Szene ②
Ein Tag war vergangen, seit Jasper der Polizei den Beweis geliefert hatte, dass Yasmin mit dem Förster zusammenarbeitete.
Fria hatte davon nicht sofort etwas mitbekommen. Da sie Physik abgewählt hatte, war sie erst später zur Schule bekommen und hatte dort die vielen Polizeiwagen gesehen. Als Jasper ihr alles erklärt hatte, hatte sie es erst nicht glauben wollen.
Yasmin hatte dem Förster doch tatsächlich geholfen.
„So ganz stimmt das nicht", sagte Benno nun schon zum wiederholten Mal. „Yasmin wurde dazu gezwungen. Sie hatte keine andere Möglichkeit."
Der Schultag war zu Ende und die Freunde unterhielten sich über Discord, da Jaspers Vater gerade mit neuen Informationen nach Hause zurückgekehrt war. Jasper hatte bereits davon berichtet, dass Yasmin nachweisen konnte, dass sie erpresst worden war.
„Der Förster hat ihr E-Mails geschickt und gedroht, würde sie ihm nicht helfen, würde sie wie ihre Cousine Martha enden. Sie sah es als ihren einzigen Ausweg, unbeschadet aus der Nummer herauszukommen, uns sich unbemerkt zu erkennen zu geben. Deshalb hat sie die lila Uhr getragen. Doch dann hatte sie beim Betreten der Klasse Panik bekommen und es hat die ganze Physikstunde gedauert, bis sie sicher in ihrer Entscheidung war. Die neuste E-Mail des Försters beweist ebenfalls, dass er mit einem Hinterhalt nicht gerechnet hat." Jasper hätte den Mailverlauf gerne gesehen, doch er stand unter polizeilichem Verschluss.
„Also wollte der Förster Yasmin auch einsperren und ermorden? Gut, dann hätte ich ihm vielleicht auch lieber geholfen", antwortete Lilia nachdenklich.
„Wie kannst du so etwas sagen?" Fria saß eingekuschelt in ihrem Bett und versuchte sich mit Planung für ihren Film abzulenken, damit sie die Diskussion der anderen nicht so runterzog. Doch bei Lilias Einwurf musste sie dann doch etwas erwidern. „Yasmin hat Jasper mit dem Tod gedroht. Und außerdem wissen wir nicht, ob sie noch anders in die Machenschaften des Försters verwickelt war. Vielleicht hat sie wirklich die Kameras an Maleas Todestag sabotiert, um Hans Verhaag unbemerkt agieren zu lassen."
„Das hat mein Vater auch gesagt. Noch streitet Yasmin es ab, doch leider stehen die Fakten gegen sie. Denn polizeilich gesehen kann es kein Zufall sein, dass die Schülerin, die in den Fall involviert ist, auch im Krankenhaus arbeitet."
„Stimmt." Fria hörte, wie in Bennos Leitung ein Stift über Papier kratze. Offensichtlich versuchte auch er sich anderweitig zu beschäftigen.
„Irgendwie tut mir Yasmin leid. Sie hat nur versucht sich zu schützen. Bestimmt wollte sie Jasper nichts antun."
„Das wissen wir nicht", antwortete Jasper selbstsicher. „Vielleicht haben der Förster und sie das nur inszeniert, weil sie gemerkt haben, dass sie aufgeflogen sind. Yasmin kann gut mit Computern umgehen. Sie hätte die E-Mails die Nacht über faken können, damit sie gestern pünktlich zu Schulbeginn fertig waren. Deswegen ist sie dann auch gekommen, obwohl sie wusste, dass meine Überwachungskamera sie gestern gefilmt hat. Sie hat sich absichtlich der Polizei gestellt und hofft auf eine milde Strafe, weil sie sich als Oper darstellt. Dabei hat sie eigentlich schon viel länger mit dem Förster zusammengearbeitet. Sie hat die Kameras sabotiert, die Kleider gekauft und weiteres."
„Das ist aber eine böse Unterstellung." Fria fand nicht gut, was ihr Freund soeben von sich gegeben hatte. Dachte Jasper das wirklich? Vertraute er Yasmin so wenig?
„Hey, das war nur eine Theorie. Gerade kann ich irgendwie niemandem vertrauen. Dann bin ich auch nicht mehr so geschockt, sollte es schlussendlich doch stimmen."
Lilia lachte trocken. „So kann man es auch sehen."
„Wie geht die Polizei jetzt weiter vor?", fragte Fria und klappte ihr Notizbuch zu. Seit Wochen war sie ideenlos und es trieb sie in den Wahnsinn. Die ganzen erfolgreichen Persönlichkeiten sagten zwar immer, dass man in schwierigen Zeiten am Ball bleiben sollte, doch für Fria fühlte es sich gerade so an, als sein diese schwierigen Zeiten ihr Dauerzustand.
War das Filmemachen noch immer das Richtige für sie oder verschwendete sie damit nur ihre Zeit? Sollte sie ihren Traum so langsam mal aufgeben? Es war ohnehin nicht sonderlich realistisch, dass sie davon irgendwann leben konnte.
