Szene ⑤


Etwa eine Stunde zuvor waren Fria und Benno auf dem Reiterhof angekommen. Sie hatten Tilo begrüßt und waren dann mit ihm und Mala auf die Koppel gegangen.

Während Tilo Fria dabei geholfen hatte, auf Mala aufzusteigen, hatte Benno sich die Kamera geschnappt und einfach drauf los gefilmt. Auch wenn Fria diese Ausschnitte später vielleicht nicht verwenden würde, so waren sie doch eine schöne Erinnerung. Man konnte hier gut den Spaß erkennen, der sich in Frias Gesicht abgezeichnet hatte. Fest wie ein Sticker auf Papier hatte sich ein strahlendes Lächeln in ihr Gesicht geklebt.

Auch Benno genoss die Stunden in der Natur, denn normalerweise verbrachte er seine freie Zeit drinnen am Klavier. Die frische Luft und der seichte Wind waren eine willkommene Abwechslung.

„Was sollen Mala und ich denn gleich machen?", fragte Tilo, nachdem er Fria ein paar Runden auf seinem Pferd im Kreis geführt hatte.

„Vielleicht könntest du ein bisschen was über dich erzählen. Also einmal über dich persönlich, aber auch über deine Rolle im Film. Dann könnte ich das im Making-Off veröffentlichen."

Frias Tatendrang waren ganz neue Töne in Bennos Ohren. Obwohl Fria sich vorhin noch darüber beklagt hatte, dass sie bei ihrem Film nicht weiterkam, sprach sie nun schon von einem Making-Off. Anscheinend kamen ihr gerade viele neue Ideen.

„Klar, gerne." Tilo nahm den Hocker, den er Fria zum Aufsitzen bereitgestellt hatte und setzte sich damit neben Mala. „Was wolltest du mich denn schon immer mal fragen?"
Fria nahm grinsend Benno die Kamera ab und begann, Tilo mehr oder weniger gute Fragen zu stellen.

Eine Weile hörte Benno zu, doch als er merkte, dass sich die Fragen zu einer Art Flirten entwickelten, entschied er sich für einen Ausflug auf die Koppel.

Eigentlich hatten die Freunde nur aus Spaß damit angefangen, Fria und Tilo zu shippen, doch irgendwas lag zwischen den beiden wohl doch in der Luft. Doof nur, dass er niemanden hatte, mit dem er sich jetzt darüber austauschen konnte. Eigentlich war Fria diejenige, die ihre Freunde verkuppeln wollte und über mögliche Beziehungen nachdachte. Mit Malea hätte man darüber auch reden können, doch Lilia und Jasper? Besser nicht.

Benno fragte sich, was Suzanne wohl gerade machte. Heute Morgen in der Schule hatte sie gestresst geklungen. Auch sie schien der Schulstoff stark zu belasten. Vielleicht würde Benno sie später noch anrufen, dann könnte er versuchen, auch sie auf andere Gedanken zu bringen. Anscheinend war er ja ganz gut darin.

Als Benno weiter über die Koppel schlenderte, fiel sein Blick immer wieder auf die träumenden Wälder. Eine erste Baumreihe stand bereits wenige Meter hinter dem Zaun und Benno fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie wieder ohne Angst in die vertrauten Wälder gehen dürften.

Nachdem der Bunker nun gefunden war, vermutete die Polizei, dass auch der Förster aus dem Wald geflüchtet war. Also sollte dort eigentlich keine Gefahr mehr lauern.

Doch solange die schuldige Person nicht gefasst war, würde man sich wohl trotzdem unwohl ein einem dichten Wald fühlen. Benno selbst vermisste zwar das Baumhaus, doch seine Gesundheit und sein Überleben waren ihm wichtiger. 

Wenn er jetzt daran zurückdachte, wie die Freunde nach Maleas Tod noch zum Baumhaus gegangen waren, wurde ihm schlecht. Sie waren echt unvernünftig gewesen.

„Hey, wer bist du denn? Dich habe ich hier noch nie gesehen."
Benno hatte es nicht bemerkt, doch von hinten hatte sich ihm eine Reiterin genähert. Wie eine Göttin thronte die dunkelhäutige Schönheit auf ihrem braunen Pferd. Natürlich hatte Benno keine Ahnung, um welche Art es sich handelte. Dafür konnte er sich bei Pferden zu schlecht aus.

„Ich bin Benno. Ich bin nur wegen meiner Freundin Fria hier", antwortete er und nickte in die Richtung seiner Freundin. „Und wer bist du?"
„Kristina." Das Mädchen wollte absteigen, um Benno höchstwahrscheinlich ihre Hand zu geben, doch dieser hielt inne.

Beim Klang von Kristinas Stimme stellen sich ihm alle Haare zu Berge. Benno trat der Schweiß aus, als er die Tonlage in seinen Gedanken sortierte und verglich. Sie passte.

