Szene ③


Minuten vergingen, in welchen sich Benno und Suzanne einfach nur anstarren. Keiner traute sich, den Augenkontakt zu brechen, keiner traute sich, ein Gespräch zu beginnen. Es lag eine ganz unangenehme Stimmung im Raum.

Irgendwann wurde es Benno zu viel. Seine Freundin stand eindeutig auf der falschen Seite des Gitters und er musste einfach wissen, warum.

Also fragte er zögerlich: „Arbeitest du mit dem Förster zusammen?" In seiner Stimme lag eindeutig die Abneigung, die er diesem Gedanken entgegenbrachte.

Sue seufzte schwer, während sie das Tablet mit dem Essen vor den Gefangenen abstellte. Es befand sich eine kleine Spalte zwischen Gitter und Boden, so dass man das Tablett hindurchschieben konnte.

Fria und Benno starrten nur darauf und wagten es nicht, sich etwas davon zu nehmen. Womöglich war es noch vergiftet.

Sue schluckte. Dann offenbarte sie: „Er hat mich gezwungen, ihm zu helfen."

Ein Satz, sieben Wörter, doch nur eine Aussage, welche so viel für Benno änderten.

Tränen stiegen ihm auf. Seine Stimme brach, als er fragte: „Warum?"

Suzanne sah ebenfalls so aus, als würde sie gleich einfangen zu weinen. Sie setzte sich ans Gitter und griff nach Bennos Hand, doch dieser entzog sich ihr sofort.

„Warum? Warum tust du mir das an?", rief er noch einmal. Dieses Mal lauter und bestimmend.

„Der Förster hat mich erpresst. Mich, und alle anderen, die bisher für ihn arbeiten mussten. Ich habe ihm nicht freiwillig geholfen." Hilflos blickte Suzanne zu Fria. Als ob diese ihr irgendwie helfen könnte.

Auch wenn Fria weniger getroffen von Suzannes Verrat war als Benno, konnte sie keine Sympathie für dieses Mädchen aufbringen. Immerhin stand sie außerhalb des Gefängnisses. Sie schien frei zu sein. 

Außerdem wusste Fria nicht, was Suzanne überhaupt gemacht hatte. Inwiefern hatte sie mit dem Förster zusammengearbeitet? Hatte sie Informationen über die Freunde weitergegeben? Hatte sie ihrem Freund nur etwas vorgespielt?

„Kannst du bitte gehen?", fragte Benno verzweifelt. Er wollte keine Sekunde länger mit der Verräterin in einem Raum verbringen. „Ich kann dich gerade nicht ertragen."

Sue schüttelte akribisch mit dem Kopf. „Nein. Du musst hören, was ich zu sagen habe. Ich verstehe, wenn du mir nicht verzeihen kannst, aber du sollst wenigstens meine Beweggründe kennen."
Fria legte eine Hand auf Bennos Schulter. So wie ihr Freund gerade aussah, wollte er sich keine Entschuldigung anhören. Am liebsten hätte sie ihm Ohrenstöpsel geliehen, damit er Sues Stimme ausblenden konnte.

Kurz hatte Fria sogar überlegt, ob sie lautstark zu singen anfangen sollte, nur damit Benno Suzannes Stimme nicht hören müssen, doch das wäre dann wahrscheinlich doch zu albern gewesen.

So mussten sie Suzannes Entschuldigungsversuch schweigend ertragen.

„Schon an meinem ersten Tag in Jesingen erhielt ich eine E-Mail", begann das Mädchen zögerlich. „Darin wurde mir gedroht, mein größtes Geheimnis zu verraten, wenn ich nicht tun würde, was der Absender der Mail von mir verlangte.

Zuerst reagierte ich nicht und tat es für schlechten Spam ab, aber immer wieder kam diese Nachricht und irgendwann wurde mir der Beweis geliefert, dass die Person mein Geheimnis auch wirklich kannte."

„Und was war das für ein Geheimnis?", fragte Fria genervt. Wenn Suzanne weiter in Rätseln sprach, bräuchte sie auch gar nicht versuchen, sich zu erklären.

„Das kann ich euch nicht anvertrauen." Entschuldigend hob Suzanne die Hände. Ihre Worte klangen hart, doch in ihrem Blick lag der Wunsch, ihnen doch die Wahrheit zu sagen. Viel lieber hätte Suzanne nichts mit dem Förster zu tun und säße jetzt mit ihren Freunden in seinem Gefängnis. Doch das Leben war nicht fair, und so spielte sie hier gerade das Zimmermädchen ihres Entführers. „Solltet ihr hier jemals rauskommen, würdet ihr sonst nur zur Polizei damit rennen."

Benno glaubte, sich verhört zu haben. „Ist das dein Ernst? Du belügst und betrügst mich und hoffst, dass ich dir vergebe, ohne mir die Wahrheit zu sagen?"

„Es tut mir leid."

„Pfff." Benno drehte sich vom Gitter weg. „Dann solltest du jetzt gehen. Ich will dich nie wieder sehen."

