Szene ③


Circa eine Stunde später saß Fria tatsächlich mit dem ersehnten Kuchen in ihrem Zimmer. Sie hatte sich sofort ein großes Stück davon abgeschnitten, nachdem ihre Mutter ihn aus dem Ofen genommen hatte. Noch dampfte der Kuchen, doch sobald er abgekühlt war, würde ihn Fria verschlingen.

Sie saß gerade auf ihrem Schreibtischstuhl und starrte vor sich auf den Laptopbildschirm. Es war das erste Mal, dass sie die Web-Version von Instagram geöffnet hatte und noch kam sie nicht damit zurecht.

Ihr Fuß tippte nervös, als sie Paulas Namen in das Suchfeld eingab. Irgendwie hatte Fria die Hoffnung, im Internet auf Informationen zu stoßen. Wenn sich Yasmin, Erik und Paula doch besser kannten als angenommen, hätten sie vielleicht mal etwas zusammen gepostet.

„Fria?", fragte Benno sie in dieser Sekunde. Die beiden telefonierten über Discord miteinander, weil Benno Fria zuvor mit ihren Musik-Hausaufgaben geholfen hatte.

Doch nun waren sie fertig und während Benno dazu übergangen war, Klavier zu spielen, spielte Fria Detektivin.

„Was ist denn?", fragte die junge Frau genervt. Ihre Augen flogen über den Bildschirm.

„Du brauchst mich erst mal nicht mehr für deinen Film, oder? Weil ich gerade in meinen Klavier-Terminkalender schaue und da in der nächsten Zeit nicht mehr viel frei ist." Benno hatte das Buch aufgeschlagen, welches immer auf dem kleinen Tisch neben dem Flügel lag. Dort trug er sich alle anstehenden Konzerte, Übungsstunden und Abgabe-Daten ein. Für Frias Film war in der nächsten Zeit wirklich kein Platz mehr. Fast jeden Tag hatte Benno irgendetwas zu erledigen.

Fria winkte ab. Sie redete leichthin, doch ihrem Herzen versetzte es einen Stich. Auch sie hatte gerade keine Zeit für ihren Film. „Kein Problem. Deine Kompositionen sind super. Die reichen vollkommen aus."

„Gut", antwortete Benno erleichtert und stimmte ein neues Lied an.

Fria war unterdessen ganz nach unten in Paulas Feed gescrollt und sah sich jedes Bild der Reihe nach an. Leider sah Paulas Feed jedoch aus, wie auch das Gehirn seiner Schafferin: Nur auf sich selbst spezifiziert. Auf jedem der Bilder sah man die junge Frau, wie sie mit einem frechen Grinsen mit der Kamera spielte.

Fria seufzte und gab dann Eriks Namen in das Suchfeld ein. Beim Computernerd erhoffte sie sich nicht allzu viel. Er teilte höchstens den PC in seiner Story, an dem er als nächstes schrauben würde. Bilder hatte er gar keine.

„Warum legen die alle so wenig Wert auf ihr öffentliches Auftreten?", fragte Fria und griff nach ihrem Kuchen.

Benno ließ sich nicht von seinem Spielen abbringen und antwortete, während er seine Finger über die Tasten rasen ließ: „Bist du nicht sonst immer genervt von Influencern?"

„Ja, aber nur, weil viele von ihnen ihre Reichweite für das Falsche nutzen. Gegen ein paar Bilder und Storyhighlights habe ich nichts. Die mache ich ja selbst. Außerdem könnte ich meine Verdächtigen dann jetzt besser ausspionieren." Fria suchte nun nach Yasmins Namen, hatte die Hoffnung aber bereits aufgegeben. Sicher würde die junge Frau, wie ihr Freund Erik, keine Zeit für ihre Instagramseite verschwenden.

„Du drehst es dir auch immer so, wie du es gerade brauchst."

„Ja", gab Fria zu. In ihrem Gesicht erschien ein Grinsen, als sie endlich etwas entdeckte. „Aber durch meine Recherche sind wir viele Schritte weitergekommen."

Benno stoppte. Fragend drehte er sich Richtung Laptop. „Du hast etwas herausgefunden?"

„Oh ja." Triumphierend setzte sich Fria in ihrem Stuhl zurück. „Es hat zwar nichts mit Paula zu tun, aber Yasmins Instagramseite ist sehr aufschlussreich."

