Szene ③


Hans Verhaag hatte in den wenigen Minuten, in denen das Video nun schon lief, seines Lebens und Leidensgeschichte erzählt. Die Ereignisse schienen kein Ende zu nehmen, und doch war man noch nicht an einem Punkt angelangt, an dem irgendetwas einen Sinn ergab.

Die Freunde klebten förmlich am Bildschirm, als Hans seinen Monolog wieder aufnahm.

Larissa tauchte tagelang nicht wieder auf. Ich war krank vor Sorge.

Celine hingegen erschien jeden Tag pünktlich zum Abendbrot. Wie genau sie in den Bunker hinein und am Morgen wieder hinauskam, verriet sie uns nicht.

Irgendwann erhielt ich wieder eine Nachricht vom Förster. Er zwang mich, Malea nun wirklich zu töten, sonst würde er Larissa umbringen.

Zu diesem Zeitpunkt war meine Entscheidung schneller getroffen als beim letzten Mal. Malea lag sowieso schon im Koma. Es war die Frage, ob sie irgendwann überhaupt aufwachte.

Larissa hingegen war kerngesund und außerdem teilte ich meine Geschichte mit ihr."
„Sekunde", sagte Jasper und klickte auf Pause. „Das ergibt keinen Sinn. Lani war zu diesem Zeitpunkt schon tot. Malea starb Tage nach ihr. Warum wollte Hans sie retten?" Natürlich hatte er die Informationen in Sekundenschnelle kombiniert.

„Das stimmt", entgegnete Lilia. „Ich nehme an, der Förster hat Hans belogen, damit er kurzen Prozess mit Malea macht. Er war von der Außenwelt abgeschnitten und wusste nicht, dass der Förster selbst Lani bereits getötet hatte."

Fria nickte. „Kann schon sein. Aber ihr vergesst, dass er die Nachricht an die Schulwand geschrieben hat. Lanis Blut ist euer Blut. Das war ganz klar er auf dem Video. Also wusste er, als er Malea das Leben nahm, dass Lani tot ist."

Benno raufte sich die Haare. „Stimmt. Stimmt. Stimmt. Aber wie kann das sein?"

„Das habe ich auch noch nicht herausgefunden." Lilia zupfte ein weiteres Blütenblatt von der Blume in ihrer Hand. „Aber das soll euch nicht aufhalten. Bitte guckt euch das Video weiter an. Jetzt wird es ernst."

„Also gut." Jasper drückte auf den ON-Knopf.

Der Förster leistete die Vorarbeit zu Maleas Tod. Er sabotierte die Kameras im Krankenhaus, organisierte mir ein Auto, eine Wanne und ein Ballkleid.

Mit meinem Ausweis, der gerade so noch gültig war, bewies ich an der Rezeption meine Identität und wurde dann von einer Krankenschwester in Maleas Zimmer geführt. Offensichtlich kannte sie mich nicht. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn ich einem bekannten Gesicht begegnet wäre. Meine alte Freundin Elsa arbeitete damals als Ärztin in Jesingens Krankenhaus. Ihr wäre sofort aufgefallen, dass meine bloße Anwesenheit Gefahr bedeutete. Immerhin war ich von der Polizei vor neun Jahren für tot erklärt worden. Aber wahrscheinlich hatte der Förster das bedacht und dafür gesorgt, dass mich niemand erkannte.

Bei Malea angekommen, klemmte ich sie von den Geräten ab und verschwand mit ihr durch den Krankenhausgarten in den Wald. Dort parkte das Auto, in welchem ich mit ihr tiefer in das Kiefernlabyrinth fuhr. Auf einer Lichtung parkte ich, wusch sie und zog ihr das Kleid über.

Bereits jetzt atmete sie nicht mehr. Sicher war sie schon tot. Die fehlende Unterstützung der Geräte hatte sie umgebracht.

Wobei, eigentlich hatte ich sie umgebracht.

Ich habe meine eigene Tochter ermordet."

Hans Hände wanderten zu seinem Gesicht und er versteckte sich hinter ihnen, während er leise weinte.

„Ich kann mir das nicht länger ansehen", kommentierte Benno und drückte wieder auf den Pause-Knopf.

„Benno bitte. Auch die letzte Minute ist wichtig."

„Wir schaffen das", sagte Fria und legte den Arm um ihren Freund. Dabei standen ihr Tränen in den Augen. „Für Malea."

Flüsternd antwortete ihr Benno: „Also gut. Für Malea."

Jasper startete das Video ein letztes Mal.

„An diesem Abend ging ich wieder zum Bunker und wurde das erste Mal nicht mit einer Betäubungskugel abgeschossen. Der Förster ließ mich ganz allein den Eingang benutzen.

