Szene ④


Eine Woche war vergangen und wieder fiel Schnee. Die ganze Nacht hatte es geschneit und die träumenden Wälder in ein Winter Wunderland verwandelt.

Da viele Nachbarorte höher gelegen waren als Jesingen, fuhren die Busse nicht. Das hatte die Polizei dazu animiert, Nachforschungen in der Schule anzustellen. Da über die Hälfte der Schülerschaft fehlte, hatten sie die Schule für diesen Tag dicht gemacht.

Da die Ferien nun wirklich kurz vor der Tür standen, hatte das Lehrpersonal keine neuen Aufgaben verteilt. Stattdessen gönnten sie den viel beschäftigten Teenager einen Tag Ruhe.

Lilia hatte ihre Freunde für diesen Tag zu sich auf den Hof eingeladen. Es herrschte ein bisschen schlechte Stimmung zwischen ihnen, da Fria einfach Erik zu der letzten Seelenstunde eingeladen hatte.

Lilia war auch nicht begeistert von dieser Idee gewesen, doch sie hatte Fria schnell verziehen. Im Gegensatz zu Jasper, der immer noch kein Wort mit der jungen Filmemacherin sprach.

Lilia war mit ihren Hund Socke im Garten unterwegs, und so merkte sie nicht, dass ihre Oma Benno durch das Haus in den großen Garten schickte. Erst als Socke von seinem Spielzeug abließ, um Lilias Freund zu begrüßen, erkannte diese den jungen Pianisten.

Benno war eine halbe Stunde zu früh. Das war untypisch für ihn. Normalerweise kam er zu spät.

„Na du?", fragte Benno und streichelte über das weiche Fell des Golden-Retrievers. „Freust du dich, mich zu sehen?"

Socke wedelte aufgeregt mit seinem Schwanz.

„Ja? Ich freue mich auch."

Lilia lachte darüber, wie hoch Bennos Stimme plötzlich war. Sie selbst hatte es geschafft, sich den Baby-Tonfall abzugewöhnen, wenn sie mit ihrem Hund sprach. Doch die Stimme ihrer Freunde wurde bei Gesprächen mit Socke immer um einige Oktaven höher.

„Ich muss gleich noch eine Runde mit ihm Laufen. Kommst du mit? Warum bist du überhaupt so früh da?"

„Ich hatte nichts Besseres zu tun. Brauchst du für einen Spaziergang etwa einen Personenschutz?", fragte Benno und man erkannte nicht, ob er es mit einem ironischen Unterton sagte. Wahrscheinlich wusste er es selbst nicht. Wenn Fria hier gewesen wäre, hätte sie den Witz geschmacklos gefunden, und da er Lilia nicht ganz einschätzen konnte, blieb er vorsichtig.

Doch das Mädchen grinste nur. „Ja. Auch wenn wir jetzt schon mehrere Wochen nichts vom Förster gehört haben, bleiben meine Eltern in höchster Alarmbereitschaft."

„Ist wahrscheinlich besser so."

„Stimmt schon. Aber nerven tut es trotzdem." Lilia lief ins Haus und besorgte eine Leine für Socke. Nachdem sie ihrem Hund diese umgelegt hatte, übergab sie ihn Benno. „Viel Spaß damit."
„Schenkst du ihn mir?", fragte Benno aufgeregt.

Lilia musste grinsen. „Kommt nicht infrage. Dann leckt mir keiner mehr morgens die Füße ab."

Benno wusste, dass seine Freundin ihn nur veräppeln wollte, trotzdem stieß er ein: „Igitt!" aus.

„Ja. Hunde sind schon seltsam. Super niedlich und super eklig zugleich. Guck, jetzt versucht er, seinen Hintern abzulecken."
Die beiden lachten Socke aus, während dieser im Kreis lief, um sein Hinterteil zu erwischen.

Das Lachen tat gut. Mehrere Wochen nichts vom Förster mitzubekommen, hatte etwas sehr Befreiendes an sich. Fast konnte man vergessen, dass er überhaupt existierte ...

Aber eben nur fast.

Lilia deutete nach vorne. Sie waren schon ein paar Meter gelaufen und befanden sich nun unweit von Jesingens Litfaßsäule. „Wer ist das?"

