Szene ②


Einige Kilometer von der Polizeiwache entfernt, ahnten Fria und Benno noch nichts von der Rettung, die gerade aufgebrochen war.

Sie waren noch immer voll in den Gedanken versunken, wie sie sich selbst retten könnten. Leider waren sie von der Lösung aber noch meilenweit entfernt.

Suzanne war seit Stunden nicht mehr aufgetaucht und Bennos Magen knurrte.

„Ganz ehrlich? Gerade würde ich mich über eine weitere Ladung der lauwarmen Erbsenbrühe freuen", gestand er, während er im Raum auf und ab lief. Sein Bein schmerzte noch immer, doch die Bewegung tat gut.

„Ich auch", stöhnte Fria. „So eklig sie auch war, besser als zu verhungern. Du denkst doch nicht, dass Suzanne vielleicht etwas passiert ist? Es ist Stunden her, dass sie versprochen hat, uns zu retten. Seitdem hat sie sich nicht mehr blicken lassen."

Benno überlegte kurz, ob er etwas Schnippisches antworten sollte. Ein ist mir doch egal oder ein der Förster kann sie gerne haben.

Doch die Wahrheit war eine andere: Suzanne war ihm immer noch wichtig. Auch wenn sie ihn belogen und betrogen hatte, war die Zeit mit ihr echt gewesen.

Denn über ihre Gefühle hatte sie nicht gelogen. Hoffte Benno zumindest.

Der junge Pianist seufzte. „Ich hoffe, ihr geht es gut."

Fria wurde stutzig. „Du bist ihr nicht mehr böse?"

„Doch. Ich werde sie auch, sobald wir hier raus sind, nochmal damit konfrontieren. Man hintergeht Menschen, die einem wichtig sind, nicht einfach. Aber gerade will ich erst einmal, dass wir hier rauskommen. Wir alle drei."

Fria lächelte schwach. „Das wäre schön. Wollen wir ..." Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment hörte man wieder die Schritte außerhalb ihres Gefängnisses.

Benno erkannte Suzannes Gang auch dann, wenn er schneller und weniger anmutig war. Anscheinend hatte sie Angst, so schnell, wie sie lief.

Vor dem Gitter bremste die junge Frau ab und kam keuchend zum Stehen. 

„Der Förster ... ist gerade nicht da. Ich habe ... vielleicht etwas gefunden, mit dem ich ... euch hier rausholen kann."

Suzanne griff in ihre Jeanstasche und zog eine Haarnadel hervor.

„Das klappt doch sonst nur in Filmen", kommentierte Fria, als sich Suzanne an dem kleinen Schloss am Gitter zu schaffen machte.

„Es wird auch jetzt funktionieren", versprach Sue und arbeitete verbissen an ihrer Freiheit.

Benno war erstaunt. Auch wenn seine Freundin das Schloss nicht beim ersten Mal knacken konnte, sah ihre Arbeit gewissenhaft und entschlossen aus. „Du schaffst das", versicherte er ihr.

„Wie bist du überhaupt an die Haarnadel gekommen?"

„Die Küche im Haus scheint nah an der Haustür zu sein, weshalb ich immer hören kann, wenn der Förster das Haus verlässt. Das hat er gerade eben getan, weshalb ich mich ungestört in der Küche umsehen konnte. Dort habe ich die Haarnadel gefunden. Ich weiß nicht, wofür der Förster sie verwendet hat und eigentlich will ich es auch gar nicht wissen." Suzanne verzog den Mund bei dem Gedanken, was man in der Küche mit dem spitzen Ding anfangen konnte.

„Wie lange denkst du, wird der Förster weg sein?"

„Keine Ahnung. Ich hoffe mal, lang genug, dass wir ein bisschen Strecke zwischen unserem Gefängnis und uns bringen. Außerdem weiß ich nicht, wie gut er die Kameras überwacht. Kann sein, dass er uns gerade beobachtet und schon im nächsten Raum auf uns wartet. Ah! Ich hab's!" Zufrieden drehte Suzanne die Nadel ein letztes Mal im Schloss und es knackte auf.