„Sekunde." Sofort griff Benno nach seinem Handy. „Welchen Post meinst du", fragte er, während er sich durch Yasmins Profil klickte.

„Den an der Firmung. Ich hatte ganz vergessen, mit wem Yasmin verwandt ist."

Das Bild zeigte das angesprochene Mädchen im Kreis ihrer Familie vor der katholischen Kirche Jesingens. Neben der Mutter und dem Vater waren auch Yasmins Tanten und Onkel gekommen. Mehrere von ihnen besaßen sogar einen eigenen Instagram-Account, weshalb Yasmin sie im Bild verlinkt hatte.

Als Benno unter den Namen denjenigen erkannte, den Fria gemeint hatte, musste er schlucken. „Yasmins Tante ist Gerta Kiesbauer."
„Ja. Und das ist die Mutter von Martha Kiesbauer. Das Mädchen aus dem Bunker."

„Krass", sagte Benno beeindruckt. „Das ist interessant."

„Aber bringt es uns weiter? Yasmin war noch nicht einmal geboren, als Martha entführt wurde. Sie war es bestimmt nicht." Sofort war Frias Enthusiasmus wieder verschwunden. Gerade schien ihr nichts zu gelingen. Selbst wenn sie etwas herausfand, war es im Endeffekt nur unwichtiger Quatsch.

Doch Benno heiterte sie sofort auf. „Hey, aber vielleicht hat Yasmin trotzdem etwas damit zu tun. Wie haben ja noch Zeit, dass herauszufinden."

„Langsam läuft die Zeit mir aber echt davon." Frias Kuchen war leer und ihr Gespräch mit Tilo kam ihm wieder in den Sinn. „Weder für die Schule noch für mein Hobby habe ich im Moment sonderlich viel Zeit."

Benno merkte, wie Frias Stimmung immer weiter kippte. Ihr schien es gerade wirklich nicht gut zu gehen. „Ich bin sicher, es werden auch wieder andere Zeiten anbrechen."

„Wahrscheinlich. Aber es wird trotzdem nie mehr sein wie früher."

Ohne Malea.

Benno hätte seine beste Freundin gern umarmt. Fria machte gerade viel durch und er konnte ihr nicht wirklich gut helfen. Denn sowohl die Trauer als auch den Zeitstress, erfuhr er selbst.

Da kam Benno eine Idee. „Hast du heute noch was vor?"

„Natürlich. Ich muss Englisch-Hausaufgaben machen ... für die Musikarbeit lernen ... den Müll rausb..."

„Super. Also nein", schnitt Benno ihr lachend das Wort ab. „Ich komme gleich bei dir vorbei und gemeinsam gehen wir zum Reiterhof. Dann können wir Zeit miteinander verbringen und du kannst deinen Film weiterdrehen. Vielleicht ist Tilo ja auch da."

„Tilo ist da", antwortete Fria langsam. Das wusste sie, weil Tilo vorhin vom Reiterhof aus angerufen hatte. Außerdem wohnte er quasi dort.

Kurz überlegte Fria, ob sie sich den freien Tag leisten konnte. Sie war bereits einkaufen gewesen und hatte beim Kuchenbacken geholfen. Wenn sie jetzt noch einen Ausflug zum Reiterhof machte, müsste sie die Charakterisierung für Englisch, die sie seit mehreren Tagen schreiben sollte, wieder auf morgen verschieben.

Doch der Nachmittag mit Benno und Tilo würde ihr guttun, das spürte die junge Frau. Es führte kein Weg daran vorbei, mal wieder etwas Spaß zu haben. „Also gut, dann ab zum Reiterhof", verkündete sie lachend und verabschiedete sich von Benno.

Die passende Kamera für den Ausflug war schnell gefunden und mit der Verabredung stieg Frias Mut. Vielleicht hatte sie die Entdeckung rund um Yasmin ja doch weitergebracht. Immerhin wussten sie nun, warum das Mädchen Paranoia gegenüber Entführungen hatte. Denn als Jasper vor Wochen mit ihr und Erik geredet hatte, war sie sich sicher gewesen, dass mit Lani etwas Unnatürliches passiert war. Dabei musste zu dieser Zeit noch keiner vom Förster.

Als es klingelte, schnappte sich Fria noch schnell eine Jacke und begrüßte dann Benno auf der Straße. Endlich würde sie mal wieder einen schönen Nachmittag haben! Das dachte sie zu diesem Zeitpunkt zumindest noch. 

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