt, die wenig Auskunft über die Statur abgaben.
Doch seine Stimme hatte ihn an Benno verraten.
„Wer bist du?", fragte Jasper ein drittes Mal und die Wut schwang in seinem Satz mit.
„Spielt keine Rolle." Der Förster verstärkte den Griff an seiner Pistole und hob den Arm. „Sagt der Welt adieu."
Oh scheiße!
Benno merkte, wie Fria neben ihm zusammenbrach. Nicht von einer Kugel, sondern einfach aus Angst. Suzanne flehte um ihr Leben, Lilia kämpfte ebenfalls mit den Tränen.
Benno war unfähig seine Gedanken zu sammeln. Er konnte das Ausmaß der Situation nicht verstehen.
Passierte das hier gerade wirklich? Stand er wirklich mit seinen Freunden vor einem Mörder, der sie umbringen wollte?
Nein, nicht umbringen wollte. Umbringen würde.
Und zwar in ein paar Sekunden.
Auch als der Förster die Pistole auf Jasper richtete, sah man diesem die Angst nicht an. Die Wut war auf sein Gesicht geschrieben. Jasper würde gleich als erstes eine Kugel abbekommen und so nie erfahren, wer der Förster wirklich war.
Benno konnte das nicht zulassen. Als sich der Griff des Försters um den Abzug verstärkte, klarte Bennos Sicht und er wollte Jasper wenigstens den Namen verraten.
Doch dann geschah alles ganz anders. Aus der Dunkelheit heraus ertönte Hufgetrampel.
Das konnte schon wieder nicht die Polizei sein. Aber wer war es dann?
Der Förster erstarrte und wandte sich dem riesigen Tier entgegen, welches von hinten aus der Dunkelheit auf ihn zuschoss. Er hatte keine Zeit mehr zu reagieren, als das Tier ihn von den Füßen holte und sein Körper auf dem harten Waldboden aufschlug. Die Pistole hatte er wohl doch schussbereit bekommen, denn ein Knall ertönte. Ein Schuss hatte sich gelöst.
Benno sah schnell der Reihe nach zu seinen Freunden, doch er schien keinen von ihnen getroffen zu haben.
„Kristina?", fragte Jasper die Reiterin, als diese ihr Pferd zum Stehen gebracht hatte. Es hatte sich ebenfalls wegen des Schusses erschreckt und war jetzt ganz unruhig.
„Was machst du hier?"
„Ich spiele Doppelte-Doppelagentin."
„Du hilfst uns?"
„Wie man sehen kann." Sie deutete mit einem Kopfnicken auf den Förster, welcher bewusstlos schien. Keiner traute sich, sich ihm zu nähern. „Ich rette euer Leben."
„Danke. Aber warum?"
„Der Förster hat mich nie kontrolliert, doch er hat mir mein Leben in Freiheit genommen. Ich hatte keine normale Kindheit, keine Jugend, keine Familie. Meine einzige Bezugsperson war Emma. Und wisst ihr was? Vor ein paar Wochen hat er mir dann auch diese genommen." Kristinas Augen waren hasserfüllt. „Dieser Mann ist ein Monster und deshalb verdient er die Hölle. Er hat mir mein Leben genommen, also werde ich ihm seins nehmen. Es ist nur fair."
„Was meinst du?" Jasper sah besorgt aus, als Kristinas Blick immer wilder wurde.
„Du hast mich schon verstanden. Ich beende das jetzt ein für alle Male."
„Aber wir brauchen ..." Weiter kam Jasper nicht.
Mit einem Kopfnicken verabschiedete sich Kristina wieder und zügelte ihr Pferd. „Ich danke euch für eure Arbeit. Wir hören hoffentlich mal wieder voneinander." Dann ritt sie ein zweites Mal auf den Förster zu.
Dieses Mal stand er nicht mehr.
Sie konnte ihn nicht mehr umreiten, nun würde sie ihn zertrampeln. Das Pferd schien nicht zu wissen, worauf es sich da einließ.
Wahrscheinlich war es wegen des Schusses noch immer verwirrt. Für das Tier war der laute, plötzliche Ton noch schlimmer als für Menschen. Oder es hatte einen genauso großen Hass auf den Förster wie Kristina.
Benno wollte gar nicht hinsehen.
Er schloss die Augen, doch das war wahrscheinlich ein noch größerer Fehler. Das Kacken des brechenden Rückgrats würde sicher noch Jahre die Quelle seiner Albträume sein. Es war für sein empfindliches Gehör ein Groll, so einen grässlichen Ton ertragen zu müssen.
„Ist es vorbei?", fragte Lilia vorsichtig.
Benno öffnete seine Augen und erkannte, dass Kristina bereits wieder in der Dunkelheit verschwunden war. Die würden sie sicher so schnell nicht mehr wieder sehen. Auch wenn es ein Mörder gewesen war, sie hatte soeben jemandem sein Leben genommen. Dafür drohte ihr wahrscheinlich das Gefängnis. Zumindest nahm Benno das an. Sicher war er sich bei dieser besonderen Sachlage nicht.
„Was machen wir jetzt?", fragte Suzanne atemlos. Keiner konnte so wirklich verarbeiten, was gerade passiert war.
War es wirklich vorbei?
„Ich gehe nachsehen", entschied Jasper und trat sofort auf den Förster zu. Benno konnte gar nicht erklären, dass er das Geheimnis bereits gelöst hatte, da war Jasper schon beim Förster und entfernte ihm die Maske vom Kopf.
Der verstümmelte Körper und das viele Blut schienen ihn nicht aufzuhalten. Für Jasper zählte jetzt nur die Antwort auf die Frage, die ihn monatelang schlaflose Nächte bereitet hatte.
Blut tropfte vom Körper des Försters in den Schnee. Das reine Weiß wurde von klebrigem Rot durchbrochen.
„Wer ist es?", fragte Lilia. Sie sah aus, als müsste sie gleich kotzen. Der Anblick, der sich ihnen bot, war wirklich kein schöner.
Im Licht der Lampe konnte man jeden Blutstropfen genau erkennen. Benno wünschte sich die schützende Dunkelheit zurück.
Jasper sah zu den Freunden, als er endlich den Namen aussprach. Es fühlte sich an wie ein Befreiungsschlag.
Auch wenn Benno bereits gewusst hatte, wem sie all ihr Leid zu verdanken hatten, tat die Bestätigung, die Jasper ihm gab, unfassbar gut. Es war vorbei. Der Förster war besiegt. Er konnte niemandem mehr etwas anhaben.
Und nun war auch seine Identität bekannt.
Jasper schluckte. „Der Förster ... Der Förster war ... Theodor Wesp ... unser Schulleiter."
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