Dort entdeckte ich meine Kamera. Sie lag neben ein paar anderen Gegenständen auf einem Regal, kurz vor dem Eisengitter.

Ich nahm die Kamera mit mir und entschied mich sofort dazu, dieses Video zu drehen. Endlich fühlte ich mich in der Lage, meine Erlebnisse aufzuzeichnen. Doch dann ..."
Hans löste seine Hände von seinem Gesicht und man sah, wie die Tränen seine Wangen nach unten kullerten.

„Wieder lag ein Brief des Försters vor meiner Tür. Er dankte mir erst dafür, Malea aus dem Weg geschafft zu haben. Doch dann teilte er mir eine erschreckende Neuigkeit mit.

Larissa war gestorben. Angeblich hatte ein Jäger sie für ein Wildschwein gehalten.

Doch nicht eine Sekunde dachte ich daran, dieser Erklärung zu glauben. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass der Förster selbst dahintersteckt. Er hat Larissa getötet und mich dann damit erpresst und belogen, sie gefangen gehalten zu haben.

Den Rest der Nacht habe ich mit dem Weinen verbracht. Meine Augen waren danach staubtrocken.

Niemand will sich vorstellen, wie es ist, seine Tochter zu verlieren. Und ich habe beide in nur einer Nacht verloren. Es gibt keine Worte, um meinen Schmerz zu beschreiben."
Oh Gott ist das grässlich." Fria hatte nun ebenfalls damit begonnen zu weinen. Auch in Bennos Augen glitzerten Tränen.

Jasper legte schützend seine Hand auf Frias Bein, wobei diese weiterhin Benno in den Armen hielt.

Lilia betrachtete ihre Freunde aufmerksam. So ähnlich hatte sie auch reagiert, nachdem sie das Video ein paar Mal angesehen hatte. Die ersten Male hatte sie nicht wirklich was aufnehmen können, doch dann hatte es irgendwann klick gemacht.

Sie würde die Freunde nun gerne in Ruhe lassen, doch ein paar letzte Sätze hatte Hans Verhaag noch übrig. Und auch diese waren wichtig.

„Ich habe ein paar Stunden gebraucht, um das alles zu verarbeiten. Aber jetzt bin ich endlich bereit, über alles zu reden. Ich trage eine unglaubliche Wut in mir und niemand kann mich stoppen.

Ich muss etwas unternehmen, sonst werde ich hier unten noch verrückt. Ich werde den Förster stoppen. Komme, was wolle. Jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren.

Für heute werde ich mich verabschieden und wenn ihr bis jetzt nichts mehr von mir gehört habt, war das wohl ein endgültiger Abschied. Ich habe versagt und der Förster spielt sein dreckiges Spiel weiter. Möglicherweise sogar mit neuen Opfern.

Was aus Martha und Celine wird, weiß ich auch nicht. Möglicherweise bringt der Förster sie um, nur, um sich an mir zu rächen.

Hoffentlich kann man sie retten. Hoffentlich könnt ihr sie retten."

An dieser Stelle sah Hans lange und eindringlich in die Kamera. Sein hageres und mittlerweile von grauen Haaren umrundetes Gesicht und die von Schmerz gezeichneten, rotgeweinten Augen sah man auch bei der schlechten Belichtung. Alles an ihm deutete auf das Leid hin, was ihn nun schon seit neun Jahren begleitete.

„Ich bin mir gerade sehr sicher, dass mein Leben nicht mehr lange andauern wird. Doch mit mir soll die Wahrheit nicht sterben.

Verbreitet dieses Video, zeigt es der Polizei. Reißt den Bunker in Stücke, damit nie wieder jemand dort unten eingesperrt wird. Helft!

Und vergesst nicht: Findet den Förster, sonst werden Lanis und Maleas Blut zu eurem Blut!"

Das Video war zu Ende und die Kamera schaltete sich aus. 


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Hey! 

Das war es jetzt erst mal mit Hans' Geschichte. In diesem Video hat er alles gesagt, was ihm so auf der Seele brannte. 

Wahrscheinlich sind das jetzt erst mal viele Informationen, aber mir war wichtig, wirklich alles von der Geschichte zu erzählen. 

Trotzdem bleiben natürlich noch viele Fragen, die sich aber im Laufe des Buches noch klären werden. 

Ihr könnt Vermutungen ja gerne mal in die Kommentare schreiben. 

Was ist jetzt mit der Nachricht an der Schulwand?

Und was hat es mit dem Förster auf sich? 

Ich freue mich über jede Idee, wie abwegig sie auch sein mag. 

Bis zum nächsten Mal!


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