„Du ...", stieß er atemlos hervor. Sein Puls beschleunigte sich. „Du bist das Mädchen mit der schwarzen Kapuze."

Kristinas dunkle Augen weiteten sich, denn obwohl Benno geflüstert hatte, hatte sie ihn einwandfrei verstanden. „Nein ... ich ... das war ich nicht."

Benno lachte unsicher. „Das könnte jeder sagen. Und ich habe die Stimme des Kapuzenmädchens in meinem Gedächtnis gespeichert. Das warst auf jeden Fall du."

Man sah, wie Kristina mit sich rang. Ihr Kiefer malmte und sie sah unsicher von links nach rechts. Doch Benno war sich sicher. Je länger er die Stimme hörte, desto genauer konnte er es erkennen.

„Warum hast du das gemacht? Du hast mir eine ganz schöne Angst eingejagt." Benno war sich unsicher, wie er nun fortfahren sollte. Das Mädchen, was er gerade einer unschönen Tat beschuldigte, saß auf einem riesigen Tier, was ihn mit einem Befehl zertrampeln konnte. Er durfte jetzt nichts Unüberlegtes sagen.

„Ich war das nicht", dementierte Kristina wieder.

„Doch. Ich habe deine Stimme gespeichert."

„Bist du ein Roboter, oder was?" Nun zog die Reiterin die Nase kraus. „So lange du mir nicht meine angebliche Warnung, die ich euch gegeben habe, abspielen kannst, kannst du mir nichts nachweisen."

„Nein, ich bin kein Roboter." Benno lächelte unsicher. „Aber du hast dich gerade verraten. Ich habe nie von einer Warnung gesprochen. Nur von einem Mädchen mit einer schwarzen Kapuze. Dessen Existenz du übrigens nicht angezweifelt hast. Dabei könntest du gar nichts von ihr wissen, wenn du sie nicht selbst bist. Denn meine Freunde und ich haben niemandem von ihr erzählt."

„Trotzdem kannst du mir nichts nachweisen."

„Nein. Aber das brauche ich ja auch nicht. Sag mir einfach, warum du es gemacht hast. Warum hast du uns gewarnt? Willst du uns helfen? Weißt du etwas? Über einen neuen Plan des Försters?"

Kristina und ihr Pferd traten einen Schritt zurück. „Das war ich nicht."

„Oh doch." Langsam wurde Benno wütend. Er hatte doch bereits bewiesen, dass sie es gewesen war. Außerdem fiel ihm gerade noch etwas anderes ein. „Und nicht nur das. Ich bin sicher, du warst auch die Person, die vor ein paar Wochen die Lautsprecher im Wald versteckt hat, um die Pferde aufzuschrecken. Denn du warst an diesem Tag auf dem Reiterhof." 

„Viele Leute waren an diesem Tag auf dem Reiterhof", wich Kristina der Anschuldigung aus.

„Ja, aber du warst neu dort. Und mit dir erschienen der PC und die Lautsprecher." 

„Auch das kannst du mir nicht nachweisen." 

Benno kombinierte weiter, und in seinem Gehirn ratterten die Zahnräder. Plötzlich machte es klick, und er sah Kristina eindringlich an. „Da ist noch mehr. Du heißt eigentlich gar nicht Kristina. Stimmt's, oder habe ich recht? Dein eigentlicher Name ist Celine Rehberg und vor ein paar Wochen durftest du das erste Mal dein Gefängnis im Wald verlassen."

Jetzt setzte Kristinas Pferd ein paar weitere Schritte zurück. Die dunklen Augen verengten sich und der Dauerzustand von Abstreitung veränderte sich. Kristina sah plötzlich wild entschlossen aus.

Sie verstärkte den Griff um ihre Zügel, lehnte sich nach vorne und spannte die Muskeln an. „Du hast recht. Ich bin Celine Rehberg. Und ich werde nicht die letzte Gefangene des Försters sein. Also sei gewarnt, Benno Relotius." 

Mit diesen Worten lenkte Kristina das Pferd in eine Kurve, so dass sie Benno ausweichen konnte. Sie setzte zu einem schnellen Galopp an und in einem Eiltempo waren sie und das Pferd von der Koppel verschwunden.

Benno konnte es nicht glauben, als die enttarnte Celine geradewegs in den Wald hineinritt.

Fria und Tilo rannten auf ihn zu. Endlich schienen sie ihre Dreharbeiten unterbrochen zu haben. „Was ist denn passiert?"

Benno konnte es noch immer nicht glauben. „Kristina ist Celine. Celine Rehberg. Das Mädchen mit der schwarzen Kapuze. Und ich glaube, sie hat uns gerade wieder vor dem Förster gewarnt." 

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