Zoe ♡

Als ich nach dem Treffen mit Hannah nach Hause gekommen war, hatten Mum und Julian bereits angefangen Weihnachtsplätzchen zu backen. Ich hatte ihnen dann zwar dabei geholfen, war aber überhaupt nicht bei der Sache gewesen. Ich könnte jetzt nicht mal mehr sagen, was für Plätzchen es gewesen waren. Ich war mit meinen Gedanken die ganze Zeit nur bei Hannah und diesem Gedankending, was auch immer das war. Ich habe die ganze Zeit überlegt, was es damit auf sich haben könnte, einfach nur weil wir Zwillinge waren? Ich war mir total unsicher gewesen, bin ich jetzt immer noch. Ich wusste nur jetzt, wie ich mich in ihre Augen schleichen konnte, was nicht wirklich schwierig war. Einfach genau daran denken und dann ist es auch schon passiert. Fertig aus! Mehr brauchte man darüber nicht zu wissen. Mehr wusste ich darüber auch nicht.

Ich schaute aus dem großen Gondelfenster nach unten auf die dicke Schneeschicht, die den ganzen Berg mit Watte umhüllte. Ich freute mich so sehr aufs Skifahren, was wir heute endlich machen wollten. Es war noch relativ früh am Morgen und die Sonne spinkste gerade hinter dem Berg hervor. Der Schnee leuchtete wie eine riesengroße Lichterkette, die die innere Stadt des Berges beleuchten sollte. Die kleinen Eiskristalle funkelten mir entgegen und riefen mich regelrecht zu sich. Ich lachte sie an und versprach ihnen in Gedanken so bald wie möglich ihre Bekanntschaft zu machen. Darüber musste ich jetzt selber lachen. Versprach ich gerade gefrorenem Wasser, es kennenzulernen? Naja, was soll's!

Ich schaute in die lachenden Gesichter meiner Familie, die sich offenbar genauso über den Schnee und das Funkeln da unten freuten, wie ich. Mein Lächeln wurde nur noch breiter. Erst als die Gondel einen Satz machte und es über uns ordentlich rumpelte, merkte ich, dass wir oben angekommen waren. Hastig griff ich nach meinen Skiern und den Stöcken und quetschte mich durch die noch nicht mal ganz geöffnete Tür.

Überglücklich stolzierte ich über die Schneepracht und genoss es, bei jedem Schritt ein wenig einzusinken. Das herrliche knautschende Geräusch, welches der Schnee bei jedem Schritt von sich gab, hatte auf mich irgendwie eine beruhigende Wirkung. Ich drehte mich einmal im Kreis und lachte der Sonne ein zweites Mal entgegen, bevor ich mich meiner Familie anschloss, die sich bereits auf den Weg zur ersten Route machte.

Ich schaute die Piste hinunter, für den Anfang gar nicht so schlecht, auch wenn ich mir zu hundert Prozent sicher war, dass ich das Skifahren nicht so sehr verlernt hatte, wie das Schlittschuhfahren.

Voller Vorfreude schnallte ich mir meine Skier an die Schuhe, setzte mir meine Skibrille auf und nahm die Stöcke richtig in die Hand. Ich beobachtete meine Eltern, die sich abstießen und anfingen, den Berg hinunterzujagen. Mit voller Überzeugung gab ich mir von hinten einen Ruck und schob meine Skier nach vorne ... und prompt blieb ich mit dem linken Ski am rechten hängen und fiel der Länge nach in die weiche Schneedecke, die unter mir ein kleines bisschen nachgab.

Ich hätte gleichzeitig lachen und heulen können. So schwer konnte das doch nicht sein! Deprimiert stand ich auf und setzte zu einem zweiten Versuch an, diesmal etwas langsamer und vorsichtiger. Es klappte, ich kam langsam an Tempo und auch die Kurven funktionierten erstaunlich gut. Der Schnee spritzte bei jedem Richtungswechsel ein wenig zur Seite und ich hatte endlich dieses befreiende Gefühl wieder, welches mir den ganzen Sommer zu Hause gefehlt hatte.

Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, nur um sie ein paar Sekunden später wieder hektisch zu öffnen, vor lauter Angst gegen etwas zu fahren.

Der Wind spielte mit meinen Haaren und die Sonne schien regelrecht mit dem Wind zu spielen. Ich steuerte immer mehr den einen Punkt da unten am Ende der Piste an, verpasste die ein oder andere Kurve und wurde immer schneller. Das Gefühl an grenzenloser Freiheit nagte an mir und schien mich nicht in Ruhe lassen zu wollen. Mit einer extrem engen Kurve reduzierte ich mein Tempo und wäre dabei fast vornübergekippt. Lachend hielt ich mich aufrecht und wackelte nur ein bisschen gefährlich hin und her. Ich starrte auf den Boden, der nur so an mir vorbeizuzischen schien.

Die vielen Kristalle, denen ich endlich „Hallo" sagen konnte und das grelle weiße Licht, welches in mein Auge leuchtete, mich aber nicht blendete, erinnerten mich an ein Erlebnis in einem Kinderskikurs, den ich früher besucht hatte. Damals war ich gerade mal sieben gewesen und hatte vom ganzen Skizeug noch so gut wie keine Ahnung gehabt. Damals war ich aber auch gefühlt nach jedem kleinen Stolperer auf dem Bauch gelandet. Immer auf dem Bauch! Ich hatte das damals total lustig gefunden und musste auch jetzt noch immer grinsen, wenn ich darüber nachdachte. Meine Aufmerksamkeit lenkte sich auf die Umgebung, an der ich vorbeiglitt. Diese herrlich bepuderten Berge, die in allen Richtungen, egal wo ich hinschaute, zu sehen waren und förmlich bis in den Himmel hinaufzuragen schienen.

Diese ganzen verschiedenen Welten, die es da oben gab, die ganzen Tiere, die verschiedenen Wetterlagen, die unterschiedlichen Temperaturen, Höhlen, die Gletscher und so vieles mehr. Genau das war es, was mich so dermaßen glücklich machte. Und die Sonne, die die Erde erwärmte, auf der der Schnee trotzdem in Massen liegen blieb. Und die vielen verschiedenen Möglichkeiten, die der Schnee einem öffnete. Schneemann bauen, Schlittschuh oder Schlitten fahren, Ski fahren, so wie wir und noch weit mehr Sachen, die ich noch nie ausprobiert hatte.

Mein Blick glitt wieder auf meine Skier, die die Bewegungen wie von selbst zu machen schienen und denen es auch überhaupt nichts mehr ausmachte, dass das Tempo immer höher wurde. Die sich wie von selbst quer stellten, als sie das Ende der Piste erreicht hatten und schließlich von selbst zum Stehen kamen, ohne auch nur ansatzweise zu wackeln. 

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