Benno und Fria überlegten nicht lange. Auch wenn Sues Fluchtplan nicht sonderlich sicher klang, war alles besser, als in ihrer Gefängniszelle zu versauern.

Sie drückten mit aller Kraft gegen das Gitter und ließen es nach außen hin aufklappen.

Fria war zu jubeln zumute. Sie würden hier tatsächlich rauskommen!

Überglücklich fiel sie Suzanne um den Hals. „Danke, danke, danke!"

„Keine Ursache, aber wir müssen weiter." Einmal fuhr sie sich über die schweißnasse Stirn und durch die blonden Haare, dann fasste sie Frias Hand und zog sie mit sich.

„Los, kommt." 

Benno traute sie sich noch nicht anzufassen, vielleicht würde er es abblocken, und das dann zu einem unnötigen Streit führen, für den sie jetzt keine Zeit hatten.

Suzanne führte die beiden durch das alte Haus. Wäre es nicht so gut durch Lampen beleuchtet, wären sie wohl nicht mit so sicherem Schritt hindurchgegangen.

Die schäbigen Tapeten, der knarzende Boden und die staubbedeckten Möbel im Flur könnten auch direkt aus einem Horrorfilm entsprungen sein.

In der Küche roch es schrecklich und tatsächlich stand ein ganzer Stapel Doseneintöpfe am Herd. Sicher waren die noch aus dem zwanzigsten Jahrhundert.

Benno stieg der ganze Staub zu Nase und mit einem saftigen Nieser ließ die Stauballergie grüßen.

„Gesundheit", flüsterten Suzanne und Fria gleichzeitig.

„Danke", flüsterte Benno ebenso leise zurück.
Sie waren nun am zweiten Gitter angekommen, welches die Küche vom Rest des Hauses trennte.

So wie Suzannes es ihnen vorhin geschildert hatte, ging von hier der Flur und eine Toilette ab.

Fria und Benno konnten nur machtlos danebenstehen und Wache schieben, während sich Sue am Schlüsselloch zu schaffen machte.

„Das ist schwerer zu knacken als das erste", berichtete sie nach einer Minute erfolglose Arbeit.

„Du schaffst das", versuchte Fria sie zu animieren.

„Ja", sagte Benno leise. „Wir kommen hier raus. Gemeinsam." Er stockte, als er begriff, wessen Worte er da gerade zitiert hatte. Es waren Suzannes.

Scheiße, wem machte er hier eigentlich etwas vor? Warum tat er immer noch so, als würde er sie abgrundtief hassen?

„Sue?", fragte er langsam. „Es tut mir leid."

„Was? Du ...", weiter kam sie nicht. Da hatte Benno sich schon zu ihr hinuntergebeugt und ihr einen schnellen Kuss auf den Mund gedrückt.

„Oh." Nun verstand sie.

Damit die beiden einen kurzen Moment für sich hatten, griff Fria nach der Haarnadel und versuchte nun ihr Glück am Schloss. Es freute sie, dass Benno so schnell zu Sinnen gekommen war.

Es lag natürlich schon in seinem Charakter, nicht nachtragend zu sein.

Doch als Fria vorhin mit ihm gesprochen hatte, war sein Tonfall noch weniger zuversichtlich gewesen.

Sollten sie nun vom Förster entdeckt werden und doch sterben, waren sie immerhin im Reinen miteinander.

Fria zog die Haarnadel ein paar Mal rein und wieder raus, drehte sie in alle Richtungen und verformte das Ende ein wenig, wie sie es eben bei Suzanne gesehen hatte.

Irgendwann klappte es und das Schloss sprang auf.

Sie wollte jubeln, doch zwang sich, still zu bleiben.

Auch wenn Suzanne vorhin meinte, dass der Förster nicht zuhause war, konnte sie sich dessen nicht einhundert Prozent sicher sein.

Und Fria wollte kein Risiko eingehen.

„Wir sind frei", verkündete sie Benno und Suzanne leise und zog das Gitter auf. „Los geht's" 

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