Eine große Gestalt, ganz in schwarz gekleidet, war an die Säule herangetreten. Seine Hände waren in dicke Handschuhe gepackt, mit welchen er einen neuen Zettel an die Wand pinnte.

Das war ungewöhnlich. Normalerweise kamen nur Leute von der Gemeinde her, um neue Flyer aufzuhängen. Das war dann meistens eine größere Aktion, bei der sie fast die gesamte Säule umgestalteten.

Doch dieser Mann drehte sich nach der Befestigung seines Zettels wieder um und lief davon. Leider war das genau die entgegengesetzte Richtung der Freunde, so dass sie keinen genaueren Blick auf die Gestalt werfen konnten.

Lilia überlegte nicht lange. Sie rannte los in Richtung der Litfaßsäule. Da Benno noch immer Socke an der Leine hielt, würde es nicht lange dauern, bis er ihr nachjagen müsste. Denn ihr Hund würde seinem Frauchen folgen.

Mit der Säule kam auch die in schwarz gekleidete Person wieder ins Sichtfeld und man erkannte, dass sie auf einen kleinen Parkplatz einbog. Wahrscheinlich hatte sie hier ihr Auto geparkt. Darum konnte sich Lilia aber gerade nicht kümmern. Würde sie im Eiltempo auf die Person zurasen, wäre diese wahrscheinlich längst über alle Berge, bevor sie überhaupt bei ihr angekommen wäre.

An der Säule angekommen scannte Lilia die neue Nachricht. Sie erschrak, als sie begriff, woher ihr die Worte so bekannt vorkamen.

Sogar das Layout sah eins zu eins aus, wie ...

„Was steht drauf?", fragte Benno sie, als er schwer atmend neben Lilia ankam. Socke hingegen schmiegte sich an das Bein seiner Besitzerin, froh darüber, wieder in ihrer Nähe zu sein.

„Das hier ist eine Vermissten-Ausschreibung für Kristina", erklärte Lilia. Sie wagte es nicht den Zettel anzufassen. Auch wenn der Verfasser Handschuhe getragen hatte, vielleicht würde man noch DNA-Spuren darauf finden können.

Oben auf dem Zettel war ein Foto der Reiterin abgebildet. Darunter stand ein kurzer Text zu ihrer Person und eine Telefonnummer.

„Ich könnte wetten, wenn wir da anrufen, geht wieder die gruselige Stimme dran. Weißt du noch?"

Zu gut konnte sich Lilia an den Abend im Baumhaus erinnern, als Jasper die Nummer in sein Telefon eingegeben hatte.

„Lanis Blut ist euer Blut", flüsterte Lilia nun zur Bestätigung. „Was machen wir jetzt?"

Benno zuckte mit den Schultern. „Abwarten? Ich ... Da!" Der Junge deutete mit seiner Hand auf etwas, was sich hinter Lilias Rücken abspielte. Fragend drehte sie sich um und erkannte am Ende der Straße einen Jeep, welcher vom von der Straße abgrenzenden Parkplatz fuhr.

„Glaubst du, die Person, die den Zettel geschrieben hat, sitzt da drin?"

„Mit Sicherheit. Sonst scheint gerade keiner auf dem Parkplatz zu sein." Benno versuchte in der Ferne das Nummernschild zu erspähen, versagte aber komplett. „Mist, schon ist das Auto weg!"

„Sobald Jasper hier aufgetaucht ist, kann er seinen Vater anrufen und alle Infos durchgeben. Schade, ich dachte, der Förster hätte uns in die Weihnachtsferien entlassen. Aber jetzt müssen wir uns wohl doch noch mal mit ihm beschäftigen."

„Immerhin sind es Informationen, die wir bekommen haben, und keine weitere Leiche", antwortete Lilia und beugte sich nach unten, um Socke ein Leckerli zu geben.

„Komm Socke. Lass uns endlich spazieren gehen. Dann bist immerhin du glücklich." 

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Hey! Wer denkt ihr, ist die mysteriöse Person, die den Zettel angehängt hat? Und seid ihr gespannt, wie es weitergeht? 

Liebe Grüße! 

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