Auch Fria wirkte nicht sonderlich interessiert an einem anknüpfenden Gespräch. Sie hätte zwar gerne die Wahrheit von Suzanne erfahren, doch wenn sie ihnen diese nicht geben wollte, musste sie sich jetzt erst einmal um Benno kümmern.

Der sah nämlich so aus, als würde er vor Wut gleich in Ohnmacht fallen.

Suzanne schien erkannt zu haben, dass sie unerwünscht war, denn sie drehte sich um und marschierte davon. Wohin genau sie verschwand, konnte man noch immer nicht erkennen.

Fria griff nach einer der Wasserflaschen, die auf dem Tablett für sie bereitlagen und hielt sie Benno hin.

Die Flasche passte waagerecht nur gerade so durch die Lücke unter dem Gitter.

„Du musst dich beruhigen", sagte sie und versuchte, Benno zum Trinken zu bringen.

Doch dieser schlug ihr die Flasche fast aus der Hand. „Das ist wahrscheinlich vergiftet."

„Das glaube ich nicht. Sollte uns der Förster töten wollen, würde er es sicher nicht so langweilig machen. Kurz was trinken und schon tot? Ich glaube eher, dass er hier mit seiner Pistole reinkommen wird, um uns abzuknallen."

Benno war erstaunt über Frias harte Worte. Von ihr hätte er eher erwartet, dass sie eine Panikattacke bekommen und zusammenbrechen würde, was anhand ihrer Situation auch vollkommen nachvollziehbar war. Doch die junge Filmemacherin lächelte ihn nur traurig an.

Also griff er nach der Wasserflasche und trank ein paar zügige Schlucke. Tatsächlich schien kein Gift untergemischt worden zu sein, denn auch fünf Minuten später lebte er noch.

Gemeinsam mit Fria hatte er sich über Suzannes hinterlistiges Verhalten ausgekotzt und war dann dazu übergegangen, noch mal den Raum mit seinen Augen abzusuchen. 

Aufstehen war noch immer schwer, deswegen übernahm Fria den Job des wandelnden Kuriers.

Sie schob ein paar Möbel hin und her, um zu gucken, ob sich dahinter vielleicht ein Notausgang befand.

Bennos Gedanken rasten noch immer. Sie kreisten um Sue und ihren Verrat. Hatte er sich das Gespräch eben nur eingebildet? Es hatte so unecht gewirkt. So abwegig.

„Hier ist auch kein geheimer Ausgang, aber ich habe was anderes gefunden", verkündete Fria, als sie den Schrank einige Zentimeter gezogen hatte.

Sie hielt eine kleine Kamera in die Höhe, welche mit einem grünen Blinken anzeigte, dass sie gerade filmte. „Der Förster scheint uns zu überwachen."

Benno war davon wenig überrascht. „War ja klar."

„Soll ich sie zerstören?"

„Das ist sicher nicht die einzige. Also ist es relativ egal. Wenn es dich glücklich macht, tu es. Aber ich weiß nicht, ob wir dann dafür bestraft werden. Ich kann ja mal Suzanne fragen, wenn sie das nächste Mal vorbeikommt." Der bittere Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Fria konnte es nicht mehr ertragen. „Benno, ich weiß, du bist sauer, aber vielleicht hatte sie wirklich ihre Gründe. Wenn der Förster dir gedroht hätte, dich zu töten, wenn du nicht für ihn arbeitest, hättest du das vielleicht auch gemacht."

Benno verneinte das nicht. Doch überzeugen tat es ihn auch nicht. „Sie hätte es mir sagen können. Still und heimlich hätte sie mich einweihen können und vielleicht hätte Jasper mit ihren Informationen das Rätsel lösen können. Vielleicht hätten wir den Förster schon längst enttarnt und befänden uns jetzt nicht in dieser Lage."

Seine Stimme überschlug sich fast, als er alle Eventualitäten aufzählte.

Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Doch wer garantierte ihm, dass es auch wirklich so gekommen wäre? 

„Stimmt schon. Vielleicht hätte es uns geholfen." Fria gab es auf, einen Fluchtweg zu finden und setzte sich stattdessen wieder neben Benno. Sie griff nach der Gabel und stocherte in dem geschmacklosen Gemüse herum, welches ihnen Suzanne serviert hatte.

„Denkst du, die Polizei wird uns finden?"
„Vielleicht. Wir werden sehen." Wirklich große Chancen rechnete sich Fria allerdings nicht aus. Woher sollten Jim, Jasper und Lilia wissen, wo sich die Freunde befanden.

Seufzend lehnte sie sich wieder an Benno an und versuchte, ihm das Essen zu verfüttern. Immerhin ließ der Förster sie nicht den Hungertod sterben.

Würden Jasper und Lilia sie wirklich finden? Sicher arbeiteten sie gerade mit der Polizei zusammen und versuchten, den Aufenthaltsort der Freunde ausfindig zu machen.

Doch was war, wenn sie versagten? Was würde der Förster dann mit ihnen unternehmen?

Fria wollte gar nicht daran denken. Jede ihrer Ideen war schlimmer als ihre letzte. 

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