Zum Glück hielt sie Jaspers Antwort vom weiteren Grübeln ab. „Sie verbrinden die nächsten Tage nochmal damit, nach weiteren Beweisen zu suchen. Aber wenn es außer den E-Mails nichts gibt, wird Yasmin wohl wieder freigelassen. Sie ist quasi unschuldig."
„Und wie wollen wir weiter vorgehen."
„Also ich werde in der nächsten Zeit gar nichts machen." Jasper lachte trocken. „Mein Vater lässt mich nicht mehr aus den Augen. Er hat zu viel Angst davor, dass der Förster mich killt."
„Und das ist auch gut so!", rief Fria aufgebracht. Was dachte sich Jasper? Dass er noch immer allein im Wald herumrennen konnte? Diese Zeiten waren schon lange vorbei.
Doch sein Vater schien nun noch eine Schippe draufzulegen.
„Wissen wir mittlerweile eigentlich, wie wir den Zettel verstehen können?", fragte Lilia, um vom Thema abzulenken. An Jaspers Situation konnten sie nichts mehr ändern. „Der Förster hat dir geschrieben: Wenn IHR euch weiter in meine Spiele einmischt, werdet ihr sterben. Meint er damit jetzt dich und deinen Vater, oder uns?"
„Berechtigte Frage, auf die ich keine Antwort habe", gab Jasper zu. „Das habe ich mich auch schon gefragt."
„Wahrscheinlich alle miteinander. Sowohl Jim als auch wir sind dem Förster anscheinend zu gefährlich geworden. Aber heißt das, dass wir auf der richtigen Fährte sind?"
„Eigentlich sollte man das denken, aber auf was für einer Fährte sind wir denn? Wir haben keinen konkreten Verdacht, wer der Förster sein könnte."
Fria zählte kurz auf, was sie in der letzten Zeit herausgefunden hatten. „Wir glauben, dass die Person entweder im Stadtrat sitzt oder bei der Polizei arbeitet, da sie schnell über alle für sie wichtigen Informationen verfügt. Wir wollten eigentlich als nächstes untersuchen, wie der Förster an die zwei Kleider gekommen ist."
„Das kann Benno seine Cousinen ja trotzdem fragen. Einen Anruf, den Benno von zuhause aus betätigt, wird der Förster ja wohl nicht mitbekommen."
„Ich werde es versuchen", sagte Benno und man hörte wieder das Rascheln von Papier in seiner Leitung. Offensichtlich schrieb er sich eine Erinnerung.
„Sonst noch was?", fragte Jasper. Anscheinend wollte er sich verabschieden. Sicher war er mit den Hausaufgaben bereits fertig und tat jetzt trotzdem so, als hätte er noch viel zu tun.
„Ja ...", machte Benno langsam. „Hat die Polizei was zu Kristina gesagt?" Der junge Pianist hörte sich ein bisschen ängstlich an. Machte er sich Sorgen um das verschwundene Mädchen?
Fria selbst musste zugeben, dass sie nicht viel über die Reiterin nachgedacht hatte. Nachdem die Leiche von Martha gefunden wurde, war nur diese in Frias Albträumen aufgetaucht. Von Kristina war sie bisher verschont geblieben.
„Mein Vater meinte, sie wurde noch nicht gefunden. Das kann auch noch dauern. Im Wald gibt es genügend Jägerunterschlüpfe, Verstecke von Kindern und auch ein paar Höhlen. Wenn Kristina die richtige Ausrüstung für den Winter bei sich hat, wird sie ein paar Tage im Wald überleben können. Und die Polizei geht davon aus, dass sie diese hat, denn in der Hütte neben dem See war sie verschwunden. Alle warmen Decken, Kleidung und das ganze Essen sind weg."
„Was ist mit dem Pferd?", fragte Fria ängstlich. Mit Sorge dachte sie an das schöne, starke Tier zurück, welches sich schon jahrelang seine Koppel mit Mala teilte. Woher sollte Kristina genug Essen herbekommen?
Jasper war nicht mehr ganz so optimistisch, als er Fria versicherte: „Kristina wird sich gut darum kümmern."
„Na gut."
„Wär's das dann?"
„Ja."
„Sehen wir uns morgen?", fragte Benno gespannt. Er wusste nicht, ob seine Freunde das Haus verlassen durften. Bei sich selbst war er sich auch noch nicht so sicher. Noch immer lockte das Horrorbild des Försters viele Touristen in die Stadt und das Hotel war ausgebucht. Seine Eltern würden ihn sicher gerne beim Putzdienst einteilen.
„Ich komme", versicherte ihm Fria.
„Ich auch", sagte Lilia seufzend. „Aber nur mit Personenschutz, der mich bis vor die Tür der Schule begleitet."
Jasper schnaubte. „Dito."
Es war schrecklich, wie sich das Leben der Freunde entwickelt hatte. Irgendwie waren sie in den letzten Monaten von ganz normalen Jugendlichen zu Gesuchten eines verrückten Mörders mutiert.
Fria schüttelte sich bei diesem Gedanken. Hoffentlich war das alles bald vorbei.
„Gut. Dann bis morgen", sagte sie und legte auf.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top