Szene ④
Eine halbe Stunde später hatte es Benno geschafft, Fria zu beruhigen. Er hatte ein paar Worte mit Lilia gewechselt und sich dann an Jaspers Vater gewandt. Während die restlichen Polizisten den Tatort sicherten, war Jim Wittig schnell dazu übergegangen, sich um die Freunde zu kümmern.
Er hatte alle Eltern angerufen und berichtet, was soeben im Wald vorgefallen war. Jasper hatte er mehrfach davon abbringen müssen, in den Hütte neben dem See nach Hinweisen zu suchen. Sein Sohn war neugierig, aber die Polizei musste nun erst einmal die Spuren sichern, bevor sich andere Leute in der Hütte umsehen dürften.
Es hatte ihn einige Versuche gekostet, Jasper zu überzeugen, doch nun befanden sich die Freunde auf dem Nachhauseweg. Benno war froh darüber, dass Jim Wittig sie begleitete. Gerade nach einem weiteren Mord kam ihm ein Personenschutz ganz recht.
Fria lief neben Benno her und flüsterte irgendwelche Sätze vor sich hin. Nur wenn er ganz aufmerksam hinhörte, konnte er etwas verstehen. Fria schien sich selbst gut zuzureden.
„Wird die Schule morgen offen sein?", fragte Jasper von weiter vorne. Benno ärgerte es ein bisschen, dass sein Freund schon wieder daran dachte. Gab es gerade nichts Wichtigeres für ihn? Sicher konnte Jasper sowieso schon alles, was morgen an Stoff behandelt werden würde. Also warum wollte er unbedingt hingehen?
Jim seufzte. „Dieser Mordfall steht zwar in Verbindung zu den anderen, aber nicht in direkter Verbindung mit der Schule. Deshalb denke ich, wir können sie offenlassen. Aber Jasper? Du wirst morgen trotzdem nicht hingehen."
„Was? Warum?" Empörung lag in Jaspers Stimme, als er sich gerade abermals mit seinem Vater stritt.
Benno hörte gar nicht richtig zu. Ihm war es egal, ob er morgen zur Schule gehen würde oder nicht. Ein weiterer Mensch war gestorben. Weitere Antworten waren ihm entgangen. Wie konnte man da über Bildung nachdenken?
„Benno?", fragte Fria neben ihm heiser. Ihre Augen waren glasig. Sie zitterte leicht und ihr Kopf war vom vielen Weinen – trotz der Kälte – ganz rot. Schnell zog Benno seine Mütze ab und gab sie seiner Freundin. Diese zog sie über die schwarzen Haare und lächelte. „Danke."
„Kein Problem. Was wolltest du mich fragen?"
Fria wischte sich über die müden Augen. „Dieses weiße Kleid, was Martha trug..."
„Ja?"
„Ich habe es schon einmal gesehen."
Lilia neben ihnen hatte gerade wie so oft anteillos ihrer Unterhaltung gelauscht, doch jetzt schaltete sie sich ein. „Das habe ich mir auch schon gedacht. Malea hatte ein ähnliches an."
„Ich weiß. Aber das meine ich nicht." Fria zog die Mütze tiefer in ihr Gesicht. „Wir waren doch vor einigen Jahren an der Hochzeit von Bennos Tante eingeladen."
„Ja ...", überlegte Benno. Doch seine Tante hatte ein ganz anderes Hochzeitskleid getragen. Mit viel mehr Glitzer und Spitze. Ihm war das alles viel zu viel gewesen. Wenn er einmal heiratete, sollte das ohne viel Tamtam passieren.
„Bennos Cousinen, die Blumenmädchen. Sie trugen auch so Kleider. Nur in einer viel kleineren Größe und mit einem pinken Gürtel. Vielleicht sehen sie sich auch nur ähnlich und sind von einer ganz anderen Marke, aber eigentlich kann das nicht sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Schnitt identisch war."
Lilia machte große Augen. „Stimmt, Fria. Krass. Dann könnten wir so herausfinden, wo Bennos Verwandten sie herhatten und dort nachfragen, ob die Marke in letzter Zeit zwei Kleider nach Jesingen verkauft hat."
Benno freute sich zwar, dass seine Freundinnen so Feuer und Flamme für die Idee waren, doch da Jasper gerade fehlte, musste er den Part des Spielverderbers übernehmen. „Ihr wisst schon, dass der Förster sie einfach aus dem Internet haben kann? Und dass er sie gar nicht an seine Adresse hat liefern müssen? Sicher hat die Person auch hier ihre Identität vertuscht."
Fria wandte sich mit großen Augen zu ihm um, während ihm Lilia hinter Frias Rücken einen Vogel zeigte. Benno fühlte sich schlecht. Jaspers Rolle zu übernehmen, machte viel weniger Spaß als angenommen. Nächstes Mal könnte er sie hoffentlich wieder ihm überlassen.
Außerdem hatte Lilia recht. Jetzt hatte er Frias Enthusiasmus schon wieder verdorben. Dabei schien es ihr gerade wieder etwas besser zu gehen.
Schnell ruderte er zurück. „Natürlich werde ich meine Cousinen trotzdem gerne fragen."
Lilia lächelte. „Vielen Dank." In ihren Augen konnte man aber ablesen, dass sie Bennos Worte nur gerade so als Entschuldigung akzeptierte. Lieber hätte sie ihn für seine fehlende Empathie angeschnauzt.
Was war nur los mit ihm? Der Förster machte ihn noch verrückt. Von der Schule würden sie in einigen Wochen endlich eine Pause haben, wenn die ersehnten Weihnachtsferien eintrafen, doch würde sich auch der Förster freinehmen? Wahrscheinlich nicht. Wenn sie Pech hatten, würde es dann erst richtig losgehen. Vielleicht entführte er erneut ein paar Kinder, jetzt, wo ihm die alten abhandengekommen waren.
Benno schüttelte sich. Das war ein wirklich abscheulicher Gedanke. Jesingen hatte in den letzten Wochen schon genug Leid erfahren.
„Worüber denkst du nach?", fragte ihn Fria.
„Nichts Wichtiges." Er wollte darüber jetzt wirklich nicht mit ihr reden. Stattdessen versuchte er, ihr Gespräch in eine weniger heikle Richtung zu lenken. Er beschloss, sie und die anderen für nächste Woche ins Kino einzuladen. Filme zu gucken hatte Fria schon immer geholfen. Und die Freunde hatten schon lange nichts mehr zusammen unternommen, wenn man von der Entdeckung der Leichen absah.
Zufrieden mit sich selbst beobachtete Benno Jasper, der sich weiterhin mit seinem Vater stritt. Er lächelte, während er der Auseinandersetzung der beiden lauschte. Immerhin war das eine Sache, mit der Benno nichts zu tun hatte und die ihn nicht weiter störte.
Und es war etwas, was sich auch mit wachsender Bedrohung und voranschreitender Zeit nie änderte. Eine Konstante, an die Benno sich klammerte, so bescheuert es auch war.
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Hey! Endlich bin ich wieder da. Die Weihnachtsferien bringen mir ein wenig Zeit, die ich zum Schreiben nutzen kann. Ich hoffe, euch hat das neue Kapitel gefallen und ihr seid weiterhin gespannt. Im nächsten Part wird es wieder spannend. :)
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